Lieber Rotlicht statt Blaulicht - Kampagne der AnrainerInnen

Hier findet Ihr "lokale" Links, Beiträge und Infos - Sexarbeit betreffend. Die Themen sind weitgehend nach Städten aufgeteilt.
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Zwerg
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Lieber Rotlicht statt Blaulicht - Kampagne der AnrainerInnen

#1

Beitrag von Zwerg »

Lieber Rotlicht statt Blaulicht

Mit Freude nehmen wir die Aktion des Stuwer Komitees "Lieber Rotlicht als Blaulicht" wahr! Wenn AnrainerInnen des Stuwer Viertels (eines der Gebiete wo Straßenstrich in Wien seit Jahrhunderten beheimatet ist - und über Gebühr aus politischer Motivation heraus verdrängt bzw. vertrieben wird) sich solidarisch mit den SexarbeiterInnen erklären, so sind dies Signale! Menschenrechte sind Themen die Jeden betreffen!

Wir möchten auf alle Fälle unseren größten Respekt vor dem Stuwerkomitee zum Ausdruck bringen und würden uns freuen, wenn die geplanten Aktionen - siehe Webseite http://www.stuwer.info - auch andere WienerInnen ein wenig aufrütteln würden! Es gibt Möglichkeiten sich zu informieren - sich selbst ein Bild zu machen. Und dann zu entscheiden: Wie stehe ich dazu? Und auch "in welcher Gesellschaft möchte ich leben"


Bild

http://www.stuwer.info

Lieber Rotlicht statt Blaulicht

Sehr geehrte Damen und Herren,

das neue Wiener Prostitutionsgesetz macht den Sexarbeiterinnen das Leben schwer und
bringt sie in größere Abhängigkeit von Bordell- und LaufhausbetreiberInnen.

Wir, das Stuwerkomitee, sind BewohnerInnen dieses schönen Viertels und wir werden ZeugInnen, wie die neuen Bestimmungen und Maßnahmen die Stimmung in unserer Wohngegend verschärfen; die Straßen im Blaulicht, Kontrollen alle zwei Kreuzungen.

Wir möchten die Diskussion zwischen AnwohnerInnen, SexarbeiterInnen und Kunden entfachen, wir fragen uns, wie hier bei uns im Stuwerviertel Sexarbeit so ausgeübt werden kann, dass sie eine alltägliche lebenswerte, sogar bereichernde Facette des Lebens in unserer Nachbarschaft darstellt – und kein Ärgernis.

Wir würden uns freuen, wenn Sie uns dabei unterstützen könnten.

Wir als BewohnerInnen des Stuwerviertels sind ...
- FÜR menschenwürdige Arbeitsbedingungen für SexarbeiterInnen

- FÜR klare rechtliche Regelungen, die Sexarbeit zu einem anständigen Beruf machen

- FÜR Straßenprostitution, die auch für AnrainerInnen akzeptabel ist

- FÜR den Erhalt der Sexarbeit im Stuwerviertel als alltägliche, sogar bereichernde Facette unseres Lebens hier im Viertel

- GEGEN Säuberungsaktionen, die Probleme nur verlagern aber nicht lösen

- GEGEN die Jagd auf SexarbeiterInnen (Blaulicht)

- GEGEN die Schließung von Stundenhotels, dem einzig sicheren und sauberen Arbeitsplatz für SexarbeiterInnen

- GEGEN die Abschaffung des Rotlichts im Stuwerviertel, einer jahrhundertealten Tradition hier im Viertel
________ http://www.stuwer.info _________
Wir vom Sexworker Forum werden die Aktionen rund um das Stuwerviertel in jeder erdenklichen Form unterstützen! Und natürlich auch an dieser Stelle hier weiter berichten
Zuletzt geändert von Zwerg am 25.02.2014, 00:00, insgesamt 2-mal geändert.
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malin
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#2

Beitrag von malin »

und diese Aktion wurde wirklich von Anwohnern des Stuwerviertels ins Leben gerufen, aus eigenem Antrieb?

Ich bin sprachlos, das ist ja Grossartig!
liebe grüsse malin

eventuell fehlende buchstaben sind durch meine klemmende tastatur bedingt :-)

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Zwerg
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#3

Beitrag von Zwerg »

          Bild
malin hat geschrieben:und diese Aktion wurde wirklich von Anwohnern des Stuwerviertels ins Leben gerufen, aus eigenem Antrieb?!
Ja! Dem ist so! Ihre Beweggründe für die Aktion erklärt Frau Tina Leisch -eine der GründerInnen des Stuwerkomitees - hier recht schön: In einem Heute im Standard erschienenen Streitgespräch:

Sexarbeit in Österreich: Verbieten oder legalisieren?

Diskussion | Ina Freudenschuß, Beate Hausbichler, 5. September 2013, 07:00

Für Filmemacherin Susanne Riegler steht sie einer gleichberechtigten Gesellschaft im Weg, Tina Leisch meint, es gibt Schlimmeres - zum Beispiel Klos putzen

Verbieten oder anerkennen? Lange Zeit war es in Österreich ruhig um das Thema Sexarbeit. Seit sich die rot-grüne Stadtregierung in Wien zu einem neuen Prostitutionsgesetz aufgeschwungen hat, gibt es jedoch wieder Diskussionsbedarf. Parallel dazu wird in Deutschland, wo Sex gegen Geld seit mehr als zehn Jahren legal ist, heftig debattiert, welche Effekte eine Legalisierung auf die Sexindustrie hat.

Zur Klärung der Argumente hat dieStandard.at zwei Feministinnen getroffen, die sich konträr in dieser Sache engagieren. Die Journalistin und Filmemacherin Susanne Riegler steht mit ihrer "Initiative Stopp Sexkauf" für ein völliges Verbot von Prostitution und hat eine Online-Petition dazu gestartet. Theater- und Filmemacherin Tina Leisch will, dass Sexarbeit legal wird und im Prater wieder "Rotlicht statt Blauchlicht" herrscht. Ein feministischer Schlagabtausch:

dieStandard.at: Das neue Wiener Prostitutionsgesetz wirft für die Sexarbeiterinnen einige Probleme auf. Viele Erlaubniszonen wurden gestrichen, nun droht auch im Prater das Ende der Straßenprostitution. Geht dieses Abdrängen der Prostitution von der Straße in die richtige Richtung, Frau Riegler?

Riegler: Was in Wien passiert, ist das klassische Resultat einer Politik, die zwischen "ein bisschen legal", "ein bisschen illegal" und manchmal auch "ein bisschen egal" herumwurschtelt. Was wir jetzt im Auhof erleben, wohin die Frauen abgedrängt werden, ist aus meiner Sicht untragbar. Das passiert, weil die PolitikerInnen so unentschlossen sind und keinen Mut haben, klare Entscheidungen zu treffen - kurzum, entweder die Prostitution zu legalisieren, wie es viele Sozialarbeiterinnen fordern, oder den Mut zu haben, den schwedischen Weg des Sexkauf-Verbots zu gehen. In einem Land, das die Gleichberechtigung der Geschlechter in seinen Grundgesetzen verankert hat, ist es für mich sowieso undenkbar, dass ein Mann eine Frau zur sexuellen Benützung kauft. Solange das möglich ist, gibt es de facto keine Gleichberechtigung.

Leisch: An dieser Situation sind genau solche Leute wie Sie schuld. Leute, die unter einem feministischen Deckmäntelchen dazu beitragen, Sexarbeit moralisch zu diffamieren. Ihre Wortwahl ist schon skandalös frauenverachtend, wenn Sie sagen: Sexarbeiterinnen würden ihren Körper einem Mann zur Verfügung stellen. Sexarbeiterinnen verkaufen Dienstleistungen und nicht ihren Körper. Sie befleißigen sich einer diskriminierenden Redeweise, die die Autonomie und Entscheidungsfreiheit der Frauen, die das machen, von vornherein in Abrede stellt.

dieStandard.at: Frau Leisch, Sie wollen sich aktiv für Sexarbeiterinnen im zweiten Bezirk einsetzen. Was war der Anlass dazu?

Leisch: Die Wiener Problematik hat damit zu tun, dass ein paar fanatische SexarbeitsgegnerInnen, AnwohnerInnen, aber auch Sie mit dieser Petition, Stimmung machen. Deshalb sorgt die SPÖ-Politik dafür, dass das, was man von Sexarbeit auf der Straße sieht, verschwindet. Im Endeffekt gibt es hier eine skurrile Allianz zwischen Leuten, die sich Feministinnen nennen, religiösen Gruppierungen und den Bordellbesitzern. Sie treibt die SexarbeiterInnen in die Arme der Zuhälter und Laufhausspekulanten.

Wir treten dafür ein, dass der Straßenstrich im Stuwerviertel legalisiert wird, dass vor jedem Stundenhotel Sexarbeiterinnen stehen dürfen. Am Auhof ist die Situation völlig unsicher: Er liegt direkt an der Autobahn. Es gibt auch keine Hotels dort. Man braucht jemanden, der sich die Nummer notiert, der aufpasst, der einen ein bisschen beschützt. Einen Zuhälter also.

dieStandard.at: Sie sprechen selbst die Gefahr für Frauen in der Sexarbeit an. Mit anderen Dienstleistungen ist sie dann aber nicht vergleichbar.

