An
Deutsche STI-Gesellschaft
z. Hd. Herrn Prof Dr. Brockmeyer
Fachtag zur Sexarbeit und zur STI-Forschung - Abmeldung der Teilnahme aus Protest gegen die Schirmherrschaft von Frau Dr. Süssmuth
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Brockmeyer,
hiermit ziehe ich meine Anmeldung zur Teilnahme am Fachtag zur Sexarbeit am 7./ 8. November 2013 in Köln zurück.
Ich halte es für ein Unding und einen Schlag ins Gesicht aller Sexarbeiter/innen, dass die von Ihnen bzw. Ihrer Gesellschaft ausgerichtete Fachtagung, die sich ausdrücklich auch an Sexarbeiter/innen wendet, weiterhin unter der Schirmherrschaft von Frau Dr. Rita Süssmuth steht.
Bekanntlich zählt Frau Süssmuth zu den Unterzeichner/innen des von A. Schwarzer initiierten schändlichen ‚Appells gegen Prostitution’. Sie hat sich damit öffentlich für Verschärfungen der Prostitutionsgesetzgebung ausgeprochen bzw. für die Abschaffung von Prostitution. Sie werden verstehen, dass wir Sexarbeiter/innen dafür kein Verständnis haben.
Unter diesem Vorzeichen ist für mich als Sexarbeiterin eine konstruktive Grundlage für eine Teilnahme an dem Fachtag nicht mehr gegeben. Ich möchte unter den gegebenen Umständen durch eine Teilnahme nicht als „Quotenprostituierte“ missbraucht werden.
Ich hätte mir gewünscht, dass die für den Fachtag Verantwortlichen in Anbetracht der problematischen politischen Positionierung von Frau Süssmuth ihr einen Rücktritt von der Schirmherrschaft nahegelegt hätten. Das wäre im Interesse der Sache. Offensichtlich fehlt dazu der Mut.
Ich empfinde die weiterhin bestehende Schirmherrschaft von Frau Dr. Süssmuth als Provokation gegenüber dem Prostitutionsgewerbe und gegen mich als eine zur Tagung angemeldete Sexarbeiterin.
Es ist sehr bedauerlich, dass man Ihrerseits zu einer Klärung im Vorfeld offenbar nicht in der Lage war, sodass einer Teilnahme nichts im Wege gestanden hätte.
Sollte die Beibehaltung der Schirmherrschaft von Frau Dr. Süssmuth für die DSTIG eine grundlegende politische Positionierung sein, dürften Sie es in Zukunft schwer haben, Sexarbeiter/innen für Ihre tagungen zu gewinnen.
Mit freundlichen Grüßen
Francisca Funk
Mein offener Brief an die DSTiG Fachtag für Sexarbeit
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Mein offener Brief an die DSTiG Fachtag für Sexarbeit
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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Fakten und Infos über Prostitution
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Solidaritätsadresse
Diesen öffentlichen Beschwerdebrief kann ich grundsätzlich nur unterstützen.
Ferner möchte ich höflich darum bitten die Entscheidung von Sexworkern nicht als "emotionalen Schnellschuß" zu werten.
Der Konflikt basiert in fundamentalen Defiziten der Sexworker-Partizipation und -Inklusion in bestehende Prostitutions-Politik-Netzwerke, NGOs und veröffentlichte Diskurse.
- Warum wurden Sexworker vernetzt im internationalen Sexworker Forum für A - CH - D seit 2005 nicht lange vorher bei der Konzeptionierung der Veranstaltung eingebunden (call for participation)?
- Warum gibt es keine paritätische Besestzung im Leitungsgremium oder Sessionleitung mit Sexworkern die deutlich erkennbar ist?
Nur bei Einbindung von Sexworkern auf Augenhöhe, nur wenn Sexworker Rechte und Sicherheiten haben und bekommen, nur wenn man Sexworkern ihre Würde nicht beschneidet, dann können Sexworker sich auch selbständig gegen rasch ändernde politisch-wirtschaftlich-sozial-gesundheitliche Bedrohungen schützen, wie sie derzeit von dem fragwürdigen EMMA-Appell "Prostitution Abschaffen" von Alice Schwarzer ausgehen, den die Schirmherrin/-frau der DSTIG-Tagung offensichtlich mitträgt.
Ursache sind die bisher immer noch ungelösten und unüberbrückten Statusunterschiede von Menschen in sog. bürgerlichen Berufen und Sexworkern. Der Antagonismus zwischen den Sphären Kulturgesellschaft (Arbeitswelt) und Naturtrieb (Sexualität) sind der trennende Verursacher für Sprachlosigkeiten (Tabu), Outinghürden (Stigma), Fremdheiten (Othering), Nichtbeachtung (Marginalisierung) bis hin zu etwaigen Teilnahmebeschränkungen (Kriminalisierung)...
Das grundsätzliche Politikmißverständnis von Deliberation im Gegensatz zu Governance fällt auch hier der Betroffenengruppe der Sexworker abermals auf die Füße. Gut gemeint ist eben dann erst auch wirklich Gut, wenn die hohen Standards der Sexworker-Selbstermächtigung-Strategie (S³ engl.: affirmative action policy; PDF) auch wirklich erreicht werden in politischer und wirtschaftlicher (existenzieller) Dimension.
