Unwort: "Zwangsprostitution" vs. Bordelle im KZ
- Marc of Frankfurt
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Junior-Partner von Harald Schmidt im Focus-Interview
Oliver Pocher lästert:
"Schmidt & Pocher“ werde es nicht ewig geben, sagte der 30-Jährige. Er habe Schmidt schließlich nicht geheiratet. Mit 20 Sendungen im Jahr sei er jedenfalls nicht ausgelastet. „Ich würde gerne mehr machen. Aber die ARD ist noch langsamer als die Privaten. Da ist die Bürokratie doch oft kontraproduktiv.“ Tatsächlich beschäftige sich beim Fernsehen kaum mehr einer mit Inhalten. „Es dreht sich ums Geld“, so Pocher. Das gelte bei den Öffentlich-Rechtlichen ebenso wie für die Privaten. „Und das treibt ProSiebenSat.1 von der Prostitution in die Zwangsprostitution.“
focus.de/kultur/medien/focus_aid_263487.html
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"Schmidt & Pocher“ werde es nicht ewig geben, sagte der 30-Jährige. Er habe Schmidt schließlich nicht geheiratet. Mit 20 Sendungen im Jahr sei er jedenfalls nicht ausgelastet. „Ich würde gerne mehr machen. Aber die ARD ist noch langsamer als die Privaten. Da ist die Bürokratie doch oft kontraproduktiv.“ Tatsächlich beschäftige sich beim Fernsehen kaum mehr einer mit Inhalten. „Es dreht sich ums Geld“, so Pocher. Das gelte bei den Öffentlich-Rechtlichen ebenso wie für die Privaten. „Und das treibt ProSiebenSat.1 von der Prostitution in die Zwangsprostitution.“
focus.de/kultur/medien/focus_aid_263487.html
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und das schlimmste ist diese Zwangsumlage von der GEZ, die ich boykottiere und daß du nicht per Knopfdruck entscheiden kannst was du als Sendung "kaufen" willst.
Radio hören und Internet. Hab keinen Fernseher mehr!
im Zorn, Hanna
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Augen gab uns Gott ein Paar / um zu schauen rein und klar / um zu GLAUBEN was wir lesen / wär ein Aug' genug gewesen (aus HH. zur Teleologie)
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Unwort "Zwangsprostitution"
Mir fällt auf, dass zunehmend das Unwort "Zwangsprostitution" verwendet wird. Ob von der Presse, von SW und deren Kunden....Damit wird automatisch suggeriert, Prostitution habe was mit Zwang zu tun.
Es gibt keine "Zwangsprostituierte", es handelt sich um Opfer, um SexsklavInnen.
Lest mal hier ein Redemanuskript der Monika Gerstendörfer:
Internationaler Hurentag, 2. Juni 2006, Weißfrauenkirche, Frankfurt Main
Vortrag: Der verlorene Kampf um die Wörter
Über "Zwangsprostitution", "Kinderschänder", "Sextouristen" und andere Unwörter
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich möchte mich zunächst für die Einladung bedanken. Hier in der Weißfrauenkirche habe ich schon einmal einen Vortrag halten dürfen. Ich habe nachgesehen. Es war im März 1998. Damals habe ich schon gegen diese unsägliche Vermischung der Kategorien "Gewalt" und "Sexualität" gewettert. Bei dem heutigen Thema gehen wir von der Sprache, von unserer Sprachführung aus; und werden erneut bei dieser Problematik landen, die ich inzwischen als Eintopf-"Philosophie" bezeichne. Außerdem möchte ich mich gleich outen: Ich bin Fußballfan. Seit meiner Kindheit. Für diese WM habe ich sogar einen Fußballkrimi geschrieben. "Das Ende der Fahnenstange". Er ist in einer Anthologie "Mords-WM" des Beluga Verlags unlängst erschienen.
Bitte lassen Sie mich nun ohne Umschweife zur Sache kommen. Das Thema lautet: "Der verlorene Kampf um die Wörter - Über "Zwangsprostitution", "Kinderschänder", "Sextouristen" und andere Unwörter".
Und hier gleich die zentrale Frage:
Warum sind Wörter, Begriffe, um ein Phänomen zu bezeichnen; die ganze Art, wie wir über etwas sprechen, so wichtig? Die Antwort lautet:
Sprache schafft und spiegelt Wirklichkeiten; auch Gewaltwirklichkeiten!
Diese Erkenntnis aus Sprachpsychologie und Psycholinguistik gibt es nicht erst seit gestern. Sie ist jedoch viel zu wenig verbreitet und wird kaum bewusst reflektiert. Aber da Sprache etwas Lebendiges ist, lässt sie sich auch verändern. Das ist die gute Nachricht. Doch es geht langsam. Ich habe beispielsweise im Jahr 1989 die Begriffe "Pädokriminalität", "Pädokriminelle" usw. erfunden und in die Welt gesetzt. Nach nunmehr 15 Jahren(!) setzt sich das langsam durch; aber vor allem wird wegen dieser sprachlichen Neuvorschläge vermehrt über das tatsächliche Problem – nämlich sexualisierte Kindesmisshandlung und angebliche Pädophile, also Kinderliebende - diskutiert. Nicht selten in aggressiver Weise. Aber das macht nichts. Wichtig ist, dass der Taburahmen gesprengt wird. Dies zur Einführung.
Die spannende allgemeine Frage lautet:
Welche (Gewalt)Wirklichkeit/en schafft und spiegelt denn die Sprache, unsere Sprachführung, die Art und Weise, wie wir „darüber“ reden – und vor allem: für wen? Sind es Wirklichkeiten, die wir oder bestimmte, einflussreiche Gruppen so – und nicht anders! - gerne hätten?
Sind es Wirklichkeiten, die der Sicht der Gewaltopfer gerecht werden? Letzteres, und das wissen Sie aus Ihrer Berufspraxis, ist selten der Fall.
So ist ein sog. "Sextourist" aus der Sicht einer betroffenen Frau oder eines betroffenen Kindes keineswegs nur ein Tourist. Und mit Sex hat das, was sie während der Zurichtung durch einen solchen Täter empfinden, absolut nichts zu tun. Ihre Empfindungen sind Angst – nicht selten Todesangst –, Ekel, Demütigung, unerträgliche körperliche Schmerzen u .v.m.
M.a.W.: Durch solche harmlos klingenden Wörter wie der "Sextourist" werden reale Gewaltakte bagatellisiert. Fatal! Denn die zunächst "nur" sprachliche Bagatellisierung führt immer zu einer Entkriminalisierung. Des Täters und der Tat!
Tourismus ist etwas anderes. Sex auch. Das Namenstäfelchen "Sextourismus" verschleiert und bagatellisiert also die Gewaltwirklichkeit; und ist damit ein Unwort.
Neben der Bagatellisierung und der Entkriminalisierung von Täter und Tat ist eine weitere Auswirkung solcher Unwörter die:
Ob Vergewaltigung, sexualisierte Kindesmisshandlung, Frauenhandel, Gewalt in Ehe und Partnerschaft... - immer ist die verwendete Sprachführung - die Wörter, die wir zur Beschreibung benutzen – auch kompatibel zu der Art und Weise, wie die Opfer behandelt werden.
(Hinweis auf späteres Ratespiel, das die Geschichte, die Herkunft, beleuchtet) Unser Thema hier macht die Sache nochmals komplexer. Denn: Wer professionell arbeitende Huren, Sexarbeiterinnen, über die Sprache – also durch Begriffe – in einen Topf mit Gewaltopfern steckt, viktimisiert und diskriminiert diesen Berufstand und die dort arbeitenden Frauen. Das ist unverantwortlich, weil es Auswirkungen hat. Negative. Sog. "Zwangsprostituierte" (besser: Sklavinnen) sind keine Sexarbeiterinnen. Das, was sie tun, sind gar keine "sexuellen Dienstleistungen". Es handelt sich um Gewalt, die sie erleiden (Passivum!) müssen. Eine fortgesetzte Misshandlung ist das. Der Begriff "Prostituierte" ist hier fehl am Platz; genauso wie die Kategorie "Sexualität“" Das, was Sexarbeiterinnen tun, ist: sexuelle Dienstleistungen anbieten (Aktivum). Hier ist die Kategorie "Gewalt" fehl am Platz.
Wenn Prostituierte während ihrer Berufsausübung Gewalt erleiden, dann ist dies zunächst unabhängig vom Beruf selbst zu betrachten. Die Tatsache, dass zahlreiche
Frauen, ob nun in Männerdomänen oder in frauentypischen Berufen täglich an ihrem Arbeitsplatz sexuell belästigt werden, führte ja auch niemals dazu, die jeweiligen Berufe als Gewaltverhältnis an sich zu definieren. Und die Tatsache, dass Prostituierte vermehrt männlicher Gewalt ausgesetzt sind (besser: werden!), hat mit der Rolle der Frauen in den patriarchalen Gesellschaften zu tun und mit den von Angst durchwobenen Mythen zu Sexualität und Gewalt.
Es ist vor diesem Hintergrund nicht zufällig, dass der "Beruf" der Hausfrau, die Rolle der Ehefrau und die Rolle der Prostituierten tatsächlich die objektiv größte Gefahr darstellt, Opfer von Vergewaltigung und anderen Formen der Misshandlung zu werden. Empirische Studien, die das beweisen, gibt es dazu mittlerweile in Hülle und Fülle (vgl. u.a. die KFN-Studie 1995).
Im Grunde können wir mit Fug und Recht behaupten, dass die von Männern erfundenen und propagierten Mythen je nach Bedarf Sexualität oder Gewalt ausblenden, und das wird von Frauen und bestimmten Frauenorganisationen bedauerlicherweise auch noch zementiert.
Wir dürfen gespannt sein, wie lange diese sprachlichen und konzeptuellen Differenzierungen noch "gepredigt" werden müssen, damit sie Eingang in das Gedankengut finden, um endlich entsprechend differenzierte Maßnahmen zum Wohle der Frauen treffen zu können.
Ich erwähne die Hausfrauen nicht umsonst!
Wussten Sie, dass während der WM die sog. Häusliche Gewalt (die im Übrigen wenig "häuslich" ist) steigen wird? Es gibt Studien, die zeigen, dass Männer insbesondere nach gewonnenen Spielen ihrer Mannschaft gewalttätig gegen ihre Partnerin werden. Haben Sie von einer hierzu längst überfälligen Kampagne für die WM gehört? Wäre das nicht eine unglaubliche Chance gewesen?
Und weiter in der sprachlichen Verwirrung: Wer Freier von Sexarbeiterinnen in einen Topf mit Vergewaltigern und Misshandlern steckt, spricht und handelt unverantwortlich und muss sich daher die Frage gefallen lassen, ob er/sie tatsächlich ein Anliegen hat, das sich gegen Gewalt richtet und für die Menschenrechte sein soll?
Und was gerne vergessen wird:
Solche Sichten führen auch dazu, dass Sexarbeiterinnen, denen Gewalt angetan wurde, keine Anzeige erstatten, weil auf Huren spezialisierte Gewalttäter – ja, die gibt es! – so weiter machen können. Damit sind Menschenrechtsverletzungen gegen Huren vorprogrammiert.
An diesem Beispiel sehen wir, dass es auch umgekehrt geht: Also nicht eine sprachliche Bagatellisierung mit nachfolgender Entkriminalisierung, sondern eine klare Kriminalisierung – von Sexarbeit!
... dieses lächerliche, angebliche Heilmittel der Freierbestrafung...
Nur zur Erinnerung: das Beispiel Schweden. Dort bejubelte man/frau 1997 die eigentlich uralte "Idee", künftig die "Käufer sexueller Dienste" zu kriminalisieren. Geldbußen und Haftstrafen bis zu sechs Monaten sollten die Mittel sein. Theoretisch! In allen Ländern, in denen diese Strafrechts-"Philosophie" gilt (z.B. Indien), sieht es in der Praxis ganz anders aus:
Die Strafrechtsgesetze werden auf die Männer so gut wie nicht angewendet; geschweige denn, dass der Strafrahmen ausgeschöpft würde. Tatsächlich ist es so, dass es die Frauen sind, die mit weiteren Varianten von Unterdrückung, Repressalien und Kriminalisierung zurecht kommen müssen. Aber diese empirischen Fakten wurden und werden einfach ignoriert. Sie passen nicht ins "Konzept", nicht in die Ideologie (vgl. Wijers et al. 1997).
Dass die Kriminalisierung der "Freier an sich" sowohl den Berufsstand als auch die Frauen erneut zu Außenseiterinnen dieser Gesellschaft macht und eine Prostituiertenselbsthilfe unter solchen Rahmenbedingungen nahezu unmöglich wird, scheint auch nicht zu interessieren.
Unterstellt wird auch, dass Freier grundsätzlich nicht zwischen professionellen Sexarbeiterinnen und sog. Zwangsprostituierten unterscheiden können. Auch das ist falsch. Selbstverständlich gibt es Männer, denen das einerlei ist. Aber es sind nicht "die Männer" oder "die Freier", denen es egal ist. Solange man bei den Freiern nicht differenziert, wird man auch den Opfern der "Prostitution" nicht helfen können.
Um tatsächliche Vergewaltiger und sonstige Misshandler zu bestrafen, braucht man kein zusätzliches Gesetz. Man sollte nur endlich einmal konsequent verfolgen und bestrafen. Wer Akten und Urteilsbegründungen der letzten Jahrzehnte kennt, weiß, dass Richter bei Vergewaltigungen von Prostituierten nahezu grundsätzlich die Täter freisprechen. Beliebteste Begründung: "Eine Prostituierte sei schließlich immer zu Sex bereit" ... Da soll sie sich also nicht wundern!
Die Tatsache, dass eine Vergewaltigung mit Sex nichts zu tun hat - und dass ein Vergewaltiger kein Freier ist, sondern ein Gewalttäter, wird auch hier verleugnet. Und dass Prostitution eben nicht synonym mit Gewalt gegen Frauen ist...
Man könnte sich ja einen Knoten ins Gehirn machen, wenn man/frau einmal etwas differenzierte.
Es ist diese schier unglaubliche Unwissenheit, diese perfide Vermischung der Kategorien "Sexualität" und "Gewalt". Sie zeichnet dafür verantwortlich, dass Sexarbeiterinnen von diesen angeblich Frauenbewegten schlecht behandelt werden – und nur genehm sind, wenn sie sich brav in die Opferschiene pressen lassen. Sie zeichnet aber auch dafür verantwortlich, dass den tatsächlichen Opfern von Sklaverei und Folter keine effektive Hilfe zukommt.
Wenn also schon die sprachliche Umschreibung deutlich zeigt, dass das Phänomen überhaupt nicht erfasst und verstanden wurde, wie soll man dann jemals Lösungsmöglichkeiten finden?
Und hier muss ich Ihnen ein psychologisches Argument anführen:
Sprache ist untrennbar mit unseren Einstellungen verknüpft. Ebenfalls eine alte psychologische Erkenntnis! Unsere Einstellungen beeinflussen wiederum unser Verhalten. Das wird allzu leicht vergessen. Um es kurz und knackig auszudrücken:
Wer spricht, verhält sich.
Das gilt für jede/n Einzelne/n; besonders auch für die Medien und ihren Einfluss auf die Einstellungen von Menschen.
Vor dem beschrieben Hintergrund sollte deutlich geworden sein: Es ist fatal, Gewalt zu sexualisieren; nicht weniger fatal ist es jedoch, sexuelle Dienstleistungen zu kriminalisieren. Dies blendet tatsächlich verübte Gewalt gegen den einen Teil der Frauen aus und marginalisiert den anderen Teil der Frauen eben durch die Kriminalisierung von sexuellen Dienstleistungen.
Gehen wir näher auf den Eintopf ein und auf den Mythos, demzufolge "Prostitution = Zwangsprostitution = Frauenhandel" ist. Frauenhandel muss ja auch noch in den Topf. Das hätte ich beinah vergessen...!
In einer von Henning (1997) befragten Stichprobe von Frauen, die ausschließlich ihre Migration nach Europa selbst organisierten und sehr wohl in der Lage waren, ihr Leben hier wie dort in den Griff zu bekommen, zeigte sich dies:
Ein Problemhintergrund ist die Feminisierung der Armut und die Feminisierung der Verantwortung (für die Kinder, die Verwandten).
Selbstverständlich ist Armut nicht der einzige Faktor für Migration. Das recht komplexe Bedingungsgeflecht hierfür wird in umfangreichen internationalen empirischen Studien
dargestellt und sollte auch dort nachgelesen werden (Wijers & Lap-Chew, Utrecht 1997; Niesner et al., Leske + Budrich, 1997).
Besonders spannend finde ich dabei, dass die grundlegenden - wenn nicht eigent¬lichen – Bedingungen für die Migration von Frauen in Studien zu finden sind, die nicht von "Frauenhandel" oder "Prostitution" handeln, sondern von der aggressiven Wirtschaftspolitik der Industrieländer, der fortschreitenden Globalisierung zum Wohle weniger Einzelner (z.B. Konzerne) und dem daraus folgenden Armutsgefälle (vgl. u.a. Viviane Forrester, Zsolnay 1997; Hans-Peter Martin & Harald Schumann, Die Globalisierungsfalle 1997).