Leisch: Es kann unter guten Bedingungen eine geile Arbeit sein. Sex ist doch etwas viel Schöneres als putzen oder regalbetreuen oder am Bankschalter sitzen, oder? Ich jedenfalls würde hundertmal lieber jemandem einen runterholen, als sein verschissenes Klo zu putzen.

Aber Sexarbeit ist umso gefährlicher, je illegaler sie ist. Wäre die Wohnungsprostitution erlaubt, könnte eine Frau gemeinsam mit einer anderen in ihrer Wohnung legal ihrer Arbeit nachgehen und bei Gefahr auch die Polizei rufen, wäre das ein sicherer Beruf. Wenn es illegal ist, das zeigt auch die Situation in Schweden, nehmen die Übergriffe auf Sexarbeiterinnen zu, weil die Frauen auch nicht mehr zur Polizei gehen können. Alle, die für Sicherheit sorgen und schauen könnten, dass nur die Frauen den Job machen, die das auch wirklich wollen - also Sozialarbeiterinnen, NGOs und Polizei -, können dann kaum mehr Unterstützung anbieten. Darum geht es aber: die selbstbestimmte Sexarbeit von der Zwangsprostitution zu trennen, die es ja tatsächlich gibt.

Riegler: Prostitution gesetzlich als Dienstleistung beziehungsweise als neuen Frauenberuf zu etablieren würde allen Maßnahmen gegen die Geschlechterhierarchisierung in der Arbeitswelt zuwiderlaufen. Dass ein Sexkauf-Verbot die Prostitution gefährlicher mache, ist eine Behauptung, nicht mehr. In Deutschland etwa, wo Prostitution nicht verboten, sondern eine "normale" Erwerbsarbeit ist, klagen Polizei und Sozialarbeiterinnen über zu wenige Kontrollmöglichkeiten, da Bordelle ja nun ganz normale Gewerbebetriebe sind.

Es geht außerdem nicht nur um die körperliche Gewalt: Prostitution verlangt von der Frau körperliche Intimität bei gleichzeitiger emotioneller Distanz. Die psychischen Folgen dieser jahrelangen innerlichen Abspaltung betreffen jede Prostituierte.

dieStandard.at:Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass Sie eine Allianz mit konservativen Kräften eingehen?

Riegler: Mit unserer Petition "Stopp Sexkauf" wollen wir losgelöst von dem Normalisierungsdiskurs eine Diskussion ankurbeln, die sexistische und ökonomische Machtstrukturen sowie die neoliberalen Einbettungen dieses Gewerbes in den Fokus rückt. Der Anteil jener Frauen, die selbstbestimmt und auf Augenhöhe mit dem Freier Prostitution betreiben können, ist sehr gering. Sie betreiben hier einen gefährlichen Individualisierungsdiskurs, weil Sie damit die vielen anderen über die Klinge springen lassen.

Leisch: Es muss darum gehen, Bedingungen zu schaffen, dass Frauen, die es eigentlich nicht machen wollen, Möglichkeiten bekommen, etwas anderes zu tun. Und die Frauen, die sich dafür entscheiden, es selbstbestimmt und unter guten Bedingungen und als respektablen Beruf ausüben können. Ein Grund, warum dieser Beruf als besonders belastend empfunden wird, ist sicher, dass man sehr intensiv mit Menschen zu tun hat, ähnlich wie Altenpflegerinnen oder Heimhilfen. Aber der Hauptgrund dafür ist die gesellschaftliche Ächtung, das Doppelleben. Dass man den FreundInnen und der Familie nicht sagen kann, was man tut.

Riegler: Zur Klarstellung: Wir ächten die Prostituierten nicht, sondern wir hinterfragen das System Prostitution, das Frauen kommerziell erniedrigt. Das Zweite ist: Der Selbstbestimmungsanspruch, den die SexarbeiterInnen-Lobby hat, kommt eigentlich aus den 1970ern. Diese Zuschreibungen als "sexfeindliche Feministinnen" auch.

Der Haken dabei ist, dass sich mittlerweile sehr viel verändert hat. Der Neoliberalismus setzt alle Menschen so unter Druck, dass sich niemand mehr irgendwie selbstbestimmen kann, und schon gar nicht die Prostituierten, die den Gesetzen des freien Marktes unterworfen sind. Die Folge ist eine totale Entgrenzung der Tätigkeit, etwa dass Prostituierte bis zu 16 Stunden nonstop Sex mit Männern machen müssen. Die Wiener Gesundheitsbeauftragten gehen davon aus, dass 90 Prozent der Prostituierten aufhören würden, wenn sie könnten ...

Leisch: ... wenn sie in einem andere Job gleich viel verdienen würden, aber diese Optionen gibt es eben nicht. Laut des Instituts für Konfliktforschung sind es übrigens viel weniger. Viele Probleme könnten gelöst werden, wenn SexarbeiterInnen mehr Rechte hätten.

dieStandard.at: Sexarbeit macht eine Diskussion über den Stellenwert von Sexualität in der Gesellschaft nötig. Soll Sexualität besser geschützt werden?

Riegler: Der Initiative "Stopp Sexkauf" geht es nicht um den Schutz der Sexualität, sondern um eine grundsätzliche Achtung von Menschen. Ein Sexkauf-Verbot soll verhindern, dass Männer Frauen dafür bezahlen, dass sie diese benützen dürfen. Frauen sind kein Konsumartikel.

dieStandard.at: Aber wo fängt das Benützen an?

Riegler: Bei der Prostitution geht es um die Integrität und die Würde eines Menschen, Sexualität ist etwas sehr Intimes. Bei der Billa-Verkäuferin wird das nicht verlangt.

In Schweden wächst inzwischen eine Generation von Buben und Mädchen heran, für die Prostitution etwas Unvorstellbares ist: dass jemand einen anderen benützt. Da ist auch die Wertschätzung der Geschlechter untereinander eine andere.

Unserer Initiative geht es darüber hinaus um die Frage: Wo macht diese alles verwerten wollende Ökonomie noch halt? Offenbar nicht an der industriellen Verwertung von Menschen, wie man an der Sexindustrie sieht.

Leisch: In einem utopischen Gesellschaftsentwurf sind Menschen nicht käuflich, da bin ich bei Ihnen. Neoliberale Verhältnisse verlangen von den Menschen dauernd, sich zu prostituieren. Die Grenze, wo jemand sagt: Das ist meine Intimität, mein Innerstes, die dürfen erwachsene Menschen aber selber setzen. Sie unterstellen, dass es für alle Menschen die Sexualität ist. Das ist aber nicht so.

Ich bin total dafür, Kampagnen zu machen, in denen wir Menschen ermuntern, nicht über diese Grenzen zu gehen: Lass dir das nicht gefallen! Verkauf nicht Dinge, die zu deiner Persönlichkeit gehören! Mach dein Business dort, wo es für dich nicht wichtig ist! Aber das entscheidet jede und jeder Erwachsene selber, wo diese Grenzen jeweils liegen. Für mich wäre es zum Beispiel Prostitution, für Geld etwas zu schreiben, was ich für falsch halte.

In Ihrer Petition schreiben Sie: Sexualität darf nur mit Sexualität getauscht werden. Das ist doch absurd: In jeder Ehe wird Sexualität gegen Unterhaltsansprüche getauscht. In fast jedem beruflichen Feld werden Sexualität, Attraktivität und Begehren gegen Karriere getauscht. Ein Tauschmittel ist Sexualität übrigens auch in nichtkapitalistischen Systemen. Sexuelle Befriedigung ist etwas, das Menschen untereinander in Zirkulation bringt.

dieStandard.at: Wir sprechen hier als Nichtbetroffene. Wie gehen Sie als Aktivistinnen in diesem Bereich mit der Stellvertreter-Kritik um?

Riegler: Die ist mir natürlich bekannt. Aber für eine Gruppe solidarisch einzutreten, die man selbst nicht repräsentiert, gehört zur politischen Arbeit an sich. Wenn uns diese Form der Gesellschaftskritik abgesprochen wird, dann wird die Diskussion unpolitisch und flach. Und: Welche "Betroffenen" sind wirklich repräsentativ, wo doch gerade in der Prostitution die Szene extrem heterogen ist?

Leisch: Es mangelt an Betroffenen-Positionen. Das Problem ist: Aktive Sexarbeiterinnen in der Öffentlichkeit bekommen meist massive Probleme. Sei es mit der Polizei und den Behörden, sei es mit ihrem eigenen Umfeld, das plötzlich weiß, was sie beruflich machen, und damit nicht klarkommt. Deshalb fände ich eine Entskandalisierung gerade so wichtig. Und die findet ja auch statt.

