Zwangsprostitution - Bordelle in Konzentrationslagern
Als 1994 das Buch "Zwangsprostitution - Staatlich errichtete Bordelle im Nationalsozialismus" erscheint, beschreibt die Autorin Christa Paul einleitend die nur spärlichen Hinweise, die sie während ihrer Recherche zusammentragen konnte. Über die Bordelle in Konzentrationslagern hatte es bis dahin, knapp 50 Jahre nach Ende der nationalsozialistischen Herrschaft, keine umfangreicheren Darstellungen gegeben.
Frauen wurden in Bordellen für Angehörige der Wehrmacht und der SS, für Fremd- und Zwangsarbeiter und in Häftlingsbordellen der Konzentrationslager zur Prostitution gezwungen. Nur einzelne der überlebenden Frauen waren später bereit oder in der Lage, über ihre Erfahrungen öffentlich zu berichten. Viele schwiegen auch Angehörigen gegenüber, manche von ihnen bis heute. Neben der Brutalität der Erlebnisse, die für viele Überlebende nur schwer in Worte zu fassen sind, liegen die Gründe dafür auch in den fortgesetzten Diskriminierungen, denen sich die Frauen ausgesetzt sehen. Einige lehnen Interviews ab, sofern sie überhaupt danach gefragt wurden, oder bestehen auf anonymisierte Veröffentlichungen, um sich gegen Schuldzuweisungen und Stigmatisierungen zu schützen.
Neben nur einigen wenigen Berichten von Frauen, die vom NS-Staat zur Prostitution gezwungen wurden, sind es außer dem damaligen Schriftwechsel der Behörden vor allem Berichte ehemaliger Häftlinge, die heute über die Bordelle in den Konzentrationslagern Auskunft geben. Dabei gehen allerdings nur wenige auf die Situation der betroffenen Frauen ein, und auch hier finden sich in den Darstellungen immer wieder gängige Vorurteile und Diskriminierungen.
NS-Staat und Sexualität
Die Bordelle stellten für den nationalsozialistischen Staat ein weiteres Instrument dar, mit dem die Sexualität von Menschen kontrolliert werden sollte. Es gehörte zu dessen ideologischen Grundlagen, daß die Sexualität der Einzelnen von staatlichem Interesse sei und gelenkt werden müsse. Zahlreiche Gesetze und Vorschriften reglementierten Eheschließungen, (sexuelle) Beziehungen und Fortpflanzung. Dazu gehörten das Verbot von Homosexualität, die antisemitischen Gesetze von 1935 mit dem Verbot von Ehen und Beziehungen zwischen "Deutschen" und jüdischen Männern und Frauen wie auch das Kontaktverbot zwischen "Deutschen" und ZwangsarbeiterInnen. Gesetzlich angeordnet wurden ebenso Zwangssterilisationen von Menschen, die nicht der gesetzten Norm entsprachen, sei es körperlich, sei es aufgrund ihres Verhaltens.
Die Einrichtung von Lagerbordellen steht in diesem Zusammenhang staatlicher Gewalt. Der NS-Staat wurde als Zuhälter aktiv. Der männlichen Sexualität wurde eine Bedeutung für Leistungsfähigkeit und Anpassungsbereitschaft beigemessen. Dies sei "natürlich" und es bestünde die Verpflichtung, wie Himmler an Pohl schrieb, "diese Natürlichkeit als Antriebsmittel für höhere Leistungen" der männlichen Häftlinge auszunützen. Es galt als selbstverständlich, daß Frauen zur sexuellen Ausbeutung zur Verfügung stehen mussten.
Die Einrichtung von Häftlingsbordellen
Das erste Bordell für Häftlinge in einem Konzentrationslager wurde 1942 in Mauthausen auf Befehl des Reichsführers SS Himmler eingerichtet. In den folgenden Jahren wurden Frauen aus dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück in die Bordelle Mauthausen, Gusen, Buchenwald, Dachau, Dora-Mittelbau, Flossenbürg, Neuengamme und Sachsenhausen gebracht. Die Frauen, die in den Bordellen der Vernichtungslager Auschwitz-Stammlager, Auschwitz-Birkenau und Auschwitz-Monowitz arbeiten mußten, kamen aus Auschwitz-Birkenau.
