Registrierkassen für SexarbeiterInnen in AT

Hier können SexarbeitInnen ihren Arbeitsplatz bzw. ihre Arbeitsbedingungen beschreiben. Was erlebt Ihr alles in Eurem Beruf?
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Zwerg
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Registrierkassen für SexarbeiterInnen in AT

#1

Beitrag von Zwerg »

Ich habe in den letzten Woche mit acht Finanzämtern in 6 österreichischen Bundesländern telefoniert. Zusammengefasst: Ausnahmslos erhielt ich die Antwort, dass SexarbeiterInnen Rechnung stellen müssen. Und das Rechnungen bzw. Belege sowohl den Namen der SexarbeiterIn (2 mal wurde Künstlernamen genannt) sowie die richtige (!) Adresse der Selbstständigen aufweisen müssen um anerkannt zu werden.

Angeblich gibt es anders lautende Stellungnahmen in Briefform, die wir aber bis Heute nicht zu sehen bekommen haben. Jedoch: Bindend ist der Gesetzestext. So lange es hier keine entsprechende Änderung gibt, oder entsprechende (offizielle) Erlässe ist das Problem vorhanden - auch dies wurde mir telefonisch mehrfach bestätigt.

http://mokant.at/1605-sex-sexarbeit-reg ... enpflicht/

Hier der Link zur 2. Seite des Berichtes

http://mokant.at/1605-sex-sexarbeit-reg ... pflicht-2/

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Hamster
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#2

Beitrag von Hamster »

Starker Tobak!
Mit der Rechnungsstellung werden Realnamen und Adresse der SexarbeiterInnen dem Kunden bekanntgegeben.

Im kaufmaennischen Sinne ist es eigentlich richtig, Rechnungen beim Kauf/Verkauf von Sachen/Dienstleistungen auszustellen; mit den Rechnungen koennen die Finanzaemter die eingereichten Steuererklaerungen besser nachvollziehen.

Mit dieser Masche, dass SW's Rechnungen ausstellen sollen, wird praktisch das Ziel erreicht, sie vom Strassenstrich weg zu bekommen, sie folglich in die Arme der Bordellbetreiber oder sonstiges zu jagen, wo SW's praktisch nicht mehr fuer sich selbststaendig arbeiten koennen und noch schutzloser werden. Es kann doch nicht Ziel der "Oberen" sein, SW's noch schutzloser in den Regen zu stellen und Sexarbeit nicht mehr sichtbar wie an Strassen werden zu lassen.

Ich frage mich, ob diese Form des Outings der SW's ueberhaupt mit irgend einem gueltigen Recht gueltig ist?

Ein Kuechenstudio, (ist jetzt ein Beispiel, weil ich so gerne koche) das Kuechen an Kunden verkauft und durch Handwerker (koennen auch mal selbststaendige Handwerker im Auftrag des Kuechenstudios sein) in die Wohnungen der Kunden einbaut, stellt also eine Rechnung aus. Der Clou: Auf der Rechnung steht evtl. nur der Name des Kuechenstudios und die Adresse des Kuechenstudios, also des Arbeitsplatzes, NICHT jedoch die Realnamen der dort angestellten Verkaeufer und Handwerker, die die Kuechen einbauen sowie die Wohnadressen der Verkaeufer und Handwerker.
Die Kuechenverkaeufer und Handwerker wuerden auch ziemlich lautstark protestieren, allen Kunden ihre Klarnamen und ihren Wohnort nennen zu muessen.

Genau so sollte eine SW verfahren: nur Kuenstlernamen, Arbeitsort, nicht Wohnort, mit Vermerk "erotische Dienstleistung" ohne Einzelheiten und Dauer (1/2 Std. oder 1 Std. etc.). Denn mit der verpflichtenden Registrierung ist dem Staat ja der Kuenstlername, Realname und Wohnort bekannt, nicht jedoch dem Freier.

Aber ueberhaupt:
Totaler Bloedsinn, mit halbem Zettel-Buerokoffer an der Strasse zu stehen.
Ein Rechnungsstellung gehoert fuer mich abgeschafft. Basta.