Ob Sie es wollen oder nicht: Es findet eine Umwertung, eine Normalisierung von Sexarbeit bei den jungen Leuten statt. In der Berufsberatung sagen heute 16-jährige Mädchen, sie wollen Sexarbeiterinnen werden.

dieStandard.at: Das sagen die jungen Männer aber sicher nicht. Diese Normalisierung formiert sich wenn, dann nicht entlang einer gleichberechtigten Gesellschaft.

Leisch: Das hat mit der Homophobie zu tun, weil Sexarbeiter ja noch mehrheitlich schwule Männer bedienen.

Riegler: Sie haben sich offenbar noch nie gefragt, warum die Prostitution so vergeschlechtlicht ist. Warum es kaum Männer machen, wo es doch so "normal" ist.

Leisch: Das wird nicht so bleiben. Bei den Liebesbeziehungen sehen wir jetzt schon Veränderungen: Immer häufiger haben erfolgreiche, reife Frauen Liebesbeziehungen mit jungen Männern. Das ist ein Effekt der Emanzipation. Wenn es normal ist, dass in einem Bordell Frauen und Männer arbeiten, die an die Kunden und Kundinnen Sex verkaufen, wird auch die Ausbeutung in dem Bereich abnehmen.

Riegler: Das ist keine Gleichberechtigung, wenn sich eine reiche Frau einen jungen Mann kaufen kann. (Ina Freudenschuß/Beate Hausbichler, dieStandard.at, 5.9.2013)

Susanne Riegler ist Fernsehjournalistin. In ihrem Dokumentarfilm "Der lange Arm der Kaiserin" arbeitete sie 2012 die Geschichte der Abtreibungspolitik in Österreich auf (Rezension zum Film). Die "Initiative Stopp Sexkauf" ist ein Zusammenschluss feministischer Aktivistinnen, die sich für ein Verbot von Sexarbeit, angelehnt an das schwedische Modell, einsetzen. Ihre Online-Petition lautet "Wiener Appell" und kann hier eingesehen werden.

Tina Leisch ist Theater-, Film- und Medienarbeiterin. Ihr Film "Gangster Girls" (2008) begleitete weibliche Strafgefangene im Gefängnis Schwarzau. Die Initiative des Stuwerkomitees "Lieber Rotlicht als Blaulicht!" tritt für mehr Rechte für SexarbeiterInnen, für die Erlaubnis des Straßenstrichs im Stuwerviertel und in der Pratergegend ein und wird im September und Oktober mit einer Plakatkampagne, Diskussionsveranstaltungen und Aktionen im Viertel in Erscheinung treten. Weitere Informationen zu den geplanten Aktionen: www.stuwer.info

http://diestandard.at/1378247971444/Sex ... galisieren

--------------

Ich erlaube mir, im Namen von sexworker.at Frau Tina Leisch unseren Respekt für ihre Haltung auszusprechen.

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#4

Beitrag von malin »

Danke fürs einstellen!

Es berührt mich sehr, wenn auch Menschen abseits des paysex sich für Toleranz, Vernunft und ...hmm...irgendwie auch Menschlichkeit (mir fiel kein besserer Ausdruck ein) im Umgang mit sexwork einsetzen.
Bei all den Anti Kampagnen der letzten Zeit vergisst man manchmal, dass es auch diese Art von Menschen gibt.
liebe grüsse malin

eventuell fehlende buchstaben sind durch meine klemmende tastatur bedingt :-)

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Anmerkungen zu fragwürdigen Argumenten

#5

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Turn off the Blue Light


Die Prostitutionsgegner verstehen noch nicht, dass wir Sexworker nicht zur Ware werden ("zahlen, ... um zu benützen"), solange wir selbst die Kontrolle behalten bis in tiefe Schichten der sexuellen Mikrokommunikation und solange uns diese Selbstbestimmungsmöglichkeiten uns nicht durch Gewalt, Strafgesetze, Ausgrenzung, Betrug oder Moralrichter genommen wird. Gerade wenn selbsternannte Retter sich anheischig machen unsere Würde zu definieren, ist die Gefahr des Mißbrauchs schon gegeben! Uns als "Ware" zu erklären ist eine fremdbestimmende Objektivierung (hier: zum Objekt machen; nicht objektiv!), eine Degradierung die wir Menschen in der Sexarbeit entschieden ablehnen. Sexdienstleistung und Sexworker, Mensch und sexuelle Interaktion (Prozess/Verhalten) müssen unterscheiden werden. Liegt doch unsere Kompetenz gerade darin das überhaupt zu können und Sexappeal oder zeitweise Selbstobjektivierung dosiert gesteuert kunstvoll zu inszenieren.

Wir Sexworker sind keine wehrlosen Objekte, sondern produktiv aktiv und erbringen eine sexuelle Dienstleistung.

Wir haben Handlungskapazität (agency) und Wahlmöglichkeiten. Mit unserem selbstbewußten Tun erheben wir uns einen Schritt weit aus dem Heer der Arbeiter, die ihre Arbeitskraft verkaufen (müssen) und damit um den Mehrwert (= Wert der Dienstleistung - Wert der Arbeitskraft) und damit verbundene verantwortungsvolle Selbstgestaltungsrechte betrogen werden. Die Mehrheit der Menschen ist heute gezwungen abhängig beschäftigt zu arbeiten, weil sie bei den industriell-kapitalistischen, globalisiert-arbeitsteiligen, entgrenzt-neoliberalen Produktionsbedingungen anders nicht mehr mithalten können und in eine dienend-abhängige Rolle verdrängt wurden.

Wir Sexworker hingegen haben in der (wie in vielen Berufen auf gewisse Jahre begrenzten) Phase hoher sexueller Marktmacht die Chance als freie Unternehmer_innen unserer Selbst uns eigenverantwortlich eine Existenz aufzubauen (Kinder erziehen, Studium abschließen, Hausbau in der Heimat, Eltern versorgen...). Dabei kämpfen wir zweifelsohne gegen die Biologie der Zeit, die Gesetze des Marktes und vielfach auch noch die einer sex- und prostitutionsfeindlichen Kultur (Misoharlotry). Das alles zusammen ist für manche Sexworker nachvollziehbarerweise eine bisweilen überfordernde Mehrfachbelastung, wenn man bedenkt dass Sexworker alleingelassen und isoliert werden. Manche müssen deshalb regelrecht scheitern, leben prekär in einem ungeschützen Markt, wo frühkapitalistische Verhältnisse auch heute noch grassieren. Dennoch haben die Prostitutionsgegner als Antwort auf komplexe Fragen nur ein simples Totschlagargument, ein Verbot!?





Prostitutionsgegner scheinen das Schlampenstigma internalisiert zu haben und projizieren die Herabwürdigung oder gar den Mißbrauch, den auch heutzutage immer noch zu viele Frauen durchleiden müssen, auf Sexarbeit. Das ist eine völlig unberechtigte prostitutionsfeindliche Denkfigur (traumabedingter Selbstheilung oder Abspaltung), die eine Abwertung von Sexworkern erst hegemonial erzeugt. Erst dies mach Prostitution zum Sündenbock. Diese Feindschaft stammt aus der ökonomischen Konkurrenz zwischen Frauen in festen Partnerschaften (Versorgungsehe) und ungebundenen Frauen (Sexworkern, Hetären als selbständigen Kauffrauen z.B. in der klassischen Antike).

Hinter Verbotspolitik steht der naive Glaube wenn man Messer abschafft würde Mord (durch Erdolchen) unmöglich. Doch die menschlichen Triebe nach Gelderwerb/Unabhängigkeit und nach sexuelle Befriedigung/Lustgewinn, die sich in der Prostitution begegnen und auch human befriedigt werden können, sind kein opfererzeugendes Verbrechen mit Sachen die sich per Dekret abschaffen ließen. Verbotsgesetze zu konsensualem Sex unter freien Erwachsenen sin nicht möglich ohne dass unnötiges Leid erzeugendem Totalitarismus die Tür geöffnet wird.

Prostitutionsgegner scheinen bereit zu sein uns Sexworker zu opfern indem sie unsere Lebensweisen und Arbeit kriminalisieren (Stopp Sexkauf), um ihrer Vision von Geschlechter-Gleichberechtigung zwangsweise verwirklichen zu können (Freiheit durch Zwang, ein Fundamentalwiderspruch!). Kriminalisiert werden sollen insbesondere die Kunden, weil die Sexworker inzwischen als Opfer gelten. Dabei wird ignoriert, dass die Kundschaft als integraler Teil von Prostitution unsere wirtschaftliche Existenzgrundlage sichert. Was uns im Diskurs gelingen muß, andere Frauen und Gesetzesmacher_innen zu überzeugen zu unterscheiden zwischen schwer übergriffigen Kunden und somit zweifelsohne zu bestrafenden Tätern auf der einen Seite und "normalen" fairen Kunden auf der anderen. Jack the Ripper war kein Freier, er war ein Täter, der sich lediglich als Kunde maskiert hat, um etwas zu bekommen, was gar nicht ausgemacht war, geschweige denn zu haben war. Er wählte Sexworker nur deshalb aus, wurde "Freier" nur deshalb, weil er aufgrund des Stigmas darauf hoffen konnte eine höhere Chance zu haben nicht entdeckt und nicht verfolgt zu werden bei seinen Sexualmorden. Nur aufgrund des Prostitutionsstigmas gelten vermißte oder geschädigte Sexworker als weniger Wert mit der fatalen Folge dass weniger Leute weniger intensiv nachforschen.