Offiziell waren die Bordelle Teil eines Prämiensystems für Häftlinge, das die SS in Absprache mit Vertretern der Industrie, wie der IG Farben, in den Jahren 1941/42 vorbereitete. 1943 trat dann die "Dienstvorschrift für die Gewährung von Vergünstigungen an Häftlinge" in Kraft. Den Häftlingen sollten Vergünstigungen in Aussicht gestellt und damit ein Anreiz für höhere Arbeitsleistungen geschaffen werden. Dazu gehörte neben Hafterleichterungen, Verpflegungszulagen, Geldprämien und Tabakbezug auch der Besuch von Bordellen für männliche Häftlinge. Mit einem Bordellbesuch sollten "besondere Leistungen" belohnt werden. Damit waren meist Häftlinge mit Funktionsaufgaben in den Arbeitskommandos, innerhalb der Häftlings"selbstverwaltung" oder solche mit besonderer beruflicher Qualifikation gemeint. Manche der ehemaligen Häftlinge vermuten, daß ein solches System der Versprechungen und Belohnungen die Bereitschaft zur Anpassung und die Spaltung der Inhaftierten fördern sollte. Andere gehen davon aus, daß mit der Einrichtung von Bordellen vorrangig Homosexualität der männlichen Häftlinge bekämpft werden sollte.
Lebensbedingungen der Frauen
"Eines Tages im Frühjahr 1945 beim Appell wurden mehrere Nummern aufgerufen, meine war auch dabei. Es hieß, wir sollten zum, wie nannten sie das, sie sagten nicht Bordell, zum Sonderkommando. Wir sollten uns in der Schreibstube melden." Frau B. wurde aus Ravensbrück in das Häftlingsbordell des KZ Mittelbau-Dora gebracht. Die Frauen wurden sowohl für Häftlingsbordelle als auch für Bordelle der SS ausgesucht. Einem Teil der Frauen wurde bessere Kleidung, mehr Essen oder Entlassung in Aussicht gestellt. Manche Frauen meldeten sich, weil sie damit eine Hoffnung verbanden zu überleben.
Für die SS-Wachmannschaften wurden in den Konzentrationslagern oder deren Nähe eigene Bordelle errichtet. Dies ist nachweislich bekannt von Buchenwald, Mittelbau-Dora und Flossenbürg. Bis auf ein Interview mit Frau D. gibt es hierzu wenig Informationen. Die Beschreibungen von Frau D., die im SS-Bordell Buchenwald zur Prostitution gezwungen wurde, lassen etwas von der Brutalität ahnen, der die Frauen ausgesetzt waren.
"Die kamen an, und dann mußte das klappen, und wenn es nicht geklappt hat, gab es Prügel. Ich habe Schläge eingesteckt, die ich mein Lebtag nicht vergessen werde (...) Da gab es vieles, das mag man heute gar nicht aussprechen. Innerlich macht mich das heute noch fertig, da waren so viele Abnormitäten drunter. Das war ein ganz ausgekochtes Corps, und mit uns konnten sie es ja machen. Wir kamen ja mit niemandem zusammen, wir wurden ja isoliert."
Isolation und Stigmatisierung
Isoliert waren die Frauen der SS-Bordelle wie auch der Häftlingsbordelle dadurch, daß die Baracken abseits am Rand des jeweiligen Lagergelände plaziert waren und sie sich kaum auf dem allgemeinen Lagergelände bewegen durften. Doch abgesehen von der räumlichen Isolation spielten auch Stigmatisierung und Ausgrenzung durch Mithäftlinge eine Rolle für den häufig sehr eingeschränkten Kontakt zu anderen Häftlingen.
Nach den Berichten von Überlebenden war auch der Kontakt der zur Prostitution gezwungenen Frauen untereinander unter diesem enormen inneren und äußeren Druck sehr begrenzt. "Wir Häftlingsfrauen haben nur Belangloses miteinander geredet. Man erwähnte schon mal die Mutter oder Schwester, aber man stumpfte ab. Man lebte in den Tag, und abends warst du froh, wenn man sagen konnte, du bist nicht (in die Depression) zurückgefallen." Einzelne berichten von einem freundschaftlichen Verhältnis zu einer der anderen Frauen. "Da war eine, die war für meine Begriffe immer ganz lustig (...). Das war die einzige, mit der ich mich unterhalten habe und mit der ich mich beschäftigt habe. Über unsere Arbeit haben wir nie gesprochen, aber sie hat es mir angemerkt und ich habe es ihr angemerkt. Und wenn ich dann mal saß und hab geweint, oder ich mochte mich nicht unterhalten, dann wußte sie, irgend etwas war, aber sie ist nie in mich gedrungen und hat gefragt."