Das erfordert ein wissenschaftlich breit erforschtes Verständnis der Sozialzusammenhänge www.bit.ly/sexworkfacts und viel Mut und Kraft gegenüber den derzeit noch prekarisierenden Rahmenbedingungen aus gesetzlichen Vorgaben, Verhaltenstraditionen und materieller Realität.
Die kommende, zweifelsohne spannende und sehr engagiert vorbereitete Fachtagung ist ein guter Ort & Zeitpunkt sich die bestehenden Probleme erneut zu vergegenwärtigen und gemeinsame solidarische Vorgehensweisen im politischen Raum und der medizinischen Praxis neu zu justieren.
M.f.G.
Marc of Frankfurt
Ferner möchte ich höflich darum bitten die Entscheidung von Sexworkern nicht als "emotionalen Schnellschuß" zu werten.
Der Konflikt basiert in fundamentalen Defiziten der Sexworker-Partizipation und -Inklusion in bestehende Prostitutions-Politik-Netzwerke, NGOs und veröffentlichte Diskurse.
- Warum wurden Sexworker vernetzt im internationalen Sexworker Forum für A - CH - D seit 2005 nicht lange vorher bei der Konzeptionierung der Veranstaltung eingebunden (call for participation)?
- Warum gibt es keine paritätische Besestzung im Leitungsgremium oder Sessionleitung mit Sexworkern die deutlich erkennbar ist?
Nur bei Einbindung von Sexworkern auf Augenhöhe, nur wenn Sexworker Rechte und Sicherheiten haben und bekommen, nur wenn man Sexworkern ihre Würde nicht beschneidet, dann können Sexworker sich auch selbständig gegen rasch ändernde politisch-wirtschaftlich-sozial-gesundheitliche Bedrohungen schützen, wie sie derzeit von dem fragwürdigen EMMA-Appell "Prostitution Abschaffen" von Alice Schwarzer ausgehen, den die Schirmherrin/-frau der DSTIG-Tagung offensichtlich mitträgt.
Ursache sind die bisher immer noch ungelösten und unüberbrückten Statusunterschiede von Menschen in sog. bürgerlichen Berufen und Sexworkern. Der Antagonismus zwischen den Sphären Kulturgesellschaft (Arbeitswelt) und Naturtrieb (Sexualität) sind der trennende Verursacher für Sprachlosigkeiten (Tabu), Outinghürden (Stigma), Fremdheiten (Othering), Nichtbeachtung (Marginalisierung) bis hin zu etwaigen Teilnahmebeschränkungen (Kriminalisierung)...
Das grundsätzliche Politikmißverständnis von Deliberation im Gegensatz zu Governance fällt auch hier der Betroffenengruppe der Sexworker abermals auf die Füße. Gut gemeint ist eben dann erst auch wirklich Gut, wenn die hohen Standards der Sexworker-Selbstermächtigung-Strategie (S³ engl.: affirmative action policy; PDF) auch wirklich erreicht werden in politischer und wirtschaftlicher (existenzieller) Dimension.
Das erfordert ein wissenschaftlich breit erforschtes Verständnis der Sozialzusammenhänge www.bit.ly/sexworkfacts und viel Mut und Kraft gegenüber den derzeit noch prekarisierenden Rahmenbedingungen aus gesetzlichen Vorgaben, Verhaltenstraditionen und materieller Realität.
Die kommende, zweifelsohne spannende und sehr engagiert vorbereitete Fachtagung ist ein guter Ort & Zeitpunkt sich die bestehenden Probleme erneut zu vergegenwärtigen und gemeinsame solidarische Vorgehensweisen im politischen Raum und der medizinischen Praxis neu zu justieren.
M.f.G.
Marc of Frankfurt
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RE: Mein offener Brief an die DSTiG Fachtag für Sexarbeit
@Fraences
Respekt!
Deine Haltung und letztendlich Deine Entscheidung ist zu respektieren und sollte man "nicht nur hören", sondern auch zur Kenntnis nehmen - und seine Handlungen, so man es denn überhaupt will, entsprechend gestalten!
Liebe Grüße aus Wien
christian
PS.: ich habe Heute mit einer Gruppe von SW über das Thema, welches Anlass Deines offenen Briefes war, gesprochen und soll Dir solidarische Grüße ausrichten!
Respekt!
Deine Haltung und letztendlich Deine Entscheidung ist zu respektieren und sollte man "nicht nur hören", sondern auch zur Kenntnis nehmen - und seine Handlungen, so man es denn überhaupt will, entsprechend gestalten!
Liebe Grüße aus Wien
christian
PS.: ich habe Heute mit einer Gruppe von SW über das Thema, welches Anlass Deines offenen Briefes war, gesprochen und soll Dir solidarische Grüße ausrichten!
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- Admina
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Vielen lieben Dank. Das gibt mir das Gefühl, das ich nicht alleine so da stehe.
Ich erlebe solche Widerspüche ja nicht zum ersten Mal.
Ich fühle mich wohl mit meine Entscheidung, die kein emotionale Schnellschuß ist, sondern nach reiflicher Überlegung gefällt worden ist.
20 Jahre in der Sexworkerbewegung haben mich sensibilisiert.
Liebe Grüße, Fraences
Ich erlebe solche Widerspüche ja nicht zum ersten Mal.
Ich fühle mich wohl mit meine Entscheidung, die kein emotionale Schnellschuß ist, sondern nach reiflicher Überlegung gefällt worden ist.
20 Jahre in der Sexworkerbewegung haben mich sensibilisiert.
Liebe Grüße, Fraences
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