Unsere SW Position sei ein "gefährliche Individualisierungsdiskurs, weil wir damit die vielen andere SW über die Klinge springen lassen" (S. Riegler) lautet das scheinbar clevere daherkommende Gegenargument. Es ist jedoch insofern falsch, als wir mit unserem Freiheitsbegehren selbstentschieden Sexarbeiter zu sein, weder fordern noch verantwortlich sind, dass es überhaupt Mißbrauch gegen Sexworker gibt. Wir verorten vielmehr den Grund für Mißbrauch bei Tabu, Stigma, Heimlichkeit, Ausgrenzung, Kriminalisierung, Alienisierung, Intersektionalismus und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit... also strukturell bei den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Dieses listige bis scheinheilige Argument ist der billige Versuch unterschiedlich priviligierte Sexworkerteilgruppen gegeneinander aufzuspielen. Unser Ruf nach Menschenrechten UND Berufsrechten ist vielmehr der Ausgangspunkt um ein Arbeitsrechte der Prostitution hier im Land erst noch zu schreiben (vgl. Australien/NSW 1995 und NZ 2003: OHS = occupational health und safety = Arbeitssicherheit www.business.govt.nz/healthandsafetygro ... dustry.pdf und unsere Sicherheitstipps).



Bild



Auch wird raffiniert versucht etwas intrinsich Schlechtes bei Prostitution zu konstruieren: Sexarbeit verlange "körperliche Intimität bei gleichzeitiger emotioneller Distanz. Die psychischen Folgen dieser jahrelangen innerlichen Abspaltung betreffen jede Prostituierte" (S. Riegler). Emotional-seelische Abspaltungen (Dissoziation) wie in vielen anderen Berufen wo sie zu burn-out oder Medikamentenmißbrauch führen (Pflegeberufe, Flugbegleiter, Manager), allerdings mit dem fundamentalen Unterschied, dass für diese Arbeiter grundsätzliches Berufsverständnis und bessere Hilfsnetzwerke vorhanden sind (inkl. Sozialkassen, Berufsgenossenschaft, Gewerkschaft...). Wir Sexworker sprechen von notwendiger professionellen Distanz, die bekanntlich bisweilen auch Therapeuten zur Herausforderung werden kann. Doch diese haben dann ein starkes professionelles Supervisions-Netzwerk, hatten zuvor eine staatlich finanzierte Ausbildung, die sie auf viele Eventualitäten des Jobs gut vorbereitete und vieles mehr. Von den Privilegien der Seelsorger ganz zu schweigen, da sind wir emotional arbeitenden Venuspriester_innen Lichtjahre abgehängt worden (vmtl. infolge der Patriarchatsentstehung).

Was uns Sexworker "sozial tötet" (A. Schwarzer) ist das Stigma, was insbesondere die Prostitutionsgegner künstlich aufrechterhalten und immerwieder anfachen wollen.

Dabei ist es längst an der Zeit solche "Pseudo-Religion" abzulegen. Tabus und Verpöntes als heimliche Regeln, die einzelne einschränken sind abzulehnen, erstrecht dann wenn sie bereits greifen sollen, obwohl gar niemand anderes negativ betroffen wird. Die Piraten-Partei hat dafür den Tag #enfesselt ins Leben gerufen.

"Der Anteil jener Frauen, die selbstbestimmt und auf Augenhöhe mit dem Freier Prostitution betreiben können, ist sehr gering" (S. Riegler). Das ist nicht mehr als eine Hypothese oder blanke Unterstellung, weil weder belastbare Zahlen vorliegen, noch Konsens über Bewertungskriterien existiert, wie man Selbstbestimmungsfreiheitsgrad bei den sehr unterschiedlichen Sexworkerteilpoppulationen und ihren heterogenen Arbeits- und Herkunftsverhältnissen abgleichen und methodologisch bestimmen könnte. Hilfsangebote oder Rechtssystem verlangen und motivieren geradezu dazu sich als Opfer zu deklarieren, um überhaupt Zugang bekommen zu können. Ferner sehen Prostitutionsgegner z.B. Frauen, Migrant_innen, insb. solche aus Niedriglohnländern, allein schon aus solchen ökonomischen Gründen als unfrei und Opfer an. Das ist ein oftmals von weißen gebildeten Mittelklassefrauen vorgetragener paternalisierender Klassismus den es zu dekonstruieren gilt (L. Agustín).

Und wenn dann scheinbar repräsentative Zahlen genannt werden wie "die Wiener Gesundheitsbeauftragten gehen davon aus, dass 90% der Prostituierten aufhören würden, wenn sie könnten ... " (S. Riegler), dann entstammen sie in diesem Fall einer Institution, die sich durch die Organisation der sehr Sexworker-freindlichen wöchentlichen genital-invasiven Zwangsuntersuchung wahrlich nicht mit emanzipatorisch-feministischem Ruhm bekleckert hat (siehe die UN'HCR Verfahren gegen Österreich, auch auf unserer Portalseite).

(Vgl. auch die berühmte Frage des Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE): "Was würden sie tun, wenn für ihr Grundeinkommen gesorgt wäre?" Da sagen die meisten Leute über die Anderen, die würden sofort faulenzen, nur ich würde arbeiten wie bisher... Ein typisch kognitives Dissonanzphänomen zwischen ich und Anderen, zwischen Innenwelt und Außen, zwischen bekannt und fremd.)





Dennoch können der Analyse und Bekämpfung ökonomischer und sexistischer Ausbeutungs- und Machtstrukturen Sexworker-Advokaten und Feministen zusammenarbeiten. Die Herausarbeitung der Sexismus-Anklage gegen das Patriarchat war zweifelsohne eine historische Leistung. Dabei jedoch nicht stehen zu bleiben und die tieferliegenden Schichten ökonomischer Ungleichheit und unabhängig vom biologischem Geschlecht, aber abhängig von seltenem/devianten sexuellen Verhalten zu dekonstruieren, so lautet die Herausforderung der Zukunft. Es gibt bei aller hier aufgezeigten Gegnerschaft eben auch viele Gemeinsamkeiten, weil es zweifelsohne noch so viele aufzuarbeitende Unterdrückungsmechanismen gibt.

Weitere Debattenargumente: www.bit.ly/prostitutions-debatte und weitere Fachliteratur: www.bit.ly/sexworkfacts





Gratulation und ein herzliches Dankeschön an Frau Tina Leisch auch von mir. Ihre erfrischenden Aussagen sind sicher Keim, dass sich mehr Sexworker trauen werden aktiv mit ihr für die Sache der Sexarbeit öffentlich einzutreten. Die Erfahrungen der wachsenden weltweiten Sexworker-Bewegung werden uns dabei unterstützen.

___
P.S.: in Dublin heißt die verwandte Kampagne www.turnofftheBlueLight.ie
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 06.09.2013, 15:01, insgesamt 1-mal geändert.

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#6

Beitrag von Zwerg »

Hier die offizielle Facebookseite des Stuwerkomiteesm auf welcher auch dei kommenden Veranstaltungen angekündigt werden!

https://www.facebook.com/pages/Rotlicht ... 5998094603

Rotlicht statt Blaulicht!

I like it! You too??

christian

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#7

Beitrag von fraences »

Tolle Aktion. Bin sehr gespannt auf die Wirkung in der Gesellschaft und auf die Prostitutionspolitik in Wien.

Liebe Grüße, Fraences
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

*****
Fakten und Infos über Prostitution

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RE: Lieber Rotlicht statt Blaulicht - Kampagne der AnrainerI

#8

Beitrag von Zwerg »

http://o94.at/radio/sendung/?emission_id=1155198

Montag 16.09.2013 10:00 - 11:00

ÜBER DIE SENDUNG

Rotlicht statt Blaulicht

Von Sexarbeit, Lust und Rechten

Mit der Initiative 'Rotlicht statt Blaulicht' will das Stuwerkomitee auf die unzumutbaren Arbeits- und Lebensbedingungen hinweisen, denen Ausübende des vermutlich ältesten Gewerbes ausgesetzt sind. Tina Leisch und Hans Christian Voigt vom Stuwerkomitee diskutieren mit Christian Knappik vom Forum sexworker.at und der aktiven Sexarbeiterin Dani.

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#9

Beitrag von Doris67 »

Sehr coole Sache, Glückwunsch nach Wien!
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#10

Beitrag von Zwerg »

@Doris67

Ich werde Deine Glückwünsche beim nächsten Treffen (Bei der Aktion "gehn wir ins Puff" bin ich als einer der "lebenden Bücher" mit vor Ort) weiter leiten :-)

Herzliche Grüße

christian

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RE: Lieber Rotlicht statt Blaulicht - Kampagne der AnrainerI

#11

Beitrag von Zwerg »

Lieber Rotlicht als Blaulicht!