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Zwerg
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#3

Beitrag von Zwerg »

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Hamster hat geschrieben:Mit dieser Masche, dass SW's Rechnungen ausstellen sollen, wird praktisch das Ziel erreicht, sie vom Strassenstrich weg zu bekommen, sie folglich in die Arme der Bordellbetreiber oder sonstiges zu jagen, wo SW's praktisch nicht mehr fuer sich selbststaendig arbeiten koennen und noch schutzloser werden. Es kann doch nicht Ziel der "Oberen" sein, SW's noch schutzloser in den Regen zu stellen und Sexarbeit nicht mehr sichtbar wie an Strassen werden zu lassen.
SexarbeiterInnen die in einem Studio, einer Bar bzw. einem Laufhaus arbeiten müssen ebenso Rechnung stellen - und auch hier gilt: Da Selbstständig ist die Firmenadresse (also die Privatadresse) der SexarbeiterIn notwendig. Genau darauf habe ich mich bei meinen Anfragen bezogen.

Es geht nicht nur um Straßenstrich: Es geht um ALLE SexarbeiterInnen in Österreich!

Wir wissen, dass dies nicht oder nur sehr selten geschehen wird. Keine SexarbeiterIn nennt ihren Realnamen oder gibt ihre Adresse einem Kunden (Wohnungsprostitution ist bei uns generell nicht erlaubt). Für mich persönlich und auf Grund meiner Erfahrungen aus Gesprächen mit SexarbeiterInnen bedeutet dies einen Schwung in Richtung Illegalität. Oder aber auch ein offenes Messer in der Hand des Finanzamtes. Wenn die wollen (und ich kenne nahezu keinerlei "Prüfungen", wo sie nicht wollten) ist nahezu jede SexarbeiterIn nunmehr zu strafen und das Finanzamt hat die Berechtigung die Einnahmen zu schätzen. Da ich auch deshalb schon Einiges miterlebt habe: Mir graust davor.

Das ein Fantasiefirmenname reichen würde schließt die Adresse nicht aus - Davon abgesehen, gibt es bei uns keinen Gewerbeschein auf dem SexarbeiterIn draufsteht. Das der/die BetreiberIn die Rechnung stellt ist ebenso ausgeschlossen, da in dem Augenblick der Umsatz ihm/ihr zugerechnet wird. Und damit werden die Jobs nahezu automatisch MWSt-plichtig (jede einzelne SexarbeiterIn bleibt wahrscheinlich unter dem Umsatz, der für die MWSt-Pflicht gülltig ist - jedoch, wenn man als BetreiberIn mehrere SexarbeiterInnen zusammen abrechnet, wird diese Grenze überschritten werden). Es würde auch einer Anstellung gleichkommen, wenn der/die BetreiberIn sagt (mit der Rechnung) "sie arbeitet für mich, auf meine Rechnung" - und auch im Strafrecht käme da Einiges auf ihn/sie zu. In AT gibt es nahzu keine Einschränkung des Weisungsrechtes für ArbeitnehmerInnen (also nicht wie in D) - und somit wäre die SexarbeiterIn weisungsgebunden.... = Zuhälterei. Ebenso müsste eine Überwachung der Dienstleistung erfolgen, damit man weiß, was abzurechnen wäre......

traurige Grüße

christian

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#4

Beitrag von Hamster »

Ja, traurig ...
Ziel ist wohl:
Austrocknung der Prostitution ...
Ich denke ganz doll an alle SexarbeiterInnen in Oesterreich!
Mir schnuert es fast die Kehle zu!

Jetzt habe ich im Netz etwas gefunden:

FAKTEN Do, 18. Februar 2016
REGISTRIERKASSENPFLICHT GILT AUCH FUER PROSTITUIERTE
Die erbrachten Leistungen muessen dabei detailliert angefuehrt werden.

Weiterlesen auf:

www.news.at/a/registrierkassenpflicht-prostituierte

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RE: Registrierkassen für SexarbeiterInnen in AT

#5

Beitrag von friederike »

Stehe ich hier auf der Leitung? Die Rechnung bekommt doch der Kunde, für das Finanzamt der SW kann also nur die Kopie in Betracht kommen. Der Kunde wird in den seltensten Fällen einen MWSt-Abzug geltend machen oder sonstwie das Dkument dem Finanzamt einreichen..