Solche Studien oder Aufsätze müssten von Frauen, die sich mit dem Thema "Frauen¬handel" beschäftigen, eigentlich zur Kenntnis genommen und eingearbeitet werden, denn hier liegen die übergeordneten Ursachen für die steigende Migration von Frauen, die ihre Heimat ja nun wirklich nicht mit Begeisterung verlassen. Die tatsächlichen Gefahren, denen (Migrations-)Prostituierte ausgesetzt werden, sind z.B. die fortgesetzten "Lösungsbemühungen" der Regierungen, die nahezu ausschließlich auf der Ebene von Strafgesetzen agieren. Solche Ansätze führen gerade nicht zu Schutz oder gar Rechten für solche Frauen, sondern zu ihrer Kriminalisierung, zu ihrer fortgesetzten Gefährdung und ihrer Ausgrenzung von der Gesellschaft.
Hier wird die hilflose Reaktion und die undifferenzierte Darstellung der Problematik durch Politik und Medien deutlich. Niesner et al. 1997 nahmen auch das Datenchaos von BKA-Statistiken, der IOM (International Organisation for Migration) und anderer Ungefährangaben und Vermutungen (z.B. die in Zeitungsberichten) auf’s Korn. Erinnern Sie sich an die Artikel der BILD-Zeitung, bevor die Kampagnen wie "Abpfiff" ins Leben gerufen wurden? 40.000 Zwangsprostituierte würden erwartet! ... Genau diese spekulative Zahl tauchte in den Texten zu solchen Kampagnen wieder auf.
Über die Frauen sprechen oder mit ihnen?
Da Niesner et al. diverse Studienreisen (auch in die Herkunftsländer) unternahmen, sprachen sie nicht über, sondern mit den betroffenen Frauen. Nur dieser Weg ermöglichte dann eine differenziertere Diskussion um Freiwilligkeit, eingeschränkte Freiwilligkeit und absolute Unfreiwilligkeit, die sich weniger um Bewertungen oder Vermutungen ideologisch-moralischer Art schert, sondern Entscheidungs- und Selbstbestimmungsmöglichkeiten der Frauen reflektiert, die doch aus so unterschiedlichen Ländern kommen und in ebenso unterschiedlichen Rahmenbedingungen hier leben/ankommen.
Und hier ist wieder eine Parallele zu unserer WM:
Hurenorganisationen, Beratungsstellen usw. hätten für die Kampagnen die Unterschiedlichkeit, all die Aspekte differenzieren helfen können. Aber unter den NGOs sind sie nach wie vor "schwarze Schafe", und das liegt keineswegs nur an der Ignoranz der Politik, sondern ebenso an der der Nichtregierungsorganisationen selbst; insbesondere der konservativ-feministisch und/oder kirchlich orientierten. Dabei ist es doch gerade die Undifferenziertheit – wie z.B. das Klischee der "Käuflichkeit", das Migrantinnen insgesamt und mehrheitlich betrifft und beeinträchtigt. 3/4 der Frauen leiden stark unter diesem Stereotyp. Lediglich 1/4 der Frauen gab an, sich davon distanzieren und abgrenzen zu können. Dieses Stereotyp der "Käuflichkeit" und die damit verbundene Abwertung führt zu üblen Diskriminierungsformen; seien diese aggressiver, verbaler oder oftmals auch "subtilerer" Art. In jedem Fall sind sie verletzend und demütigend.
Im Grunde handelt es sich dabei um eine weitere Auflage eines "alten" Problems, denn Mitleid und Helfer/innensyndrom sind v.a. gut für die "Helferinnen", aber nicht zwingend für die "Zielgruppe“, die dadurch quasi „"on oben herab“ in ein "Unten-Verhältnis“ gezwungen wird – und da auch bleiben soll. Die Diskriminierung von Frauen durch Frauen ist nach wie vor ein Tabu-Thema.
Da ist eine weitere Parallele zu den WM-Kampagnen. Ich spreche jetzt von sexistischer Werbung. Wie oft haben wir in all den Jahren der Frauenbewegung gegen so etwas protestiert? Ich kann es nicht mehr zählen. Prompt erscheint ein Plakat einer Frauenorganisation mit einem Loch...
- pressefoto eckfahne -
Ich möchte nun mit Ihnen ein kleines Ratespiel machen. Es ist eine Art historische Zusammenfassung, die zu einem weiteren Punkt führen soll.
FOLIE 1: "Ansichten von Männer über die weibliche Sexualität über 3 Jahrhunderte". Nach dieser Sicht wird weibliche Sexualität nicht respektiert, sondern verachtet; ja, geleugnet. Es gibt sie nicht, sagt ein Arzt.
FOLIE 2: "Ansichten von Männer über Vergewaltigung über 3 Jahrhunderte".
Nach dieser Sicht hat eine Vergewaltigung etwas mit Sexualität zu tun. Einer Frau, die nicht will, wird "nachgeholfen".
Im Grunde ist das eine erneute Leugnung der Existenz weiblicher Sexualität. Das Zentrale ist hier jedoch, dass die schlimmste Form der Gewalt gegen Frauen sexualisiert, damit bagatellisiert und in der Folge geleugnet wird.
Nach dieser historischen Betrachtung können Sie auch sehen, dass sich die Ansichten von Männern über die Jahrhunderte nicht geändert haben:
Einerseits wird von Frauen totale Verfügbarkeit erwartet - andererseits wird ihnen eine eigene Sexualität abgesprochen.
Das sind uralte, paradoxe Botschaften. Zu ihnen gesellt sich ein weiterer alter Mythos: "Sexualität und Liebe sind untrennbar miteinander verbunden."
Ich nenne das die "sexistische Romantikfalle" und erlaube mir hierzu einen kleinen Exkurs:
Frauen, die Sex als Dienstleistung anbieten und damit ein Geschäft machen, tun aus Sicht unserer Gesellschaften etwas Schreckliches: Sie demontieren den Mythos, nach dem Sexualität und Liebe untrennbar miteinander verbunden sind. Es ist kein Zufall, dass Frauen, die sich ab und an einen One-night-stand gönnen, sehr schnell als „Huren“ oder "Schlampen" beschimpft werden.
Das darf frau nämlich nicht, weil sie ja die Trägerin dieses Mythos ist und bleiben soll! Seit Jahrhunderten werden Frauen für die Fortschreibung dieses Mythos verantwortlich gemacht. Für Männer gilt das nicht. Im Gegenteil. Was so ein "richtiger Mann" ist, der hat eben seine "Seitensprünge".
Wenn dann ein paar Frauen daherkommen und diese ihnen aufokroyierte Verknüpfung entkoppeln, dann verhält sich die Gesellschaft so, als sei sie in essentieller Weise bedroht. Entsprechend reagiert sie auch; nämlich mit Gewalt auf den unterschiedlichsten Ebenen. Für Frauen, die die Zwangsverknüpfung von Sexualität und Liebe durch ihr Verhalten aktiv aufkündigen, hält unsere Gesellschaft ganz bestimmte "Antworten" bereit: Ausgrenzung, Verweigerung von Persönlichkeitsrechten, Diffamierung, eine verächtliche Sprachführung u.v.m. Das ist multiple Gewalt. Zu dem o.g. One-night-stand und seinen Folgen gibt es allerdings eine Einschränkung, die gerne vergessen wird: Er muss mit einem Mann absolviert werden, damit die Frau als Hure o.ä. beschimpft wird.
In diesem Zusammenhang ist es auch besonders spannend, dass lesbische Frauen, die professionelle Sexarbeit mit männlichen Kunden betreiben, in der ganzen Diskussion um die Prostitution überhaupt keine Beachtung finden. Über sie schütteln wirklich alle gesellschaftlichen Gruppen den Kopf. „So etwas“ kann man und frau überhaupt nicht verstehen. Und das liegt m.E. ebenfalls an dem verinnerlichten Mythos, demzufolge Sex immer mit Liebe zu tun habe(n müsse), und zwar für die Frauen! Anders geht das gar nicht... "Anders dürfen und können Frauen doch nicht funktionieren!"
Wirklich nicht?
Um es provokativ zu sagen:
Frauen, die sich das Recht auf Sexualität - wann, wo und mit wem auch immer oder unter welchen Bedingungen - herausnehmen, werden und wurden (schon immer) bestraft. Wenn jetzt manche Frauen, nämlich Huren, davon auch noch profitieren, ist der "Skandal" eigentlich perfekt. Sie nehmen sich ein Recht heraus, das ihnen die Gesellschaft abspricht und verdienen daran obendrein. Schlimmer kann es für die Gesellschaft eigentlich kaum kommen. Ein gutes Beispiel sind hier die Huren, die ihren Spaß an der Arbeit haben und das auch so äußern. Das kann und mag sich niemand vorstellen. Die geltende gesellschaftliche Moral wird hierdurch zutiefst infrage gestellt; wenn nicht bis in die Grundfesten erschüttert.
Für Huren, die sagen, dass sie sich von den Freiern angeekelt fühlen oder dass sie alles satt haben und aussteigen wollen, bringt man noch eher "Verständnis" oder gar Mitleid auf. Man kann ihnen ja "helfen"...
... zurück auf den Weg zur sexistischen Romantikfalle.
Das ist auch der Grund, warum Beratungsstellen für Ausstiegsprojekte Geld bekommen; für Einstiegsberatung jedoch nicht.
Es geht eben um Machtverhältnisse – Motto: Welche Moral gewinnt?, welche darf die vorherrschende sein? – und damit verknüpft: um das Geschlechterverhältnis, um Gewaltverhältnisse u .v. m.
Diese Denk-, Sprech- und Verhaltensweisen sind patriarchaler Art. Dazu gehört auch der Slogan "Prostitution ist Gewalt gegen Frauen". Er ist vermutlich die dümmste, gefährlichste und widersprüchlichste Propaganda der feministischen Bewegung. Weil sie anti-feministisch ist...
Der Slogan „Prostitution ist Gewalt gegen Frauen“ ist m.E. nichts weiter als patriarchale Propaganda, die sicher nicht zufällig von den rechten Parteien und weiten Kreisen der Kirche genau so betrieben wird und in erheblichem Maße die Verantwortung dafür trägt, dass Prostituierten bis heute keine Bürgerinnen- und Menschenrechte zugestanden werden und dass Frauen, die fortgesetzt vergewaltigt oder auf andere Weise misshandelt werden (sog. Zwangsprostituierte), nach wie vor nicht geschützt werden können.
Kommen wir wieder zu den Auswirkungen von sprachlicher Verwirrung und einem daraus folgenden Eintopf:
Das Zauberwort vom "Empowerment" (statt Opferstatus) der Frauen wird mittlerweile mehr und mehr favorisiert und auch umgesetzt; zum Teil sogar erfolgreich. Aber, wenn es um Prostitution geht, dann verschwindet jedweder Gedanke an eine Empowerment-Strategie auf geradezu wundersame Weise...
Wie kommt das? Ich meine, dass hier die Voraussetzung für ein mögliches Empowerment fehlt, und die lautet: Ich muss mich selbst und andere Frauen ernst nehmen und respektieren. Das ist beim Thema "Prostitution" in der Regel nicht der Fall. Frauenbewegte sprechen meist über Prostituierte und nicht mit ihnen. Das ist arrogant, frauenfeindlich und vor allem erneut stimmig mit patriarchalen Verhältnissen. Meine These ist:
Das andozentristische Gedankengut und die damit verknüpfte Ungleichheit zwischen Menschen (sog. Ismen wie z.B. Rassismus, Sexismus usw.) ist im Bereich der Prostitution nicht abgeschafft, sondern besonders lebendig! Die Frauenbewegten haben sich bis heute davon nicht befreien können, denn sonst würde sie mit Huren-NGOs, mit Prostituiertenorganisationen zusammen arbeiten und sie nicht ignorieren oder ihnen gar feindselig gegenüber stehen.
Es ist eine Schande, dass es im 21sten Jahrhundert noch immer nicht möglich ist, dass Frauen Sex als Dienstleistung anbieten können; und zwar ohne gesellschaftlichen Ausschluss und ohne Gefahr für Leib und Leben.
Es ist eine Schande, dass es im 21sten Jahrhundert noch immer Sklaverei gibt, Frauen fortgesetzt vergewaltigt und geschlagen werden.
Und vor meinem Schlusswort noch ein Wort zur WM:
Mit diesen Kampagnen gegen angeblich 40.000 zu erwartende "Zwangsprostituierte" wurden zugleich wichtige Chancen verpasst. Ich spreche von den ganz realen Gefahren. Den Anstieg der sog. "häuslichen Gewalt" hatte ich angesprochen. Doch danach wird kein Hahn krähen. Eine Kampagne – mit all der damit verbundenen Aufklärung – dazu hätte mir persönlich nach gut 1 ½ Jahrzehnten der Menschenrechtsarbeit sehr am Herzen gelegen. Aber auch die real existierende Gefahr der Ausbeutung von Hilfskräften allerlei Art – natürlich sind hier die Migrant/innen betroffen – wäre zu thematisieren gewesen. Und außerdem die Gefahren durch Ansteckung. Ich meine AIDS, Geschlechtskrankheiten, unerwünschte Schwangerschaften u.ä. – wobei ich hier wenig Bezug zur Prostitution sehe, sondern zu den ganz normalen Fans aus aller Welt, die in den wenigen Wochen der Tollerei ohne jedweden Schutz – und in welchem Zustand auch immer – herumvögeln werden. All das ist kein großes offizielles Thema geworden. Die "häusliche Gewalt" überhaupt nicht.
Schluss:
Meine anfängliche Frage lautete:
Warum sind Wörter, Begriffe, um ein Phänomen zu bezeichnen, die ganze Art, wie wir über etwas sprechen, so wichtig?
Die Antwort:
Sprache schafft und spiegelt Wirklichkeiten; auch Gewaltwirklichkeiten!
Ich stellte weitere Fragen:
Welche (Gewalt)Wirklichkeit/en schafft und spiegelt denn die Sprache, unsere Sprachführung, die Art und Weise, wie wir „darüber“ reden – und vor allem: für wen? Sind es Wirklichkeiten, die wir oder bestimmte Gruppierungen so – und nicht anders! - gerne hätten?
Ich hoffe, dass ich zumindest einen Teil dieser Fragen beantworten und zum Weiterdenken anregen konnte.
Und einen Schlusssatz, der mir am Herzen liegt, habe ich noch.
Ich persönlich glaube, dass Frauen erst dann wirklich emanzipiert sein werden, wenn sie sich nicht mehr davor fürchten mit dem Namenstäfelchen "Hure" beworfen zu werden.
Vielen Dank!
© Monika Gerstendörfer 2006
Literatur:
Biermann, Pieke: "Wir sind Frauen wie andere auch!" - Prostituierte und ihre Kämpfe, Rowohlt, Reinbek 1988.
Drößler, Christine HWG e.V. (Hrsg.): Women at Work - Sexarbeit, Binnenmarkt und Emanzipation, Dokumentation zum 1. europäischen Prostituiertenkongreß, Schüren, Marburg 1992.
Gerstendörfer, Monika:1998, Über die Gefährlichkeit der Sprache, Teil I: Die Bagatellisierung von Gewalt durch Sprache - ein Plädoyer für die Verteidigung der Würde von Opfern sexualisierter Gewalt, Zeitung für leichte und schwere Mädchen, Nr. 18, Jg. 98, S. 9-11.
dies., 1998, Über die Gefährlichkeit der Sprache, Teil II: Die Kriminalisierung von Sexualität - ein Plädoyer für die Verteidigung der Würde von Frauen, die der Prostitution nachgehen, Zeitung für leichte und schwere Mädchen, Nr. 19, Jg. 98, S. 5- 8.
dies., 2001, Gewalt und Diskriminierung gegen Huren durch die Sexualisierung der Sprache und die Kriminalisierung von Sexualität: Ein Plädoyer für eine andere Perspektive, beiträge zur feministischen theorie und praxis, 58, Köln.
Groult, B., 1985, Ödipus´ Schwester - Zorniges zur Macht der Männer über Frauen, Knaur, München.
Juanita Henning: Kolumbianische Prostituierte in Frankfurt - Ein Beitrag zur Kritik gängiger Ansichten über Frauenhandel und Prostitution. Lambertus, Freiburg i.B., 1997.
Meyer-Rensch hausen, Elisabeth: Zur Rechtsgesch ichte der Prostitution. Die gesellschaftliche "Doppelmoral" vor Gericht, in: Ute Gerhard (Hrsg.), Frauen in der Geschichte des Rechts - von der Frühzeit bis zur Gegenwart, C.H. Beck, München 1997, S. 772-790.
Molloy, Cora: Hurenalltag - Sperrgebiet, Stigma, Selbsthilfe, Schriftenreihe der FH Frankfurt/M. 1992.
Elvira Niesner, Estrella Anonuevo, Marta Aparicio, Petchara Sonsiengchai-Fenzl:
Ein Traum von besseren Leben - Migrantinnenerfahrungen, soziale Unterstützung und neue Strategien gegen Frauenhandel; Leske + Budrich, Opladen 1997.
Wijers, Marjan; Lap-Chew, Lin: Trafficking in Women, Forced Labour and Slavery-Like Practices in Marriage, Domestic Labour and Prostitution, GAATW und STV, Utrecht 1997.
