Den Julian Reichelt mochte ich noch nie.
Kein Mitleid mit ihm wegen Machtmissbrauch besonders gegenüber Frauen.
Bin froh, dass er nun endlich gefeuert wurde.
Aber wieso?
Hier erst mal die Vorgeschichte vom Anfang des Jahres 2021:
Interne Ermittlungen gegen »Bild«-Chefredakteur Reichelt
»Vögeln, fördern, feuern«
Julian Reichelt muss sich wegen möglicher Verfehlungen gegenüber Frauen verantworten. Der Ausgang hängt auch davon ab, ob die mutmaßlich Betroffenen ihr Schweigen brechen.
Von Isabell Hülsen, Alexander Kühn, Martin U. Müller und Anton Rainer
12.03.2021, 07.12 Uhr • aus DER SPIEGEL 11/2021
Reichelt mit Gästen bei »Bild«-Dinner 2019: Die Vorwürfe kursierten längst außerhalb des Verlages Foto: Kay Kirchwitz / Star Press
Wie interessiert Julian Reichelt an jungen Kolleginnen sein soll, wussten in seiner Redaktion einige; er selbst schien auch kaum einen Hehl daraus zu machen. Die angeblichen Affären des »Bild«-Chefs wurden gehandelt wie ein offenes Geheimnis, manche lästerten bloß, es sei schwer, noch den Überblick zu behalten.
Dass einige der Frauen, mit denen er zeitweilig sein Privatleben geteilt haben soll, beruflich von ihm abhängig waren, störte Reichelt offenbar nicht. Dabei ist das die entscheidende Grenze. Das Privatleben auch eines »Bild«-Chefs geht die Öffentlichkeit nichts an – solange er es nicht unzulässig mit Beruflichem vermischt. War das bei Reichelt der Fall? Und: Lässt sich die Sache überhaupt aufklären?
Vor etwa drei Wochen wandte sich eine »Bild«-Führungskraft an den Vorstand des Axel-Springer-Verlags und beklagte, wie der Boss Bett und Beruf verquicke. Der Verlag schaltete die Compliance-Abteilung ein, die wiederum die Wirtschaftskanzlei Freshfields mit der Aufklärung betraute. Freshfields fragte ein halbes Dutzend »Bild«-Mitarbeiterinnen und Ehemalige an, um Vorfälle aus den vergangenen Jahren zu untersuchen. Dabei geht es etwa um möglichen Machtmissbrauch und Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen. In einzelnen Fällen soll sich Reichelt Vorwürfen von Mobbing stellen müssen.
Die Furcht vor Rache ist groß
Die Wahrheitsfindung der Kanzlei gestaltet sich schwierig. Das Gros der Frauen, so heißt es, wolle sich gegenüber der Kanzlei nur anonym äußern, zu groß sei ihre Angst vor Konsequenzen. Reichelt, so scheint es, hat in der Redaktion eine Kultur der Angst geschaffen, die es nun schwer macht, die Fälle aufzuklären. Die Furcht vor seiner Rache ist offenkundig groß.
Zu den Erfahrungen vieler Mitarbeiter gehört es, dass es bei Springer niemanden gibt, der den »Bild«-Chef ernsthaft in die Schranken weist. Und sei es für seinen zum Teil rüden Umgang. Er genießt Rückendeckung, vor allem von Konzernchef Mathias Döpfner. Reichelts publizistischer Krawall und seine Angstfreiheit scheinen dem Feingeist zu imponieren. Als »Bild« im vorigen Jahr wegen der Berichterstattung über den Virologen Christian Drosten am Pranger stand, sprang Döpfner Reichelt in einem gemeinsamen Podcast bei.
Springer-Chef Döpfner: »Bild«-Leute wandten sich an den Vorstand Foto: Christoph Hardt / Future Image / action press
Kritik an Reichelt wischte Springer stets beiseite: Teil der Jobbeschreibung eines »Bild«-Chefs sei es nun mal, zu den meistgehassten Männern des Landes zu gehören. Boulevardjournalismus sei eben rau und direkt. Die aktuellen Vorwürfe, sollten sie sich erhärten, ließen sich mit solchen Floskeln nicht mehr entschuldigen; das weiß auch die Führungsriege bei Springer. Andererseits: Was geschieht, wenn die Untersuchung weder klare Beweise noch eine wirkliche Entlastung zutage fördert?
»Wir müssen in solchen Situationen immer und sehr grundsätzlich unterscheiden zwischen Gerüchten, Hinweisen und Beweisen«, sagt ein Springer-Sprecher. »Wenn aus Gerüchten über andere konkrete Hinweise von Betroffenen werden, beginnen wir – wie im aktuellen Fall – sofort mit der Aufklärungsarbeit. Wenn aus Hinweisen Beweise werden, handelt der Vorstand. Auf Basis von Gerüchten Vorverurteilungen vorzunehmen, ist in unserer Unternehmenskultur undenkbar.«
Zu viel Hörensagen, zu wenig Belastbares
Bereits in den vergangenen Jahren hatten sich mehrere leitende »Bild«-Mitarbeiter an die Vorstandsmitglieder Jan Bayer und Stephanie Caspar gewandt, vor allem wegen Reichelts zum Teil demütigenden und erratischen Führungsstils. Auch sein Verhalten gegenüber Frauen soll dabei angeklungen sein. Beschwerden seien zudem über Betriebsrat und Personalabteilung an den Vorstand gelangt. Bei Döpfner sollen ebenfalls »Bild«-Leute vorstellig geworden sein. Aus Verlagskreisen heißt es, die Hinweise seien oft nicht explizit genug gewesen, zu viel Hörensagen, zu wenig Belastbares, zu viel Anonymes.