Nicht immer sind AnrainerInnen gegen den Straßenstrich vor ihrer Haustüre. Im Stuwerviertel machen sich BewohnerInnen für Rotlicht und gegen Blaulicht stark. über.morgen hat mit ihnen über die Ziele der Kampagne gesprochen.

„Sexarbeit gehört zum Alltag im Stuwerviertel“, sagt Tina Leisch, die seit über zehn Jahren hier wohnt. Den Straßenstrich empfindet sie nicht als Belastung, sondern als Bereicherung. Sie findet es angenehm in einem Viertel zu leben, in dem auf der Straße etwas los ist. Die ständigen Personen- und Verkehrskontrollen durch die Polizei stören sie hingegen.

“Lebende Bücher” erzählen von Prostitution

Leisch und einige andere Bewohnerinnen des Stuwerviertels haben die Kampagne „Lieber Rotlicht statt Blaulicht!“ ins Leben gerufen. Sie treffen sich regelmäßig im Lokativ, einem Lokal, das wie ein Vorbote der Gentrifizierungswelle wirkt, die dem Viertel durch den Bau der WU bevorsteht.

Bei diesen Treffen entstanden Ideen für vielfältige Aktionen, die alle die Vorteile einer Legalisierung des Straßenstrichs aufzeigen sollen. Etwa die Aktion „Lebende Bücher“, die in einem Stundenhotel Einblicke in die Realität der Prostitution im Stuwerviertel geben soll. Oder eine Podiumsdiskussion im Lokativ (siehe Kasten unten), die Expertinnen aus der Branche und VertreterInnen unabhängiger Vereine zu Wort kommen lässt. Zusätzlich sollen eine Plakataktion und eine Website auf die Missstände aufmerksam machen und Lösungsansätze aufzeigen.

Dringender Handlungsbedarf

Handlungsbedarf im Stuwerviertel sieht auch Christian Knappik, der regelmäßig an den Treffen im Lokativ teilnimmt. Der 54-Jährige setzt sich ehrenamtlich für die Rechte von SexarbeiterInnen ein und leitet gemeinsam mit Frauen aus der Branche das Onlineforum sexworker.at. Die Probleme auf der Straße kennt er daher gut.

Natürlich, so Knappik, sei es für Anwohnerinnen unangenehm, wenn sie von Freiern angesprochen werden, oder wenn Prostituierte auf die Straßen urinieren, weil es keine öffentlichen Toiletten gibt. Aber die Sexarbeiterinnen deshalb zu vertreiben, ist für ihn auch keine Lösung. Er setzt sich daher für eine Legalisierung des Strichs ein. Ließe man die Sexarbeiterinnen vor den Stundenhotels in ihrer Arbeitskleidung stehen, wären sie für die Freier eindeutig erkennbar. „Dann würde sonst kein Mensch behelligt werden“, ist sich Knappik sicher, und Zugang zu sanitären Einrichtungen hätten sie auch.

„Ich habe das Gefühl, die Stadtverwaltung will den Straßenstrich zwar nicht ganz verbieten, aber so lange verunmöglichen, bis es irgendwann offensichtlich nicht mehr funktioniert“, sagt Knappik, seit Jahren ein kritischer Beobachter der Rotlicht-Szene in Wien. In der Felberstraße, der Kärntnerstraße, am Gürtel und an vielen anderen Plätzen gab es früher Strichzonen. Das habe funktioniert. Nicht mehr funktioniert habe es, als begonnen wurde die Zonen zu verkleinern. „Dann standen auf 100 Metern in der Felberstraße plötzlich 40 Frauen – klar war das zu viel! Früher hat sich das verteilt“, so Knappik.

Dasselbe geschehe jetzt beim Prater, wo die Erlaubniszone auf 100 Meter reduziert wurde. Viele Frauen auf engen Raum – das drücke den Preis. Daher weichen jetzt viele ins Stuwerviertel aus. Hier werde verdrängt, ohne vernünftige Alternativen zu schaffen. „Es muss doch möglich sein in einer Zwei-Millionen-Stadt wie Wien vernünftige Zonen für einen Straßenstrich von 120 Frauen zu finden.“

Gentrifizierung frisst Sexarbeit

Im Stuwerviertel kommt noch ein weiterer Faktor hinzu. Mit dem Bau der neuen WU ist das Viertel zu einem Spekulationsviertel geworden. Dachböden werden ausgebaut, die Mietpreise steigen. „Es soll ein Nobelviertel werden, also muss man die Sexarbeit verjagen, weil sie offensichtlich den Wert der Immobilien mindert”, sagt Leisch. Nicht alle AnwohnerInnen sind deshalb für eine Legalisierung des Straßenstrichs. Besonders HausbesitzerInnen sehen das anders, so Leisch.

Sie selbst ist aber überzeugt: Anstatt Sexarbeit aus der Öffentlichkeit zu verdrängen, sollte der Beruf anerkannt werden. Die Legalisierung des Straßenstrichs im Stuwerviertel wäre ein erster Schritt.

http://www.uebermorgen.at/lieber-rotlic ... blaulicht/

Prostitution in Wien
Im November 2011 trat in Wien ein neues Prostitutionsgesetz in Kraft. Seither ist der Straßenstrich in Wohngebieten verboten.

Kritiker sagen, dass die verbleibenden Erlaubniszonen für die Frauen meist unsicher seien, wie der schlecht beleuchtete Parkplatz bei Auhof, wo es auch keine sanitären Anlagen gibt. Andere Zonen werden zusehends beschnitten. So wie jene beim Prater, wo mit Eröffnung der Wirtschaftsuniversität (WU) große Teile des Straßenstrichs in die neu geschaffen Verbotszone fallen.

Im Stuwerviertel ist der Straßenstrich zwar seit Jahren verboten, wurde aber immer geduldet. Durch die Verdrängung des Straßenstrichs beim Prater weichen immer mehr Frauen ins Stuwerviertel aus. Das erzeugt neue Probleme, die die Polizei durch verstärkte Kontrollen versucht in den Griff zu kriegen.

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18. September 2013, 19:00 Uhr: Geh’ma ins Puff!
Im Stundenhotel Stuwerstraße 5 stehen ExpertInnen (Christian Knappik, Herr Emmerich vom Stundenhotel, eine Sexarbeiterin, jemand von Lefö) als “Lebende Bücher” Rede und Antwort auf Ihre Fragen.

25. September 2013, 19:00 Uhr: Rotlicht statt Blaulicht!
Podiumsdiskussion im Lokativ (Arnezhoferstraße 12) mit Liane (Expertin), Christine Nagl (PiA, Salzburg) und Gergana Mineva (MAIZ)

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RE: Lieber Rotlicht statt Blaulicht - Kampagne der AnrainerI

#12

Beitrag von Zwerg »

Die ersten Plakate hängen im Stuwerviertel :-)

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#13

Beitrag von Zwerg »

Wer die heutige Sendung "nachhören" möchte, wird hier fündig

http://cba.fro.at/246497

2 AnrainerInnen bzw. AktivistInnen des Stuwerviertels, 1 aktive SexarbeiterIn und ein Vertreter von sexworker.at im Gespräch über die Situation der SexarbeiterInnen in Wien -im Besonderen im Stuwerviertel

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RE: Lieber Rotlicht statt Blaulicht - Kampagne der AnrainerI

#14

Beitrag von Zwerg »

Presseaussendung zu Rotlicht statt Blaulicht

Sehr geehrte Damen und Herren,

Hiermit möchten wir Sie auf unsere Kampagne „Lieber Rotlicht statt Blaulicht!“ aufmerksam machen und Sie um Berichterstattung ersuchen.

Die Initiative des Stuwerkomitees „Lieber Rotlicht statt Blaulicht!“ möchte eine konstruktive Diskussion zwischen Anwohner_innen, Sexarbeiter_innen, Vertreter_innen der involvierten NGO’s und Politiker_innen entfachen, wie die unerträgliche Situation bei uns im Viertel geändert werden kann.

Der Titel unserer Kampagne signalisiert bereits, dass wir als Stuwerkomitee, eine Gruppe von Anwohner_innen, der Überzeugung sind, dass nicht die hier ihrer Arbeit nachgehenden Sexarbeiter_innen das eigentliche Problem darstellen, sondern die scheinheilige Politik in Wien, die diese Sexarbeiter_innen pauschal als Spielball missbraucht und damit immer weiter an den unsicheren prekarisierten Rand drängt.

Wir als Anrainer_innen verwehren uns dagegen als Vorwand und Rechtfertigung dafür zu dienen, dass im Dienste einer Aufwertung und Gentrifizierung unseres Viertels die Sexarbeiter_innen noch weiter schikaniert, diskriminiert und kriminalisiert werden.

Wir wollen der Debatte die Doppelmoral aus den Segeln nehmen und uns für die Menschenrechte der Betroffenen, meist Frauen, einsetzen.