Wetzels, P. & Pfeiffer, C., 1995, Sexuelle Gewalt gegen Frauen im öffentlichen und privaten Raum. Ergebnisse der KFN-Opferbefragung 1992.
Es gibt keine "Zwangsprostituierte", es handelt sich um Opfer, um SexsklavInnen.
Lest mal hier ein Redemanuskript der Monika Gerstendörfer:
Internationaler Hurentag, 2. Juni 2006, Weißfrauenkirche, Frankfurt Main
Vortrag: Der verlorene Kampf um die Wörter
Über "Zwangsprostitution", "Kinderschänder", "Sextouristen" und andere Unwörter
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich möchte mich zunächst für die Einladung bedanken. Hier in der Weißfrauenkirche habe ich schon einmal einen Vortrag halten dürfen. Ich habe nachgesehen. Es war im März 1998. Damals habe ich schon gegen diese unsägliche Vermischung der Kategorien "Gewalt" und "Sexualität" gewettert. Bei dem heutigen Thema gehen wir von der Sprache, von unserer Sprachführung aus; und werden erneut bei dieser Problematik landen, die ich inzwischen als Eintopf-"Philosophie" bezeichne. Außerdem möchte ich mich gleich outen: Ich bin Fußballfan. Seit meiner Kindheit. Für diese WM habe ich sogar einen Fußballkrimi geschrieben. "Das Ende der Fahnenstange". Er ist in einer Anthologie "Mords-WM" des Beluga Verlags unlängst erschienen.
Bitte lassen Sie mich nun ohne Umschweife zur Sache kommen. Das Thema lautet: "Der verlorene Kampf um die Wörter - Über "Zwangsprostitution", "Kinderschänder", "Sextouristen" und andere Unwörter".
Und hier gleich die zentrale Frage:
Warum sind Wörter, Begriffe, um ein Phänomen zu bezeichnen; die ganze Art, wie wir über etwas sprechen, so wichtig? Die Antwort lautet:
Sprache schafft und spiegelt Wirklichkeiten; auch Gewaltwirklichkeiten!
Diese Erkenntnis aus Sprachpsychologie und Psycholinguistik gibt es nicht erst seit gestern. Sie ist jedoch viel zu wenig verbreitet und wird kaum bewusst reflektiert. Aber da Sprache etwas Lebendiges ist, lässt sie sich auch verändern. Das ist die gute Nachricht. Doch es geht langsam. Ich habe beispielsweise im Jahr 1989 die Begriffe "Pädokriminalität", "Pädokriminelle" usw. erfunden und in die Welt gesetzt. Nach nunmehr 15 Jahren(!) setzt sich das langsam durch; aber vor allem wird wegen dieser sprachlichen Neuvorschläge vermehrt über das tatsächliche Problem – nämlich sexualisierte Kindesmisshandlung und angebliche Pädophile, also Kinderliebende - diskutiert. Nicht selten in aggressiver Weise. Aber das macht nichts. Wichtig ist, dass der Taburahmen gesprengt wird. Dies zur Einführung.
Die spannende allgemeine Frage lautet:
Welche (Gewalt)Wirklichkeit/en schafft und spiegelt denn die Sprache, unsere Sprachführung, die Art und Weise, wie wir „darüber“ reden – und vor allem: für wen? Sind es Wirklichkeiten, die wir oder bestimmte, einflussreiche Gruppen so – und nicht anders! - gerne hätten?
Sind es Wirklichkeiten, die der Sicht der Gewaltopfer gerecht werden? Letzteres, und das wissen Sie aus Ihrer Berufspraxis, ist selten der Fall.
So ist ein sog. "Sextourist" aus der Sicht einer betroffenen Frau oder eines betroffenen Kindes keineswegs nur ein Tourist. Und mit Sex hat das, was sie während der Zurichtung durch einen solchen Täter empfinden, absolut nichts zu tun. Ihre Empfindungen sind Angst – nicht selten Todesangst –, Ekel, Demütigung, unerträgliche körperliche Schmerzen u .v.m.
M.a.W.: Durch solche harmlos klingenden Wörter wie der "Sextourist" werden reale Gewaltakte bagatellisiert. Fatal! Denn die zunächst "nur" sprachliche Bagatellisierung führt immer zu einer Entkriminalisierung. Des Täters und der Tat!
Tourismus ist etwas anderes. Sex auch. Das Namenstäfelchen "Sextourismus" verschleiert und bagatellisiert also die Gewaltwirklichkeit; und ist damit ein Unwort.
Neben der Bagatellisierung und der Entkriminalisierung von Täter und Tat ist eine weitere Auswirkung solcher Unwörter die:
Ob Vergewaltigung, sexualisierte Kindesmisshandlung, Frauenhandel, Gewalt in Ehe und Partnerschaft... - immer ist die verwendete Sprachführung - die Wörter, die wir zur Beschreibung benutzen – auch kompatibel zu der Art und Weise, wie die Opfer behandelt werden.
(Hinweis auf späteres Ratespiel, das die Geschichte, die Herkunft, beleuchtet) Unser Thema hier macht die Sache nochmals komplexer. Denn: Wer professionell arbeitende Huren, Sexarbeiterinnen, über die Sprache – also durch Begriffe – in einen Topf mit Gewaltopfern steckt, viktimisiert und diskriminiert diesen Berufstand und die dort arbeitenden Frauen. Das ist unverantwortlich, weil es Auswirkungen hat. Negative. Sog. "Zwangsprostituierte" (besser: Sklavinnen) sind keine Sexarbeiterinnen. Das, was sie tun, sind gar keine "sexuellen Dienstleistungen". Es handelt sich um Gewalt, die sie erleiden (Passivum!) müssen. Eine fortgesetzte Misshandlung ist das. Der Begriff "Prostituierte" ist hier fehl am Platz; genauso wie die Kategorie "Sexualität“" Das, was Sexarbeiterinnen tun, ist: sexuelle Dienstleistungen anbieten (Aktivum). Hier ist die Kategorie "Gewalt" fehl am Platz.
Wenn Prostituierte während ihrer Berufsausübung Gewalt erleiden, dann ist dies zunächst unabhängig vom Beruf selbst zu betrachten. Die Tatsache, dass zahlreiche
Frauen, ob nun in Männerdomänen oder in frauentypischen Berufen täglich an ihrem Arbeitsplatz sexuell belästigt werden, führte ja auch niemals dazu, die jeweiligen Berufe als Gewaltverhältnis an sich zu definieren. Und die Tatsache, dass Prostituierte vermehrt männlicher Gewalt ausgesetzt sind (besser: werden!), hat mit der Rolle der Frauen in den patriarchalen Gesellschaften zu tun und mit den von Angst durchwobenen Mythen zu Sexualität und Gewalt.
Es ist vor diesem Hintergrund nicht zufällig, dass der "Beruf" der Hausfrau, die Rolle der Ehefrau und die Rolle der Prostituierten tatsächlich die objektiv größte Gefahr darstellt, Opfer von Vergewaltigung und anderen Formen der Misshandlung zu werden. Empirische Studien, die das beweisen, gibt es dazu mittlerweile in Hülle und Fülle (vgl. u.a. die KFN-Studie 1995).
Im Grunde können wir mit Fug und Recht behaupten, dass die von Männern erfundenen und propagierten Mythen je nach Bedarf Sexualität oder Gewalt ausblenden, und das wird von Frauen und bestimmten Frauenorganisationen bedauerlicherweise auch noch zementiert.
Wir dürfen gespannt sein, wie lange diese sprachlichen und konzeptuellen Differenzierungen noch "gepredigt" werden müssen, damit sie Eingang in das Gedankengut finden, um endlich entsprechend differenzierte Maßnahmen zum Wohle der Frauen treffen zu können.
Ich erwähne die Hausfrauen nicht umsonst!
Wussten Sie, dass während der WM die sog. Häusliche Gewalt (die im Übrigen wenig "häuslich" ist) steigen wird? Es gibt Studien, die zeigen, dass Männer insbesondere nach gewonnenen Spielen ihrer Mannschaft gewalttätig gegen ihre Partnerin werden. Haben Sie von einer hierzu längst überfälligen Kampagne für die WM gehört? Wäre das nicht eine unglaubliche Chance gewesen?
Und weiter in der sprachlichen Verwirrung: Wer Freier von Sexarbeiterinnen in einen Topf mit Vergewaltigern und Misshandlern steckt, spricht und handelt unverantwortlich und muss sich daher die Frage gefallen lassen, ob er/sie tatsächlich ein Anliegen hat, das sich gegen Gewalt richtet und für die Menschenrechte sein soll?
Und was gerne vergessen wird:
Solche Sichten führen auch dazu, dass Sexarbeiterinnen, denen Gewalt angetan wurde, keine Anzeige erstatten, weil auf Huren spezialisierte Gewalttäter – ja, die gibt es! – so weiter machen können. Damit sind Menschenrechtsverletzungen gegen Huren vorprogrammiert.
An diesem Beispiel sehen wir, dass es auch umgekehrt geht: Also nicht eine sprachliche Bagatellisierung mit nachfolgender Entkriminalisierung, sondern eine klare Kriminalisierung – von Sexarbeit!
... dieses lächerliche, angebliche Heilmittel der Freierbestrafung...
Nur zur Erinnerung: das Beispiel Schweden. Dort bejubelte man/frau 1997 die eigentlich uralte "Idee", künftig die "Käufer sexueller Dienste" zu kriminalisieren. Geldbußen und Haftstrafen bis zu sechs Monaten sollten die Mittel sein. Theoretisch! In allen Ländern, in denen diese Strafrechts-"Philosophie" gilt (z.B. Indien), sieht es in der Praxis ganz anders aus:
Die Strafrechtsgesetze werden auf die Männer so gut wie nicht angewendet; geschweige denn, dass der Strafrahmen ausgeschöpft würde. Tatsächlich ist es so, dass es die Frauen sind, die mit weiteren Varianten von Unterdrückung, Repressalien und Kriminalisierung zurecht kommen müssen. Aber diese empirischen Fakten wurden und werden einfach ignoriert. Sie passen nicht ins "Konzept", nicht in die Ideologie (vgl. Wijers et al. 1997).
Dass die Kriminalisierung der "Freier an sich" sowohl den Berufsstand als auch die Frauen erneut zu Außenseiterinnen dieser Gesellschaft macht und eine Prostituiertenselbsthilfe unter solchen Rahmenbedingungen nahezu unmöglich wird, scheint auch nicht zu interessieren.
Unterstellt wird auch, dass Freier grundsätzlich nicht zwischen professionellen Sexarbeiterinnen und sog. Zwangsprostituierten unterscheiden können. Auch das ist falsch. Selbstverständlich gibt es Männer, denen das einerlei ist. Aber es sind nicht "die Männer" oder "die Freier", denen es egal ist. Solange man bei den Freiern nicht differenziert, wird man auch den Opfern der "Prostitution" nicht helfen können.
Um tatsächliche Vergewaltiger und sonstige Misshandler zu bestrafen, braucht man kein zusätzliches Gesetz. Man sollte nur endlich einmal konsequent verfolgen und bestrafen. Wer Akten und Urteilsbegründungen der letzten Jahrzehnte kennt, weiß, dass Richter bei Vergewaltigungen von Prostituierten nahezu grundsätzlich die Täter freisprechen. Beliebteste Begründung: "Eine Prostituierte sei schließlich immer zu Sex bereit" ... Da soll sie sich also nicht wundern!
Die Tatsache, dass eine Vergewaltigung mit Sex nichts zu tun hat - und dass ein Vergewaltiger kein Freier ist, sondern ein Gewalttäter, wird auch hier verleugnet. Und dass Prostitution eben nicht synonym mit Gewalt gegen Frauen ist...
Man könnte sich ja einen Knoten ins Gehirn machen, wenn man/frau einmal etwas differenzierte.
Es ist diese schier unglaubliche Unwissenheit, diese perfide Vermischung der Kategorien "Sexualität" und "Gewalt". Sie zeichnet dafür verantwortlich, dass Sexarbeiterinnen von diesen angeblich Frauenbewegten schlecht behandelt werden – und nur genehm sind, wenn sie sich brav in die Opferschiene pressen lassen. Sie zeichnet aber auch dafür verantwortlich, dass den tatsächlichen Opfern von Sklaverei und Folter keine effektive Hilfe zukommt.
Wenn also schon die sprachliche Umschreibung deutlich zeigt, dass das Phänomen überhaupt nicht erfasst und verstanden wurde, wie soll man dann jemals Lösungsmöglichkeiten finden?
Und hier muss ich Ihnen ein psychologisches Argument anführen:
Sprache ist untrennbar mit unseren Einstellungen verknüpft. Ebenfalls eine alte psychologische Erkenntnis! Unsere Einstellungen beeinflussen wiederum unser Verhalten. Das wird allzu leicht vergessen. Um es kurz und knackig auszudrücken:
Wer spricht, verhält sich.
Das gilt für jede/n Einzelne/n; besonders auch für die Medien und ihren Einfluss auf die Einstellungen von Menschen.
Vor dem beschrieben Hintergrund sollte deutlich geworden sein: Es ist fatal, Gewalt zu sexualisieren; nicht weniger fatal ist es jedoch, sexuelle Dienstleistungen zu kriminalisieren. Dies blendet tatsächlich verübte Gewalt gegen den einen Teil der Frauen aus und marginalisiert den anderen Teil der Frauen eben durch die Kriminalisierung von sexuellen Dienstleistungen.
Gehen wir näher auf den Eintopf ein und auf den Mythos, demzufolge "Prostitution = Zwangsprostitution = Frauenhandel" ist. Frauenhandel muss ja auch noch in den Topf. Das hätte ich beinah vergessen...!
In einer von Henning (1997) befragten Stichprobe von Frauen, die ausschließlich ihre Migration nach Europa selbst organisierten und sehr wohl in der Lage waren, ihr Leben hier wie dort in den Griff zu bekommen, zeigte sich dies:
Ein Problemhintergrund ist die Feminisierung der Armut und die Feminisierung der Verantwortung (für die Kinder, die Verwandten).
Selbstverständlich ist Armut nicht der einzige Faktor für Migration. Das recht komplexe Bedingungsgeflecht hierfür wird in umfangreichen internationalen empirischen Studien
dargestellt und sollte auch dort nachgelesen werden (Wijers & Lap-Chew, Utrecht 1997; Niesner et al., Leske + Budrich, 1997).
Besonders spannend finde ich dabei, dass die grundlegenden - wenn nicht eigent¬lichen – Bedingungen für die Migration von Frauen in Studien zu finden sind, die nicht von "Frauenhandel" oder "Prostitution" handeln, sondern von der aggressiven Wirtschaftspolitik der Industrieländer, der fortschreitenden Globalisierung zum Wohle weniger Einzelner (z.B. Konzerne) und dem daraus folgenden Armutsgefälle (vgl. u.a. Viviane Forrester, Zsolnay 1997; Hans-Peter Martin & Harald Schumann, Die Globalisierungsfalle 1997).
Solche Studien oder Aufsätze müssten von Frauen, die sich mit dem Thema "Frauen¬handel" beschäftigen, eigentlich zur Kenntnis genommen und eingearbeitet werden, denn hier liegen die übergeordneten Ursachen für die steigende Migration von Frauen, die ihre Heimat ja nun wirklich nicht mit Begeisterung verlassen. Die tatsächlichen Gefahren, denen (Migrations-)Prostituierte ausgesetzt werden, sind z.B. die fortgesetzten "Lösungsbemühungen" der Regierungen, die nahezu ausschließlich auf der Ebene von Strafgesetzen agieren. Solche Ansätze führen gerade nicht zu Schutz oder gar Rechten für solche Frauen, sondern zu ihrer Kriminalisierung, zu ihrer fortgesetzten Gefährdung und ihrer Ausgrenzung von der Gesellschaft.
Hier wird die hilflose Reaktion und die undifferenzierte Darstellung der Problematik durch Politik und Medien deutlich. Niesner et al. 1997 nahmen auch das Datenchaos von BKA-Statistiken, der IOM (International Organisation for Migration) und anderer Ungefährangaben und Vermutungen (z.B. die in Zeitungsberichten) auf’s Korn. Erinnern Sie sich an die Artikel der BILD-Zeitung, bevor die Kampagnen wie "Abpfiff" ins Leben gerufen wurden? 40.000 Zwangsprostituierte würden erwartet! ... Genau diese spekulative Zahl tauchte in den Texten zu solchen Kampagnen wieder auf.
Über die Frauen sprechen oder mit ihnen?
Da Niesner et al. diverse Studienreisen (auch in die Herkunftsländer) unternahmen, sprachen sie nicht über, sondern mit den betroffenen Frauen. Nur dieser Weg ermöglichte dann eine differenziertere Diskussion um Freiwilligkeit, eingeschränkte Freiwilligkeit und absolute Unfreiwilligkeit, die sich weniger um Bewertungen oder Vermutungen ideologisch-moralischer Art schert, sondern Entscheidungs- und Selbstbestimmungsmöglichkeiten der Frauen reflektiert, die doch aus so unterschiedlichen Ländern kommen und in ebenso unterschiedlichen Rahmenbedingungen hier leben/ankommen.
