Das Dramaerlebnis am Kölner Amtsgericht

Abgesehen vom Fehlen der nötigen Hilfsinstitutionen für Sexworker findet hier auch alles Platz, was ihr an bestehenden Einrichtungen auszusetzen habt oder loben wollt
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fraences
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Das Dramaerlebnis am Kölner Amtsgericht

Beitrag von fraences »

Hier möchte ich ein Erlebnis erzählen, der mich sehr traurig und nachdenklich macht:

Am Mittwoch, de 27.04.2011 war ich als Zeuge in einem Drogen- und Milieugerichtsverhandlung geladen.
Da ich unter Polizeischutz während der Verhandlung stand, wurde ich von der Polizei in Räumen des Zeugenbetreuungsstelle gebracht.
Im Zimmer nebenan war eine Frau die als Zeugin und Opfer gegen ihren Peiniger aussagen mußte.Wie wir erfuhren wurde sie jahrelang von ihrem Lebenspartner schwerst misshandelt.
Es kam zu eine viermalige Begegnung im Flur vor den Verhandlungssäalen und ich bemerkte, das die Frau zusehend verfiel.Sie zitterte wie Espenlaub, ihr Atmen ging unverhältnismäßig schnell und ihre Körperhaltungwar vorne übergebeugt;die typische "Kopfeinziehhaltung" eine gedemütigten und gequälte Kreatur.
Das letzte Bild dieses Dramas war,das die Frau von Rettungskräften auf eine Bahre liegend an uns vorbei zum Rettungswagen gebracht wurde.Sie schien wie tot.Weder sahen wir sie atmen, noch verzog sie eine Miene.Sie lag da wie jemand der durch die einzige Tür gegangen war, hinter der man von der Angst befreit ist.Diese Schwebezustand in der Parallyse, ein Ohnmächtige sich fallen lassen, ein absolutes Ergebenheit in das eigene Schicksal.
Zerstörte Persönlichkeit die sich bedingungslos in den Armen ihre Retter wirft.

Wie kann es zu solchen Bilder kommen?

Das Opfer wurde schon allein aufgrund der Sitzordnung im Gerichtssaal, das Opfer/Zeugin sitzt dem Täter, damit unbeschreiblich Ängsten gegenüber und wird allein gelassen.Im Focus sitzend(in der Mitte des Raumes von allen angeschaut)muss es für das Opfer sein, als befinde es sich im Zentrum eines Orkans und plötzlich bleibt die Zeit stehen.
Der Druck erhöht sich, wenn der Vertediger des Täters das Opfer ins Kreuzverhör nimmt.Hier wird wirklich scharf geschossen, wie auf ein weidwunerndes Tier, welches die Jagdgesellschaft den Fangschuss geben möchte.
Einen postiven Eindruck habe ich, in der kurze Begegnung mit der Dame der Zeugenbetreuungstelle bekommen.Sie gab sich wirklich sehr viel Mühe und hatte viel Einfühlungsvermögen und eine proffesionele Diensteinstellung.
Zu bemängeln ist in solchen Fällen eine mangelnde Koordination der Behörden hier Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht in Abstimmung mit den Mitarbeiter des Zeugenbetreuungsstelle.
Hier gewinnt man den Eindruck, das eine Hand nicht weiß, was die andere tut.
Normalerweise sollte ein Opfer schon von der Abholung vom Tatort professionell betreut und begleitet werden.
Es sollte eine Schnittstelle zwischen den einzelnen Ämter bestehen um die gemeinsame Begleitung zu koordinieren und damit zu gewährleisten.

Ein weitere Aspek ist, warum hat man bei zunehmnede Verschlechtung des klarzuerkennende Zustandes des Opfer nicht rechtzeitig Hilfestellung zu Stärkung der Zeugin angeordnet.
Die Frau hatte soweit ich sehen konnte auch kein Anwalt als Zeugenbeistandes.
Allein das Gefühl, wenn jemand seines Vertrazens neben einen im Gerichtsraum sitzt, stärkt ungemein die selbmobilierende Kräfte, die für eine solche Aufgabe unerläßlich sind.

Gruß Fraences
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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Aoife
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RE: Das Dramaerlebnis am Kölner Amtsgericht

Beitrag von Aoife »

Vielen Dank für deinen einfühlsamen Bericht, liebe Fraences!

Und ich hoffe, dass du mit deiner Vernutung, dass bloß die eine Hand nicht weiß was die andere tut, Recht hast.