Wir sind der Meinung, dass die momentan noch erlaubte Strichzone im Prater weiterhin Erlaubniszone bleiben soll, solange keine gleichwertige oder bessere Lösung für die Sexarbeiter_innen durchgesetzt ist, ihrer Arbeit unter möglichst menschenwürdigen Bedingungen nachgehen zu können. Im Vergleich zu allen anderen in Wien erlaubten Zonen (Auhof, Brunnerstrasse) ist der Prater noch ein stadtnahes und für die Arbeitenden halbwegs sicheres Gebiet.

Wir wünschen uns dringend eine sachliche, wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung unter Verzicht auf emotionalisierende Rhetorik und dämonisierende Klischees. Wir plädieren für die Einbeziehung der Betroffenen und eine konstruktive Debatte, die intelligente Lösungen findet dafür, dass Sexarbeiter_innen möglichst sicher und möglichst selbstbestimmt ihrer ohnehin stigmatisierten Arbeit nachgehen können.

Wir anerkennen die Sexarbeit als historische wie gegenwärtige Realität in unserem Viertel und allgemein in unserer weiterhin patriarchalen Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund erwarten wir, dass Sexarbeit in ihren Rahmenbedingungen derart geregelt wird, das sie einen akzeptierten Teil großstädtischen Lebens darstellt, der niemanden stört und niemanden diskriminiert.

Es gibt einige Modelle, wie das funktionieren kann.

Eine per Polizeischikanen und enorm aufwändigen Einsatz der Exekutivkräfte durchgesetzte Verbotspolitik, unter der wir im Stuwerviertel alle seit vielen Monaten leiden, ist jedenfalls keine Lösung.

Wir freuen uns darauf, in den nächsten Wochen bei verschiedenen Veranstaltungen aus verschiedenen Perspektiven über unsere Vorschläge zu diskutieren.

Aktionen
Mittwoch 18.9.2013 ab 18.30 Uhr

Info-Veranstaltung: “Geh’ma ins Puff!”
Stuwergasse 5


Im Stundenhotel des Herrn Emmerich in der Stuwerstraße 5 werden am 18.9. ab 18.30 für einen Tag die Türen für alle offen, die sich aus erster Hand über Sexarbeit und Bedingungen der Sexarbeit im Stuwerviertel und in Wien informieren möchten. In je einem Zimmer des Stundenhotels steht ein Experte oder eine Expertin bereit, Fragen zu beantworten und als lebendes Buch aus dieser Welt zu erzählen. Gehen Sie durch die Räume und machen Sie sich ein Bild. In den Zimmern finden Sie:

Herr Emmerich, Betreiber eines Greißlerladens, nach dem Einzug des BILLA nebenan eines Hendlgrills und dann einer Privatzimmervermietung als Stundenhotel, berichtet über seine jahrzehntelange Erfahrungen und Einblicke. Was ändert sich, was gehört geändert? Wie könnte es denn laufen, dass alle, SexarbeiterInnen, Kunden, AnrainerInnen zufrieden wären?

“Dani”, aktive Sexworkerin, beantwortet politische Fragen.

Christian Knappik, Sprecher des Vereines der SexarbeiterInnen und Senioradmin von sexworker.at spricht über Arbeitsbedingungen und Menschenrechtsverletzungen an Sexarbeiter_innen. Im Besonderen wird er auf das derzeit gültige Wiener Prostitutionsgesetz eingehen und auf dessen fatale Auswirkungen für die Situation der Betroffenen.

Moderiert wird die Info-Veranstaltung der Eva Müller vom Stuwerkomitee.

Mittwoch 25.9.2013 ab 19 Uhr

Podiumsdiskussion: “Lieber Rotlicht statt Blaulicht!”
Lokativ, Arnezhoferstrasse 12


Auf der Bühne des Lokativ werden unter der Moderation von Tina Leisch vom Stuwerkomitee diskutieren:

Christine Nagl vom Projekt PIA, Information und Beratung für SexarbeiterInnen über ihre Erfahrungen zum Thema als Expertin

Frau Liane, Betreiberin eines Rotlichtlokals in Wien und frühere Sexarbeiterin mit und aus Leidenschaft über die Realität der Sexarbeit in Wien und Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten.


… für den Oktober und Folgemonate sind weitere Veranstaltungen in Planung.

http://www.stuwer.info/2013/09/unsere-e ... blaulicht/

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RE: Lieber Rotlicht statt Blaulicht - Kampagne der AnrainerI

#15

Beitrag von Zwerg »

Gestern fand die erste der geplanten Veranstaltungen in und rund um das Stuwerviertel statt....

Es fällt mir schwer meine/unsere Eindrücke in Worte zu fassen.... Deshalb nur kurz: Überwältigend viele Leute! Durchaus interessante Fragen - in höflicher Form gestellt (muss man unterstreichen, da wir es ja auch schon anders erlebt haben (Felberstraße). Für mich am Faszinierendsten: Die Bereitschaft zuzuhören und auch gedanklich mit zugehen. Speziell die Themen "Zwangsuntersuchung" und "Verweigerung der Einbindung von SexarbeiterInnen in die sie betreffende Gesetzgebung" erzeugte großes Interesse.

Auch Betroffenheit war zu verspüren.... Thema Auhof berührte sichtlich.

Ich kann nicht sagen wie wir gewirkt haben - Aber ich kann sagen, dass die BesucherInnen der Veranstaltung auf mich persönlich einen absolut positiven Eindruck hinterlassen haben.

Solche Ereignisse machen Lust auf mehr. Es macht Sinn sich ein wenig zu öffnen. Und es macht noch mehr Sinn, wenn Leute das fragen (und auch beantwortet bekommen) was sie interessiert.

Zusammenfassend: Respekt vor dem Publikum! Und der Ausdruck unseres Respektes vor den VeranstalterInnen! Und auch noch speziellen Dank an Herrn Emmerich für das Ermöglichen dieser Aktion.

Und speziell an die anwesende SexarbeiterIn gerichtet: Du hast der Veranstaltung Kompetenz gegeben! Danke dafür!

christian

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RE: Lieber Rotlicht statt Blaulicht - Kampagne der AnrainerI

#16

Beitrag von Zwerg »

Anrainer unterstützen Sexarbeiterinnen im Wiener Stuwerviertel
Bianca Blei, 20. September 2013, 13:45

"Stuwerkomitee" tritt für die Selbstbestimmung der Sexarbeiterinnen ein

Mit dem Neubau der Wirtschaftsuniversität wird der Straßenstrich im Wiener Prater noch kleiner. Eine Flächenumwidmung, die noch im September den Gemeinderat passieren soll, macht die Perspektivstraße im zweiten Bezirk dann zur Verbotszone, die Sexarbeiterinnen werden weiter verdrängt.

Unter anderem mit der Idee, den Straßenstrich des Stuwerviertels zum Weltkulturerbe erklären zu lassen, wollen manche Anrainer nun gemeinsam mit den Sexarbeiterinnen auf die prekäre Situation aufmerksam machen und eine Lösung erarbeiten. Das "Stuwerkomitee" tritt für die Selbstbestimmung der Sexarbeiterinnen ein und möchte einen offenen Dialog mit allen Parteien führen. Unter dem Motto "Rotlicht statt Blaulicht" luden die Mitglieder des Komitees deshalb am Mittwochabend in ein Laufhaus, um Kritikern und Sympathisanten Informationen aus erster Hand zu liefern.

"So viele hübsche Mädls"

Eigentlich hat das Stundenhotel des Herrn Emmerich nur bis 18.30 Uhr geöffnet, doch heute macht der 72-Jährige im grauen Anzug eine Ausnahme. Bereits seit 27 Jahren ist der Fleischhauermeister Besitzer des Laufhauses in der Stuwergasse 5. Mit den Worten "So viele hübsche Mädls heute" begrüßt er die Dutzenden Besucher, die sich bereits bis auf die Straße drängen.

Im abgesessenen Bürostuhl erzählt er sichtlich stolz von den Anfängen seines Betriebs, der früher ein Hendlverkauf war. Herr Emmerich berichtet von der schwierigen Situation der "Mädchen" und dass sie teilweise nur 20 Euro pro Sexualkontakt verdienen würden. Deshalb verlangt er noch immer nur zehn Euro von den Freiern für eine halbe Stunde am Zimmer. Und deshalb gibt es bei ihm noch immer kostenlos Getränke und die Gelegenheit, aufs Klo zu gehen und sich zu duschen.
Hohe Strafen

Herr Emmerich erzählt seine Erfahrungen ruhig und so, als habe er die Geschichten schon öfter erzählt. Nur beim Thema Strafen wird der 72-Jährige emotional und berichtet von Sexarbeiterinnen, die mehr als 1.000 Euro für fehlende Kontrollkarten oder Untersuchungen zahlen müssten. "Wie sollen die Frauen das bezahlen?" Außerdem würden die Frauen bereits zur Kasse gebeten werden, wenn sie einen Autofahrer nur ansehen.

Das stimme so nicht, erwidert Barbara Riehs von der Pressestelle der Landespolizeidirektion Wien im Gespräch mit derStandard.at. Um von den Beamten belangt zu werden, müssten mehrere Dinge zusammenspielen. Leichte Kleidung, Fahrzeuge heranwinken und auf haltende Autos zugehen seien etwa so eine Kombination.

