SEX & GENDER

Buchtips für Sexworker oder von Sexworkern
Benutzeravatar
nicole6
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 2333
Registriert: 11.09.2009, 13:01
Wohnort: München
Ich bin: ehemalige SexarbeiterIn

SEX & GENDER

Beitrag von nicole6 »

Sex & Gender
an Introduction
Von Hilary Lips, Mayfield Verlag

Dies ist das beste und umfassenste Buch was ich je im Bereich von Sex und Gender
gelesen habe (Gender = soziales Rollenverhalten). Das Buch erschien nur in Englisch.
Aber wer da keine Probleme damit hat, wird es nach dem Lesen als ihr Standartmaß
für andere Literatur in dem Bereich nehmen.
Auf über 400 Seiten zeigt Lips wie Männer an der Macht die Mythen von "weiblich"
und "männlich" erzeugen, wobei Männer sich selbst als den "Standartmenschen"
ansehen, und Frauen als die Abweichung vom Standart.
Männer legen viel Wert darauf, die Unterschiede zwischen Frauen und Männern
hervorzuheben, und sie unterschlagen die Bereiche, in denen sie gleich sind.
Dabei sind die Unterschiede minimal, und die Bereiche der Gleichheit sind in
der überwältigenden Mehrheit. Trotzdem werden diese wenigen Unterschiede in
der Öffentlichleitmaßlos hervorgehoben, Wenn in 100 Experimenten 99 keinen
statistisch messbaren Unterschied zwischen Frauen und Männern aufzeigen, wird
der verbliebene publiziert, und der ist oft noch gefälscht!
So ist es dann erstaunlich, wenn ein Versuchsergebnis an die
Presse kommt, das KEINE Unterschiede zeigt.
Aber auch das war gefälscht!
Ein Beispiel dazu:
Es wurde getestet, ob Gewaltvideos bei Kindern Effekte erzeugen: Das offizielle
Ergebnis war: nein! Das ist natürlich unverständlich, so haben Frauen den Test
kontrolliert. Was dabei heraus kam war folgendes: Eine Kindergruppe wurde
zuerst auf ihre Gewaltbereitschaft getestet, und dann zeigte man ihnen Videos
mit Gewaltszenen. Danach wurde wieder der Test vollzogen. Doch wenn man bei
der Analyse die Mädchen von den Jungs trennt, dann ist das Niveau bei den Mädchen
gesunken, bei den Jungs gestiegen. Mädchen fühlen sich aufgrund patriarchaler
Erziehung täglich als Opfer, und identifizieren sich also mit der Person welche
die Gewalt erfährt. Die Jungs hingegen meinen dann männlicher zu sein, wenn
sie gewalttätiger werden. Indem man die beiden Tendenzen zusammen bringt,
verschwindet der Unterschied.
Dies ist auch ein gutes Beispiel wie gezielt Männer an der Macht die Öffentlichkeit
manipulieren, denn normalerweise werden Testergebnisse, die Gleichheit
von Frauen und Männern zeigen, nicht veröffentlicht!

Und wer sich da noch weiter bilden will, dem bietet Lips 50 Seiten Literaturangaben!

Wen es interessiert, es gibt das Buch gebraucht ab etwa 10 Euro bei Amazon:
http://www.amazon.de/gp/offer-listing/1 ... ition=used

Nicole

Benutzeravatar
Aoife
Senior Admin
Senior Admin
Beiträge: 7067
Registriert: 20.09.2008, 21:37
Wohnort: Ludwigshafen am Rhein
Ich bin: Keine Angabe

Re: SEX & GENDER

Beitrag von Aoife »

Vielen Dank Nicole!

Und um es weiter zu verkomplizieren:

          Bild
nicole6 hat geschrieben:Auf über 400 Seiten zeigt Lips wie Männer an der Macht die Mythen von "weiblich"
und "männlich" erzeugen, wobei Männer sich selbst als den "Standartmenschen"
ansehen, und Frauen als die Abweichung vom Standart.
Männer legen viel Wert darauf, die Unterschiede zwischen Frauen und Männern
hervorzuheben, und sie unterschlagen die Bereiche, in denen sie gleich sind.
ist zumindest für Mittel- und Westeuropa kein patriarchalisches Phänomen, sondern eine Erfindung der Neuzeit. So hat noch Andreas Vesalius in seinem anatomischen Atlas von 1543 die zugrundeliegende Gleichheit in oberflächlich unterschiedlichen Merkmalen von Frauen und Männern herausgearbeitet. Womit er, obwohl selbst bereits am Anfang der Neuzeit stehend, noch mittelalterliche Vorstellungen vertrat.

