Die Rettungsindustrie und ihre Finanzierung via Zahlen

Abgesehen vom Fehlen der nötigen Hilfsinstitutionen für Sexworker findet hier auch alles Platz, was ihr an bestehenden Einrichtungen auszusetzen habt oder loben wollt
Benutzeravatar
fraences
Admina
Admina
Beiträge: 7440
Registriert: 07.09.2009, 04:52
Wohnort: Frankfurt a. Main Hessen
Ich bin: Keine Angabe

Die Rettungsindustrie und ihre Finanzierung via Zahlen

Beitrag von fraences »

Sozialarbeit in Rotlicht-Szene

Bordell-Zoff: Vaupel strebt Lösung an

Annäherung im Konflikt um die Arbeit der Streetworker in Marburgs Rotlicht-Milieu: Oberbürgermeister Egon Vaupel (SPD) wirbt für ein offensiveres Werben bei Ausstiegs-Hilfen für Prostituierte.
Im Konflikt um die Effektivität der Sozialarbeit von Streetworkern in Marburgs Rotlicht-Milieu wirbt Egon Vaupel (SPD) für einen Kompromiss. Künftig sollen Ausstiegs-Hilfen stärker in den Fokus der Hilfsorganisation FiM rücken.


Marburg. Das Stadtoberhaupt schätzt, dass die konkreten Ausstiegs-Angebote für Sex-Arbeiterinnen in der Vergangenheit zu schlecht präsentiert worden sein könnten. „Wenn wir in diesem Punkt besser arbeiten können, müssen wir das tun“, sagte er. So solle von der Hilfsorganisation Frauenrecht ist Menschenrecht (FiM) künftig bei Prostituierten verstärkt für den Ausstieg aus dem Sex-Geschäft geworben werden. Nach OP-Informationen soll den Frauen vor allem die Möglichkeit der anonymen, kostenfreien Unterbringung in einem geheimen Wohnhaus in Marburg angeboten werden. Das stellte Vaupel nach der Sitzung des Sozialausschusses am Mittwochabend im Gespräch mit Szene-Kennern in Aussicht.

Drei Gespräche pro Woche - reicht das?

Zuvor blockten Kommunalpolitiker eine von Andrea Suntheim-Pichler (Bürger für Marburg) gestartete Initiative ab. „Es sind Fragen aufgeworfen worden, ob das System so funktioniert, wie es soll“, sagte sie, angeregt durch die OP-Berichterstattung zur Prostitution in Marburg. Auf Anregung von Christa Perabo (Grüne), Vorsitzende des Sozialausschusses wurde ihr Antrag über die sinnvolle Verwendung der Steuergelder in Höhe von 40 000 Euro pro Jahr - bislang rund 300 000 Euro in sieben Jahren - abgelehnt.

Die Diskussionen wurde auf die nächste Sitzung der Gleichstellungs-Kommission im Februar vertagt. Dort wolle man sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein Bild von der Lage machen und weitere Aktionen besprechen, erläuterte Christa Winter, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt. Die CDU regte indes an, bis zur Klärung der Vorfälle die Auszahlung der 40 000 Euro an FiM zu sperren.Vor so einem Schritt warnte Vaupel: „Das hätte die sofortige Einstellung der Sozialarbeit in der Rotlicht-Szene zur Folge.“

170 Beratungsgespräche hat FiM nach eigenen Angaben 2013 geführt. Für Suntheim-Pichler ist das, im Schnitt drei Gespräche pro Woche, eine dürftige Bilanz. Die Steetworker schätzten die Zahl der Prostituierten, die in Marburg arbeiten, auf mehr als 50. Kritiker wie Dr. Theresia Jacobi halten den Erfolg der Pädagogen für zu gering. „Die Hilfen müssen konkreter werden. Ich will wissen, was getan wird, um Frauen vom Ausstieg aus der Prostitution zu überzeugen[/B]. Flyer oder Kondome verteilen kann es ja wohl nicht sein“, sagt sie. Irritation herrscht bei Josefa Zimmermann-Stroh von der „Bürgerinitiative gegen Bordelle“ angesichts der Zahl der Aussteiger. Offiziell ist von vier Frauen seit 2007 die Rede. Während einer Veranstaltung 2013 in der Volkshochschule sprach FiM Besuchern zufolge jedoch von nur einer Frau, die es bis dato mit Hilfe der Organisation aus dem Sex-Sumpf schaffte. Woher die drei weiteren in der Statistik stammen, ist BI-Anhängern schleierhaft. Christa Winter erläutert am Rande des Sozialausschusses: Es habe sich um Opfer von Zwangsprostitution gehandelt, die erst im Laufe des vergangenen Jahres gerettet worden seien. „Und wenn es nur eine wäre: Schon dann hätte sich jeder Euro gelohnt“, sagt Vaupel.