Und hier ist wieder eine Parallele zu unserer WM:
Hurenorganisationen, Beratungsstellen usw. hätten für die Kampagnen die Unterschiedlichkeit, all die Aspekte differenzieren helfen können. Aber unter den NGOs sind sie nach wie vor "schwarze Schafe", und das liegt keineswegs nur an der Ignoranz der Politik, sondern ebenso an der der Nichtregierungsorganisationen selbst; insbesondere der konservativ-feministisch und/oder kirchlich orientierten. Dabei ist es doch gerade die Undifferenziertheit – wie z.B. das Klischee der "Käuflichkeit", das Migrantinnen insgesamt und mehrheitlich betrifft und beeinträchtigt. 3/4 der Frauen leiden stark unter diesem Stereotyp. Lediglich 1/4 der Frauen gab an, sich davon distanzieren und abgrenzen zu können. Dieses Stereotyp der "Käuflichkeit" und die damit verbundene Abwertung führt zu üblen Diskriminierungsformen; seien diese aggressiver, verbaler oder oftmals auch "subtilerer" Art. In jedem Fall sind sie verletzend und demütigend.
Im Grunde handelt es sich dabei um eine weitere Auflage eines "alten" Problems, denn Mitleid und Helfer/innensyndrom sind v.a. gut für die "Helferinnen", aber nicht zwingend für die "Zielgruppe“, die dadurch quasi „"on oben herab“ in ein "Unten-Verhältnis“ gezwungen wird – und da auch bleiben soll. Die Diskriminierung von Frauen durch Frauen ist nach wie vor ein Tabu-Thema.
Da ist eine weitere Parallele zu den WM-Kampagnen. Ich spreche jetzt von sexistischer Werbung. Wie oft haben wir in all den Jahren der Frauenbewegung gegen so etwas protestiert? Ich kann es nicht mehr zählen. Prompt erscheint ein Plakat einer Frauenorganisation mit einem Loch...
- pressefoto eckfahne -
Ich möchte nun mit Ihnen ein kleines Ratespiel machen. Es ist eine Art historische Zusammenfassung, die zu einem weiteren Punkt führen soll.
FOLIE 1: "Ansichten von Männer über die weibliche Sexualität über 3 Jahrhunderte". Nach dieser Sicht wird weibliche Sexualität nicht respektiert, sondern verachtet; ja, geleugnet. Es gibt sie nicht, sagt ein Arzt.
FOLIE 2: "Ansichten von Männer über Vergewaltigung über 3 Jahrhunderte".
Nach dieser Sicht hat eine Vergewaltigung etwas mit Sexualität zu tun. Einer Frau, die nicht will, wird "nachgeholfen".
Im Grunde ist das eine erneute Leugnung der Existenz weiblicher Sexualität. Das Zentrale ist hier jedoch, dass die schlimmste Form der Gewalt gegen Frauen sexualisiert, damit bagatellisiert und in der Folge geleugnet wird.
Nach dieser historischen Betrachtung können Sie auch sehen, dass sich die Ansichten von Männern über die Jahrhunderte nicht geändert haben:
Einerseits wird von Frauen totale Verfügbarkeit erwartet - andererseits wird ihnen eine eigene Sexualität abgesprochen.
Das sind uralte, paradoxe Botschaften. Zu ihnen gesellt sich ein weiterer alter Mythos: "Sexualität und Liebe sind untrennbar miteinander verbunden."
Ich nenne das die "sexistische Romantikfalle" und erlaube mir hierzu einen kleinen Exkurs:
Frauen, die Sex als Dienstleistung anbieten und damit ein Geschäft machen, tun aus Sicht unserer Gesellschaften etwas Schreckliches: Sie demontieren den Mythos, nach dem Sexualität und Liebe untrennbar miteinander verbunden sind. Es ist kein Zufall, dass Frauen, die sich ab und an einen One-night-stand gönnen, sehr schnell als „Huren“ oder "Schlampen" beschimpft werden.
Das darf frau nämlich nicht, weil sie ja die Trägerin dieses Mythos ist und bleiben soll! Seit Jahrhunderten werden Frauen für die Fortschreibung dieses Mythos verantwortlich gemacht. Für Männer gilt das nicht. Im Gegenteil. Was so ein "richtiger Mann" ist, der hat eben seine "Seitensprünge".
Wenn dann ein paar Frauen daherkommen und diese ihnen aufokroyierte Verknüpfung entkoppeln, dann verhält sich die Gesellschaft so, als sei sie in essentieller Weise bedroht. Entsprechend reagiert sie auch; nämlich mit Gewalt auf den unterschiedlichsten Ebenen. Für Frauen, die die Zwangsverknüpfung von Sexualität und Liebe durch ihr Verhalten aktiv aufkündigen, hält unsere Gesellschaft ganz bestimmte "Antworten" bereit: Ausgrenzung, Verweigerung von Persönlichkeitsrechten, Diffamierung, eine verächtliche Sprachführung u.v.m. Das ist multiple Gewalt. Zu dem o.g. One-night-stand und seinen Folgen gibt es allerdings eine Einschränkung, die gerne vergessen wird: Er muss mit einem Mann absolviert werden, damit die Frau als Hure o.ä. beschimpft wird.
In diesem Zusammenhang ist es auch besonders spannend, dass lesbische Frauen, die professionelle Sexarbeit mit männlichen Kunden betreiben, in der ganzen Diskussion um die Prostitution überhaupt keine Beachtung finden. Über sie schütteln wirklich alle gesellschaftlichen Gruppen den Kopf. „So etwas“ kann man und frau überhaupt nicht verstehen. Und das liegt m.E. ebenfalls an dem verinnerlichten Mythos, demzufolge Sex immer mit Liebe zu tun habe(n müsse), und zwar für die Frauen! Anders geht das gar nicht... "Anders dürfen und können Frauen doch nicht funktionieren!"
Wirklich nicht?
Um es provokativ zu sagen:
Frauen, die sich das Recht auf Sexualität - wann, wo und mit wem auch immer oder unter welchen Bedingungen - herausnehmen, werden und wurden (schon immer) bestraft. Wenn jetzt manche Frauen, nämlich Huren, davon auch noch profitieren, ist der "Skandal" eigentlich perfekt. Sie nehmen sich ein Recht heraus, das ihnen die Gesellschaft abspricht und verdienen daran obendrein. Schlimmer kann es für die Gesellschaft eigentlich kaum kommen. Ein gutes Beispiel sind hier die Huren, die ihren Spaß an der Arbeit haben und das auch so äußern. Das kann und mag sich niemand vorstellen. Die geltende gesellschaftliche Moral wird hierdurch zutiefst infrage gestellt; wenn nicht bis in die Grundfesten erschüttert.
Für Huren, die sagen, dass sie sich von den Freiern angeekelt fühlen oder dass sie alles satt haben und aussteigen wollen, bringt man noch eher "Verständnis" oder gar Mitleid auf. Man kann ihnen ja "helfen"...
... zurück auf den Weg zur sexistischen Romantikfalle.
Das ist auch der Grund, warum Beratungsstellen für Ausstiegsprojekte Geld bekommen; für Einstiegsberatung jedoch nicht.
Es geht eben um Machtverhältnisse – Motto: Welche Moral gewinnt?, welche darf die vorherrschende sein? – und damit verknüpft: um das Geschlechterverhältnis, um Gewaltverhältnisse u .v. m.
Diese Denk-, Sprech- und Verhaltensweisen sind patriarchaler Art. Dazu gehört auch der Slogan "Prostitution ist Gewalt gegen Frauen". Er ist vermutlich die dümmste, gefährlichste und widersprüchlichste Propaganda der feministischen Bewegung. Weil sie anti-feministisch ist...
Der Slogan „Prostitution ist Gewalt gegen Frauen“ ist m.E. nichts weiter als patriarchale Propaganda, die sicher nicht zufällig von den rechten Parteien und weiten Kreisen der Kirche genau so betrieben wird und in erheblichem Maße die Verantwortung dafür trägt, dass Prostituierten bis heute keine Bürgerinnen- und Menschenrechte zugestanden werden und dass Frauen, die fortgesetzt vergewaltigt oder auf andere Weise misshandelt werden (sog. Zwangsprostituierte), nach wie vor nicht geschützt werden können.
Kommen wir wieder zu den Auswirkungen von sprachlicher Verwirrung und einem daraus folgenden Eintopf:
Das Zauberwort vom "Empowerment" (statt Opferstatus) der Frauen wird mittlerweile mehr und mehr favorisiert und auch umgesetzt; zum Teil sogar erfolgreich. Aber, wenn es um Prostitution geht, dann verschwindet jedweder Gedanke an eine Empowerment-Strategie auf geradezu wundersame Weise...
Wie kommt das? Ich meine, dass hier die Voraussetzung für ein mögliches Empowerment fehlt, und die lautet: Ich muss mich selbst und andere Frauen ernst nehmen und respektieren. Das ist beim Thema "Prostitution" in der Regel nicht der Fall. Frauenbewegte sprechen meist über Prostituierte und nicht mit ihnen. Das ist arrogant, frauenfeindlich und vor allem erneut stimmig mit patriarchalen Verhältnissen. Meine These ist:
Das andozentristische Gedankengut und die damit verknüpfte Ungleichheit zwischen Menschen (sog. Ismen wie z.B. Rassismus, Sexismus usw.) ist im Bereich der Prostitution nicht abgeschafft, sondern besonders lebendig! Die Frauenbewegten haben sich bis heute davon nicht befreien können, denn sonst würde sie mit Huren-NGOs, mit Prostituiertenorganisationen zusammen arbeiten und sie nicht ignorieren oder ihnen gar feindselig gegenüber stehen.
Es ist eine Schande, dass es im 21sten Jahrhundert noch immer nicht möglich ist, dass Frauen Sex als Dienstleistung anbieten können; und zwar ohne gesellschaftlichen Ausschluss und ohne Gefahr für Leib und Leben.
Es ist eine Schande, dass es im 21sten Jahrhundert noch immer Sklaverei gibt, Frauen fortgesetzt vergewaltigt und geschlagen werden.
Und vor meinem Schlusswort noch ein Wort zur WM:
Mit diesen Kampagnen gegen angeblich 40.000 zu erwartende "Zwangsprostituierte" wurden zugleich wichtige Chancen verpasst. Ich spreche von den ganz realen Gefahren. Den Anstieg der sog. "häuslichen Gewalt" hatte ich angesprochen. Doch danach wird kein Hahn krähen. Eine Kampagne – mit all der damit verbundenen Aufklärung – dazu hätte mir persönlich nach gut 1 ½ Jahrzehnten der Menschenrechtsarbeit sehr am Herzen gelegen. Aber auch die real existierende Gefahr der Ausbeutung von Hilfskräften allerlei Art – natürlich sind hier die Migrant/innen betroffen – wäre zu thematisieren gewesen. Und außerdem die Gefahren durch Ansteckung. Ich meine AIDS, Geschlechtskrankheiten, unerwünschte Schwangerschaften u.ä. – wobei ich hier wenig Bezug zur Prostitution sehe, sondern zu den ganz normalen Fans aus aller Welt, die in den wenigen Wochen der Tollerei ohne jedweden Schutz – und in welchem Zustand auch immer – herumvögeln werden. All das ist kein großes offizielles Thema geworden. Die "häusliche Gewalt" überhaupt nicht.
Schluss:
Meine anfängliche Frage lautete:
Warum sind Wörter, Begriffe, um ein Phänomen zu bezeichnen, die ganze Art, wie wir über etwas sprechen, so wichtig?
Die Antwort:
Sprache schafft und spiegelt Wirklichkeiten; auch Gewaltwirklichkeiten!
Ich stellte weitere Fragen:
Welche (Gewalt)Wirklichkeit/en schafft und spiegelt denn die Sprache, unsere Sprachführung, die Art und Weise, wie wir „darüber“ reden – und vor allem: für wen? Sind es Wirklichkeiten, die wir oder bestimmte Gruppierungen so – und nicht anders! - gerne hätten?
Ich hoffe, dass ich zumindest einen Teil dieser Fragen beantworten und zum Weiterdenken anregen konnte.
Und einen Schlusssatz, der mir am Herzen liegt, habe ich noch.
Ich persönlich glaube, dass Frauen erst dann wirklich emanzipiert sein werden, wenn sie sich nicht mehr davor fürchten mit dem Namenstäfelchen "Hure" beworfen zu werden.
Vielen Dank!
© Monika Gerstendörfer 2006
Literatur:
Biermann, Pieke: "Wir sind Frauen wie andere auch!" - Prostituierte und ihre Kämpfe, Rowohlt, Reinbek 1988.
Drößler, Christine HWG e.V. (Hrsg.): Women at Work - Sexarbeit, Binnenmarkt und Emanzipation, Dokumentation zum 1. europäischen Prostituiertenkongreß, Schüren, Marburg 1992.
Gerstendörfer, Monika:1998, Über die Gefährlichkeit der Sprache, Teil I: Die Bagatellisierung von Gewalt durch Sprache - ein Plädoyer für die Verteidigung der Würde von Opfern sexualisierter Gewalt, Zeitung für leichte und schwere Mädchen, Nr. 18, Jg. 98, S. 9-11.
dies., 1998, Über die Gefährlichkeit der Sprache, Teil II: Die Kriminalisierung von Sexualität - ein Plädoyer für die Verteidigung der Würde von Frauen, die der Prostitution nachgehen, Zeitung für leichte und schwere Mädchen, Nr. 19, Jg. 98, S. 5- 8.
dies., 2001, Gewalt und Diskriminierung gegen Huren durch die Sexualisierung der Sprache und die Kriminalisierung von Sexualität: Ein Plädoyer für eine andere Perspektive, beiträge zur feministischen theorie und praxis, 58, Köln.
Groult, B., 1985, Ödipus´ Schwester - Zorniges zur Macht der Männer über Frauen, Knaur, München.
Juanita Henning: Kolumbianische Prostituierte in Frankfurt - Ein Beitrag zur Kritik gängiger Ansichten über Frauenhandel und Prostitution. Lambertus, Freiburg i.B., 1997.
Meyer-Rensch hausen, Elisabeth: Zur Rechtsgesch ichte der Prostitution. Die gesellschaftliche "Doppelmoral" vor Gericht, in: Ute Gerhard (Hrsg.), Frauen in der Geschichte des Rechts - von der Frühzeit bis zur Gegenwart, C.H. Beck, München 1997, S. 772-790.
Molloy, Cora: Hurenalltag - Sperrgebiet, Stigma, Selbsthilfe, Schriftenreihe der FH Frankfurt/M. 1992.
Elvira Niesner, Estrella Anonuevo, Marta Aparicio, Petchara Sonsiengchai-Fenzl:
Ein Traum von besseren Leben - Migrantinnenerfahrungen, soziale Unterstützung und neue Strategien gegen Frauenhandel; Leske + Budrich, Opladen 1997.
Wijers, Marjan; Lap-Chew, Lin: Trafficking in Women, Forced Labour and Slavery-Like Practices in Marriage, Domestic Labour and Prostitution, GAATW und STV, Utrecht 1997.
Wetzels, P. & Pfeiffer, C., 1995, Sexuelle Gewalt gegen Frauen im öffentlichen und privaten Raum. Ergebnisse der KFN-Opferbefragung 1992.
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Danke für einen sehr lesenswerten Beitrag, ehemaliger_User !
Aber so gut mir der Artikel auch insgesamt gefällt, so muss ich doch sagen, dass mir ein paar Details doch sauer aufgestossen haben:
1. Der Kollektivismus an manchen Stellen. Da wird von "den Männern" gesprochen, die den Frauen ein sexuelles Selbstbestimmungsrecht absprechen. Das ist doch Quatsch ! (Es sei am Rande erwähnt, dass bspw. in meiner Heimat die Männerrechtler den Job übernehmen sich für die Rechte der Prostituierten einzusetzen, da die egtl. dafür zuständigen Frauenlobbys leider abolitionistisch geprägt sind.) Die meisten Männer, die ich kenne, vor allem in meiner jungen Generation wollen zudem selbstbewusste Frauen, die im Leben mit beiden Beinen stehen und natürlich auch, dass sie im Bett auch ihren Spass haben. Auch, wo es nicht ins eigene ideologische Weltbild passt, muss differenziert werden.
2. In Schweden hat es sehr wohl Freier arg erwischt, sei es durch Geldstrafen oder durch Ehekrach zuhause.
3. Häusliche Gewalt muss bekämpft werden. Aber auch hier sind alle in der Pflicht, nicht nur Männer, zumal Gewalt auch psychischer Natur (cf. Mobbing bspw.) sein kann. Es ist ein Fehler aller feministischen Strömungen (scheinbar auch der, der diese Autorin angehört) zu denken, Gewalt sei ein rein männliches Problem und Frauen irgendwie bessere Menschen oder so. Auch was körperliche Gewalt angeht, holen Frauen leider auf. Ich erinnere nur mal (die Rednerin steht ja auf Fussball) an den Ordner, der letztens in Bochum brutal von zwei Gewalttätern zusammengeschlagen wurde, eine der Personen war weiblich !!! Solange nur ein Geschlecht schuld an Gewalt sein soll, wird man Gewalt nicht effizient bekämpfen.
