Happy 50th Birthday,
Hurenbewegung!
Neun Wünsche an die österreichische Gesellschaft, einschließlich der Medien
Hurenbewegung!
Neun Wünsche an die österreichische Gesellschaft, einschließlich der Medien
Am 2. Juni 1975 besetzten rund 100 Sexarbeiter:innen die Saint-Nizier Kirche in
Lyon, um gegen ihre Verdrängung und die Gefährdung ihrer Sicherheit zu protestieren – der
Beginn der Hurenbewegung. Noch heute kämpfen Sexarbeiter:innen mit massiver
Stigmatisierung, die strukturelle Diskriminierung und Einschränkungen im Alltag zur Folge hat.
Aktuell erstarken abolitionistische Strömungen, oft getragen von fundamental christlichen
und/oder transfeindlich-feministischen Gruppen. Sie fordern ein Verbot der Sexarbeit und eine
Kriminalisierung von Kund:innen.
Dies geschieht im Kontext einer migrationsfeindlichen und rassistischen Politik, wo Sexarbeit
oft mit Menschenhandel gleichgesetzt oder als unfreiwillig dargestellt wird - während
differenzierte, realitätsnahe Perspektiven fehlen. Sexarbeiter:innen werden dabei oft als Opfer
gesehen, die gerettet werden müssen, und/oder ihre Lebensentwürfe werden als abweichend
betrachtet. Es werden ihnen dadurch Handlungsmöglichkeiten und Entscheidungsfähigkeit
abgesprochen, obwohl das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zentral für eine freie
Gesellschaft ist.
Biologistische Vorstellungen von Geschlecht sowie rassistische und sexistische Vorurteile
wirken zudem in institutionellen und gesellschaftlichen Strukturen fort und führen zu
systematischer Ungleichbehandlung. Strenge gesetzliche Regelungen und stigmatisierende
Praktiken, wie die verpflichtenden Untersuchungen, tragen zusätzlich zur Marginalisierung von
Sexarbeiter:innen bei.
Die Folgen sind gravierend: Sexarbeiter:innen, vor allem Migrant:innen und Refugees, erleben
starke Diskriminierung, soziale Ausgrenzung, rechtliche Unsicherheit, ökonomische
Benachteiligung und gesundheitliche Risiken.
Diese abwertende Haltung wird verstärkt und aufrechterhalten durch die Berichterstattung in
den Medien, die Sexarbeiter:innen weiterhin stigmatisierend und voreingenommen darstellen
und damit Falschdarstellungen und Diskriminierung fördern.
Zum 50. Jahrestag der Hurenbewegung fordern österreichische Fachberatungsstellen und
Selbstorganisationen die gesellschaftliche Anerkennung von Sexarbeit als Erwerbsarbeit
sowie die Ablehnung moralischer Urteile.
Neun Empfehlungen für eine faire Berichterstattung über Sexarbeit (oder für einen
gerechten Umgang mit Sexarbeit)
1. Sexarbeit nicht moralisieren
Sexarbeit ist eine selbstbestimmte, körpernahe Dienstleistung. Entscheidungen dafür
treffen Sexarbeiter:innen eigenständig – das ist zu respektieren.
2. Adäquate Begrifflichkeit: Sexarbeit ≠ Menschenhandel
Selbstbestimmte Sexarbeit darf weder mit Menschenhandel noch mit sexueller
Ausbeutung verwechselt werden, auch wenn sie außerhalb offizieller Regelungen
stattfindet. Der Begriff "Zwangsprostitution" vermischt Gewalt mit legaler Tätigkeit und
ist daher unangebracht. Sexarbeiter:innen sind keine Kriminellen und sollten nicht als
solche behandelt werden.
3. Vielfalt zeigen
Sexarbeit ist vielfältig – Menschen aller Geschlechter, sexuellen Orientierungen und
Hintergründe sind beteiligt, und das haupt- oder nebenberuflich. Das sollte auch in
Medienberichten sichtbar sein.
4. Auf Selbstbestimmung achten
Lebensentscheidungen sind individuell und kontextabhängig. Auch Sexarbeit kann eine
bewusste und legitime Wahl sein. Mitleid oder Herablassung ist fehl am Platz.
5. Sexarbeiter:innen nicht als Opfer darstellen
Sexarbeit ist legal, aber oft überreguliert. Statt „Rettung“ fordern Sexarbeiter:innen faire
Arbeitsbedingungen, rechtliche Sicherheit und ein Ende stigmatisierender und
diskriminierender Praktiken.
6. Anonymität schützen
Fotos und persönliche Daten dürfen nur mit Zustimmung veröffentlicht werden. Ein
Outing kann existenzgefährdend sein.
7. Betroffene einbeziehen
Sexarbeiter:innen haben Expertise. Ihre Beteiligung an allen Prozessen, die ihr Leben
betreffen, muss garantiert werden, ohne dass andere für sie sprechen. Für fundierte
Berichte sollten ihre Perspektiven und Stimmen einbezogen werden.
8. Sorgfältige Bildwahl
Zeigt Sexarbeiter:innen als handelnde Personen, nicht als Objekte. Sensationsbilder
schaden und verzerren die Realität.
9. Sexarbeit als Arbeit anerkennen
Sexarbeit ist in Österreich zwar in jedem Bundesland unterschiedlich geregelt, aber legal.
Die Anerkennung von Sexarbeit als Arbeit und die damit einhergehende rechtliche
Entkriminalisierung eröffnen insbesondere marginalisierten Personen die Möglichkeit,
selbstbestimmter zu arbeiten, Zugang zu grundlegenden Rechten zu erhalten, sich zu
organisieren und ihre Interessen zu vertreten.
Alle gesellschaftlichen Akteur:innen – insbesondere die Medien – tragen Verantwortung
dafür, diskriminierende Darstellungen nicht weiter zu reproduzieren und zu verfestigen.
Die Allianz PROSEXWORK hat gemeinsam mit Vertreter:innen von Sexarbeiter:innen sowie
Fachberatungsstellen im Rahmen der Arbeitsgruppe „Sexuelle Dienstleistung“ einen
Fachsheet für Journalist:innen herausgebracht. Dieses bietet klare Do’s and Don’ts für eine
objektive und respektvolle Berichterstattung zum Thema.
Zum Factsheet: https://www.bmfwf.gv.at/frauen-und-glei ... ution.html
Veranstaltungen rund um den 2. Juni:
Innsbruck: iBUS wird anlässlich des 50. Welthurentages am 2. Juni, ein Wandbild malen und
einen Infostand betreuen, um die Solidarität gegenüber Sexarbeiter*:nnen und unter
Frauen* generell zu stärken.
Wo: PEMA-Gebäude/Adlers-Hotel, bei der Unterführung zum Sillpark
Wann: 2. Juni von 10:00-17:00
Salzburg: 50 Jahre Hurenbewegung: Dialog&Liederabend
2. Juni 2025 @academy café-bar, Franz-Josef-Straße 4, 5020
1800 Diskussion mit Christine Nagl und Sabrina Stranzl: Worum wir streiten.
19:30 Elisabeth de Roo singt
3.Juni 2025@ Kaiserin Elisabeth Denkmal, Bahnhofsvorplatz, 5020, 18:00
Stadtspaziergang: Auf den Spuren der käuflichen Lust
https://www.sexarbeit.info/ Die Webseite der Allianz pro Sexwork
Und hier noch die Presseaussendung als PDF zum Download