2018 kam es schließlich zu einem Compliance-Verfahren. Reichelt wurde vorgeworfen, eine PR-Agentur mit Aufträgen und freundlichen Artikeln bedacht zu haben, weil er mit der Mitbetreiberin eine Liaison hatte. Das »Handelsblatt« wollte darüber berichten, Arbeitstitel: »Wo die Liebe hinfällt«. Der Text erschien nie, weil Reichelt auf seine Privatsphäre pochte, wie es heißt. Und weil Springer die Causa inzwischen als unproblematisch eingestuft hatte.
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Ein weiteres Compliance-Verfahren betraf Reichelts vermeintlichen Kokainkonsum. Der war auch Thema im Vorstand, ein Mitglied des Gremiums konfrontierte Reichelt mit dem Vorwurf. Der stritt ab, nachzuweisen war ihm nichts. Wie freizügig das Thema hingegen in der Redaktion behandelt wird, zeigte sich im Juni 2019.
Damals war der Chefredakteur Gast im Podcast zweier »Bild«-Polizeireporter und sollte Fragen nach seiner möglichen kriminellen Vergangenheit beantworten. Reichelt druckste herum, erzählte von Playmobil-Figuren, die er als Kind geklaut habe. Die Interviewer hakten nach: »Hättest du nicht ein bisschen Schiss, dass wir als Polizeireporter auf deine Dealer treffen, oder so?« Nee, sagte Reichelt. Viele Leute könnten sich seine politischen Ansichten nur durch Drogen erklären, aber »das geht auch ohne«.
Über Instagram zum Abendessen
Im aktuellen Verfahren geht es weniger um Reichelts angebliche Rauschmittel, sondern vielmehr um mögliches Fehlverhalten gegenüber Frauen. In einer Mail an die Mitarbeiter bestätigten Döpfner und Bayer die Ermittlungen, die der SPIEGEL öffentlich gemacht hatte. Reichelt bestreitet die Vorwürfe, es habe keine beruflichen Entscheidungen von ihm gegeben, die von privaten Beziehungen geprägt oder sonst beeinflusst gewesen seien, sämtliche Personalentscheidungen seien aufgrund sachlicher Gründe und seiner persönlichen Einschätzung der fachlichen Qualifikation der jeweiligen Personen entsprechend getroffen worden. Darüber hinaus könne man »zum laufenden Verfahren keine Auskunft geben«, heißt es bei Springer.
Das System Reichelt soll so funktioniert haben: Volontärinnen und Praktikantinnen soll der Chefredakteur schon mal über Instagram zum Abendessen eingeladen haben. Junge Mitarbeiterinnen wurden mitunter rasch befördert. Ähnlich rasant gestaltete sich bisweilen ihr Absturz. »Vögeln, fördern, feuern«, heißt das intern derb, mit Sprache sind »Bild«-Leute auch bei der Beschreibung des eigenen Ladens nicht zimperlich.
Einige in der Redaktion, zumal die Frauen, hätten sich vor allem von der damals für »Bild« zuständigen Vorständin Caspar gewünscht, dass sie dem Chefredakteur Grenzen setzt. Stattdessen stand Caspar bald im Ruf, Reichelt verbunden zu sein und es an kritischer Distanz fehlen zu lassen. Bei den Frauen, die sich von ihm ausgenutzt oder schlecht behandelt fühlten, blieb unterm Strich der Eindruck zurück: Sonderlich groß kann das Interesse nicht sein, genauer hinzuschauen; Reichelt darf machen, was er will. Wer sich offen gegen ihn stellt, hat wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren. So manche verließen daher lieber das Haus, nicht selten versehen mit Geld und einer Verschwiegenheitserklärung.
»Man liegt vor Stalingrad, hat einen halben Arm und drei Zehen abgefroren und glaubt trotzdem noch, man könne den Krieg gewinnen«
Eine Ex-»Bild«-Mitarbeiterin
Der Druck auf eine Untersuchung der Vorwürfe wuchs zuletzt, weil die Hinweise längst außerhalb des Verlags kursierten. Der Erste, der sie öffentlich machte, mehr raunend als aufklärend, war vor einer Woche der Komiker Jan Böhmermann.
Freshfields müht sich derweil, den Hinweisen nachzugehen. Bis zu drei Anwältinnen und Anwälte befragen Mitarbeitende und Ehemalige und versuchen, an WhatsApp- und Instagram-Nachrichten zu gelangen. Einzelne Frauen haben sich inzwischen Anwälte genommen. Sie sollen ihre Mandantinnen zum Teil davor warnen, die Compliance-Profis mit Infos zu versorgen, solange Reichelt nicht mindestens beurlaubt oder freigestellt ist.
Reichelt sei unberechenbar, heißt es, »Bild« sein Lebensinhalt, um den er mit allen Mitteln kämpfen werde, bis zuletzt. »Man liegt vor Stalingrad, hat einen halben Arm und drei Zehen abgefroren und glaubt trotzdem noch, man könne den Krieg gewinnen«, beschreibt eine frühere Angestellte das Denken des Chefs.
