So sehen Ruhrgebiets-Bordelle von innen aus

Hier können SexarbeitInnen ihren Arbeitsplatz bzw. ihre Arbeitsbedingungen beschreiben. Was erlebt Ihr alles in Eurem Beruf?
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couchy
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So sehen Ruhrgebiets-Bordelle von innen aus

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Beitrag von couchy »

So sehen Ruhrgebiets-Bordelle von innen aus
16. Februar 2017 | Von Felix Huesmann

Ruhrbaron Thomas McNeal ist im Hauptberuf erotischer Fotograf. Er macht allerdings keine Aktbilder von Ehefrauen fuer Hochzeitsgeschenke. Er fotografiert auch keine Models. Die Frauen, die er seit mehr als zehn Jahren festhaelt, sind Prostituierte im Ruhrgebiet. Bis zu 250.000 mal werden seine Fotos im Monat angesehen - auf einer der groessten Kontaktanzeigenseite fuer Prostituierte in der Region. Im letzten Jahr hat Thomas angefangen, nicht mehr nur die Frauen zu fotografieren, sondern auch die Bordelle, in denen sie arbeiten. Die Fotoserie hat er ganz amtsdeutsch "Verrichtungsraum" genannt. Sie bietet einen Einblick in die Wohnungsprostitution im Ruhrgebiet. Ruhrbaron Felix Huesmann hat sich mit Thomas McNeal ueber seine Arbeit unterhalten.

Wie bist du dazu gekommen, Prostituierte zu fotografieren?

Thomas McNeal: Ich arbeite schon seit 25 Jahren im Bereich Akt- und erotische Fotografie. Ich habe eine Fotografen-Ausbildung gemacht, dann Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert und hatte zwischendurch eine Internet-Firma. Wir haben 1996 die erste Version des Intimen Reviers programmiert. Das ist ein Portal fuer gewerbliche Kontaktanzeigen und sogar aelter als Google. Solche Kontaktanzeigen waren bis dahin nur in Zeitungen verbreitet.

Als ich dann Vater geworden bin, brauchte ich eine berufliche Veraenderung. Darum habe ich angefangen, als angestellter Fotograf fuer das Intime Revier zu arbeiten. Das mache ich jetzt mittlerweile seit 12 Jahren.

Wie reagieren Leute darauf, dass du Prostituierte fotografierst?

Unterschiedlich. Zum einen stellen die Leute fest, dass ich so "ausgesprochen normal" bin. Die stellen sich alle erstmal einen luesternen Sexbesessenen vor. Frauen lehnen das immer erstmal sehr harsch ab. Da gibt es immer eine moralische Diskussion und die Prostituierten werden sehr schnell zum Opfer erklaert. Die Maenner versuchen, mich meistens in eine soziologische Diskussion zu verwickeln. Die finden das dann immer ganz interessant und fragen irgendwann, wie das denn ist, mit so vielen nackten Frauen zu arbeiten. Und irgendwann kommt oft auch die ganz diskrete Frage, ob ich denn eine bestimmte Location empfehlen koennte.

Und, kannst du?

Nein, kann ich nicht. Das hat naemlich in meinem persoenlichen Leben keinen Platz. Nicht, weil ich asexuell leben wuerde oder so. Aber diese Illussion, die da verkauft wird, hat fuer mich keine erotische Komponente mehr. Ich bin ja Teil der Illussion und kenne den Blick hinter den Kulissen. Ich sitze manchmal mit den Frauen in der Kueche. Die sind dann total vermummt, im Bademantel, unter einer Decke, und halten sich an ihrem warmen Kaffee fest. Und sobald es an der Tuer klingelt, schmeissen die alles von sich, gehen in Stoeckelschuhen an die Tuer und sind wie ausgewechselt. Und wenn man das alles weiss, ist da nichts Erotisches mehr dran.

Ich werde auch oft gefragt, ob ich nicht Angebote von den Maedels bekommen wuerde. Aber das ist ein grosses Missverstaendnis. Der Punkt ist: Meine Dienstleistung kostet Geld, und die verdienen damit auch Geld. Und in dem Moment, wo ich auftauche, muessen die eine Rechnung bezahlen und koennen kein Geld verdienen. Und weil ich kein potenzieller Kunde bin, bin ich in dem Augenblick fuer die quasi ein sexuelles Neutrum. Und wenn ich mal wen ausserhalb auf der Strasse treffe, ist denen das eher peinlich.

Also sexuell gesehen kein Traumjob?