Also natürlich ist die ganze Chose Quatsch von oben bis unten, aber als SW könnte ich doch einen Stapel Rechnungen für die Kontrolle/das Finanzamt vorhalten und dem Freier, wenn er denn schon etwas schriftliches haben will, ein eigens gefertigtes Papier mit den Angaben übergeben, die ich für richtig halte?

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#6

Beitrag von Zwerg »

Also Rechnung und Duplikat muss ident sein - Alles Andere wäre tatsächlich rechtlich äußerst bedenklich......

Es ist im Gesetz vorgesehen, dass Finanzbeamte beim Verlassen des "Geschäftes" KundInnen nach dem Beleg fragen können - egal welche Branche. Der/die KundIn macht sich zwar (bisher) nicht strafbar wenn er/sie den Zettel weggeworfen hat - nur bekommen muss er/sie einen haben. Und da auf Solidarität zu hoffen ist blauäugig - ich sehe sogar die Gefahr der Erpressung im Raum, wenn sich eine SW da eine Blöße gibt.

Die Registrierkassa (ab 15000,- Jahresumsatz davon 7500,- in bar) druckt eindeutige Belegnummern aus (und im Normalfall auch die entsprechende Firmenbezeichnung). Auf dem Beleg steht dann auch die Uhrzeit drauf!

Aber auch Rechnungsblöcke weisen eine Nummerierung auf. Dreimal Wehe, wenn da was im Original auftaucht (FA hat vor der Türe den/die KundIn abgefangen) oder agiert als Scheinfreier (?) und da stimmt was nicht überein.

Es gibt zwar die "kalte Händeregelung" dabei dürfen einige Gruppen (Maronibrater zum Beispiel) dann im Nachhinein die Umsätze in die Kassa tippen - jedoch diese Gruppen sind genau festgelegt UND da sind SexarbeiterInnen nicht darunter. Es gibt auch scheinbar keinerlei Anstalten wenigstens die Thematik aufzugreifen - im Gegenteil: Man spielt es eher herunter. Das mag sogar für die Branche selbst nicht das große Thema sein - so lange es wen Anderen erwischt. Nur uns liegt das Wohl und die rechtliche Sicherheit jeder einzelnen SexarbeiterIn auf dem Herzen.

In Planung ist, dass die Kassen in Zukunft (2017) direkt auf einem Chip abspeichern, der von SteuerprüferInnen dann direkt ausgelesen werden kann. Es gibt auch genaue Auflagen, welche Kassen zulässig sind - und welche nicht. Ich mache mir da über diverse "Onlineangebote" (kostenlose) und auch Apps diverse Sorgen. Wie auch immer, die Grundproblematik bleibt in jedem Fall bestehen. SexarbeiterInnen müssen Rechnung legen - sie müssen den KundInnen Belege ausstellen. Und da sind falsche Angaben der direkte Weg zur Finanzstrafe bzw. zur Schätzung. Und das, weil eine Auflage Gesetz wurde, die in der Praxis nicht durchführbar ist. Das Outing der SexarbeiterIn egal wem gegenüber ist unter Umständen mit Gefahren verbunden, die man erst im Ernstfall (also im Nachhinein) erkennt. Besser ist es von vornherein derartige Möglichkeiten (Stalking usw.) zu unterbinden.

Liebe Grüße

christian

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#7

Beitrag von malin »

also ich mag das gar nicht glauben bzw.bin fassungslos, das ist doch kompletter Irrsinn.
Wenn es wirklich auch genauso durchgezogen und geahndet wird, ist es doch ein faktisches und komplettes Aus für nahezu jede SW?
liebe grüsse malin

eventuell fehlende buchstaben sind durch meine klemmende tastatur bedingt :-)

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#8

Beitrag von Zwerg »

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malin hat geschrieben: Wenn es wirklich auch genauso durchgezogen und geahndet wird, ist es doch ein faktisches und komplettes Aus für nahezu jede SW?
traurig und wahr - die Registrierkassenpflicht ist bereits seit 1. Mai dieses Jahres gesetzlich verankert. Aber scheinbar sehen nur wir das Problem - bzw. befassen uns damit... Von Seiten der Finanzämter wird es eher als "lustig" abgetan und auch (was wir äußerst unlustig sehen) als wahr eingestuft.