Mir selbst erscheint es leider eher unglaubwürdig, dass diejenigen, die professionell mit diesen unmenschlichen Vorgängen zu tun haben so abgestumpft sein sollten, dass sie den Handlungsbedarf nicht schon lange erkannt haben.

Immerhin geht es ja nicht nur um solche tragischen Einzelschicksale, jeder einzelne Steuerzahler würde finanziell entlastet, jeder einzelne Einwohner würde an Sicherheit dazugewinnen, wenn die Verbrechensbekämpfung durch einen vernünftigen Zeugen- und Opferschutz erleichtert und zugleich verbilligt würde.

Von Nachteil wäre das allerdings für diejenigen, die eine hohe Kriminalitätsrate und ihre eigene angebliche Unverzichtbarkeit bei der Aufklärung sogenannter "Kontrolldelikte" zur Rechtfertigung ihres hohen Bedarfs an öffentlichen Geldern und ihrer politischen Einflußnahme benötigen.

Und natürlich würden die Ängste bei denjenigen wachsen, die sich starke "Privattruppen der Innenminister" wünschen für den Fall, dass das Volk sich einmal nicht mehr Alles bieten lassen will.

Wie gesagt, ich hoffe dass die beschriebenen Zustände "nur" die Folge von Unfähigkeit sind ...

Liebe Grüße, Aoife
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Beitrag von Lycisca »

fraences hat geschrieben:Im Zimmer nebenan war eine Frau die als Zeugin und Opfer gegen ihren Peiniger aussagen mußte.Wie wir erfuhren wurde sie jahrelang von ihrem Lebenspartner schwerst misshandelt.
Es wundert mich, dass Gericht und Staatsanwaltschaft derart rücksichtslos und sorglos gehandelt haben: In der Strafprozessordnung (zumindest in Österreich) ist die Möglichkeit von schonenden Befragungen vorgesehen, wo das Opfer nicht im gleichen Raum mit dem Täter ist. Es ist zwar das Recht des Beschuldigten, in einem fairen Prozess die Glaubwürdigkeit der Zeugen zu hinterfragen - doch dies kann auch durch einen Fragenkatalog geschehen, den die Anwälte dem Gericht übergeben. Die Zeugin wäre dann in einem Nebenraum vom Richter/ der Richterin befragt worden, die Anwälte könnten das über Monitor verfolgen.

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Beitrag von Robby »

@fraences heute 19.54
kann leider nicht öffentlich schreiben was ich denke
gehe jetzt eine runde holz hacken(ersatzhandlung)
robby

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friederike
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RE: Das Dramaerlebnis am Kölner Amtsgericht

Beitrag von friederike »

Liebe Fraences,

das ist wirklich eine schlimme Szene, die Du so einfühlsam schilderst.

Es ist in meinen Augen eine eklatante Schwäche der deutschen Justiz, dass im deutschen Strafprozess der Täter zu stark im Mittelpunkt steht zulasten der Opfer und auch der Zeugen. Die deutsche Doktrin zielt heute darauf ab, Opfer möglichst herauszuhalten, weil die emotionale Belastung durch den Opferauftritt dazu führen könnte, die Therapie der Täter in den Hintergrund drängen könnte. Dieser Gedanke führt nicht nur zu lächerlichen Strafmassen (siehe Köln: 9 Tage Sozialarbeit für Komaschläger), sondern auch zu mangelhaftem Zeugenschutz. Es ist zum Beispiel ein Unding, dass das Opfer eines bewaffneten Raubes dem Täter gegenübertreten muss, wobei Name und Adresse dem Gangster mitgeteilt werden.

Auf der anderen Seite stehen Fälle wie "Kachelmann", wo unseriöse Zeuginnen ihrerseits den Prozess missbrauchen, was ja so langsam jedem dämmert (ausser natürlich der auch aus anderem Zusammenhang hier bekannten Hysterikerin A. Schwarzer). Auch eine Zeugenbetreuung durch öffentliche Stellen könnte schnell zur Zeugenbeeinflussung werden, siehe der seltsame Prozess in Mannheim.

Aber auf jeden Fall ist klar: der deutsche Apparat ist vom Weg abgekommen und hat den richtigen Kurs noch nicht gefunden. Im deutschen Strafrecht haben wir es mit einer langjährigen Fehlentwicklung zu tun!

LG,
Friederike