Vaupel: Wir machen mehr als andere Kommunen

Zustimmung von Suntheim-Pichler, die jedoch ein höheres Niveau des Beratungsangebots fordert. „Anderswo werden eine ganz andere Qualität, ganz andere Anreize geboten“, sagt sie. In Stuttgart fördere die Kommune etwa ein Frauencafé, das deutschlandweit als vorbildliches Beispiel für Sozialarbeit gelte. Vaupel verwies aber auf die knappen finanziellen Mittel, welche die Stadt FiM zur Verfügung stellen kann. „Alle Probleme, die es rund um das Bordell gibt, lassen sich mit so Beträgen nicht lösen“, sagte er.

Aber: „Wir sind von Beginn an freiwillig eingestiegen, machen in diesem Bereich deutlich mehr als andere Kommunen“, sagt er. Marburg gelte - wie FiM bestätigt - als modellhafte Stadt. Und er werde den Kampf gegen Prostitution forcieren: Das Stadtoberhaupt will das städtische Engagement gegen Prostitution vorantreiben. Nicht nur in Marburg, wo Sex-Häuser künftig nicht mehr genehmigt werden. Gemeinsam mit Amtskollegen will er dafür sorgen, dass auch andere mittelhessische Bordelle strenger kontrolliert werden. Das Prostitutionsgesetz, das 2002 reformiert wurde, legt den Kommunen aber Fesseln an. Bei Kontrollen von Sex-Häusern scheitern die Behörden an hohen Hürden.

Auch Organisationen wie FiM plagen die rechtlichen Vorgaben: Für die Sozialarbeit im Erotic Island benötige man die Einwilligung und Kooperation der Bordellbetreiber, erklärt Elvira Niesner, Geschäftsführerin des Frankfurter Vereins. Daher fordern die Streetworkerinnen eine rasche Reform des Prostitutionsgesetzes - auch, damit Polizisten die Sex-Häuser jederzeit kontrollieren kann.

http://www.op-marburg.de/Lokales/Marbur ... Loesung-an

Hier die Homepage mit dem Rechenschaftsbericht von 2012

http://www.fim-frauenrecht.de/

http://www.fim-frauenrecht.de/fim_ist/finanzierung/

Das
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

*****
Fakten und Infos über Prostitution

Benutzeravatar
fraences
Admina
Admina
Beiträge: 7440
Registriert: 07.09.2009, 04:52
Wohnort: Frankfurt a. Main Hessen
Ich bin: Keine Angabe

RE: Die Rettungsindustrie und ihre Finanzierung via Zahlen

Beitrag von fraences »

Nach OP-Bericht "Die Sex-Fabrik"
Sex-Szene streitet über Ausstiegs-Hilfen


Sozialpädagogen weisen Vorwürfe von Rotlicht-Kennern zurück, nach denen die Prostituierten im Erotic Island nicht mit Streetworkern sprechen. Marburgs Stadtspitze rechnet mit Täuschung durch die Bordell-Chefs.
Vor allem Frauen aus Osteuropa arbeiten im Marburger Erotic Island.


Marburg. „Wir sind schockiert über diese Aussagen“, sagt Streetworkerin Encarni Ramirez. Ihre Chefin bei FiM, Elvira Niesner ergänzt, die Aufgabe des Vereins sei die Stärkung der Frauen, nicht die Kontrolle des Bordells. Aber: „Gezielte Täuschung oder Verschleierung durch die Bordellbetreiber kann nicht ausgeschlossen werden“, sagt Egon Vaupel (SPD), Oberbürgermeister. Die Pädagogen aus Frankfurt, die seit 2007 im Auftrag der Stadtverwaltung das Erotic Island besuchen, sind nach eigenen Angaben einmal wöchentlich mit Dolmetschern im Sex-Haus. „Wir verteilen Flyer und klären in Gesundheitsfragen auf, informieren über Rechte und Hilfsmöglichkeiten“, sagt Ramirez. Prostitution, so das FiM-Fazit, sei eben Realität.