Eine Redaktion wie ein mittelalterlicher Königshof
Etliche »Bild«-Leute gehen mittlerweile davon aus, dass das Verfahren gegen Reichelt mangels ausreichender Belege ohne Konsequenzen bleibt. Dabei, sagt eine Leitungskraft, sei auch ohne Nachweise für ein Fehlverhalten gegenüber Frauen klar, dass Reichelts Stil mit dem Verhaltenskodex des Verlags nicht vereinbar sei.
Was Angestellte über Reichelt erzählen, erinnert an einen mittelalterlichen Königshof: Wer in der Gunst des Herrschers gerade oben stehe, werde gelobt und bisweilen katapultartig befördert, Konkubinen inklusive. Sinke jemand in seinem Ansehen, werde er oder sie aus dem inneren Kreis verbannt, geschnitten, traktiert oder bloßgestellt. Wer in der Konferenz der Führungskräfte nicht nach Reichelts Geschmack performe, wer Fragen nicht zu seiner Zufriedenheit beantworte oder einem Kreuzverhör nicht standhalte, den wolle er dort nicht mehr am Tisch sehen.
Wie es mit Reichelt weitergeht, wird davon abhängen, welche Erkenntnisse der Freshfields-Bericht zutage fördert, der in der nächsten Woche erwartet wird. Der amerikanische Finanzinvestor KKR, inzwischen Großaktionär, dürfte ein kritisches Auge darauf werfen. Bei Springer versichert man, der Verlag werde sich auch dann kritisch mit Reichelts Führungsstil auseinandersetzen, wenn sich in dem Bericht keine Belege für die aktuellen Vorwürfe fänden, aber abzeichnen sollte, dass der »Bild«-Chef eine Kultur präge, die vom Verlag nicht erwünscht sei.
Reichelt und seine Unterstützer haben sich offenbar darauf verständigt, die internen Ermittlungen als Komplott oder Racheakt abzutun.
Wie es um die Kultur in der Redaktion bestellt ist, zeigt sich in der laufenden Untersuchung: Reichelts Getreue sollen Kolleginnen und Kollegen ermuntert haben, die Einträge des Chefs im redaktionsinternen Slack-Chat zu liken, um Unterstützung zu signalisieren. Auf mindestens eine der betroffenen Frauen sollte zudem wohl Druck ausgeübt werden. Ein Kollege Reichelts aus der »Bild«-Führung soll diese Woche versucht haben, Kontakt mit ihr aufzunehmen. Er habe eine klare Botschaft gehabt, heißt es: Sie solle besser nicht aussagen. Ein Hinweis dazu ist auch beim Springer-Vorstand gelandet, der dem nachgehen will.
Reichelt und seine Unterstützer haben sich offenbar darauf verständigt, die internen Ermittlungen als Komplott oder Racheakt abzutun. Mal sollen von ihm gestürzte Männer dahinterstehen, dann wieder ältere, bereits ausgeschiedene Frauen.
Und dann wäre da noch die Legende, mit den Anschuldigungen solle der vermeintlich letzte aufrechte Kritiker der Kanzlerin mundtot gemacht werden. Prominente Rechte wie Hans-Georg Maaßen oder Erika Steinbach haben diesen Spin auf Twitter bereits aufgegriffen.
Anmerkung der Redaktion:
Julian Reichelt hat in einem Rechtsstreit mit dem SPIEGEL-Verlag eidesstattlich versichert, von der Kommunikationsabteilung des Axel-Springer-Verlages nicht über unsere Fragen informiert worden zu sein. In der Folge war am 19. Mai eine etwas längere Stellungnahme zu ergänzen. Das Angebot vom 19. März 2021, eine solche Ergänzung nachzutragen, hatte Julian Reichelt nicht angenommen.
In einer früheren Version des Textes hieß es, es sei im vergangenen Jahr zu einer Compliance-Untersuchung bezüglich einer persönlichen Beziehung Reichelts zur Mitbetreiberin einer PR-Agentur gekommen. Tatsächlich fand dieses Verfahren bereits 2018 statt. Wir haben die Stelle korrigiert.
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unter ... 84b4c36c09
Und jetzt der Knall: Reichelt wurde gefeuert.
Hier nun einige Meldungen von vor Kurzem:
Recherchen zu Ex-"Bild"-Chef: Neue Vorwürfe gegen Reichelt
Julian Reichelt, ehemaliger "Bild"-Chefredakteur | dpa
Recherchen zu Ex-"Bild"-Chef
Neue Vorwürfe gegen Reichelt
Stand: 19.10.2021 12:56 Uhr
Der "Spiegel" hat Teile der vom Ippen-Verlag zurückgehaltenen Recherche zu Ex-"Bild"-Chef Reichelt veröffentlicht. Dabei geht es vor allem um den Umgang Reichelts mit ihm unterstellten Frauen. Immer stärker in die Kritik gerät auch Springer-Vorstand Döpfner.Die Enthüllungen über den ehemaligen "Bild"-Chefredakteur kamen nicht aus Deutschland, sondern aus den USA: Am Sonntagabend veröffentlichte die "New York Times" einen Artikel über die Unternehmenskultur bei Axel Springer im Allgemeinen und bei "Bild" im Besonderen. Der Artikel enthielt neue Details, wie Reichelt junge Frauen behandelt haben soll, mit denen er Affären am Arbeitsplatz hatte.Gestern wurde Reichelt von seinen Aufgaben entbunden. Vor der Bekanntgabe der Entscheidung des Axel-Springer-Vorstandes war allerdings auch öffentlich geworden, dass auch das Investigativteam der deutschen Ippen-Gruppe, zu der unter anderem "Frankfurter Rundschau", "Münchner Merkur" und "Buzzfeed Deutschland" gehören, über den mutmaßlichen Machtmissbrauch Reichelts berichten wollte - der Verleger Dirk Ippen die Berichterstattung aber kurz vor Erscheinen gestoppt hatte.