4. Die Globalisierung an sich ist ne gute Sache. Ähnlich wie bei der Prostitution muss differenziert werden. Es geht viel mehr darum die Bedingungen derselben zu kritisieren. Bspw. dass die oft noch massiv subventionierenden Konzerne der protektionnistischen Industrieländer agressiv auf Drittweltmärkten agieren, sich aber vorm Staat durch Schutzzölle auf Importe vor Konkurrenz im Ausland und durch entsprechende bürokratische Marktregulierungen im Inland auch vor einheimischer Konkurrenz schützen lassen. Dadurch wird der Markt langfristig kaputtgemacht und zur Oligarchie. Zudem gibt es viele korrupte Regime, mit denen kooperiert wird usw. Viele Arme wollen gerade mehr "freie Marktwirtschaft", sie wollen vom Staat geschützte Eigentumsrechte an selber gebauten Lehmhütten usw., werden aber nicht selten hier komplett unterbuttert. Die meisten Globalisierungskritiker sind dann noch so blöd, das alles als Beweis für ihre kruden Thesen "Freihandel=böse", "Liberalismus=böse" usw. ins Feld zu führen, was im Grunde genauso ein Schmarrn ist wie die Aussagen mancher Feministinnen zur Sexarbeit.
5. Wenn wir schon von Wörtern reden, ich will- dass zumindest bei uns im Westen- endlich das Wort "Patriarchat" auf die Müllhalde entsorgt wird. Sorry, aber das nervt mich schon lange.Es ist einfach ideologisch verbrämte Sprache.
6. Nur ein Detail, aber auf Kampagnen, die mir sagen, dass ich beim Sex mit anderen Fans ein Gummi benutzen soll, kann ich gut und gerne verzichten. Ich bin bereits seit der Schulzeit aufgeklärt. Danke !
Aber so gut mir der Artikel auch insgesamt gefällt, so muss ich doch sagen, dass mir ein paar Details doch sauer aufgestossen haben:
1. Der Kollektivismus an manchen Stellen. Da wird von "den Männern" gesprochen, die den Frauen ein sexuelles Selbstbestimmungsrecht absprechen. Das ist doch Quatsch ! (Es sei am Rande erwähnt, dass bspw. in meiner Heimat die Männerrechtler den Job übernehmen sich für die Rechte der Prostituierten einzusetzen, da die egtl. dafür zuständigen Frauenlobbys leider abolitionistisch geprägt sind.) Die meisten Männer, die ich kenne, vor allem in meiner jungen Generation wollen zudem selbstbewusste Frauen, die im Leben mit beiden Beinen stehen und natürlich auch, dass sie im Bett auch ihren Spass haben. Auch, wo es nicht ins eigene ideologische Weltbild passt, muss differenziert werden.
2. In Schweden hat es sehr wohl Freier arg erwischt, sei es durch Geldstrafen oder durch Ehekrach zuhause.
3. Häusliche Gewalt muss bekämpft werden. Aber auch hier sind alle in der Pflicht, nicht nur Männer, zumal Gewalt auch psychischer Natur (cf. Mobbing bspw.) sein kann. Es ist ein Fehler aller feministischen Strömungen (scheinbar auch der, der diese Autorin angehört) zu denken, Gewalt sei ein rein männliches Problem und Frauen irgendwie bessere Menschen oder so. Auch was körperliche Gewalt angeht, holen Frauen leider auf. Ich erinnere nur mal (die Rednerin steht ja auf Fussball) an den Ordner, der letztens in Bochum brutal von zwei Gewalttätern zusammengeschlagen wurde, eine der Personen war weiblich !!! Solange nur ein Geschlecht schuld an Gewalt sein soll, wird man Gewalt nicht effizient bekämpfen.
4. Die Globalisierung an sich ist ne gute Sache. Ähnlich wie bei der Prostitution muss differenziert werden. Es geht viel mehr darum die Bedingungen derselben zu kritisieren. Bspw. dass die oft noch massiv subventionierenden Konzerne der protektionnistischen Industrieländer agressiv auf Drittweltmärkten agieren, sich aber vorm Staat durch Schutzzölle auf Importe vor Konkurrenz im Ausland und durch entsprechende bürokratische Marktregulierungen im Inland auch vor einheimischer Konkurrenz schützen lassen. Dadurch wird der Markt langfristig kaputtgemacht und zur Oligarchie. Zudem gibt es viele korrupte Regime, mit denen kooperiert wird usw. Viele Arme wollen gerade mehr "freie Marktwirtschaft", sie wollen vom Staat geschützte Eigentumsrechte an selber gebauten Lehmhütten usw., werden aber nicht selten hier komplett unterbuttert. Die meisten Globalisierungskritiker sind dann noch so blöd, das alles als Beweis für ihre kruden Thesen "Freihandel=böse", "Liberalismus=böse" usw. ins Feld zu führen, was im Grunde genauso ein Schmarrn ist wie die Aussagen mancher Feministinnen zur Sexarbeit.
5. Wenn wir schon von Wörtern reden, ich will- dass zumindest bei uns im Westen- endlich das Wort "Patriarchat" auf die Müllhalde entsorgt wird. Sorry, aber das nervt mich schon lange.Es ist einfach ideologisch verbrämte Sprache.
6. Nur ein Detail, aber auf Kampagnen, die mir sagen, dass ich beim Sex mit anderen Fans ein Gummi benutzen soll, kann ich gut und gerne verzichten. Ich bin bereits seit der Schulzeit aufgeklärt. Danke !
- Harald
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Ich kann den Zusammenhang zwischen dem Titel des Threads und dessen Inhalt nicht finden. ("Bordelle im KZ")
Da ich im nächsten Jahr eine Veranstaltung zum Thema "Frauen im KZ - Frauen im Widerstand" plane, bin ich womöglich etwas sensibilisiert, aber ich denke, daß es sich hier um eine Vermischung zweier - sehr unterschiedlicher - Probleme handelt. (Vielleicht sollte man den Titel des Threads entsprechend ändern?)
lg
Harald
(der den getätigten Aussagen im Inhalt grds. zustimmt, aber vielleicht habe ich den entsprechenden Passus einfach überlesen?)
Da ich im nächsten Jahr eine Veranstaltung zum Thema "Frauen im KZ - Frauen im Widerstand" plane, bin ich womöglich etwas sensibilisiert, aber ich denke, daß es sich hier um eine Vermischung zweier - sehr unterschiedlicher - Probleme handelt. (Vielleicht sollte man den Titel des Threads entsprechend ändern?)
lg
Harald
(der den getätigten Aussagen im Inhalt grds. zustimmt, aber vielleicht habe ich den entsprechenden Passus einfach überlesen?)
"Was wollen wir mehr, als immer mehr als alle anderen?"
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Harald, wenn du weiter hoch schaust, findest du auch unsere sammlung zu prostitution im krieg, bei friedenstruppen in deutschland, balkan, japan und sonstiger welt.
das würde ich 'echte zwangsprostitution' nennen im Gegensatz zu dem stigmatisierenden Propagandabegriff. und nur deshalb ist alles in einem thema versammelt.
wenn wir uns eine professionelle redaktion werden leisten können, werden wir das gerne trennen.
@ck
nochmal danke für die guten anmerkungen.
das würde ich 'echte zwangsprostitution' nennen im Gegensatz zu dem stigmatisierenden Propagandabegriff. und nur deshalb ist alles in einem thema versammelt.
wenn wir uns eine professionelle redaktion werden leisten können, werden wir das gerne trennen.
@ck
nochmal danke für die guten anmerkungen.
- Marc of Frankfurt
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Zwangsprostitution im KZ Bordell
Wie Geheimprostituierte, Gelegenheitsprostituierte .. und Sexarbeiterinnen unter den Nazis wegen sog. "asozialem Verhalten" ins KZ und dann in Lagerbordelle kamen.
Eine bisher nicht aufgearbeitete Geschichte der Sexworker in Deutschland:
Exhibition exposes sex slavery at Nazi camps
auf deutsch
FUERSTENBERG, Germany (AFP) — "They told us we were in the camp brothel, that we were the lucky ones. We would eat well and have enough to drink. If we behaved and fulfilled our duties nothing would happen to us."
So begins the wrenching account of Frau W., a prisoner of the Nazi concentration camp Ravensbrueck north of Berlin who between mid-1943 and December 1944 was forced to work as a sex slave for her fellow detainees.
Her story forms the centrepiece of a new exhibition at Ravensbrueck about the fate of women pressed into prostitution between 1942 and 1945, like Asia's "comfort women" during World War II.
But rather than servicing soldiers, the camp prostitutes were the brainchild of SS chief Heinrich Himmler to increase productivity among forced labourers and try to keep homosexuality from "breaking out" among their ranks.
Their numbers were far smaller than the tens of thousands of "comfort women" kidnapped across Asia to serve Japanese troops.
But Ravensbrueck centre director Insa Eschebach said the at least 200, predominantly German women who were enslaved also endured paralysing trauma, shame and scorn in an until now largely "taboo" chapter of European history.
Most of the sex workers were taken from the women's camps at Ravensbrueck and Auschwitz to brothels at 10 camps in Germany and the Nazi-occupied eastern territories.

The vast majority were imprisoned for "anti-social" behaviour -- a crime arbitrarily defined under Hitler to include prostitutes but also women with suspect political ties or relationships with Jews.
Prisoners given a privileged place in the camp hierarchy -- exhibition curator Michael Sommer estimates about one percent of the forced labourers -- could "buy" up to a quarter of an hour with a prostitute for two Reichsmarks from the pittance they earned in the Nazi-run factories.
A fraction of that amount was credited to women's camp accounts which they could use for food when it was available.
"The sex work was organised very bureaucratically," said Sommer, showing prisoner files with the code 998 signifying a prostitute and vouchers used by men allowed to visit the camp brothel.
No Jews worked at the brothels or were allowed to patronise them, and separate facilities were created for camp guards.
Prostitutes were regularly tested for sexually transmitted diseases to avoid outbreaks at the camps. Pregnancies ended in forced abortions.
"The irony was that while the Nazis tried to regulate prostitution in German cities, they institutionalised it at the camps," Sommer said. [Welche Doppelmoral, Sic!]
Some women "volunteered" for service in the brothels, which were heated and had slightly better hygienic conditions, after being promised early release from the degrading and life-threatening conditions of the camps.
Others only learned of their fate when the first patrons were ushered in.
Another woman whose testimony is featured in the exhibition, identified only as Frau B., said each woman worked in a small room where she received up to 10 men in two hours.
"There was a spy hole and sometimes the guards would peek in and sneer," she said. "But you know, we were so numb that we just thought, 'Get stuffed, you bastards.'"
Although the months in the brothel left her permanently scarred, Frau B. said the men who visited her were "decent" by and large.
"They had also been locked up for years and were happy to have human contact," she said. Sometimes, the men just wanted to talk.
Many political prisoners boycotted the brothels. Communists at Buchenwald were convinced the bordellos would be used by the SS to spy on prisoners.
Although nearly all the sex workers survived until the camps' liberation, there is scant evidence any were released for service rendered.
After the war, most of the German sex workers kept their trauma silent out of shame, while foreign victims feared being seen as "collaborators".
None received recognition from the German state as victims of sex slavery or compensation for their ordeal. Few, if any, are still alive today.
Eschebach noted that sex slavery has only been recognised as a war crime under international law since 2002 and said the more recent occurrences of mass rape in Bosnia and Rwanda, as well as the demands of "comfort women" for justice, had prompted more research in Germany.
The exhibition can be seen at Ravensbrueck until March 8, and will make three more stops in Germany before opening in Rome in 2010.
Original mit mehreren Bildern und Karte:
http://www.google.com/hostednews/afp/ar ... cArXN64Cig
Mehr:
viewtopic.php?p=37605#37605
Mein dort ausgesprochener Wunsch diese Tabus endlich aufzuklären scheint sich ja langsam zu erfüllen. Wer aber tritt für Entschädigung der Opfer ein?
.
Eine bisher nicht aufgearbeitete Geschichte der Sexworker in Deutschland:
Exhibition exposes sex slavery at Nazi camps
auf deutsch
FUERSTENBERG, Germany (AFP) — "They told us we were in the camp brothel, that we were the lucky ones. We would eat well and have enough to drink. If we behaved and fulfilled our duties nothing would happen to us."
So begins the wrenching account of Frau W., a prisoner of the Nazi concentration camp Ravensbrueck north of Berlin who between mid-1943 and December 1944 was forced to work as a sex slave for her fellow detainees.
Her story forms the centrepiece of a new exhibition at Ravensbrueck about the fate of women pressed into prostitution between 1942 and 1945, like Asia's "comfort women" during World War II.
But rather than servicing soldiers, the camp prostitutes were the brainchild of SS chief Heinrich Himmler to increase productivity among forced labourers and try to keep homosexuality from "breaking out" among their ranks.
Their numbers were far smaller than the tens of thousands of "comfort women" kidnapped across Asia to serve Japanese troops.
But Ravensbrueck centre director Insa Eschebach said the at least 200, predominantly German women who were enslaved also endured paralysing trauma, shame and scorn in an until now largely "taboo" chapter of European history.
Most of the sex workers were taken from the women's camps at Ravensbrueck and Auschwitz to brothels at 10 camps in Germany and the Nazi-occupied eastern territories.

The vast majority were imprisoned for "anti-social" behaviour -- a crime arbitrarily defined under Hitler to include prostitutes but also women with suspect political ties or relationships with Jews.
Prisoners given a privileged place in the camp hierarchy -- exhibition curator Michael Sommer estimates about one percent of the forced labourers -- could "buy" up to a quarter of an hour with a prostitute for two Reichsmarks from the pittance they earned in the Nazi-run factories.
A fraction of that amount was credited to women's camp accounts which they could use for food when it was available.
"The sex work was organised very bureaucratically," said Sommer, showing prisoner files with the code 998 signifying a prostitute and vouchers used by men allowed to visit the camp brothel.
No Jews worked at the brothels or were allowed to patronise them, and separate facilities were created for camp guards.
Prostitutes were regularly tested for sexually transmitted diseases to avoid outbreaks at the camps. Pregnancies ended in forced abortions.
"The irony was that while the Nazis tried to regulate prostitution in German cities, they institutionalised it at the camps," Sommer said. [Welche Doppelmoral, Sic!]
Some women "volunteered" for service in the brothels, which were heated and had slightly better hygienic conditions, after being promised early release from the degrading and life-threatening conditions of the camps.
Others only learned of their fate when the first patrons were ushered in.
Another woman whose testimony is featured in the exhibition, identified only as Frau B., said each woman worked in a small room where she received up to 10 men in two hours.
"There was a spy hole and sometimes the guards would peek in and sneer," she said. "But you know, we were so numb that we just thought, 'Get stuffed, you bastards.'"
Although the months in the brothel left her permanently scarred, Frau B. said the men who visited her were "decent" by and large.
"They had also been locked up for years and were happy to have human contact," she said. Sometimes, the men just wanted to talk.
Many political prisoners boycotted the brothels. Communists at Buchenwald were convinced the bordellos would be used by the SS to spy on prisoners.
Although nearly all the sex workers survived until the camps' liberation, there is scant evidence any were released for service rendered.
After the war, most of the German sex workers kept their trauma silent out of shame, while foreign victims feared being seen as "collaborators".
None received recognition from the German state as victims of sex slavery or compensation for their ordeal. Few, if any, are still alive today.
Eschebach noted that sex slavery has only been recognised as a war crime under international law since 2002 and said the more recent occurrences of mass rape in Bosnia and Rwanda, as well as the demands of "comfort women" for justice, had prompted more research in Germany.
The exhibition can be seen at Ravensbrueck until March 8, and will make three more stops in Germany before opening in Rome in 2010.
Original mit mehreren Bildern und Karte:
http://www.google.com/hostednews/afp/ar ... cArXN64Cig
Mehr:
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Mein dort ausgesprochener Wunsch diese Tabus endlich aufzuklären scheint sich ja langsam zu erfüllen. Wer aber tritt für Entschädigung der Opfer ein?
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- certik
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RE: Unwort: "Zwangsprostitution" vs. Bordelle im K
Sex-Zwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern
Eine Werkstattausstellung der Gedenkstätte Ravensbrück in Kooperation mit „Die Aussteller“, Wien und dem Institut für Kunst im Kontext, UdK Berlin.
Häftlingsbordelle sind ein in der Geschichte der Konzentrationslager bislang wenig beachtetes Phänomen. Die weiblichen Häftlinge, die Sex-Zwangsarbeit leisten mussten, schwiegen nach 1945 ebenso über ihre Erfahrungen wie die Bordellnutzer – männliche, vor allem deutsche Häftlinge, denen die SS den Bordellbesuch im Rahmen eines Prämiensystems ermöglichte. In den Jahren 1942-1945 mussten Frauen in insgesamt zehn Konzentrationslagern Sex-Zwangsarbeit leisten; die Mehrzahl von ihnen wurde im Frauen-KZ Ravensbrück rekrutiert...