Geld haben die Frauen für ihre Arbeit nicht erhalten. Zwar mußten die männlichen Häftlinge für jeden Bordellbesuch in Form von "Prämienscheinen" bezahlen. Doch gibt es keinen Hinweis darauf, daß die SS den Frauen tatsächlich Geld aushändigte. Im Lager waren Tauschgeschäfte von großer Bedeutung. Aufgrund ihrer isolierten Situation waren die Frauen angewiesen auf den Kontakt zu den Männern, die ins Bordell kamen, um Zugang zu diesem Tauschhandel zu bekommen.
Durch manche Berichte ehemaliger Mithäftlinge entsteht der Eindruck, die Frauen hätten ein beinahe luxuriöses Leben ge_-führt, so schreibt z.B. ein ehemaliger Häftling aus Mauthausen davon, daß "diese Prostituierten, wie man bei ihrer Freistunde beobachten konnte, in den feinsten Kleidern und Kostümen, durchweg eleganteste Maßarbeit, herumliefen" und "ebenso die besten und feinsten Nahrungs- und Genußmittel, ebenso wie Schmuck und Alkohol zugesteckt erhielten." (Archiv der Gedenkstätte Mauthausen V/3/20)
In dieser Beschreibung wird nach Zwang und Gewalt nicht gefragt. Die Erlebnisse der betroffenen Frauen liegen fern ab solcher Phantasien von Luxus und Sorglosigkeit. Die Überlebenden berichten von schweren Krankheiten und der Angst, sich der Behandlung im Lagerlazarett auszuliefern, Toten, die an den Folgen von Abtreibungen starben, und schwersten psychischen Belastungen, unter denen sie bis heute leiden.
Prostitution im Konzentrationslager = Zwangsarbeit
Frauen wurden zur Prostitution gezwungen, um die Arbeitsleistungen männlicher Häftlinge zu erhöhen. Sie waren in den Produktionsprozess einbezogen und mußten wie die anderen Häftlinge den Leistungsanforderungen der SS genügen. Insofern muß Zwangsprostitution also auch als eine spezielle Form der Zwangsarbeit betrachtet werden. Auffällig ist, daß in keinem anderen Zusammenhang bezüglich der Arbeit von Häftlingen in Konzentrationslagern, sei es in der Häftlings"selbstverwaltung", sei es in der Rüstungsindustrie, so häufig Freiwilligkeit unterstellt wird. Daß sich Frauen für die Arbeit in einem Lagerbordell meldeten, kann nicht als "Freiwilligkeit" bezeichnet werden. Sie handelten unter Bedingungen von Folter und Gewalt. Diesen Zwang zu ignorieren, bedeutet eine Schuldzuweisung an die Betroffenen und verhindert Fragen nach den Tätern bzw. der Ideologie, die diese Verbrechen ermöglichte.
Auf institutioneller Ebene wird die Diskriminierung bis heute mit eben diesen Argumenten fortgesetzt. Für Zwangsprostitution hat der bundesdeutsche Staat bis heute keine finanziellen Entschädigungen geleistet. Frau W. kämpfte in Prozessen jahrelang um Anerkennung als politisch Verfolgte nach dem Bundesentschädigungsgesetz. Daß sie aus Angst vor noch stärkerer Diskriminierung nicht angeben wollte, daß sie in einem der na tionalsozialistischen Bordelle arbeiten mußte, läßt ahnen, welchem Druck die Überlebenden bis heute ausgesetzt sind.
Quellen und Literaturhinweise:
Christa Paul: Zwangsprostitution. Staatlich errichtete Bordelle im Nationalsozialismus. Berlin 1994 (hier auch alle Berichte von betroffenen Frauen)
Christa Schulz: Weibliche Häftlinge aus Ravensbrück in Bordellen der Männerkonzentrationslager. In: Claus Füllberg-Stolberg (Hg.): Frauen in Konzentrationslagern: Bergen-Belsen, Ravensbrück. Bremen 1994
Japanische Fraueninitiative Berlin, Koreanische Frauengruppe Berlin e.V. (Hrsg.): "Gebt mir meine Würde zurück!" Zwangsprostitution im Asien-Pazifik-Krieg Japans. Berlin 1993
Koreanische Frauengruppe in Deutschland (Hrsg.): In die Prostitution gezwungen. Koreanische Frauen erinnern sich - Zeugenaussagen aus dem japanischen Asien-Pazifik-Krieg, 1996
"informationen" Nr. 51, März 2000
http://www.studienkreis-widerstand-1933 ... 1zwan.html