Julian Reichelt (Archivbild) | EPA
18.10.2021
Medien in Deutschland
Bericht über "Bild"-Chef gestoppt
Über Monate hatte ein investigatives Journalistenteam zu Vorwürfen gegen "Bild"-Chefredakteur Reichelt recherchiert.
Annährung an Frauen "häufig nach dem selben Muster"Nun hat der "Spiegel" Teile der zuvor zurückgehaltenen Recherche des Ippen-Investigativteams zu vermeintlichem Machtmissbrauch im Medienhaus Axel Springer veröffentlicht. Der Fokus des Artikels liegt auf dem Umgang des langjährigen "Bild"-Chefredakteurs Reichelt mit ihm unterstellten Frauen.In der vom "Spiegel" veröffentlichten Recherche heißt es, Reichelt habe sich "häufig nach demselben Muster" jungen Frauen in seiner Redaktion angenähert. So habe er sie für ihre Arbeit gelobt, ihnen verantwortungsvolle Aufgaben anvertraut oder in Positionen eingesetzt, für die sie nicht geeignet waren. Diese Bevorteilung sei allerdings oft mit einem sexuellen Verhältnis zu den Frauen verbunden gewesen.Eine der Frauen litt der Recherche zufolge so unter dem Druck einer ihr übertragenen Position und den Kommentaren im Kollegium, sie habe den Job nur wegen ihrer Beziehung zum Chef bekommen, dass sie sich in psychiatrische Behandlung begab. Mehrfach habe sie sich mit Reichelt in Hotels getroffen. Sie habe ihn nicht verärgern wollen und sich beruflich von ihm abhängig gefühlt.
Vorwürfe gegen "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt 3 Min
Lea Eichhorn, Kim Mauch, Svea Eckert, NDR, 19.10.2021 · 13:24 Uhr
Offenbar wenig Interesse an AufklärungLaut "Spiegel" gebe es Zweifel daran, ob der Springer-Verlag im Frühjahr an einer ernsthaften Aufklärung von Reichelts Verhalten interessiert war. Zwar wurde Reichelt auf eigenen Wunsch freigestellt und das Unternehmen leitete eine Compliance-Untersuchung ein. Mit solch einem Verfahren soll unter anderem die Einhaltung unternehmensinterner Richtlinien geprüft werden. Doch Ende März kehrte Reichelt an seinen Arbeitsplatz zurück. Zur Begründung hieß es, der Vorstand des Medienkonzerns sehe es trotz festgestellter Fehler in der Amts- und Personalführung als nicht gerechtfertigt an, Reichelt von seinem Posten abzuberufen.Nach Reichelts Rückkehr wandte sich Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner in einer Videokonferenz an die Belegschaft, wie "Medieninsider" zuerst berichtet hatte. Darin habe er gesagt, dass er in einer Hierarchiebeziehung private Beziehungen zwar "nicht vorbildlich, nicht akzeptabel" finde, Reichelts Arbeit aber erfolgreich, und seine publizistische Leistung "richtig und extrem wichtig für dieses Land" sei.
Daniel Bouhs, NDR, zur den Vorwürfen gegen "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt 6 Min
tagesschau24 12:15 Uhr, 19.10.2021
Döpfner: Mutig gegen den "neuen DDR Obrigkeits-Staat"In dem Zusammenhang zitiert der "Spiegel" eine Nachricht von Döpfner an den Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre. Am Tag der Nachricht habe Reichelt einen Kommentar verfasst, in dem er die Corona-Maßnahmen als Beleg für einen willkürlichen Staat bezeichnete. Döpfner habe daraufhin geschrieben, Reichelt sei "halt wirklich der letzte und einzige Journalist in Deutschland, der noch mutig gegen den neuen DDR Obrigkeits-Staat aufbegehrt". Die meisten anderen Journalisten seien zu Propaganda-Assistenten geworden. Stuckrad-Barre soll die Freundschaft zu Döpfner wegen des Umgangs mit dem Fall Reichelt inzwischen beendet haben.Brisant an der Nachricht ist auch, dass Döpfner Vorsitzender des Bundesverbandes der Digitalpublisher und Zeitungsverleger ist. Der Medienjournalist Stefan Niggemeier schrieb auf Twitter, es sei eine "Schande, dass jemand wie Döpfner ihr oberster Repräsentant ist".
Der Chefredakteur des Medienmagazins DWDL, Thomas Lückerath schrieb in einem Kommentar, der Fall werfe die Frage auf, warum Döpfner in Deutschland "trotz wiederholt irrwitziger Aussagen" so selten kritisiert werde.
https://www.tagesschau.de/inland/reiche ... r-103.html
Medien
BILD-CHEF JULIAN REICHELT
Sex, Lügen und ein achtkantiger Rauswurf
Von Axel Weidemann, Michael Hanfeld
18.10.2021, 19:48
Julian Reichelt am 30. Januar 2020 auf einer Messe in Düsseldorf
Erst bringt die New York Times eine Riesenstory über Springer. Vorher stoppt der Verleger Ippen eine Recherche über den Bild-Chef Reichelt. Der ist seinen Job plötzlich los. Er hat wohl den Vorstand belogen. Die Chaostage sind perfekt.