Szene-Kenner kritisieren: „Wenn Sozialarbeiter die Haltung haben, dass Prostitution ein ganz normaler Job ist, dann werden sich ihnen keine Frauen offenbaren, die damit Probleme haben“, sagt Sabine Constabel. Sie kümmert sich seit 20 Jahren in Stuttgart um Prostituierte und gilt als eine der führenden Experten in Deutschland. Auch eine bulgarische Prostituierte, die sich Maria (20) nennt, erneuert ihre Kritik an den Pädagogik-Profis: „Als ich neu war, redete ich einmal mit denen. Die erzählen einem irgendetwas von Verhütung und Prävention. Das Gequatsche bringt nichts“, sagt sie. Ähnlich äußert sich eine rumänische Sex-Arbeiterin namens Julia, die zeitweise in Marburg anschaffte: „Die geben einem Zettel mit Arzt-Kontakten und sagen, dass man immer Kondome nutzen soll“, sagt die 25-Jährige, die nun in Süd-hessen tätig ist.

Vier Szene-Aussteiger binnen sieben Jahren

„So arbeiten viele: Laufen durch, verteilen ein paar Kondome und das war‘s. Und hinterher ist ihnen nichts aufgefallen, deshalb ist wohl alles in Ordnung“, sagt Constabel. Dabei müsse „Sozialarbeit sich die Arbeit selbst suchen.“ FiM-Chefin Niesner kontert: „Es gehen eben nicht zehn Finger hoch, wenn man die Frauen fragt, wer von ihnen raus will. Irgendwann ist es auch Gewöhnung.“ Auszusteigen sei ein langer Prozess. FiM setze im Milieu aber Menschenrechte durch - und kassierte seit 2007 laut Haushalt der Stadt Marburg rund 300 000 Euro.

Doch Fragen danach, wie viele Frauen den Ausstieg aus der Sex-Szene geschafft haben - ein Ziel des städtischen Auftrags, wie aus der Beratungs-broschüre hervorgeht - blockt der Verein ab: Außenstehende „können nicht einordnen, was wenig oder viel ist“, sagt Niesner. Nach OP-Informationen, welche die Stadt bestätigt, sollen in den vergangenen sieben Jahren vier Frauen dem Sex-Sumpf entflohen sein. „Wir sind nicht ideologisch und missionarisch unterwegs“, sagt Niesner. „Aber wenn eine raus will, freut uns das“, sagt Ramirez.

Vertrauen fassen die osteuropäischen, oft katholisch geprägten Sex-Arbeiterinnen Maria zufolge eher zu christlichen Gruppen. Eine heimische Religionsgemeinschaft besucht die Prostituierten regelmäßig. „Die Kirchenfrauen sind super nett, mit denen redet und lacht man. Die bringen sogar Süßigkeiten“, sagt Maria.

Die Stadtspitze stützt indes den Frankfurter Verein: „Wir stehen nach wie vor hinter FiM“, sagt Vaupel. Die Organisation habe viel Erfahrung in dem Arbeitsfeld, sei Koordinierungsstelle für Opfer von Menschenhandel in Hessen. Den Erfolg der Streetworker messe die Verwaltung an der Zahl der Beratungen (2013: laut FiM 170 Gespräche) sowie dem Austausch mit dem Gleichberechtigungsreferat und mündlichen Berichten.

Achse der Sexarbeit Marburg-Frankfurt existiert

Vorträge, wie jene im Dezember 2012 vor dem Sozialausschuss, wonach die Lage von Prostituierten in Marburg besser sei als etwa im Rhein-Main-Gebiet. Die Sozialarbeiter bekräftigen gegenüber der OP diese Einschätzung, sehen Marburgs Rotlichtszene jedoch mittlerweile kritischer: Es regiere ein Zuhälter-Netzwerk, es gebe Zwang sowie Gewaltopfer. Vaupel bestätigt, dass es zuletzt Verdachtsfälle von Zwangsprostitution gab. Überhaupt, so FiM, habe sich eine Sexarbeits-Achse Marburg-Frankfurt fest etabliert. „Viele, die wir hier sehen, entdecken wir dort wieder - und umgekehrt“, sagt Ramirez. Die Fluktuation im Sex-Haus sei hoch, „einige sind alle paar Wochen in einem neuen Bordell“, sagt sie. Keine Chance, Kontakte zu knüpfen. Problem für die Pädagogik-Profis: Gesetzlich benötigen sie für Besuche die Einwilligung der Puff-Chefs.

Eine Regelung, die FiM und Vaupel bedauern - von der Bundesregierung fordern sie Reformen. Doch schon jetzt gelte: „Wir überlassen niemandem seinem Schicksal“, sagt Vaupel. FiM lobt im Gegenzug das Engagement der Stadt als „hessenweit modellhaft“.

http://www.op-marburg.de/Lokales/Marbur ... egs-Hilfen
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

*****
Fakten und Infos über Prostitution