Kein einziger meiner Anrufe hat eine andere Sichtweise ergeben - Es ist traurige, sexarbeiterInnenverachtende Realität.

Schade, dass zum Beispiel PolizistInnen beim Strafzettelverteilen keine Registrierkassa haben müssen - obwohl: Die kassieren ja im Namen des Staates und müssten ihre Daten nicht bekannt geben (würden sie wahrscheinlich auch nicht tun, aber das Gedankenspiel reizt mich - hätten wir dann in die Illegalität gedrängte PolizistInnen? Ich könnte wetten, dass es in so einem Fall sofort eine gesetzliche Änderung auf Grund der möglichen Gefährdung geben würde - nur bei SexarbeiterInnen ist das scheinbar nicht so dringlich....

Liebe Grüße

christian

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#9

Beitrag von Sinamore »

Ich werde sowas von wütend/traurig wenn ich so etwas lese...besonders schlimm, wenn sich herausstellt, dass die Behörden nicht aus Ignoranz sondern offensichtlich mit schikanösen Absichten handeln und die sehr realen und ernsten Probleme von Sexarbeiterinnen belächeln.

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Hamster
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RE: Registrierkassen für SexarbeiterInnen in AT

#10

Beitrag von Hamster »

Habe mir noch einmal Gedanken gemacht, warum die oesterreichischen Finanzaemter die Wohnadressen und nicht die Arbeitsadressen der SW's auf Rechnungen sehen wollen:

Ist fuer Finanzaemter am einfachsten und bequemsten, weil

es eine schier Unmengen an verschiedenen Arten und Ausuebung in der Sexarbeit an verschiedenen Orten (Strasse, Wohnung, Wohnmobil, Bordell, Laufhaus, FKK-Club, Saunaclub, Dominastudio, Haus- und Hotel etc.) gibt und SW's sehr flexibel bei den Arbeitsplaetzen sind, haeufig die Arbeitsplaetze wechseln und weil viele SW's aus anderen Laendern in Oesterreich arbeiten.

Ich koennte schon fast sarkastisch sagen, dass Betreiber und/oder Bordellbesitzer heimliche Gewinner sind, denn die SW's muessen ja ihren Wohnort und nicht den Arbeitsplatzort auf Rechnungen angeben. Werden Betreiber kuenftig luegen, wenn sie behaupten, sie haetten nur so und so viele SW's im Puff gehabt (also weniger SW's als sonst) und so falsche Steuererklaerungen abgeben und/oder SW's unter Druck setzen, "falsche Angaben" zu machen, oder sehe ich das hier falsch? Ach ja, per Smartphone-App (dazu unten Links) mit eingebautem (ohne Wissen der SW) Google-Standort mit Bewegungsprofil der SW's geht's ja nicht, wenn SW's die Rechnungen so auf diese Art und Weise per Smartphone-App ihre Rechnungen ausstellt.

Eins ist klar und das verurteile ich auf DAS SCHAERFSTE: Die supernetten SexarbeiterInnen sind auf allen Ebenen die absoluten Verlierer, werden STAENDIG in ihren Rechten beschnitten und haben FAST NUR NOCH Pflichten bzw. Auflagen, weil die Gesellschaft zu doppelmoralistisch ist, und alle, aber auch alle (Betreiber, Vermieter, Werbefritzen, Zuhaelter, DER STAAT) unser sauer verdientes Geld meist im 12-Stundentag und mehr oft mit tagtaeglichen Existenzaengsten (immer weniger Freier, und wenn, dann wollen sie mehr Leistung fuer weniger Geld) durch Wuchermieten etc. haben wollen!

An alle SW's, wehrt Euch!
Bin tierisch froh, dass es "sexworker.at" mit Zwerg, Fraences, Melanie, Aoife und mehr gibt, das total unabhaengig ist und vor allem und weil "sexworker.at" absolut nicht von finanziellen Mitteln via Spenden etc. lebt, nur aus privaten Mitteln, und somit frei und unabhaengig ist und sich fuer SW's einsetzen kann!

Junge, Junge, Leute ... echt ... ne ne?