Bis Montagabend sah es so aus, als könne dem Bild-Chefredakteur nichts und niemand etwas anhaben. Doch dann kam das Aus für Julian Reichelt. Und zwar achtkantig: Er sei mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden worden, teilte der Springer-Verlag mit. An Reichelts Stelle als Vorsitzender der Bild-Chefredaktion rückt Johannes Boie, bislang Chefredakteur der Zeitung Welt am Sonntag.
„Als Folge von Presserecherchen hatte das Unternehmen in den letzten Tagen neue Erkenntnisse über das aktuelle Verhalten von Julian Reichelt gewonnen“, so Springer. Man sei Informationen nachgegangen. Dabei habe „der Vorstand erfahren, dass Julian Reichelt auch nach Abschluss des Compliance-Verfahrens im Frühjahr 2021 Privates und Berufliches nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt hat.“
Reichelt, sagte der Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner, habe „Bild journalistisch hervorragend entwickelt und mit Bild Live die Marke zukunftsfähig gemacht. Wir hätten den mit der Redaktion und dem Verlag eingeschlagenen Weg der kulturellen Erneuerung bei Bild gemeinsam mit Julian Reichelt gerne fortgesetzt. Dies ist nun nicht mehr möglich.“
Neue Anhaltspunkte für Fehlverhalten
„Im Kontext jüngster Medienrecherchen“ seien dem Verlag „seit einigen Tagen neue Anhaltspunkte für aktuelles Fehlverhalten von Julian Reichelt zur Kenntnis gelangt“. Der Vorstand habe „erfahren, dass Julian Reichelt auch aktuell noch Privates und Berufliches nicht klar trennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt hat. Deshalb hält der Vorstand jetzt eine Beendigung der Tätigkeit für unvermeidbar.“ Zugleich habe man rechtliche Schritte gegen Dritte eingeleitet, „die versucht haben, die Compliance-Untersuchung vom Frühjahr mit rechtswidrigen Mitteln zu beeinflussen und zu instrumentalisieren, offenbar mit dem Ziel, Julian Reichelt aus dem Amt zu entfernen und Bild sowie Axel Springer zu schädigen“.
Dabei gehe es „insbesondere um die verbotene Verwendung und Nutzung vertraulicher Protokolle aus der Befragung von Zeugen sowie die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen und privater Kommunikation“.
Mit der New York Times fing es an
Bis zum späten Montagnachmittag hatte der Vorlauf ganz anders ausgesehen. Die New York Times (NYT) hatte am Sonntag einen umfassenden Bericht über Springer und die Machtmissbrauchsvorwürfe gegen Reichelt veröffentlicht. Dabei berichtete die Zeitung quasi nebenbei von der umfassenden Recherche eines deutschen Investigativreporterteams, die durch einen deutschen Verleger zwei Tage vor ihrer Veröffentlichung am Sonntag auf Eis gelegt worden sei.
So war es denn auch: Der Verleger Dirk Ippen hatte eine umfassende Recherche des verlagseigenen Investigativ-Teams zu den Akten gelegt, ohne inhaltliche Begründung.
Der Verleger Dirk Ippen. Bild: DPA
Wovor hatte Ippen Angst?
Der Hintergrund: Im März hatte die Anwaltskanzlei Freshfields, beauftragt von Springer selbst, wegen möglicher „Compliance-Verstöße“ gegen Julian Reichelt ermittelt. Es ging um den Vorwurf, Reichelt habe private Beziehungen nicht von der beruflichen Sphäre sauber getrennt. Die Folge: zwölf Tage erzwungene Abwesenheit, Wiedereingliederung, eine Entschuldigung. Springer stellte, wie nun abermals betont wird, fest, man habe keine Beweise für sexuelle Übergriffe gefunden.
Es habe gegen Julian Reichelt nie den Vorwurf sexueller Belästigung oder sexueller Übergriffe gegeben. Doch habe es „den Vorwurf einvernehmlicher Liebesbeziehungen zu Bild-Mitarbeiterinnen und Hinweise auf Machtmissbrauch in diesem Zusammenhang“ gegeben. Bewiesen und eingeräumt worden sei „eine frühere Beziehung zu einer Mitarbeiterin von Bild“. Umstritten geblieben sei, „ob dieser Mitarbeiterin dadurch berufliche Vorteile gewährt wurden“.
Das war der Stand in Frühjahr, der sich nun offenkundig dramatisch verändert hat. Anders ist nicht zu erklären, dass Springer Reichelt, auf den gerade Döpfner große Stücke hält, vor die Tür setzt.
Döpfner kann tanzen
Der Bericht der New York Times indes ist ein Stück voller Details, die bis zu Mathias Döpfners „beeindruckenden“ Tanzfähigkeiten reichen. Zugleich ist in der Times von Krieg und von „Bunkermentalität“ die Rede, aber auch – in einem Zitat aus einer privaten Nachricht von Mathias Döpfner an den Autor und einstigen Freund Benjamin von Stuckrad-Barre – vom letzten mutigen Rebellen gegen „den neuen autoritären DDR-Staat“. Der Rebell ist Reichelt.
Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE
Auf die Frage, warum ausgerechnet die New York Times so prominent über Springer und den Bild-Chef berichtet, gibt es mindestens zwei Antworten. Eine ist, dass der Springer-Konzern, von dem seit 2019 40 Prozent der Anteile in den Besitz der amerikanischen Beteiligungsgesellschaft KKR übergingen, sich als ernst zu nehmender Konkurrent auf dem amerikanischen Markt etablieren will. Das zeichnete sich schon 2015 ab, als Springer für 306 Millionen Euro 88 Prozent des Portals Business Insider übernahm und im vergangenen August das Portal „Politico“ für mehr als 630 Millionen Euro kaufte.
Eine andere Antwort, die sich im Umgang mit der Berichterstattung über den Fall Reichelt widerspiegelt, ist: In Deutschland tun sich die Medien mitunter schwer, über Bild-Interna zu berichten. Das liegt an der regen Rechtsabteilung von Springer, doch gibt es offenbar auch eine generelle Angst, sich mit dem Berliner Medienhaus anzulegen. Selbst der Spiegel musste in der besagten Reportage nach einem Rechtsstreit anfügen, dass Reichelt eidesstattlich versicherte, von der Kommunikationsabteilung des Axel-Springer-Verlages nicht über Fragen des Spiegels informiert worden zu sein.
Eine Intervention anderen Kalibers gab es nun im Ippen-Verlag. Hier wollten Journalisten des hauseigenen Investigativteams am Sonntag eine Recherche zum Fall Reichelt veröffentlichen. Diese habe der Verleger Dirk Ippen gekippt. Begründet habe man die Weisung so: Es sollte der Anschein vermieden werden, man wolle eine journalistische Veröffentlichung mit dem ökonomischen Interesse verknüpfen, einem Konkurrenten eins auszuwischen. Ein paar Stunden später wirkt diese Einlassung nur noch komisch.
Protestbrief an „Herrn Dr. Ippen“
Noch am Freitag hatten die Redakteure einen Protestbrief an „Herrn Dr. Ippen“ und die Geschäftsführung geschrieben. Man habe mündlich und per Mail erfahren, dass die Berichterstattung zum Machtmissbrauch bei der Bild-Zeitung „untersagt“ werde. Zitiert wird eine interne E-Mail des Chefredakteurs der Ippen-Zentralredaktion, Markus Knall. Darin heißt es: „Dr. Ippen“ habe sich in einer Gesellschafterversammlung, auf der das Thema erklärt werden sollte, nach „intensiver und harter Diskussion“ als „Mehrheitsgesellschafter und Namensträger klar gegen eine Veröffentlichung ausgesprochen“. „Wir sind schockiert von dieser Entscheidung“, schreiben die Redakteure von Ippen Investigativ. Die Recherche sei exklusiv und „wasserdicht“ gewesen und ihre Veröffentlichung nicht nur auf den digitalen Plattformen des Netzwerks am Sonntag, sondern auch auf einer Doppelseite in der Frankfurter Rundschau am Montag geplant gewesen. Die Absage der Geschichte widerspreche „allen Regeln der unabhängigen Berichterstattung“. Sie sei eine „absolute Verletzung des Grundsatzes der Trennung von Redaktion und Verlag. Denn weder seien in der Begründung der Entscheidung redaktionelle noch juristische Argumente angeführt worden. Dabei bestehe an den Recherchen über möglichen Machtmissbrauch im Hause Springer „ein hohes öffentliches Interesse“.
Von der Ippen-Gruppe kam auf Anfrage der F.A.Z. ein Frage-und-Antwort-Katalog. Zu Beginn das Argument, man wolle den Eindruck vermeiden, „wir wollten einem Wettbewerber wirtschaftlich schaden“. Das Thema sei „vom Tisch“. Gründe, die über den genannten „Eindruck“ hinausweisen, werden nicht angeführt. Stattdessen berief man sich auf das Recht des Verlegers, „Richtlinien für seine Medien vorzugeben“. Eine Beeinflussung durch „Springer-Führungskräfte“ habe es nicht gegeben. „Der Austausch mit Springer beschränkte sich auf den in diesen Fällen üblichen Schriftwechsel der jeweiligen Anwälte.“
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Dem Evangelischen Pressedienst hatte Springer gesagt, es habe seitens des Medienhauses keinen Versuch gegeben, Veröffentlichungen im Kontext mit der Compliance-Untersuchung zu verhindern. Davon unbenommen seien „rechtliche Hinweise, die der Wahrung berechtigter Interessen des Unternehmens und seiner Mitarbeiter dienen.“ Kritische Berichterstattung solle „eine Grenze finden, wo es um die geschützte Privat- und Vertraulichkeitssphäre von Mitarbeitern“ sowie „von Zeugen geht, denen im Rahmen des im Frühjahr abgeschlossenen Compliance-Verfahrens strikte Anonymität zugesichert wurde“.
Bei Ippen will man auf die „großartige Arbeit“ des Investigativteams indes nicht verzichten. Hätte man nur mal deren große Geschichte gebracht.
Quelle: F.A.Z.
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ ... 91421.html
VON
ERICA ZINGHER
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:Ende der Feldbett-Geschichten
Nun muss er doch gehen: Der Springer-Verlag hat „Bild“-Chef Julian Reichelt freigestellt. Die „New York Times“ hatte zuvor neue Details enthüllt.