Ein IMHO ganz wichtiger Aspekt, die Sackgasse in der die moderne Gesellschaft sich (auch) diesbezüglich befindet ist nicht schon in der Jungsteinzeit als "Patriarchat" abgezweigt, sondern erst vor wenigen Jahrhunderten als "Neuzeit". Was die Chance da wieder herauszukommen deutlich erhöht - vorausgesetzt wir "putzen unsere Rückspiegel" ... entwickeln ein Geschichtsbewußtsein, das immun ist gegen die modernen Rechtfertigungsmythen dass das schon immer so war und allenfalls neue Utopien etwas verbessern könnten ...

Liebe Grüße, Aoife
It's not those who inflict the most, but those who endure the most, who will conquer. MP.Vol.Bobby Sands
'I know kung fu, karate, and 37 other dangerous words'
Misspellings are *very special effects* of me keyboard

ehemaliger_User
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 2968
Registriert: 27.04.2008, 15:25
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von ehemaliger_User »

Auf Wunsch des Users umgenannter Account

Benutzeravatar
nicole6
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 2333
Registriert: 11.09.2009, 13:01
Wohnort: München
Ich bin: ehemalige SexarbeiterIn

Beitrag von nicole6 »

was Aoife schreibt, kann ich nur unterstreichen.
Ich werde bis morgen zu dem Punkt von Aoife eine weitere
Buchbesprechung setzen, die genauer darauf eingeht.

Zum Link von ehemaliger_User, das ist typische gezielte Propaganda
der in der Soziologie benannten "Gatekeeper". Dies sind
Personen an den WIRKLICHEN Machtpositionen der Presse,
welche Filterfunktion haben und durch das Publikationstor
(Gate = Tor, Keeper = Halter) nur das durchlassen, was der
Gruppe an den Schaltstellen der Macht genehm ist.

Nicole

Benutzeravatar
annainga
PlatinStern
PlatinStern
Beiträge: 3836
Registriert: 01.02.2007, 22:33
Wohnort: nrw
Ich bin: ehemalige SexarbeiterIn

RE: SEX & GENDER

Beitrag von annainga »

das ist ja eine interessante vorstellung eines buches.

die starre einteilung von "mann"-"frau", von "typisch männlich" und "typisch weiblich" ist so falsch und darunter leiden nicht nur frauen, genauso männer.

Dies ist auch ein gutes Beispiel wie gezielt Männer an der Macht die Öffentlichkeit
manipulieren, denn normalerweise werden Testergebnisse, die Gleichheit
von Frauen und Männern zeigen, nicht veröffentlicht!


genau - im gegenteil wird oft darauf hingewiesen, wie unterschiedlich männer/frauen sind, derweil sind menschen unterschiedlicher als die geschlechterunterschiede.

Benutzeravatar
nicole6
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 2333
Registriert: 11.09.2009, 13:01
Wohnort: München
Ich bin: ehemalige SexarbeiterIn

Beitrag von nicole6 »

Mir kam nun spontan eine Idee, die ich in den folgenden Tagen
verwirklichen werde. Ich werde eine kurze Abhandlung schreiben
die sich um die Abgrenzung der Gesellschaft in Bezug auf uns
Sexarbeiterinnen befasst. Der Kern der Aussage wird sich darum
drehen. was ist "normal" und was ist "nicht-normal". Als
"archimedischen Drehpunkt" werde ich die Begriffe "natürlich"
und "unnatürlich" dagegen setzen.
Ich werde euch die Arbeit hier vorstellen, Stück für Stück,
und ihr könnt dann Kommentare dazu abgeben und Fragen stellen.
Ich werde das dann irgendwann bei einer Konferenz vortragen.

an annainga:
Hilary Lips zeigte in dem Buch das ich empfahl, dass,
statistisch gesehen, auf 100 Untersuchungen über die
Unterschiede von Frau und Mann etwa 97 bis 98 KEINE
statistisch relevanten Unterschiede aufweisen.
Die 2-3 Prozent des Restes aber werden veröffentlicht!

(kurz zur Erklärung: in allen statistischen Analysen gibt es
Abweichungen um den Mittelwert, die sogenannte Variation.
Erst wenn die Grenzwerte der Variationen keine Überschneidungen
aufweisen, spricht man von relevanten Aussagen!)

ciao!
Nicole