"Davon ist allerdings nur die illegale Prostitution betroffen, also die Arbeit in Verbotszonen", sagt Riehs. Die Mindeststrafe liegt bei einem Organstrafmandat bei 100 Euro. Kann die Summe nicht bezahlt werden, stellt der Polizist eine Anzeige aus. Deren Höhe liegt bei rund zehn Prozent der Höchststrafe von 500 Euro, also 50 Euro.

Mehr Rechte gefordert

In einem Raum des Stundenhotels von Herrn Emmerich stellt sich die Sexarbeiterin Dani den Fragen des interessierten Publikums. Auf einem Bett sitzend berichtet die Mittdreißigerin mit ruhiger Stimme von ihrem Beruf. Ihren Eltern habe sie erzählt, dass sie seit elf Jahren im "Sozialbereich" tätig sei.

Heute ist sie Escortdame, Dani war aber bereits in mehreren Prostitutionssparten tätig. Sie plädiert für einen Gewerbeschein für Prostituierte. Das würde auch die Stigmatisierung des Berufs in der Gesellschaft bekämpfen und rechtliche Sicherheit für Sexarbeiterinnen bedeuten, ist sie überzeugt.
Vorwurf: Menschenrechtsverletzungen

Diese Sicherheiten möchte auch Christian Knappik für die Frauen erreichen. Er betreut seit acht Jahren einen Notruf für Sexarbeiterinnen, ist Senioradministrator des Portals sexworker.at und sitzt nun ebenfalls in einem Zimmer von Herrn Emmerich und klärt auf.

Für ihn begeht der österreichische Staat Menschenrechtsverletzungen an Sexarbeiterinnen. Kein anderes europäisches Land würde so stark in die Intimsphäre der Frauen eingreifen wie Österreich, alleine die wöchentlichen Zwangsuntersuchungen durch Amtsärzte seien ein Verstoß gegen die Menschenrechte, so Knappik.

Die Frauen, die er auf ihren Wunsch begleite, würden keine Diagnosen und keine Behandlungen im Falle einer Geschlechtskrankheit erhalten. Im Falle einer Erkrankung werde lediglich die Kontrollkarte der Sexarbeiterinnen für drei Wochen entzogen. Eine zu harte Sanktion, wie er meint. "Selbst Ungarn hat zu Beginn des vergangenen Jahres die Zwangsuntersuchungen mit dem Hinweis auf die Menschenrechte abgesagt", so Knappik. "Und bei diesem Thema ist Ungarn normalerweise kein Vorreiter." (Bianca Blei, derStandard.at, 20.9.2013)

http://derstandard.at/1379291474728/Anr ... werviertel

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Re: RE: Lieber Rotlicht statt Blaulicht - Kampagne der Anrai

#17

Beitrag von Zwerg »

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Zwerg hat geschrieben:Die Frauen, die er auf ihren Wunsch begleite, würden keine Diagnosen und keine Behandlungen im Falle einer Geschlechtskrankheit erhalten. Im Falle einer Erkrankung werde lediglich die Kontrollkarte der Sexarbeiterinnen für drei Wochen entzogen. Eine zu harte Sanktion, wie er meint.


Im Artikel haben sich leider einige Unschärfen eingeschlichen. Herr Emmerich betreibt selbstverständlich kein Laufhaus, sondern ein Stundenhotel - es gibt also keine täglichen Mieten zu bezahlen.

Und natürlich wird im Falle einer Infektion der "Deckel" nicht für 3 Wochen eingezogen -sondern dauerhaft. Die 3 Wochenfrist nannte ich in Zusammenhang mit der Anmeldung zur Kontrollkarte. Wenn eine SexarbeiterIn sich NEU in Wien als Kontrollprostituierte (Amtsdeutsch) registrieren will, so hat sie eine Wartezeit von 3 - 4 Wochen zu überbrücken. Durch die Wartezeit werden Leute in einen Graubereich getrieben, war meine Aussage.

Auch nannte ich es diskriminierend, dass diese Wartezeit mit Worten wie "Damit sie noch einmal nachdenken können" begründet werden.

Ebenso dauert es bis zu 3 Wochen, wenn eine SexarbeiterIn ohne gültigen Stempel (der laufenden Woche) erwischt wird und bei der Kontrolle, der Deckel eingezogen wird. Dann dauert es bis zum genannten Zeitraum, bis sie wieder arbeiten darf (Amtsweg bis die Karte von der Polizei ins Gesundheitsamt gesandt wird, sowie Untersuchung). Es ist auch nicht nachzuvollziehen, warum jetzt BetreiberInnen (auch von Stundenhotels) mit 1200 Strafe belegt werden, wenn eine SexarbeiterIn keinen gültigen Stempel (der laufenden Woche!) vorweisen kann. Damit bringt man die BetreiberInnen in eine Kontrollposition gegenüber den SexarbeiterInnen!


christian knappik
Zuletzt geändert von Zwerg am 21.09.2013, 16:54, insgesamt 1-mal geändert.

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RE: Lieber Rotlicht statt Blaulicht - Kampagne der AnrainerI

#18

Beitrag von Zwerg »

Stuwerviertel: Anrainer für Prostituierte

Das geplante Aus für die Rotlichtzone um den Wiener Prater sorgt für Aufregung. Einige Anrainer des Stuwerviertels schlossen sich jetzt zum „Stuwerkomitee“ zusammen und setzen sich für die Prostituierten ein.

Zur Auftaktveranstaltung des Komitees „Rotlicht statt Blaulicht“ lud die Initiative unter dem Motto „Gemma ins Puff“ in ein Stundenhotel. Dabei waren eine Prostituierte, ein Sexarbeitsexperte und der Besitzer des Stundenhotels, der möglicherweise um sein Geschäft bangt, wenn auch der Prater als Strichzone abgeschafft wird - mehr dazu in Aus für Straßenstrich im Prater.

„Ich mache das als Hobby und als Entgegenkommen für alle. Ich habe kein Problem, wenn ich eine Zeit gar nichts verdiene, meinen Zins und meinen Strom werde ich noch bezahlen können“, sagt Herr Emmerich, der Betreiber des Stundenhotels.
Polizei exekutiert Verbot streng

Zum bestehenden Verbot des Straßenstrichs im Wohngebiet Stuwerviertel gibt es geteilte Meinungen. Einige Anrainer meinen, dass die Probleme seither zugenommen hätten, weil das Verbot seit zwei Jahren von der Polizei streng exekutiert werde. Die Sexarbeiterinnen müssten sich deswegen tarnen, sagt Tina Leisch vom Stuwerkomitee.

"Sie müssen so herumlaufen, dass sich nicht als Sexarbeiterinnen erkannt werden. Das führt dazu, dass Frauen, die keine Sexarbeiterinnen sind, viel öfters verwechselt und von der Polizei kontrolliert werden als früher", sagt Leisch.

Polizei kontrolliert streng

"Man drängt Frauen in unsichere Orte"

Außerdem hätten die Prostituierte eine sichere Zone verloren, sagt Christian Knappik, Sprecher der Vereins „Sexworker“. „Das Hauptproblem ist, dass Leute nicht mehr dort stehen dürfen, wo es sicher ist. Speziell die Plätze vor den Stundenhotels, wo die Frauen nicht mehr ins Auto einsteigen mussten, wurden jetzt verboten.“

Auch die Prostituierte Dani, die an der Veranstaltung teilnahm, ist dieser Meinung: „Man drängt die Frauen in Orte, die nicht sicher sind oder menschlich wären. Wenn man sagt, sie sollen in den Auhof gehen, wo es kein Bett, keine Toilette und keine Aufwärmmöglichkeit gibt, finde ich das nicht sehr schön.“ Aus dem Büro der Frauenstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) heißt es, dass das Verbot des Straßenstrichs in Wohngebieten ein Erfolg sei, es sei an der Polizei, zu exekutieren.

http://wien.orf.at/news/stories/2604853/

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Re: RE: Lieber Rotlicht statt Blaulicht - Kampagne der Anrai

#19

Beitrag von Zwerg »

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Zwerg hat geschrieben:Das stimme so nicht, erwidert Barbara Riehs von der Pressestelle der Landespolizeidirektion Wien im Gespräch mit derStandard.at. Um von den Beamten belangt zu werden, müssten mehrere Dinge zusammenspielen. Leichte Kleidung, Fahrzeuge heranwinken und auf haltende Autos zugehen seien etwa so eine Kombination.

"Davon ist allerdings nur die illegale Prostitution betroffen, also die Arbeit in Verbotszonen", sagt Riehs. Die Mindeststrafe liegt bei einem Organstrafmandat bei 100 Euro. Kann die Summe nicht bezahlt werden, stellt der Polizist eine Anzeige aus. Deren Höhe liegt bei rund zehn Prozent der Höchststrafe von 500 Euro, also 50 Euro.
Ich möchte Frau Barbare Riehs von der Pressestelle der Landespolizeidirektion Wien höflich darauf hinweisen, dass wir gerne entsprechende Unterlagen vorlegen um unsere Behauptungen zu untermauern.