So, hier noch 2 Links:

STEUERRECHT: "REGISTRIERKASSE IST NUR SOFZWARE PLUS DRUCKER"
18.10.2015 | 18:39 (Die Presse)
Praktiker sehen neue Pflichten fuer Unternehmen nicht so dramatisch wie diese.

www.diepresse.com/home/wirtschaft/recht ... 0/index.do

____________________________________________

SMARTPHONE IST OFT DIE BESSERE REGISTRIERKASSE
16. November 2015
Die Registrierkassenpflicht foerdert Innovationen: Mobile Kassenloesungen bieten sich als Alternative fuer Kleinbetriebe an.

www.derstandard.at/2000025772947/Oft-is ... trierkasse

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#11

Beitrag von ehemaliger_User »

Ich kann ja verstehen, dass "der Staat" seine Bürger so weit als möglich "gerecht" besteuern will. Als Kunde finde ich es direkt unverschämt, dass ich den Kassenzettel mitnehmen und eine gewisse Zeit aufbewahren muss. Um notfalls beweisen zu können, dass ich korrekt bezahlt habe. Geht's noch? Was habe ich damit zu tun ob mein Verkäufer steuerehrlich ist?
Ich bin überzeugt davon, dass es fiskalisch ertragreicher wäre, die Steuersparmodelle von Konzernen zu unterbinden. Mit weniger Aufwand. Von unsinniger Verschwendung von Ressourcen für die Bons mal gar nicht reden.

Zur "gerechten" Besteuerung von Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter fehlen aber wichtige Voraussetzungen:

1. Stigma

Solange in der Sexarbeit Tätige von der Gesellschaft stigmatisiert werden ist die Forderung nach Angabe von Echtname/Adresse auf Kassenbons eine Unverschämtheit. Erst soll "der Staat" dafür sorgen, dass Sexarbeit eine nicht stigmatisierte Tätigkeit ist. Zur Entsigmatisierung gehört auch "Keine Sondergesetze für Sexarbeitende"

2. Status

Eindeutige Definition - entweder als Reisegewerbe oder besser noch als Freier Beruf (Katalogberuf). Einheitliche Handhabung unabhängig vom Bundesland!

3. Sperrgebiete

Abschaffung allgemeiner Sperrgebiete, es müssen die Regeln der Bauordnung gelten, die auch für Ärzte, Gaststätten, etc. gelten. Auch für den Zusammenschluss mehrerer Sexarbeitenden (z.B. GbR) in einer Wohnung.

Warum soll eine Gesellschaft durch Steuern von in der Sexarbeit Tätigen profitieren wenn weite Teile der Gesellschaft diese verachten?
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RE: Registrierkassen für SexarbeiterInnen in AT

#12

Beitrag von Nuttella66 »

Meine Steuerberater haben mir Anfang dieses Jahres ein Schreiben zukommen lassen wo man mir auferlegte eine Kasse in meinen Geschäftsräumen zu führen.

Bei einem persönlichen Gespräch mit den selbigen sagte man mir dann, daß auch ein Kassenbuch reichen würde. Dies führe ich nun.

Daß man sich in Österreich solch eine Kasse hinstellen soll ist eine Zumutung. Und zwar für Kunde und SW.
** - Wenn du in den Abgrund schaust, schaut der Abgrund auch in dich -**

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#13

Beitrag von friederike »

Ein Kassenbuch führe ich auch. Ist lästig, aber sicher ist sicher.

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#14

Beitrag von hapebe »

Kassenbuch wäre noch verständlich (das war, korrigiert mich, schon immer Pflicht - Einnahmen/Ausgaben).
Der 2. Teil dieses Gesetzes (mit Angang 2017) wird laut einem Bekannten noch verrückter. Hier muss jeder Kassenbeleg einen QR Code aufweisen (die Quadratischen Dinger mit schwarz/weiß Blöcken wie Strichcodes). In diesen werden verschlüsselt einige Daten, wie laufende Belegnummer, Rechnungsdaten, letzte Rechnung, Umsätze, Identifizierung, ... enthalten sein. Auch müssen dann die Buchungen direkt in Echtzeit an das Finanzamt übermittelt werden. Damit kann die Finanz sofort anhand einem Rechnungsbeleg die Plausibilität kontrollieren.
Ein Ausweg wäre die Bezahlung nur elektronisch (EC Card, Kreditkarte,.) zu akzeptieren. Dann wird auch keine Registrierkasse benötigt ;) (aber ein Kartenterminal und die Banken bzw. Kreditkarteninstitute würden auch mitschneiden).