Also zumindest fuer mich ist das nicht so. Das hat sicher auch was damit zu tun, wie man persoenlich gestrickt ist. Aber man koennte die Arbeit nicht machen, wenn man permanent geil waere. Ich stehe bei der Arbeit ausserdem auch unter einem ziemlichen Zeitdruck. Weil fuer die Frau, die ich fotografiere, Zeit Geld ist. Es faellt Tagesmiete fuer das Zimmer an, und je laenger ich da bin, desto mehr Verdienstausfall hat sie. Da bleibt weder fuer Kunst noch fuer erotische Gedanken Zeit.

Du fotografierst seit 12 Jahren Prosituierte. Warum machst du jetzt auch Fotos von den "Verrichtungsraeumen"?

Es interessiert viele Leute, wie es in Bordellen aussieht. Das sind aber meistens sehr diskrete Orte. Wenn das jetzt nicht so grosse Puffs wie das Pascha sind, die auch mal im Fernsehen auftauchen, dann kennt man die in der Regel nicht. Die Orte, die ich fotografiert habe, liegen alle sehr verschwiegen. Haeufig wissen noch nicht mal die Nachbarn im Haus, was da in der Wohnung passiert. Diese Orte werden zwar oeffentlich beworben, die Adresse geht aber meistens nur uebers Telefon raus. Fuer mich ist das alles ganz normal.

Vor allem viele Frauen interessiert es aber brennend, wie es da aussieht. Das habe ich erst nicht verstanden. Aber eigentlich ist das ja klar: Frauen kommen dort nur als Prostituierte oder als Putzfrau rein und haben sonst keine Chance, das zu sehen.

Und dazu kommt, dass viele dieser Orte mit dem neuen Prostitutionsgesetz spaetestens naechstes Jahr verschwinden werden. Nach dem neuen Gesetz ist es naemlich nicht mehr moelich, in der Art wie bisher, Wohnungsprostitution zu betreiben. Darum lag es fuer mich nahe, das zu dokumentieren, solange es noch moeglich ist.

Und dann hast du zwischen deinen beruflichen Fotos immer noch einige private gemacht?

Genau, ich hatte ja das Glueck, dass die Frauen mich alle schon kennen. Wen anders haetten die da gar nicht reingelassen. Ich habe mir ueberlegt, wie ich diese Raeume fotografiere, weil die in der Regel recht dunkel sind. Ich mache darum HDR-Aufnahmen. Das heisst, die Kamera steht auf einem Stativ und ich mache mehrere Bilder, die verschieden stark belichtet sind. Die werden dann am Computer zusammengerechnet. Ich versuche dabei immer, die Lichtstimmung so rueber zu bringen, wie sich die Raeume auch in der Raelitaet praesentieren. Ich veraendere in den Raeumen nichts. Manchmal habe ich das Glueck, dass ich noch in ein voellig zerwuehltes Zimmer komme, wo der letzte Gast gerade erst raus ist. Manchmal sind die aber auch sehr aufgeraeumt.

Um die Fotos zu machen, brauche ich natuerlich immer auch ein bisschen Zeit, so zwischen 45 Minuten und anderthalb Stunden. Und wie gesagt: Zeit ist Geld. Das ist ein bisschen so, als wuerde VW fuer mich das Band anhalten.

Was fuer Gemeinsamkeiten haben die "Verrichtungsraeume", die du fotografiert hast?

Die grosse Gemeinsamkeit ist, dass die Raeume alle von Frauen eingerichtet wurden. Die Raeume zeigen die Vorstellung der Frauen davon, was Maenner erotisch finden. Ich finde vor allem die verwendeten Farben immer wieder himmelschreiend. Das sind oft richtig knallige Rot-Toene. Die Zimmer sind oft in so einem Puppenstuben-Stil eingerichtet - also da, wo es um "normalen" Sex geht. Manchmal sind die sehr kitschig, manchmal aber auch eher kalt, wenn nicht genug Geld fuer Deko zur Verfuegung stand. Oft sind auch die Zimmer ganz schoen eingerichtet, die Baeder aber echt schmuddelig. Ich habe ja auch ein paar etwas bizarre Raeume fotografiert. Da musste ich mich selbst dazu zwingen, in diese Situation reinzugehen. Das ist wirklich nichts, was ich mit Sex verbinden wuerde. So eine Klinik zum Beispiel. Oder die SM-Raeume. Da steht man vor verschiedenen Geraeten und fragt sich: Welchen Sex kann man auf einer Streckbank haben?

Die Fotos von Thomas McNeal sind auf seiner Website "Verrichtungsraum" https://verrichtungsraum.com zu sehen.
Ihr koennt ihm ausserdem bei Instagram folgen.

https://www.ruhrbarone.de/so-sehen-ruhr ... aus/138902

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