Es reicht völlig aus "Blickkontakt zu suchen" und durch "Kopfbewegungen auf sich aufmerksam zu machen" um in Wien 500,- Euro (oder 6 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) zu bekommen. Die Beamten zeigen generell an - in dem konkreten (unten verlinkten) Fall wurde die vermeintliche SexarbeiterIn (nur wenige Schritte neben der Erlaubniszone beim Eingang der Messe, also keines Falls im Wohngebiet sofort "mitgenommen" und unmittelbar angezeigt - es wurde auch nicht (!) aufgefordert ein Organstrafmandat zu bezahlen.

Diese Praxs der Behörde kann ich auf Grund meiner langjährigen Tätigkeit im Außendienst für sexworker.at als "so ist es - so geht die Polizei vor" bestätigen!

In einem Fall (im Beisein einer JournalistIn) sprach ich eine PolizistInnengruppe die unmittelbar vor dem Stundehotel (Gabi) im Stuwerviertel kontrollierten an. Ich fragte sie, ob sie wissen, dass es laut Gesetz den SexarbeiterInnen erlaubt ist, dass sie mit dem Kunden, der sie in der Erlaubniszone gebucht hat, ins Sperrgebiet fahren um ins Stundenhotel zu gehen.

Darauf kam die süffisante Antwort: Rein gehen darf sie ja - nur rauskommen darf sie nicht mehr - denn dann ist sie strafbar....

Das Verhalten der Behörden - aber auch der Kommentar von Frau FrauenstadträtIn Frauenberger "das dieses Gesetz ein Erfolg wäre" - ist in höchstem Maße menschen- frauen- und auch fremdenfeindlich! Es geht um Schikane! Um Vertreibung! Das am Anfang des Wiener Prostitutionsgesetz geschrieben steht, dass man die "Arbeitsbedingungen von SexarbeiterInnen mit diesem Gesetz verbessern will" ist blanker Hohn!


Bild

Man kann nur jede WienerIn und jeden Wiener davon abraten ein Taxi anzuhalten.... 500 Euro Strafe oder 6 Tage Ersatzfreiheitsstrafe könnten die Folge davon sein

christian knappik
senioradmin sexworker.at
Zuletzt geändert von Zwerg am 23.09.2013, 16:33, insgesamt 1-mal geändert.

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RE: Lieber Rotlicht statt Blaulicht - Kampagne der AnrainerI

#20

Beitrag von Zwerg »

Eine Bürgerinitiative will die Prostitution im Stuwerviertel zum Weltkulturerbe erklären

Meine Nachbarin, die Hure


Lobby: Gewalteinsätze seit Novelle um 30 Prozent gestiegen.

Von Solmaz Khorsand

Wien. Ungewohnt ist die Rolle für Dani. So im Rampenlicht zu stehen, umzingelt von mindestens 50 Augenpaaren, die wissen wollen, wie aus ihr das wurde, was sie heute ist: eine Prostituierte. Oder wie sie sich nennt, eine Sexarbeiterin. Nervös sitzt die 30-Jährige auf dem Bett des Stundenhotels in der Stuwerstraße 5 im 2. Bezirk. Gemeinsam mit Herrn Emmerich, dem Betreiber des Stundenhotels, und Christian Knappik, dem Sprecher des Internetforums "sexworker.at", einer Plattform, auf der sich Prostituierte austauschen, gibt Dani Einblicke in ihren Alltag.

Mit dem neuen Wiener Prostitutionsgesetz, das seit November 2011 in Kraft ist, wird viel über Dani und ihre Kolleginnen geschrieben. 3255 Prostituierte sind in Wien gemeldet, 150 von ihnen arbeiten auf der Straße. Seit der Gesetzesnovelle dürfen sie nicht mehr in Wohngebieten stehen. Die Straßenstriche Felberstraße, Linzerstraße und Äußere Mariahilfer Straße sind verschwunden und die Szene verlagerte sich in den Prater, in den Auhof nahe der Autobahnstraße im 14. Bezirk und auf die Brunnerstraße in Liesing. Am 26. September wird der Gemeinderat den Prater nun auch zum Wohngebiet erklären und damit eine weitere Verbotszone für die Frauen schaffen.

"Wir leben gerne in diesem Viertel. Wir haben schöne und billige Wohnungen. Und mit der Wirtschaftsuniversität wird das Viertel aufgewertet, aber das soll nicht auf Kosten der Frauen passieren", sagt Eva Müller. Die Anrainerin gehört dem Stuwerkomitee an, einer Bürgerinitiative, die sich mit ihrer Kampagne "Rotlicht statt Blaulicht" gegen das neue Prostitutionsgesetz starkmachen will. Unter anderem plant das Komitee eine Initiative, die die Prostitution im Stuwerviertel zum Weltkulturerbe erklärt. "Die Huren gehören zu unserem Viertel. Sie sind unsere Nachbarn, wir treffen sie auf dem Weg zum Tschickautomaten, warnen sie vor den Kiberern und plaudern mit ihnen", erzählt Tina Leisch, eine der Initiatoren des Komitees während der Auftaktveranstaltung der Kampagne. Unter dem Motto "Geh ma ins Puff" hat man Anrainer und Interessierte am Mittwochabend in Herrn Emmerichs Stundenhotel geladen.

Der Zuhälter kommt
wieder auf das Tapet
Es ist eine Institution in dem Viertel. Der 70-jährige Betreiber gilt als Legende. Herausgeputzt hat sich Herr Emmerich für den Abend in seinem dunklen Nadelstreifanzug. Seit den 80er Jahren betreibt der gelernte Fleischer das Dreizimmer-Etablissement. In der Rezeption empfängt er seine Gäste mit Kaffee, Tee und Wein. Dutzende junge Männer und Frauen sind diesen Abend in die Stuwer-straße geströmt, um sich von ihm das Business erklären zu lassen.

Drei Frauen besuchen immer wieder sein Hotel. Sie alle sind schlank, wie Herr Emmerich sagt, mit den "Bladen" kann er wenig anfangen. Für das Zimmer zahlen sie ihm 10 Euro für eine halbe Stunde. Für ihre Diensten verlangen die Frauen in der Regel 30 Euro. "Papi", wie Herr Emmerich von den Prostituierten genannt wird, versucht oftmals bei den Freiern einen besseren Preis für die Frauen auszuverhandeln, wie eine Besucherin der Veranstaltung liebevoll erzählt.

Pro Tag macht Herr Emmerich laut eigenen Angaben einen Umsatz von 30 Euro. Karge Zeiten. Und seit der Gesetzesnovelle sind sie noch härter geworden. Nun muss er kontrollieren, ob jede Frau, die sein Hotel betritt, auch registriert ist. Also einen "Deckel" hat. Hat sie diesen nicht, drohen auch ihm Strafen.

Lauschig findet Christian Knappik Herrn Emmerichs Stundenhotel nicht. Es ist ihm aber lieber als die Büsche im Auhof. "Wenn die Frau hier quietscht, steht Herr Emmerich auf der Matte. Draußen im Auhof ist niemand", sagt Knappik. Aus diesem Grund kommt nun eine ausgestorben geglaubte Spezies wieder auf das Tapet: der Zuhälter, der in den dunklen Straßen im Auhof, wo es kein Bett, keine Toilette und keine Waschmöglichkeit gibt, die Frauen beschützt, wenn es hart auf hart kommt.

Wütend machen Knappik die derzeitigen Zustände auf der Straße. Dass Frauen in einer Stunden schon einmal drei Anzeigen in der Höhe von 1800 Euro ausfassen können, weil sie Augenkontakt zu einem Autolenker gesucht haben oder sich in einem Wohngebiet aufgehalten haben, weil sie in Kampfmontur nach getaner Arbeit nach Hause gestöckelt sind. Das habe laut Knappik nun die Folge, dass viele Frauen in Sweater und Jeans arbeiten. "Der Kunde weiß nicht mehr, wie eine Sexworkerin aussieht, und spricht jetzt Hausfrauen an", erzählt Knappik. 24 Stunden hat der Mittfünfziger sein Notrufhandy eingeschaltet. Ihn rufen die Frauen an, wenn sie einen Handyvertrag brauchen, ihnen die Kondome ausgegangen sind oder ein Freier gewalttätig wird. Dann rückt der Hüne mit der dichten Haartolle und der lauten Stimme aus. "Seit dem neuen Prostitutionsgesetz ist die Anzahl unserer Gewalteinsätze um 30 Prozent gestiegen", berichtet Knappik in die betroffene Runde junger Gesichter.

Auf dem Straßenstrich hat Dani nie gearbeitet. Sie ist im Escort-Service. Bis zu 100 Euro kriegt die junge Frau mit den dunklen Haaren pro Stunde. Doch schnelles Geld lässt sich auch mit Escort nicht mehr verdienen. Die Zeiten sind härter geworden. Und die Konkurrenz wird immer jünger. Und billiger.

Bild

http://www.wienerzeitung.at/nachrichten ... cnt_page=2

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