Ein Schelm, wer böses dabei denkt.
„Ein Atom ist leichter zu zertrümmern als ein Vorurteil“ (Albert Einstein)

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#15

Beitrag von Zwerg »

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hapebe hat geschrieben:Kassenbuch wäre noch verständlich (das war, korrigiert mich, schon immer Pflicht - Einnahmen/Ausgaben).
Hiermit korrigiert - Grundsätzlich bestand eine Aufzeichnungspflicht - jedoch reichten auch grundsätzliche Aufzeichnungen (Kalender zum Beispiel) bzgl. der Einnahmen - und Ausgaben konnte man pauschaliert geltend machen. War auch ratsam, da das Finanzamt Kleidung usw. nicht akzeptiert hat (da ebenso privat verwendbar)

Jetzt besteht auf alle Fälle eine Belegpflicht, sowie ab 15 000,- jährlich Registrierkassenpflicht.

Wie schon weiter oben gesagt: Für SexarbeiterInnen so gut wie nicht erfüllbar und somit ein weiteres "offenes Messer" in den Händen der Behörden.

christian

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Hamster
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RE: Registrierkassen für SexarbeiterInnen in AT

#16

Beitrag von Hamster »

15.08.2016
REGISTRIERKASSENPFLICHT FUER SEXARBEITER

Das Land bietet kostenlose Beratung fuer weibliche und maennliche Prostituierte an. Den Sexarbeitern wird neben Versicherungsangelegenheiten erklaert, ab welchem Einkommen sie eine Registrierkasse brauchen, aber auch, wie man "aussteigt".

Die Anzahl der Prostituierten in Kaernten steigt. Um Probleme bereits im Vorfeld zu verhindern, schuf das Referat fuer Frauen und Gleichbehandlung eine kostenlose Beratungsstelle. In Kaernten gibt es immerhin 36 genehmigte Bordelle, etwa 400 Frauen sind als Sexdienstleisterinnen - so die offizielle Bezeichnung - gemeldet. Experten schaetzen die Dunkelziffer allerdings mehr als doppelt so hoch ein.

KLAGENFURT UND VILLACH ALS HOTSPOTS

Cornelia Rubin wurde vom Land angestellt und ist als mobile Beraterin vor allem in Villach und Klagenfurt unterwegs: "Villach und Klagenfurt sind die Hotspots in Kaernten, da Sexarbeit in Slowenien und Italien verboten ist. Dadurch kommen auch viele Kunden aus diesen Laendern."

Aktuell arbeiten vor allem Rumaeninnen als Sexarbeiterinnen in Kaernten, gefolgt von Ungarinnen, Spanierinnen und Slowakinnen. Der Anteil der aus Kaernten stammenden Sexarbeiterinnen ist laut Rubin niedrig und liegt in etwa bei geschaetzten ein bis zwei Prozent.

REGISTRIERKASSE AB 7.500 EURO

Die Beraterin informiert die Prostituierten beispielsweise ueber Unterstuetzungsangebote, die Sozialversicherung und die steuerliche Situation. Wieviele Steuern die Sexarbeiterinnen zahlen muessen, haengt von ihrem Einkommen ab. Sie gelten grundsaetzlich als selbststaendig erwerbstaetig. Ab einem Umsatz von 7.500 Euro pro Jahr sind sie registrierkassenpflichtig. Oft komme es vor, dass sich mehrere Sexarbeiterinnen eine gemeinsame Kasse teilen, so Rubin. "Es muss nur ersichtlich sein, welche Prostituierte welche Einkommen hat."