Detaillierte Infos über die von Marc genannte Ausstellung findet Ihr hier:
http://www.ravensbrueck.de/mgr/deutsch/ ... tm#Deutsch
LG certik
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Bilder vom Wehrmachtsbordell im besetzten Frankreich
http://www.nodo50.org/Laura_Agustin/bro ... -ii-france
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Die 200 gezwungenen Sexworker im KZ-Bordell haben überlebt
Quelle: Spiegel Online - Eines Tages
Wenn Ihr dem Link folgt, findet Ihr auch einige Fotos
KZ-Bordelle
"Erlaubt war nur die Missionarsstellung"
Lange war es ein Tabu: In zehn Konzentrationslagern betrieb die SS Bordelle und zwang dort weibliche Gefangene zum Sex. Trotzdem meldeten sich viele freiwillig - das perverse Angebot bedeutete oft die Rettung vor dem sicheren Tod. Der Historiker Robert Sommer hat das dunkle Kapitel erstmals aufgearbeitet.
Herr Sommer, wie viele solcher Häftlingsbordelle gab es in deutschen Konzentrationslagern?
Die Nationalsozialisten errichteten zwischen 1942 und 1945 insgesamt zehn so genannte Sonderbauten in Konzentrationslagern wie Buchenwald, Dachau, Sachsenhausen, und sogar in Auschwitz. Insgesamt wurden dort rund 200 Frauen zur Sex-Zwangsarbeit gezwungen.
Wie kam es dazu, dass diese sogenannten Sonderbauten errichtet wurden?
Die Häftlingsbordelle wurden als "Arbeitsanreiz" auf Anweisung des damaligen Reichsführers SS Heinrich Himmler erbaut. Er führte, unterstützt von der Industrie, in den KZ ein Prämiensystem ein, demnach "besondere Leistungen" von KZ-Insassen mit Hafterleichterung, Verpflegungszulagen, Geldprämien, Tabak oder eben Bordellbesuchen belohnt werden sollten. Man muss als Hintergrund dazu wissen, dass das NS-Regime im "Dritten Reich" keineswegs die Prostitution verboten oder entschieden bekämpft hat. Vielmehr hat man sich, vor allem nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges, auf die totale Überwachung der Prostitution im "Altreich" aber auch in den besetzen Gebieten konzentriert. Damals überzog ein flächendeckendes System von staatlich kontrollierten Bordellen halb Europa. Es bestand aus zivilen, militärischen, sowie Bordellen für Zwangsarbeiter - und erstreckte sich auch bis in das System der Konzentrationslager hinein.
Die Sonderbauten wurden allesamt in Männerlagern errichtet - woher kamen die Frauen für die Häftlingsbordelle?
Sie waren alle ebenfalls Häftlinge. Die SS selektierte die Frauen in den Frauen-Konzentrationslagern Ravensbrück oder Auschwitz-Birkenau, dann päppelte man sie zehn Tage im Krankenrevier auf und transportierte sie in die Männerlager. Die meisten der späteren "Bordellfrauen" waren "Reichsdeutsche" zwischen 17 und 35 Jahre alt, es wurden aber auch Polinnen, Weißrussinnen und Ukrainerinnen ausgewählt. Viele von Ihnen waren als so genannte "Asoziale" verhaftet worden und trugen im Lager den schwarzen Winkel, zum Beispiel weil sie den Arbeitsdienst verweigert hatten. Die SS rekrutierte in den Lagern auch einige inhaftierte Prostituierte für die Häftlingsbordelle, die vor allem zu Beginn den "professionellen" Betrieb der Lagerbordelle garantieren sollten.
Wie muss man sich den Alltag in einem solchen Lagerbordell vorstellen?
Wie das ganze Leben im Lager war auch der Bordellbetrieb komplett von der SS überwacht, Privatsphäre war auch hier ein Fremdwort. Der "Sonderbau" im KZ Buchenwald war etwa jeden Abend von 19 bis 22 Uhr geöffnet, in den Zimmertüren waren Spione eingefasst, auf dem Flur patrouillierte ein SS-Mann. Jeder Häftling musste zuvor einen Antrag auf den Besuch des Bordells stellen, und konnte sich dann einen "Sprungkarte" im Wert von zwei Reichsmark kaufen. Zum Vergleich: 20 Zigaretten in der Kantine kosteten drei Reichsmark. Juden war der Bordellbesuch verboten. Ein Rapportführer rief die Nummer des Häftlings auf und das Zimmer, in das er gehen durfte. Dort durften sich die Häftlinge genau 15 Minuten aufhalten, erlaubt war nur die Missionarsstellung.
Wie verhüteten die Häftlingsfrauen?
Die SS hatte große Angst vor der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten im Lager, weshalb die Frauen regelmäßig auf Tripper und Syphilis getestet wurden. Das Thema Verhütung überließ man aber allein den Häftlingsfrauen, Kondome gab es nicht. Dennoch kam es relativ selten zu Schwangerschaften. Ein Großteil der als "asozial" inhaftierten Frauen war bereits vor der Einweisung ins KZ zwangssterilisiert worden, andere wurden durch die schlechten Lebensbedingungen im Lager unfruchtbar. Bei den wenigen Schwangerschaften, die dennoch vorkamen, tauschte die SS die Frauen einfach aus, schickte sie zurück in die Frauenlager, wo dann eine Abtreibung durchgeführt wurde. Oft kam eine Schwangerschaft im Konzentrationslager einem Todesurteil gleich, doch es gibt keine Belege dafür, dass schwangere Bordellfrauen umgebracht wurden.
Sie haben über Jahre hinweg in Archiven und Gedenkstätten über die Zwangsprostituierten und die Häftlingsfreier recherchiert und sind auf eine große Fülle an Material gestoßen, dass die Geschichte der Sonderbauten in vielen Einzelheiten dokumentiert. Trotzdem ist das Thema bislang kaum bekannt gewesen.
Ja, das ist in der Tat erstaunlich, denn zum Beispiel selbst die Abrechnung der Bordelleinnahmen durch die SS sind überliefert. Doch das Thema Zwangsprostitution ist ja generell ein Tabu, da muss es nicht einmal um Sex-Zwangsarbeit in Konzentrationslagern gehen. Dies war eine ganz besonders perfide Form nationalsozialistischer Gewalt, die SS hat in den Lagerbordellen versucht, Häftlinge zu Mittätern zu machen. Daher ist das Thema Lagerbordelle auch innerhalb von Überlebenden-Verbänden nach wie vor ein strittiges. Viele der missbrauchten Frauen schwiegen aus Scham lange über ihr Schicksal. Besonders tragisch ist zudem, dass keine Frau für das Unrecht der Sex-Zwangsarbeit entschädigt wurde.
Das Interview führten Mareike Fallet und Simone Kaiser.
Das Buch von Robert Sommer erscheint im Juni 2009 im Ferdinand-Schöningh-Verlag: "Das KZ-Bordell. Sexuelle Zwangsarbeit in nationalsozialistischen Konzentrationslagern"
Wenn Ihr dem Link folgt, findet Ihr auch einige Fotos
KZ-Bordelle
"Erlaubt war nur die Missionarsstellung"
Lange war es ein Tabu: In zehn Konzentrationslagern betrieb die SS Bordelle und zwang dort weibliche Gefangene zum Sex. Trotzdem meldeten sich viele freiwillig - das perverse Angebot bedeutete oft die Rettung vor dem sicheren Tod. Der Historiker Robert Sommer hat das dunkle Kapitel erstmals aufgearbeitet.
Herr Sommer, wie viele solcher Häftlingsbordelle gab es in deutschen Konzentrationslagern?
Die Nationalsozialisten errichteten zwischen 1942 und 1945 insgesamt zehn so genannte Sonderbauten in Konzentrationslagern wie Buchenwald, Dachau, Sachsenhausen, und sogar in Auschwitz. Insgesamt wurden dort rund 200 Frauen zur Sex-Zwangsarbeit gezwungen.
Wie kam es dazu, dass diese sogenannten Sonderbauten errichtet wurden?
Die Häftlingsbordelle wurden als "Arbeitsanreiz" auf Anweisung des damaligen Reichsführers SS Heinrich Himmler erbaut. Er führte, unterstützt von der Industrie, in den KZ ein Prämiensystem ein, demnach "besondere Leistungen" von KZ-Insassen mit Hafterleichterung, Verpflegungszulagen, Geldprämien, Tabak oder eben Bordellbesuchen belohnt werden sollten. Man muss als Hintergrund dazu wissen, dass das NS-Regime im "Dritten Reich" keineswegs die Prostitution verboten oder entschieden bekämpft hat. Vielmehr hat man sich, vor allem nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges, auf die totale Überwachung der Prostitution im "Altreich" aber auch in den besetzen Gebieten konzentriert. Damals überzog ein flächendeckendes System von staatlich kontrollierten Bordellen halb Europa. Es bestand aus zivilen, militärischen, sowie Bordellen für Zwangsarbeiter - und erstreckte sich auch bis in das System der Konzentrationslager hinein.
Die Sonderbauten wurden allesamt in Männerlagern errichtet - woher kamen die Frauen für die Häftlingsbordelle?
Sie waren alle ebenfalls Häftlinge. Die SS selektierte die Frauen in den Frauen-Konzentrationslagern Ravensbrück oder Auschwitz-Birkenau, dann päppelte man sie zehn Tage im Krankenrevier auf und transportierte sie in die Männerlager. Die meisten der späteren "Bordellfrauen" waren "Reichsdeutsche" zwischen 17 und 35 Jahre alt, es wurden aber auch Polinnen, Weißrussinnen und Ukrainerinnen ausgewählt. Viele von Ihnen waren als so genannte "Asoziale" verhaftet worden und trugen im Lager den schwarzen Winkel, zum Beispiel weil sie den Arbeitsdienst verweigert hatten. Die SS rekrutierte in den Lagern auch einige inhaftierte Prostituierte für die Häftlingsbordelle, die vor allem zu Beginn den "professionellen" Betrieb der Lagerbordelle garantieren sollten.
Wie muss man sich den Alltag in einem solchen Lagerbordell vorstellen?
Wie das ganze Leben im Lager war auch der Bordellbetrieb komplett von der SS überwacht, Privatsphäre war auch hier ein Fremdwort. Der "Sonderbau" im KZ Buchenwald war etwa jeden Abend von 19 bis 22 Uhr geöffnet, in den Zimmertüren waren Spione eingefasst, auf dem Flur patrouillierte ein SS-Mann. Jeder Häftling musste zuvor einen Antrag auf den Besuch des Bordells stellen, und konnte sich dann einen "Sprungkarte" im Wert von zwei Reichsmark kaufen. Zum Vergleich: 20 Zigaretten in der Kantine kosteten drei Reichsmark. Juden war der Bordellbesuch verboten. Ein Rapportführer rief die Nummer des Häftlings auf und das Zimmer, in das er gehen durfte. Dort durften sich die Häftlinge genau 15 Minuten aufhalten, erlaubt war nur die Missionarsstellung.
Wie verhüteten die Häftlingsfrauen?
Die SS hatte große Angst vor der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten im Lager, weshalb die Frauen regelmäßig auf Tripper und Syphilis getestet wurden. Das Thema Verhütung überließ man aber allein den Häftlingsfrauen, Kondome gab es nicht. Dennoch kam es relativ selten zu Schwangerschaften. Ein Großteil der als "asozial" inhaftierten Frauen war bereits vor der Einweisung ins KZ zwangssterilisiert worden, andere wurden durch die schlechten Lebensbedingungen im Lager unfruchtbar. Bei den wenigen Schwangerschaften, die dennoch vorkamen, tauschte die SS die Frauen einfach aus, schickte sie zurück in die Frauenlager, wo dann eine Abtreibung durchgeführt wurde. Oft kam eine Schwangerschaft im Konzentrationslager einem Todesurteil gleich, doch es gibt keine Belege dafür, dass schwangere Bordellfrauen umgebracht wurden.
Sie haben über Jahre hinweg in Archiven und Gedenkstätten über die Zwangsprostituierten und die Häftlingsfreier recherchiert und sind auf eine große Fülle an Material gestoßen, dass die Geschichte der Sonderbauten in vielen Einzelheiten dokumentiert. Trotzdem ist das Thema bislang kaum bekannt gewesen.
Ja, das ist in der Tat erstaunlich, denn zum Beispiel selbst die Abrechnung der Bordelleinnahmen durch die SS sind überliefert. Doch das Thema Zwangsprostitution ist ja generell ein Tabu, da muss es nicht einmal um Sex-Zwangsarbeit in Konzentrationslagern gehen. Dies war eine ganz besonders perfide Form nationalsozialistischer Gewalt, die SS hat in den Lagerbordellen versucht, Häftlinge zu Mittätern zu machen. Daher ist das Thema Lagerbordelle auch innerhalb von Überlebenden-Verbänden nach wie vor ein strittiges. Viele der missbrauchten Frauen schwiegen aus Scham lange über ihr Schicksal. Besonders tragisch ist zudem, dass keine Frau für das Unrecht der Sex-Zwangsarbeit entschädigt wurde.
Das Interview führten Mareike Fallet und Simone Kaiser.
Das Buch von Robert Sommer erscheint im Juni 2009 im Ferdinand-Schöningh-Verlag: "Das KZ-Bordell. Sexuelle Zwangsarbeit in nationalsozialistischen Konzentrationslagern"
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Überleben im KZ-Bordell
In zehn Konzentrationslagern betrieb die SS Bordelle - die Nazis nötigten weibliche Gefangene zum Sex. Das System bedeutete für die Frauen oft die Rettung vor dem Tod. Bis heute hat keine einzige Entschädigung für den Zwangdienst bekommen.
http://einestages.spiegel.de/static/top ... llung.html
Herr Sommer, wie viele Häftlingsbordelle gab es in deutschen Konzentrationslagern?
Sommer:Die Nationalsozialisten errichteten zwischen 1942 und 1945 insgesamt zehn sogenannte Sonderbauten in Konzentrationslagern wie Buchenwald, Dachau, Sachsenhausen und sogar in Auschwitz. Insgesamt wurden dort rund 200 Frauen zur Sex-Zwangsarbeit gezwungen.
Wie kam es dazu, dass diese sogenannten Sonderbauten errichtet wurden?
Sommer: Die Häftlingsbordelle wurden als "Arbeitsanreiz" auf Anweisung des damaligen Reichsführers SS Heinrich Himmler erbaut. Er führte, unterstützt von der Industrie, in den KZ ein Prämiensystem ein, demnach "besondere Leistungen" von KZ-Insassen mit Hafterleichterung, Verpflegungszulagen, Geldprämien, Tabak oder eben Bordellbesuchen belohnt werden sollten. Man muss als Hintergrund dazu wissen, dass das NS-Regime im "Dritten Reich2 keineswegs die Prostitution verboten oder entschieden bekämpft hat. Vielmehr hat man sich, vor allem nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges, auf die totale Überwachung der Prostitution im "Altreich" aber auch in den besetzten Gebieten konzentriert. Damals überzog ein flächendeckendes System von staatlich kontrollierten Bordellen halb Europa. Es bestand aus zivilen, militärischen sowie Bordellen für Zwangsarbeiter – und erstreckte sich auch bis in das System der Konzentrationslager hinein.
Die Sonderbauten wurden allesamt in Männerlagern errichtet – woher kamen die Frauen für die Häftlingsbordelle?
Sommer: Sie waren alle ebenfalls Häftlinge. Die SS selektierte die Frauen in den Frauen-Konzentrationslagern Ravensbrück oder Auschwitz-Birkenau, dann päppelte man sie zehn Tage im Krankenrevier auf und transportierte sie in die Männerlager. Die meisten der späteren "Bordellfrauen" waren "Reichsdeutsche" zwischen 17 und 35 Jahre alt, es wurden aber auch Polinnen, Weißrussinnen und Ukrainerinnen ausgewählt. Viele von ihnen waren als sogenannte "Asoziale" verhaftet worden und trugen im Lager den schwarzen Winkel, zum Beispiel weil sie den Arbeitsdienst verweigert hatten. Die SS rekrutierte in den Lagern auch einige inhaftierte Prostituierte für die Häftlingsbordelle, die vor allem zu Beginn den "professionellen" Betrieb der Lagerbordelle garantieren sollten.
Wie muss man sich den Alltag in einem solchen Lagerbordell vorstellen?
Sommer: Wie das ganze Leben im Lager war auch der Bordellbetrieb komplett von der SS überwacht, Privatsphäre war auch hier ein Fremdwort. Der "Sonderbau" im KZ Buchenwald war etwa jeden Abend von 19 bis 22 Uhr geöffnet, in den Zimmertüren waren Spione eingefasst, auf dem Flur patrouillierte ein SS-Mann. Jeder Häftling musste zuvor einen Antrag auf den Besuch des Bordells stellen und konnte sich dann einen "Sprungkarte" im Wert von zwei Reichsmark kaufen. Zum Vergleich: 20 Zigaretten in der Kantine kosteten drei Reichsmark. Juden war der Bordellbesuch verboten. Ein Rapportführer rief die Nummer des Häftlings auf und das Zimmer, in das er gehen durfte. Dort durften sich die Häftlinge genau 15 Minuten aufhalten, erlaubt war nur die Missionarsstellung.
Wie verhüteten die Häftlingsfrauen?