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Auch ein verhinderter kritischer Bericht half nicht mehr: der nun Ex-„Bild“-Chef Julian ReicheltFoto: Jörg Carstensen/dpa
BERLIN taz | Es war ruhig geworden um Bild-Chefredakteur Julian Reichelt. Seit Sonntagabend ist die Ruhe allerdings vorbei: Am späten Abend veröffentlichte die New York Times einen Bericht über den Axel Springer Verlag. Konkret geht es darin um die Bild-Zeitung und ihren Chef Reichelt. New York Times-Journalist Ben Smith beschreibt in seinem Artikel eine Arbeitskultur in der Bild-Redaktion, in der sich „Sex, Journalismus und Firmengeld“ vermischen. Smith legt außerdem weitere Details darüber offen, wie Reichelt mit jungen Frauen in seiner Redaktion umgegangen sein soll.
Am Montagabend veröffentlichte Axel Springer außerdem überraschend in einer Mitteilung, dass Julian Reichelt mit sofortiger Wirkung als Chefredakteur von Bild entlassen wird. Sein Nachfolger wird Johannes Boie, derzeit Chefredakteur der Welt am Sonntag. Der Vorstand habe erfahren, dass Reichelt auch im Frühjahr 2021 Privates und Berufliches nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt habe, heißt es in der Mitteilung. Das Unternehmen reagiere mit seiner Entscheidung auf Vorwürfe, die es in den letzten Tagen über Reichelt erhalten habe.
Auch das neue Investigativteam der Ippen-Verlagsgruppe, zu der unter anderem Frankfurter Rundschau und Münchner Merkur gehören, recherchierte zu den Vorwürfen gegenüber Reichelt. Ihre monatelange Recherche sollte ebenfalls am vergangenen Sonntag erschienen. Verleger Dirk Ippen stoppte allerdings die Veröffentlichung.
In einem Brief des gesamten Rechercheteams (Chefredakteur Daniel Drepper, Stellvertreter Marcus Engert sowie die Senior-Reporterinnen Juliane Löffler und Katrin Langhans), der mittlerweile öffentlich und an Verlag und Geschäftsführung adressiert ist, zeigen sich die Journalist:innen schockiert, denn die Recherche sei „redaktionell und juristisch über Monate abgestimmt“ gewesen. „Die Entscheidung ist eine absolute Verletzung des Grundsatzes der Trennung von Redaktion und Verlag“, heißt es in dem Brief. Man fühle sich in der Arbeit als Investigativteam beschnitten.
Brisant ist, mit welcher Begründung die Recherche verhindert worden sein soll. Denn für den Stopp der Veröffentlichung seien keine juristischen oder redaktionellen Gründe angeführt worden, schreibt das Team. Auch seien Anrufe von Verantwortlichen des Axel Springer Verlags beim Ippen-Verlag nicht der Grund gewesen, „sondern persönliche Geschmacksfragen“. Welche dies konkret sind, wird nicht weiter ausgeführt.
Konkurrenten und Partner
Es drängen sich mehrere Fragen auf: Was missfiel Verleger Ippen an den Rechercheergebnissen, an denen ein hohes öffentliches Interesse besteht, wie das Investigativteam schreibt? Welche Rolle spielten die genannten Anrufe durch Springer-Verantwortliche? Was beinhalteten diese Telefonate? Oder bewegten andere Gründe Dirk Ippen letztlich zu seiner Entscheidung?
Auf Anfrage der taz heißt es aus dem Ippen-Verlag, man müsse als Mediengruppe, die in direktem Wettbewerb mit Bild stehe, „sehr genau darauf achten, dass nicht der Eindruck entsteht, wir wollten einem Wettbewerber wirtschaftlich schaden“. Eine Beeinflussung durch Springer habe es dabei nicht gegeben. Das hat Dirk Ippen selbst in einem Mailverkehr mit ZDF-Moderator Jan Böhmermann mitgeteilt, auf den der Verlag verweist und der auf Twitter veröffentlicht wurde.
Doch die Ippen-Gruppe und Bild sind nicht nur Konkurrenten auf dem Medienmarkt, Bild ist auch Auftraggeber für Ippen. Seit 2005 wird eine Teilauflage von 250.000 Exemplaren der Bild-Zeitung täglich von der Kreiszeitung bei Bremen produziert. Haupteigentümer der Kreiszeitung ist Verleger Dirk Ippen.
Aus dem Axel Springer Verlag heißt es von einem Unternehmenssprecher auf Anfrage der taz, man habe grundsätzlich kein Problem mit einer kritischen Auseinandersetzung. „Auch eine solche Berichterstattung muss jedoch eine Grenze finden, wo es um die geschützte Privat- und Vertraulichkeitssphäre von Mitarbeitern sowie insbesondere – in diesem konkreten Fall – von Zeugen geht, denen im Rahmen des im Frühjahr abgeschlossenen Compliance-Verfahrens strikte Anonymität zugesichert wurde.“
Mit Wissen von Axel Springer habe es keinen Versuch gegeben, Veröffentlichungen im Zusammenhang mit der Compliance-Untersuchung zu verhindern. Weiter heißt es: „Davon unbenommen sind rechtliche Hinweise, die der Wahrung berechtigter Interessen des Unternehmens und seiner Mitarbeiter dienen.“
Mit „Vögeln, fördern, feuern“, Anführungszeichen inbegriffen, war ein Spiegel-Artikel betitelt, der im März den Fall um Reichelt ausführlich darlegte. Gegen einzelne Behauptungen des entsprechenden Artikels hatte Reichelt später eine einstweilige Verfügung erwirken können.