STEUERFREIHEIT BIS 11.000 EURO EINKOMMEN

Viele Sexarbeiterinnen seien aber ohnehin nur ein bis zwei Monate in Kaernten, so Rubin. Fuer sie reiche es, ein Kassen-Eingangsbuch zu fuehren. Am Ende des Jahres muesse jede Prostituierte einen Lohnsteuerausgleich machen, Steuern muessen nur dann gezahlt werden, wenn mehr als 11.000 Euro im Jahr eingenommen wurden. Alle Einnahmen darunter sind steuerfrei. Rubin weist Sexdienstleister auch darauf hin, regelmaessig Gesundheitsuntersuchungen durchzufuehren, denn nur dann darf legal gearbeitet werden. Diese werden auf den Bezirkshauptmannschaften oder in Krankenhaeusern durchgefuehrt.

WENIGE MAENNER ALS SEXARBEITER

Seit Juni haben sich bereits 100 Frauen beraten lassen. Auch Maenner nehmen das Angebot in Anspruch. "Bis jetzt hatte ich zwei Maenner bei mir in der Beratung. Sie wurden allgemein ueber Sexarbeit in Oesterreich aufgeklaert, weil sie das erste Mal hier arbeiten." Wo genau die Maenner taetig sind, darueber will die Beraterin oeffentlich keine Ausunft geben, um ihre Klienten zu schuetzen.

Rubin ist in den Gesundheitsaemtern zu den Untersuchungszeiten anwesend. Persoenliche Gespraeche und ein Vertrauensverhaeltnis zu den Prostituierten aufzubauen, stehen fuer sie an erster Stelle. "Man muss bedenken, dass es sehr schwer ist, einen Zugang zu den Frauen zu finden. Bis jetzt ist das aber sehr gut gelungen."

WICHTIGE FRAGE: WIE HOERE ICH AUF?

Vor allem, wenn die Frauen das erste Mal als Sexdienstleisterinnen taetig sind, haben sie viele Fragen. Manche davon kann auch die Beraterin nicht beantworten. Etwa, ob und wie der Sexualverkehr abgebrochen werden kann, wenn es der Sexdienstleisterin aus irgendwelchen Gruenden nicht gefaellt. Haeufig gestellt werde aber auch die Frage nach dem "Aufhoeren", wie man wieder aus dem Gewerbe aussteigen koenne.

Hier raet Rubin den Frauen, sich Hilfe in einer Frauenberatungsstelle zu holen. Ist der Entschluss einmal gefasst, sei es vor allem wichtig, den Ausstieg auch wirklich durchzuziehen. Opfern von Menschenhandel raet Rubin, sich jedenfalls bei der Caritas-Stelle "Talitha" zu melden.

http://kaernten.orf.at/news/stories/2790521/

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Re: RE: Registrierkassen für SexarbeiterInnen in AT

#17

Beitrag von Zwerg »

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Hamster hat geschrieben: REGISTRIERKASSE AB 7.500 EURO

Die Beraterin informiert die Prostituierten beispielsweise ueber Unterstuetzungsangebote, die Sozialversicherung und die steuerliche Situation. Wieviele Steuern die Sexarbeiterinnen zahlen muessen, haengt von ihrem Einkommen ab. Sie gelten grundsaetzlich als selbststaendig erwerbstaetig. Ab einem Umsatz von 7.500 Euro pro Jahr sind sie registrierkassenpflichtig. Oft komme es vor, dass sich mehrere Sexarbeiterinnen eine gemeinsame Kasse teilen, so Rubin. "Es muss nur ersichtlich sein, welche Prostituierte welche Einkommen hat."
Unser Steuerberater hat ein gequältes Lächeln speziell für die Aussage der geteilten Registrierkasse - und fragt, wo denn das im Gesetz stehen würde. Das fragt er aber auch, wenn er hört, was da generell so "geraten" wird...

Es verhält sich so, wie mit den Belegen, wo es (angeblich) reicht, Künstlernamen anzuführen - davon ist im Gesetz nichts zu finden. Ich halte es durchaus für möglich - sogar wahrscheinlich - dass es diesbezüglich irgendwelche Auskünfte von Finanzämtern gegeben hat. Jedoch im Falle einer Steuerprüfung hält sich der/die PrüferIn an den Buchstaben des Gesetzes - und das da keinerlei Ausnahmeregelung zu finden ist, heißt automatisch dass es die nicht gibt. Somit müssten Belege eigentlich den kaufmännischen Regeln entsprechend ausgestellt werden - und auch Registrierkassen eindeutig auf eine juristische bzw. steuerlich zuordenbare Person registriert sein. Es gibt zwar die Regelung mit den Durchlaufposten (aber auch da steht bei den Ausnahmen nichts von Sexarbeit).