Sommer: Die SS hatte große Angst vor der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten im Lager, weshalb die Frauen regelmäßig auf Tripper und Syphilis getestet wurden. Das Thema Verhütung überließ man aber allein den Häftlingsfrauen, Kondome gab es nicht. Dennoch kam es relativ selten zu Schwangerschaften. Ein Großteil der als "asozial" inhaftierten Frauen war bereits vor der Einweisung ins KZ zwangssterilisiert worden, andere wurden durch die schlechten Lebensbedingungen im Lager unfruchtbar. Bei den wenigen Schwangerschaften, die dennoch vorkamen, tauschte die SS die Frauen einfach aus, schickte sie zurück in die Frauenlager, wo dann eine Abtreibung durchgeführt wurde. Oft kam eine Schwangerschaft im Konzentrationslager einem Todesurteil gleich, doch es gibt keine Belege dafür, dass schwangere Bordellfrauen umgebracht wurden.
Sie haben über Jahre hinweg in Archiven und Gedenkstätten über die Zwangsprostituierten und die Häftlingsfreier recherchiert und sind auf eine große Fülle an Material gestoßen, dass die Geschichte der Sonderbauten in vielen Einzelheiten dokumentiert. Trotzdem ist das Thema bislang kaum bekannt gewesen.
Sommer: Ja, das ist in der Tat erstaunlich, denn zum Beispiel selbst die Abrechnung der Bordelleinnahmen durch die SS sind überliefert. Doch das Thema Zwangsprostitution ist ja generell ein Tabu, da muss es nicht einmal um Sex-Zwangsarbeit in Konzentrationslagern gehen. Dies war eine ganz besonders perfide Form nationalsozialistischer Gewalt, die SS hat in den Lagerbordellen versucht, Häftlinge zu Mittätern zu machen. Daher ist das Thema Lagerbordelle auch innerhalb von Überlebenden-Verbänden nach wie vor ein strittiges. Viele der missbrauchten Frauen schwiegen aus Scham lange über ihr Schicksal. Besonders tragisch ist zudem, dass keine Frau für das Unrecht der Sex-Zwangsarbeit entschädigt wurde.
Das Interview führten Mareike Fallet und Simone Kaiser
Das Buch von Robert Sommer erscheint im Juni 2009 im Ferdinand-Schöningh-Verlag: "Das KZ-Bordell. Sexuelle Zwangsarbeit in nationalsozialistischen Konzentrationslagern"
http://www.amazon.de/Das-KZ-Bordell-Zwa ... 259&sr=1-1
http://einestages.spiegel.de/static/top ... llung.html
Herr Sommer, wie viele Häftlingsbordelle gab es in deutschen Konzentrationslagern?
Sommer:Die Nationalsozialisten errichteten zwischen 1942 und 1945 insgesamt zehn sogenannte Sonderbauten in Konzentrationslagern wie Buchenwald, Dachau, Sachsenhausen und sogar in Auschwitz. Insgesamt wurden dort rund 200 Frauen zur Sex-Zwangsarbeit gezwungen.
Wie kam es dazu, dass diese sogenannten Sonderbauten errichtet wurden?
Sommer: Die Häftlingsbordelle wurden als "Arbeitsanreiz" auf Anweisung des damaligen Reichsführers SS Heinrich Himmler erbaut. Er führte, unterstützt von der Industrie, in den KZ ein Prämiensystem ein, demnach "besondere Leistungen" von KZ-Insassen mit Hafterleichterung, Verpflegungszulagen, Geldprämien, Tabak oder eben Bordellbesuchen belohnt werden sollten. Man muss als Hintergrund dazu wissen, dass das NS-Regime im "Dritten Reich2 keineswegs die Prostitution verboten oder entschieden bekämpft hat. Vielmehr hat man sich, vor allem nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges, auf die totale Überwachung der Prostitution im "Altreich" aber auch in den besetzten Gebieten konzentriert. Damals überzog ein flächendeckendes System von staatlich kontrollierten Bordellen halb Europa. Es bestand aus zivilen, militärischen sowie Bordellen für Zwangsarbeiter – und erstreckte sich auch bis in das System der Konzentrationslager hinein.
Die Sonderbauten wurden allesamt in Männerlagern errichtet – woher kamen die Frauen für die Häftlingsbordelle?
Sommer: Sie waren alle ebenfalls Häftlinge. Die SS selektierte die Frauen in den Frauen-Konzentrationslagern Ravensbrück oder Auschwitz-Birkenau, dann päppelte man sie zehn Tage im Krankenrevier auf und transportierte sie in die Männerlager. Die meisten der späteren "Bordellfrauen" waren "Reichsdeutsche" zwischen 17 und 35 Jahre alt, es wurden aber auch Polinnen, Weißrussinnen und Ukrainerinnen ausgewählt. Viele von ihnen waren als sogenannte "Asoziale" verhaftet worden und trugen im Lager den schwarzen Winkel, zum Beispiel weil sie den Arbeitsdienst verweigert hatten. Die SS rekrutierte in den Lagern auch einige inhaftierte Prostituierte für die Häftlingsbordelle, die vor allem zu Beginn den "professionellen" Betrieb der Lagerbordelle garantieren sollten.
Wie muss man sich den Alltag in einem solchen Lagerbordell vorstellen?
Sommer: Wie das ganze Leben im Lager war auch der Bordellbetrieb komplett von der SS überwacht, Privatsphäre war auch hier ein Fremdwort. Der "Sonderbau" im KZ Buchenwald war etwa jeden Abend von 19 bis 22 Uhr geöffnet, in den Zimmertüren waren Spione eingefasst, auf dem Flur patrouillierte ein SS-Mann. Jeder Häftling musste zuvor einen Antrag auf den Besuch des Bordells stellen und konnte sich dann einen "Sprungkarte" im Wert von zwei Reichsmark kaufen. Zum Vergleich: 20 Zigaretten in der Kantine kosteten drei Reichsmark. Juden war der Bordellbesuch verboten. Ein Rapportführer rief die Nummer des Häftlings auf und das Zimmer, in das er gehen durfte. Dort durften sich die Häftlinge genau 15 Minuten aufhalten, erlaubt war nur die Missionarsstellung.
Wie verhüteten die Häftlingsfrauen?
Sommer: Die SS hatte große Angst vor der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten im Lager, weshalb die Frauen regelmäßig auf Tripper und Syphilis getestet wurden. Das Thema Verhütung überließ man aber allein den Häftlingsfrauen, Kondome gab es nicht. Dennoch kam es relativ selten zu Schwangerschaften. Ein Großteil der als "asozial" inhaftierten Frauen war bereits vor der Einweisung ins KZ zwangssterilisiert worden, andere wurden durch die schlechten Lebensbedingungen im Lager unfruchtbar. Bei den wenigen Schwangerschaften, die dennoch vorkamen, tauschte die SS die Frauen einfach aus, schickte sie zurück in die Frauenlager, wo dann eine Abtreibung durchgeführt wurde. Oft kam eine Schwangerschaft im Konzentrationslager einem Todesurteil gleich, doch es gibt keine Belege dafür, dass schwangere Bordellfrauen umgebracht wurden.
Sie haben über Jahre hinweg in Archiven und Gedenkstätten über die Zwangsprostituierten und die Häftlingsfreier recherchiert und sind auf eine große Fülle an Material gestoßen, dass die Geschichte der Sonderbauten in vielen Einzelheiten dokumentiert. Trotzdem ist das Thema bislang kaum bekannt gewesen.
Sommer: Ja, das ist in der Tat erstaunlich, denn zum Beispiel selbst die Abrechnung der Bordelleinnahmen durch die SS sind überliefert. Doch das Thema Zwangsprostitution ist ja generell ein Tabu, da muss es nicht einmal um Sex-Zwangsarbeit in Konzentrationslagern gehen. Dies war eine ganz besonders perfide Form nationalsozialistischer Gewalt, die SS hat in den Lagerbordellen versucht, Häftlinge zu Mittätern zu machen. Daher ist das Thema Lagerbordelle auch innerhalb von Überlebenden-Verbänden nach wie vor ein strittiges. Viele der missbrauchten Frauen schwiegen aus Scham lange über ihr Schicksal. Besonders tragisch ist zudem, dass keine Frau für das Unrecht der Sex-Zwangsarbeit entschädigt wurde.
Das Interview führten Mareike Fallet und Simone Kaiser
Das Buch von Robert Sommer erscheint im Juni 2009 im Ferdinand-Schöningh-Verlag: "Das KZ-Bordell. Sexuelle Zwangsarbeit in nationalsozialistischen Konzentrationslagern"
http://www.amazon.de/Das-KZ-Bordell-Zwa ... 259&sr=1-1
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Geschichtsforschung Sexworker Schicksaale
Bemerkenswert finde ich:
- 15 Min. Paysex kosteten soviel wie 13 Zigaretten.
- die meisten der ca. 200 gezwungenen Frauen (Sexsklaven) sollen überlebt haben.
Also Sexwork auch hier und selbst hier als Überlebensperspektive?
- erst jetzt wird das Tabuthema aufgearbeitet.
- bisher wurden keine Entschädigungen gezahlt.
Entschädigungszahlungen sollten wir uns als eine Forderung für Sexworker-Gewerkschaften, SW-Hilfseinrichtungen und Sexworker Interessennetzwerk zu eigen machen.
.
- 15 Min. Paysex kosteten soviel wie 13 Zigaretten.
- die meisten der ca. 200 gezwungenen Frauen (Sexsklaven) sollen überlebt haben.
Also Sexwork auch hier und selbst hier als Überlebensperspektive?
- erst jetzt wird das Tabuthema aufgearbeitet.
- bisher wurden keine Entschädigungen gezahlt.
Entschädigungszahlungen sollten wir uns als eine Forderung für Sexworker-Gewerkschaften, SW-Hilfseinrichtungen und Sexworker Interessennetzwerk zu eigen machen.
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- Marc of Frankfurt
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Forschungsarbeit zu Nazi Sexsklavinnen
KZ-Bordelle: «Weiber für den fleissig arbeitenden Gefangenen»
In Konzentrationslagern betrieben die Nationalsozialisten Bordelle. Die Arbeit der Zwangsprostituierten sollte die Produktivität der Häftlinge erhöhen. Eine Studie widmet sich diesem bislang wenig bekannten Kapitel des Nazi-Terrors.
Zwangsprostituierte für den «fleissig arbeitetenden Gefangenen»: Das Lagerbordell im KZ Mauthausen.
Bis heute ist die Zwangsprostitution im Nationalsozialismus in der Geschichtsschreibung weitgehend ein weisser Fleck geblieben. Die Legende, die Nazis hätten die Prostitution verboten oder zumindest bekämpft, hielt sich hartnäckig. Doch nun räumt eine umfassende wissenschaftliche Arbeit des deutschen Kulturwissenschaftlers Robert Sommer mit dieser Vorstellung auf und bringt Licht in das lange tabuisierte Schicksal der Zwangsprostituierten im Nazi-Regime.
In seiner Dissertation erzählt Sommer, wie die Nazis in den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Dachau und Ausschwitz Bordelle für KZ-Gefangene errichteten. Rekrutiert wurden dabei vor allem gesund und gut aussehende Häftlingsfrauen im Alter zwischen 17 und 35 Jahren. «Die Weiber» sollten den «fleissig arbeitenden Gefangenen zugeführt werden», um die Arbeitsproduktivität der Lagerinsassen zu heben, so die Vorstellung von Reichsführer Heinrich Himmler.
Eine Prostituierte auf 300 bis 500 Gefangene
[gab es 'nur' 60.000 - 100.000 Gefangene?]
Nicht weniger als 200 Frauen wurden in den Lager-Bordellen gehalten, vor allem als «asozial» inhaftierte deutsche Frauen, aber auch Polinnen und Russinnen wurden den Sonderkommandos überstellt. Für die Prostitution nicht zugelassen waren Jüdinnen – aus Gründen der «Rassenhygiene». Gemäss den Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes kam auf 300 bis 500 Mann je eine Prostituierte.
Der Ablauf des Bordellbesuch wurde durch die Nazis streng reglementiert. Den Häftlingen wurde genau 15 Minuten eingeräumt, eine Privatsphäre gab es nicht: Die Türen hatten Spione auf dem Flur patrouillierten SS-Wachmännern. Sprechen durften die Freier mit den Prostituierten nur das Allernötigste, und erlaubt war nur die Missionarsstellung. Juden war der Besuch verboten.
Letzte Chance, dem Tod im Lager zu entkommen
Die Bordellfrauen hatten laut der Studie bessere Aussichten, das Terror-Regime zu überleben, als die anderen Lagerinsassen. Für viele totgeweihte Frauen war die Abberufung ins Bordell denn auch die letzte Chance, dem Tod im Lager zu entkommen. Doch nicht immer meldeten sich die Frauen freiwillig für die Prostitution. So hätten die Nazis Lagerinsassinen gedroht, sie mit Gewalt zu holen, wenn es keine Freiwillige gebe.
Eben diese angebliche Freiwilligkeit hat indessen dazu beigetragen, dass über das Schicksal der Bordellfrauen in den KZ bislang nur wenig bekannt ist: Die ehemaligen Prostituierten wurden lange Zeit stigmatisiert. Was aus ihnen wurde, bleibt im Dunkeln. Die meisten schwiegen sich nach dem Ende der Nazi-Schreckensherrschaft über ihre Arbeit als Prostituierte aus.
(dvp)
http://bazonline.ch/wissen/geschichte/K ... y/18118210
Das heutige EU Lagersystem:
viewtopic.php?p=57916#57916
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In Konzentrationslagern betrieben die Nationalsozialisten Bordelle. Die Arbeit der Zwangsprostituierten sollte die Produktivität der Häftlinge erhöhen. Eine Studie widmet sich diesem bislang wenig bekannten Kapitel des Nazi-Terrors.
Zwangsprostituierte für den «fleissig arbeitetenden Gefangenen»: Das Lagerbordell im KZ Mauthausen.
Bis heute ist die Zwangsprostitution im Nationalsozialismus in der Geschichtsschreibung weitgehend ein weisser Fleck geblieben. Die Legende, die Nazis hätten die Prostitution verboten oder zumindest bekämpft, hielt sich hartnäckig. Doch nun räumt eine umfassende wissenschaftliche Arbeit des deutschen Kulturwissenschaftlers Robert Sommer mit dieser Vorstellung auf und bringt Licht in das lange tabuisierte Schicksal der Zwangsprostituierten im Nazi-Regime.
In seiner Dissertation erzählt Sommer, wie die Nazis in den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Dachau und Ausschwitz Bordelle für KZ-Gefangene errichteten. Rekrutiert wurden dabei vor allem gesund und gut aussehende Häftlingsfrauen im Alter zwischen 17 und 35 Jahren. «Die Weiber» sollten den «fleissig arbeitenden Gefangenen zugeführt werden», um die Arbeitsproduktivität der Lagerinsassen zu heben, so die Vorstellung von Reichsführer Heinrich Himmler.
Eine Prostituierte auf 300 bis 500 Gefangene
[gab es 'nur' 60.000 - 100.000 Gefangene?]
Nicht weniger als 200 Frauen wurden in den Lager-Bordellen gehalten, vor allem als «asozial» inhaftierte deutsche Frauen, aber auch Polinnen und Russinnen wurden den Sonderkommandos überstellt. Für die Prostitution nicht zugelassen waren Jüdinnen – aus Gründen der «Rassenhygiene». Gemäss den Richtlinien des Reichssicherheitshauptamtes kam auf 300 bis 500 Mann je eine Prostituierte.
Der Ablauf des Bordellbesuch wurde durch die Nazis streng reglementiert. Den Häftlingen wurde genau 15 Minuten eingeräumt, eine Privatsphäre gab es nicht: Die Türen hatten Spione auf dem Flur patrouillierten SS-Wachmännern. Sprechen durften die Freier mit den Prostituierten nur das Allernötigste, und erlaubt war nur die Missionarsstellung. Juden war der Besuch verboten.
Letzte Chance, dem Tod im Lager zu entkommen
Die Bordellfrauen hatten laut der Studie bessere Aussichten, das Terror-Regime zu überleben, als die anderen Lagerinsassen. Für viele totgeweihte Frauen war die Abberufung ins Bordell denn auch die letzte Chance, dem Tod im Lager zu entkommen. Doch nicht immer meldeten sich die Frauen freiwillig für die Prostitution. So hätten die Nazis Lagerinsassinen gedroht, sie mit Gewalt zu holen, wenn es keine Freiwillige gebe.
Eben diese angebliche Freiwilligkeit hat indessen dazu beigetragen, dass über das Schicksal der Bordellfrauen in den KZ bislang nur wenig bekannt ist: Die ehemaligen Prostituierten wurden lange Zeit stigmatisiert. Was aus ihnen wurde, bleibt im Dunkeln. Die meisten schwiegen sich nach dem Ende der Nazi-Schreckensherrschaft über ihre Arbeit als Prostituierte aus.
(dvp)
http://bazonline.ch/wissen/geschichte/K ... y/18118210
Das heutige EU Lagersystem:
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Abends kamen die Freier, am Tag stopften die Frauen Strümpfe für die SS
Zwangsprostituierte im KZ: Neues Buch über Tabu-Thema
Bild
Heinrich Himmler (2. v. li.) bei der Inspektion des KZ Mauthausen (Österreich). Im Hintergrund: Die Baracke, in der im Juni 1942 tatsächlich das erste Lagerbordell eingerichtet wurde
Foto: BMI/Fotoarchiv der KZ-Gedenkstätte Mauthausen
1 von 5
Von BEATE KRAUSE
Mehr als 60 Jahre nach Kriegsende enthüllt ein neues Buch ein Tabu-Thema: Jahrelang wurden in Konzentrationslagern der Nazis Frauen für Zwangsprostitution missbraucht. Die KZ-Bordelle entstanden auf Anordnung des Reichsführers der SS, Heinrich Himmler: So sollten Häftlinge für „gute Arbeitsleistungen“ ausgezeichnet werden, über ein Prämiensystem.