Bild-Chef Reichelt soll, so wird es im Spiegel-Text beschrieben, Volontärinnen und Praktikantinnen zum Abendessen eingeladen, junge Mitarbeiterinnen schnell befördert und ebenso schnell wieder gekündigt haben. Der Text vermittelt das Bild einer autoritären Führungskultur, in der Reichelt den Ton angibt. Rund ein halbes Dutzend Mitarbeiterinnen hätten Beschwerden gegen Reichelt vorgebracht, unter anderem wegen Mobbing, Nötigung und Machtmissbrauch. Daraufhin hatte sich ein Compliance-Team im Springer-Haus mit der Klärung der Vorwürfe beschäftigt.
Vorwürfe des Machtmissbrauchs
Reichelt war am 12. März auf eigenen Wunsch für zehn Tage beurlaubt worden. Er kehrte später wieder auf seinen Posten als Chef der Bild-Zeitung zurück, leitete die Zeitung allerdings dann zusammen mit Alexandra Würzbach. Würzbach ist eigentlich Chefredakteurin der Bild am Sonntag und Mitglied der Chefredaktion der Bild-Gruppe. In Reichelts Abwesenheit hatte sie die Bild kommissarisch geleitet.
PROTESTBRIEF VOM IPPEN-INVESTIGATIVTEAM
„Für unsere Arbeit ist redaktionelle Unabhängigkeit die Grundlage“
Nachdem Reichelt wieder auf seinem Posten war, hieß es in einer Mitteilung des Springer-Verlags damals, Reichelt habe eingeräumt, berufliche und private Beziehungen vermischt zu haben, die restlichen Vorwürfe habe er aber bestritten und dies eidesstattlich versichert. Reichelt habe Fehler gemacht, die strafrechtlich nicht relevant seien. Eine Trennung aufgrund seiner Fehler, so wird Matthias Döpfner, Vorstandsvorsitzender von Springer, zitiert, halte man aber für unangemessen.
Reichelt selbst kommt in der Mitteilung auch zu Wort und räumt Fehler ein: „Ich weiß, ich habe im Umgang mit Kolleginnen und Kollegen Fehler gemacht und kann und will das nicht schönreden. Was ich mir vor allem vorwerfe, ist, dass ich Menschen, für die ich verantwortlich bin, verletzt habe. Das tut mir sehr leid.“
Nach dieser Mitteilung wurde es im Hause Springer und auch in der Öffentlichkeit erst einmal ruhig. Es schien, so schreibt es Übermedien-Gründer Stefan Niggemeier, als sei Reichelt damit rehabilitiert gewesen. Das Ippen-Investigativteam aber blieb an den Vorwürfen dran, es recherchierte weiter, im Hintergrund. Hunderte Dokumente habe das Team recherchiert und die Belege in umfangreichen Faktenchecks besprochen.
Das Investigativteam, ehemals Buzzfeed News, arbeitet seit Juni unter dem Namen „Ippen Investigativ“. Der Ippen-Verlag plante mit der Gründung, investigativen Journalismus in seinem Netzwerk zu fördern. Das Team um Gründer Daniel Drepper sollte demnach für das gesamte Netzwerk Recherchen realisieren.
In seinem Brief schreibt das Team dazu: „Seit der Übernahme unseres Teams wurde uns mehrfach gesagt, unsere Rolle sei auch die, einen Qualitätsschub im Netzwerk auszulösen. Wir haben immer wieder kommuniziert, dass für unsere Arbeit redaktionelle Unabhängigkeit die Grundlage ist.“
Dass eine lang recherchierte Geschichte vom neuen Arbeitgeber nun verhindert wurde, bezeichnet das Team als „Vertrauensbruch in der Zusammenarbeit“. Journalist:innen in den sozialen Netzwerken und Vereine haben sich mittlerweile mit dem betroffenen Team solidarisiert. Die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche, deren Vorsitzender Daniel Drepper ist, ruft in einer Stellungnahme den Verlag Ippen dazu auf, „die Unabhängigkeit seiner Redaktionen zu respektieren“. Verleger Dirk Ippen habe damit eine Grenze überschritten und der Pressefreiheit Schaden zugefügt. Der Verein weist darauf hin, bei aller Kritik an Ippen „den Gegenstand der zurückgehaltenen Recherche nicht aus den Augen“ zu verlieren.
Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union, Teil von Verdi, kritisiert den Stopp der Recherche als einen skandalösen Eingriff in unabhängige Berichterstattung bei Ippen. Die Journalist:innen-Gewerkschaft stelle sich solidarisch an die Seite der betroffenen Kolleginnen und Kollegen des Ippen-Investigativteams.
In den sozialen Medien diskutieren Journalist:innen über den Fall hinaus darüber, unter welchen Bedingungen und gegen welche Widerstände investigative Recherchen zu sensiblen Themen noch entstehen können. Offen bleibt zum jetzigen Stand, wie eine weitere Zusammenarbeit zwischen „Ippen Investigativ“ und dem Ippen-Verlag aussehen wird. Der Verlag teilte mit, man wolle „die Arbeit mit den hervorragenden Journalistinnen und Journalisten natürlich weiter fortsetzen“.
https://taz.de/Springer-stellt-Bild-Che ... 5560;moby/
Weitere Links zum Lesen wie zum Beispiel diese:
https://www.n-tv.de/panorama/Axel-Sprin ... 73162.html
https://www.t-online.de/nachrichten/deu ... chelt.html
Böhmermann versus Reichelt
BILD-Chefredakteur Reichelt wegen Machtmissbrauch gefeuert
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