Ich bin nicht glücklich, wenn ich solche zweifelnde Beiträge auf sexworker.at schreibe - im Gegenteil eher verzweifelt. Richtig unzufrieden bin ich persönlich aber dann, wenn SexarbeiterInnen Auskünfte von Vertrauenspersonen, die nicht wirklich irgendwo bestätigt wurden, erhalten und dann glauben, dass sie sich im rechtssicheren Raum befinden.

Und als Nachsatz: Ich hoffe ausdrücklich, dass ich mich im Irrtum befinde. Wir wünschen, fordern und bestehen auf Rechtssicherheit!

Christian

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RE: Registrierkassen für SexarbeiterInnen in AT

#18

Beitrag von Hamster »

Dieser Beitrag hat nichts mit Sexwork zu tun, aber mit Registrierkassenpflicht, weshalb ich es hier reinposte, unter anderem auch, weil ich schmunzeln musste
:Mel2 Einfach zu komisch. Der Wirt ist jetzt ein Volksheld.

19.08.2016
PROTEST
WUT-WIRT SCHICKT SCHELLING ALTE RECHNUNGEN

Fuer den Finanzminister wurde ein kurioses Paket abgegeben.

Video

Die Registrierkassenpflicht ist vielen Gastronomen ein Dorn im Auge. Eine ganz besondere Form des Protests hat jetzt Robert Fellinger, Kaffeehausbesitzer aus Bad Erlach (Niederoesterreich), gewaehlt: er sammelte alle Rechnungen der letzten Wochen und Monate und schickte sie gesammelt an das Finanzministerium.

Die naechste Lieferung will der Wut-Wirt dem Finanzminister uebergeben, schreibt er auf Facebook.

Facebook-Post von Robert Fellinger
mit Fotos

www.oe24.at/oesterreich/chronik/wien/Wu ... /248161277

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#19

Beitrag von hapebe »

Ein Hallo an alle und noch die besten, etwas verspäteten, Wünsche für ein neues Jahr.
Gibt es in Richtung Registrierkassenpflicht eigentlich neue Erkenntnisse?
Ich muss sagen, bei allen Besuchen seit der Einführung habe ich noch nirgends einen Kassazettel angeboten bekommen.

Gibt es schon negative Erfahrungen bezüglich Kontrollen?

Die einzige Meldung, die ich gehört habe, war vom Finanzminister, dass das Ganze bei weitem nicht die erwarteten Mehreinnahmen gebracht hat ;) - das hätte ich auch schon vorher sagen können.

Heisst es jetzt: Ausser Spesen nichts gewesen?
„Ein Atom ist leichter zu zertrümmern als ein Vorurteil“ (Albert Einstein)

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#20

Beitrag von Zwerg »

Nein, es gibt nichts Neues.

Es gibt aber bereits Kunden, welche versuchen auf Grund der (fehlenden) Registrierkassen bzw. Rechnungen, Druck auf SexarbeiterInnen auszuüben.

In einem Fall hatte ich so einen Kerl vor mir auf dem Boden eines Lokales sitzen - Er hielt eine Rechnung (von voriger Woche) in der Hand und meinte, er hätte das Service nie erhalten und deshalb wolle er jetzt einen (Originalzitat) "Gratisstich". Sonst würde er hier sitzen bleiben....

Es gibt BetreiberInnen welche Registrierkassen (Apps) vorschreiben bzw. auch beim Verkauf mitwirken.

In einem besonders bemerkenswerten Fall gibt es einen Betreiber, der 300 Euro Mehrwertsteuer (natürlich ohne Beleg) von jeder Frau (unabhängig vom Umsatz) kassiert... da er ja die Registrierkassa zur Verfügung stellt (hier hoffe ich, dass die geschädigten SexarbeiterInnen den Weg zum Finanzamt, mit der Bitte um Auskunft, antreten. Und vielleicht auch die Staatsanwaltschaft informieren oder zumindest nachfragen, ob hier nicht Betrug vorliegen könnte.....)

Ich persönlich sehe keinerlei Licht in der Sache. Leider

christian

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