Für Autor Robert Sommer (34) eine besonders „perfide“ Idee: „Hier wurden Opfer, die Häftlinge, zu Tätern. Sie taten anderen Opfern, Frauen, die keine Wahl hatten, Gewalt an“, sagt er im Gespräch mit BILD.de
KZ-Bordelle, Buchtitel
Titel des Buches von Robert Sommer. Es erscheint im Schöningh, 492 Seiten, 39,90 Euro
Kulturwissenschaftler Robert Sommer schrieb über das Thema „KZ-Bordelle“ seine Dissertation
Rund 200 Zwangsprostituierte mussten in zehn Bordellen arbeiten, die großen Lagern wie Auschwitz, Dachau, Neuengamme, Buchenwald angegliedert waren. Eingesperrt warteten die Frauen dort jeden Tag auf ihre Freier: In der Woche meist von 19 bis 22 Uhr, sonntags auch schon nachmittags.
In der übrigen Zeit mussten die Frauen allgemeine Hausarbeiten in ihren Baracken erledigen, auf dem Gelände Kräuter sammeln gehen – oder für die SS-Bewacher Strümpfe stopfen.
Neun Jahre lang hat der Kulturwissenschaftler für das Thema recherchiert, fast 70 Archive im In- und Ausland genutzt. Er befragte 30 ehemalige Häftlinge, die als Zeitzeugen die schlimme Situation miterlebten.
Was waren das für Frauen, die im KZ Männern zu Diensten sein mussten?
Sommer erklärt: „Es waren meist sogenannte Asoziale, die oft aufgrund widriger Umstände ins KZ kamen. Manche waren nicht in der Nazi-Organisation 'Bund deutscher Mädel'. Andere galten als soziale Härtefälle, stammten aus kinderreichen oder sozial schwachen Familien. Einige von ihnen waren bereits Prostituierte und hatten gegen Auflagen von Behörden verstoßen [d.h. wer heute durch Scheinfreier wg Verstoß gegen Sperrgebietsverordnung aufgegriffen wird, wäre damals womöglich ins KZ-Lagerbordell gekommen. Anm.]. Wiederum andere kamen in ein KZ, weil sie eine sexuelle Beziehung zu einem Zwangsarbeiter hatten.“ Jüdinnen wurden nicht als Zwangsprostituierte eingesetzt – das wäre „Rassenschande“ gewesen.
Widerstand war zwecklos: Einige Frauen wurden zur scheinbar freiwilligen Meldung genötigt, andere zwangsrekrutiert. „Es gab aber auch Frauen, die dazu bereit waren, denn ihre Haftbedingungen waren im Bordell besser ähnliches gilt heute für Migrantinnen in der Sexarbeit, auch wenn sie anfangs ausgebeutet wurden, Anm.]“, sagt Robert Sommer. „Sie bekamen besseres Essen, wurden nur selten geschlagen, waren besser untergebracht und lebten nicht in unmittelbarer Todesangst. Das zeigt, wie pervers diese Lager waren: Frauen empfanden sogar sexuelle Ausbeutung als besser im Vergleich zum übrigen Lagerleben.“ [Diese "Perversität" offenbart sich generell in der Gegenüberstellung freiwilliger Sexarbeit zur übrigen Arbeitsverhältnissen. Anm.]
Während die meisten Frauen sich in ihr Schicksal fügten, begehrten einige wenige auf, sagt Sommer. Eine von ihnen: Margarete W. (25), die vom KZ Ravensbrück nach Buchenwald verlegt worden war. Sommer: „Als der erste Häftlings-Freier vor ihr stand, ging sie mit einer Schere auf ihn los. Vergeblich, sie hatte keine Chance, musste weiter machen.“
Wie funktionierte das Prämiensystem für die männlichen Häftlinge?
Die so genannten „Prämienscheine“, im Wert von 50 Pfennig bis zu einer Reichsmark, wurden von den Firmen, für die die Häftlinge schufteten, ausgegeben. Vorarbeiter teilten sie einmal die Woche aus, oft nach Gutdünken. Dabei gingen normale Häftlinge oft leer aus, bevorzugt wurden andere Vorarbeiter oder Kumpane. Mit den Gutscheinen konnte man in der Kantine essen, Zigaretten und Klopapier kaufen – oder das Bordell besuchen.
Berechtigt waren anfangs nur deutsche Männer, später durften auch Ausländer die Bordelle nutzen. Nie jedoch jüdische Männer.
Für jeden Häftling wurde ein Konto geführt, in dem Prämie und Einlösung aufgelistet war. Wer ins Bordell wollte, musste einen Antragsschein beim Blockältesten einreichen. Beim Appell wurden dann die Namen der Freier vorgelesen – und sie marschierten geschlossen zu der Baracke, wo sie sich anstellten. 15 Minuten hatte jeder Mann Zeit – und es gab feste Regeln: „Schuhe ausziehen, nicht sprechen, nur Missionarsstellung“, sagt Sommer. Über einen Spion in der Tür hatten die SS-Bewacher alles im Blick. Sommer: „Für alle Beteiligten war es eine sehr demütigende Situation.“
Doch nicht alle Männer machten mit, sagt Robert Sommer: „Manche wollten die Frauen nicht auf diese Weise missbrauchen, andere konnten keinen Geschlechtsakt vollziehen: Sie waren körperlich zu sehr geschwächt und nicht dazu in der Lage. Andere hatten am Sex im Angesicht von Tod und Leid kein Interesse. Und schließlich war es alles andere als erotisch.“
Fast alle Frauen überlebten das Martyrium. Doch was mit ihnen nach dem Krieg geschah, bleibt ein Rätsel: Die meisten schwiegen über ihre Erlebnisse. Das musste auch Robert Sommer erfahren. Über das Staatliche Museum Auschwitz gab es einen Kontakt zu einer betroffenen Frau, die er für sein Buch gern befragt hätte: „Doch sie ließ mir ausrichten, sie habe kein Interesse daran, mit einem Deutschen über das KZ zu sprechen.“
http://www.bild.de/BILD/news/2009/05/27 ... ungen.html
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Zwangsprostituierte im KZ: Neues Buch über Tabu-Thema
Bild
Heinrich Himmler (2. v. li.) bei der Inspektion des KZ Mauthausen (Österreich). Im Hintergrund: Die Baracke, in der im Juni 1942 tatsächlich das erste Lagerbordell eingerichtet wurde
Foto: BMI/Fotoarchiv der KZ-Gedenkstätte Mauthausen
1 von 5
Von BEATE KRAUSE
Mehr als 60 Jahre nach Kriegsende enthüllt ein neues Buch ein Tabu-Thema: Jahrelang wurden in Konzentrationslagern der Nazis Frauen für Zwangsprostitution missbraucht. Die KZ-Bordelle entstanden auf Anordnung des Reichsführers der SS, Heinrich Himmler: So sollten Häftlinge für „gute Arbeitsleistungen“ ausgezeichnet werden, über ein Prämiensystem.
Für Autor Robert Sommer (34) eine besonders „perfide“ Idee: „Hier wurden Opfer, die Häftlinge, zu Tätern. Sie taten anderen Opfern, Frauen, die keine Wahl hatten, Gewalt an“, sagt er im Gespräch mit BILD.de
KZ-Bordelle, Buchtitel
Titel des Buches von Robert Sommer. Es erscheint im Schöningh, 492 Seiten, 39,90 Euro
Kulturwissenschaftler Robert Sommer schrieb über das Thema „KZ-Bordelle“ seine Dissertation
Rund 200 Zwangsprostituierte mussten in zehn Bordellen arbeiten, die großen Lagern wie Auschwitz, Dachau, Neuengamme, Buchenwald angegliedert waren. Eingesperrt warteten die Frauen dort jeden Tag auf ihre Freier: In der Woche meist von 19 bis 22 Uhr, sonntags auch schon nachmittags.
In der übrigen Zeit mussten die Frauen allgemeine Hausarbeiten in ihren Baracken erledigen, auf dem Gelände Kräuter sammeln gehen – oder für die SS-Bewacher Strümpfe stopfen.
Neun Jahre lang hat der Kulturwissenschaftler für das Thema recherchiert, fast 70 Archive im In- und Ausland genutzt. Er befragte 30 ehemalige Häftlinge, die als Zeitzeugen die schlimme Situation miterlebten.
Was waren das für Frauen, die im KZ Männern zu Diensten sein mussten?
Sommer erklärt: „Es waren meist sogenannte Asoziale, die oft aufgrund widriger Umstände ins KZ kamen. Manche waren nicht in der Nazi-Organisation 'Bund deutscher Mädel'. Andere galten als soziale Härtefälle, stammten aus kinderreichen oder sozial schwachen Familien. Einige von ihnen waren bereits Prostituierte und hatten gegen Auflagen von Behörden verstoßen [d.h. wer heute durch Scheinfreier wg Verstoß gegen Sperrgebietsverordnung aufgegriffen wird, wäre damals womöglich ins KZ-Lagerbordell gekommen. Anm.]. Wiederum andere kamen in ein KZ, weil sie eine sexuelle Beziehung zu einem Zwangsarbeiter hatten.“ Jüdinnen wurden nicht als Zwangsprostituierte eingesetzt – das wäre „Rassenschande“ gewesen.
Widerstand war zwecklos: Einige Frauen wurden zur scheinbar freiwilligen Meldung genötigt, andere zwangsrekrutiert. „Es gab aber auch Frauen, die dazu bereit waren, denn ihre Haftbedingungen waren im Bordell besser ähnliches gilt heute für Migrantinnen in der Sexarbeit, auch wenn sie anfangs ausgebeutet wurden, Anm.]“, sagt Robert Sommer. „Sie bekamen besseres Essen, wurden nur selten geschlagen, waren besser untergebracht und lebten nicht in unmittelbarer Todesangst. Das zeigt, wie pervers diese Lager waren: Frauen empfanden sogar sexuelle Ausbeutung als besser im Vergleich zum übrigen Lagerleben.“ [Diese "Perversität" offenbart sich generell in der Gegenüberstellung freiwilliger Sexarbeit zur übrigen Arbeitsverhältnissen. Anm.]
Während die meisten Frauen sich in ihr Schicksal fügten, begehrten einige wenige auf, sagt Sommer. Eine von ihnen: Margarete W. (25), die vom KZ Ravensbrück nach Buchenwald verlegt worden war. Sommer: „Als der erste Häftlings-Freier vor ihr stand, ging sie mit einer Schere auf ihn los. Vergeblich, sie hatte keine Chance, musste weiter machen.“
Wie funktionierte das Prämiensystem für die männlichen Häftlinge?
Die so genannten „Prämienscheine“, im Wert von 50 Pfennig bis zu einer Reichsmark, wurden von den Firmen, für die die Häftlinge schufteten, ausgegeben. Vorarbeiter teilten sie einmal die Woche aus, oft nach Gutdünken. Dabei gingen normale Häftlinge oft leer aus, bevorzugt wurden andere Vorarbeiter oder Kumpane. Mit den Gutscheinen konnte man in der Kantine essen, Zigaretten und Klopapier kaufen – oder das Bordell besuchen.
Berechtigt waren anfangs nur deutsche Männer, später durften auch Ausländer die Bordelle nutzen. Nie jedoch jüdische Männer.
Für jeden Häftling wurde ein Konto geführt, in dem Prämie und Einlösung aufgelistet war. Wer ins Bordell wollte, musste einen Antragsschein beim Blockältesten einreichen. Beim Appell wurden dann die Namen der Freier vorgelesen – und sie marschierten geschlossen zu der Baracke, wo sie sich anstellten. 15 Minuten hatte jeder Mann Zeit – und es gab feste Regeln: „Schuhe ausziehen, nicht sprechen, nur Missionarsstellung“, sagt Sommer. Über einen Spion in der Tür hatten die SS-Bewacher alles im Blick. Sommer: „Für alle Beteiligten war es eine sehr demütigende Situation.“
Doch nicht alle Männer machten mit, sagt Robert Sommer: „Manche wollten die Frauen nicht auf diese Weise missbrauchen, andere konnten keinen Geschlechtsakt vollziehen: Sie waren körperlich zu sehr geschwächt und nicht dazu in der Lage. Andere hatten am Sex im Angesicht von Tod und Leid kein Interesse. Und schließlich war es alles andere als erotisch.“
Fast alle Frauen überlebten das Martyrium. Doch was mit ihnen nach dem Krieg geschah, bleibt ein Rätsel: Die meisten schwiegen über ihre Erlebnisse. Das musste auch Robert Sommer erfahren. Über das Staatliche Museum Auschwitz gab es einen Kontakt zu einer betroffenen Frau, die er für sein Buch gern befragt hätte: „Doch sie ließ mir ausrichten, sie habe kein Interesse daran, mit einem Deutschen über das KZ zu sprechen.“
http://www.bild.de/BILD/news/2009/05/27 ... ungen.html
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Wehrkraft: Kampf gegen STD per Armeebordell
Dokumentarfilm 2005:
Frauen als Beute - Wehrmacht und Prostitution
Maria K. aus Posen - eines der Opfer der Zwangsprostitution für die deutsche Wehrmacht.
Nach 1940 begannen die NS-Behörden mit der Einrichtung von Militärbordellen.
Die Frauen galten als “Material”, wurden mit Gewalt in besetzten Gebieten oder in Konzentrationslagern rekrutiert. Als Opfer sind sie bis heute nirgends anerkannt.
“Die SS-Männer kamen und suchten sich die schönen Frauen aus. Sie sagten - für die Front, die Soldaten zu versorgen.” Das erzählt Nina Michailowna, eine alte Frau aus Skadowsk in der Ukraine. Was sie beschreibt, gehört zu einem besonders finsteren und menschenverachtenden Aspekt der Geschichte des Zweiten Weltkriegs: dem Missbrauch von Frauen in deutschen Militärbordellen.
Ab 1940 war den zuständigen Behörden klar, dass es an der Front Regelungsbedarf gab. Tausende von Soldaten infizierten sich mit Krankheiten und standen oft über Monate der Truppe nicht zur Verfügung. Daraufhin begannen die Militärbehörden, eigene Bordelle einzurichten.
Was war im konkreten Fall das größere Übel?
Der Zwang zur Sexarbeit oder Haß, Verachtung und Gewalt der Menschen gegen Huren (Putophobie)?
Film von Thomas Gaevert und Martin Hilbert und
http://video.google.de/videoplay?docid= ... 8094898839
(42 Minuten)
www.youtube.com/results?search_query=We ... ostitution
Teil 1 von 7
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=9kluy1MrY04[/youtube]
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Frauen als Beute - Wehrmacht und Prostitution
Maria K. aus Posen - eines der Opfer der Zwangsprostitution für die deutsche Wehrmacht.
Nach 1940 begannen die NS-Behörden mit der Einrichtung von Militärbordellen.
Die Frauen galten als “Material”, wurden mit Gewalt in besetzten Gebieten oder in Konzentrationslagern rekrutiert. Als Opfer sind sie bis heute nirgends anerkannt.
“Die SS-Männer kamen und suchten sich die schönen Frauen aus. Sie sagten - für die Front, die Soldaten zu versorgen.” Das erzählt Nina Michailowna, eine alte Frau aus Skadowsk in der Ukraine. Was sie beschreibt, gehört zu einem besonders finsteren und menschenverachtenden Aspekt der Geschichte des Zweiten Weltkriegs: dem Missbrauch von Frauen in deutschen Militärbordellen.
Ab 1940 war den zuständigen Behörden klar, dass es an der Front Regelungsbedarf gab. Tausende von Soldaten infizierten sich mit Krankheiten und standen oft über Monate der Truppe nicht zur Verfügung. Daraufhin begannen die Militärbehörden, eigene Bordelle einzurichten.
Was war im konkreten Fall das größere Übel?
Der Zwang zur Sexarbeit oder Haß, Verachtung und Gewalt der Menschen gegen Huren (Putophobie)?
- "Wenn wir wußten, daß in unserem Block eine [schöne Mitgefangene] ausgesucht wurde [von den Soldaten um sie mitzunehmen für die Armeebordelle an der Front], haben wir [gefangenen Mit-Frauen] sie geschnappt und ihr eine Decke übergeworfen und sie so verprügelt, daß sie sich nicht mehr rühren konnte. Es war unklar, ob sie sich davon überhaupt wieder erholen könnte.
Die wollten doch nur ein schöneres Leben haben und wir haben sie so bestraft."
Nina Michailovna,
ehemalige Inhaftierte KZ Ravensbrück
Minute 30 im Film.
Film von Thomas Gaevert und Martin Hilbert und
http://video.google.de/videoplay?docid= ... 8094898839
(42 Minuten)
www.youtube.com/results?search_query=We ... ostitution
Teil 1 von 7
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=9kluy1MrY04[/youtube]
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Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 07.04.2011, 03:06, insgesamt 4-mal geändert.