Tierschutzprozess

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Hedera
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Tierschutzprozess

Beitrag von Hedera »

Das Thema ist eigentlich schon sehr Off-Topic, aber ich glaube, dass es für einige von euch dennoch interessant ist.

Diese Woche haben in Wiener Neustadt die Verhandlung begonnen, wobei 13 TierschutzaktivistInnen vorgeworfen wird, einer kriminellen Vereinigung anzugehören.

Ich war heute im Gerichtssaal und es war einfach erschreckend wie parteiisch und unsachlich die Richterin in der ersten Hälfte der Verhandlung vorgegangen ist. Das hat sich zB dadurch gezeigt, dass Martin Balluch (der heute einvernommen wurde) nicht ausreden durfte, Verteidiger nicht zu Wort kommen durften und die Richterin offensichtlich nicht zuhörte, während Balluch seine Aussagen machte. Aus irgendeinem Grund war die Richterin nach der Mittagspause wie ausgewechselt und das Klima im Saal war um einiges besser.

Warum ich glaube, dass das hier dennoch für euch relevant ist: Es ist einfach unglaublich, wie gegen gesellschaftliche Gruppen vorgegangen wird, die nicht dem Mainstream entsprechen, wobei ich durchaus Parallelen zur Sexarbeit sehen kann (meiner bescheidenen Meiung nach, viel Ahnung hab ich davon noch nicht).

Jasmin

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Zwerg
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Beitrag von Zwerg »

Das Thema ist zwar wahrlich "OFF TOPIC" aber trotzdem interessant! Ich selbst beobachte die Geschichte seit geraumer Zeit und bin auf die Urteile (und noch mehr auf die Begründung) gespannt.

Liebe Grüße

christian

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Hedera
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Beitrag von Hedera »

Ja, drauf bin ich ebenfalls gespannt. Wenn es zu Verurteilungen kommt, ist das echt ein Armutszeugnis für Österreich.

Es ist meiner Meinung einfach nur Angst- und Druckmacherei, um eine engagierte Zivilgesellschaft auf einem niedrigen Level zu halten. Besonders extrem find ich den Umstand, dass Wissentlichkeit allein genügt, um gemäß §278a sich strafbar zu machen. Das bedeutet, dass es ausreicht, an einer Demo für Tierschutz teilzunehmen oder irgendwo einen pro-Tierschutz Aufkleber an seinen Sachen anzubringen. Ich glaube nicht, dass solche Formen wirklich auch exekutiert werden, aber alleine die Möglichkeit ist ein Armutszeugnis.

Diese Druckmacherei und Kriminalisierung behindert auf allen Ebenen eine couragierte Zivilgesellschaft, die aber mehr als notwendig ist, sieht man sich die Rechte von Tieren, MigrantInnen oder eben auch SexarbeiterInnen an.

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Hedera
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Beitrag von Hedera »

Hab grad einen Tippfehler im ersten Post entdeckt - ich meinte "parteiisch und unsachlich" natürlich...

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Lycisca
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Beitrag von Lycisca »

Nach dem Rechtsstaatsprinzip müssen die Auswirkungen von Gesetzen vorhersehbar sein (der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat dies wiederholt unter dem Stichwort "quality of the law" ausgeführt). Gerade Strafgesetze müssen die strafbare Handlung so klar umschreiben, dass der Bürger abschätzen kann, welche Handlungsweise erlaubt und welche verboten ist. Diffuse Gesetze dürfen in einem Rechtsstaat vom Gericht gar nicht angewandt werden.

Im Fall einer Verurteilung wird dieser Aspekt sicher bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorgetragen werden. Interessant dabei: Der Verein gg Tierfabriken war auf dieser Ebene schon in aufsehen-erregenden Prozessen gegen die Schweiz erfolgreich ... war die Staatsanwaltschaft in grundrechtlichen Fragen wirklich so uninformiert, sich ausgerechnet diese Organisation als Gegner ausgesucht zu haben?

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Hedera
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Beitrag von Hedera »

Das könnte man aber auch wieder auf Sexarbeit umlegen, wo ebenfalls nicht immer klar ist, was nun genau erlaubt ist (soweit ich informiert bin...).

Leider ist nicht nur der VgT als Gegner ausgesucht worden, sondern insgesamt 16 Vereine/Organisationen (darunter u.a. auch der Österr. und der Wiener Tierschutzverein).

Der Fall aus der Schweiz is mir nicht bekannt, aber das gibt zumindest Hoffnung.

Ich hab unlängst gelesen, dass irgendjemand irgendwo (das is jetzt echt nicht sehr präzise, sorry) gesagt hat, dass es event. mittlerweile angebracht wäre, die UNO als Aufsichtsorgan in Österreich einzusetzen, angesichts der Vorfälle in den letzten Jahren. Obwohl wiederum die Handlungsfähigkeit und -willen der UNO ein anderes Thema sind...

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Blanca
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Beitrag von Blanca »

Das Thema mag interessant sein - aber ich verwehre mich dagegen, Zusammenhänge mit SW zu sehen.
SW mag keine Mainstream-Arbeit im Sinne einer gesellschaftlichen Akzeptanz sein.
Aber bei dem Fall geht es ja um gewalttätige Aktionen, die gesondert von einem Randgruppen-Phänomen betrachtet werden sollen.

Blanca

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Lycisca
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Randgruppen-Kriminalisierung

Beitrag von Lycisca »

Das Thema steht zwar nicht im direkten Zusammenhang zu SW, sehr wohl ist es aber von Bedeutung für Sexworker.at und alle anderen Organisationen, die im Vertrauen auf die Meinungsfreiheit (Art 10 Europäische Menschenrechtskonvention) Positionen von Randgruppen vertreten:

Im Fall der Tierschützer und aktuell im Fall der Scheidungsväter wurden Straftaten von verwirrten Geistern verübt, die mit diesen Organisationen möglicherweise losen Kontakt hatten. Wer genau welche Straftaten begangen hat, ist nicht einmal geklärt. Von der Staatsanwaltschaft wurde daraufhin auf der Basis diffuser Gesetze Anklage gegen die Organisationen erhoben.

Jede Organisation kann auf diese Weise angegriffen werden, zum Beispiel: Setzt sich unser Forum nicht dafür ein, die Rechtslage für Sexworker zu verbessern? Nach § 278a Z 2 streben wir damit "Einfluß auf Politik" an. Jetzt genügt es für die Staatsanwaltschaft, eine SW zu finden, die mit dem Forum in Kontakt steht und von einem Zuhälter drangsaliert wird - prompt wird der Zuhälter in Verkennung der Tatsachen zum Mitglied des Forums stilisiert und das Forum als mafiöse Organisation verfolgt.

Die noch gar nicht so lange eingeführten Mafia und Terror-Paragraphen des StGB wurden bereits bei der Beschlussfassung von der Opposition wegen dieser Möglichkeit kritisiert, die Bürgergesellschaft durch polizeistaatliche Maßnahmen zu knebeln. Auch auf internationaler Ebene (Special Rapporteur der Vereinten Nationen für den Schutz der Menschenrechte) hat sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Kampf gegen Terror nicht zur Einschränkung der Grundrechte (insbesondere Privatsphäre durch Überwachung) führen darf.

Der Prozess in Wr. Neustadt wird nun zeigen, ob die Justiz imstande ist, von sich aus die Grundrechte zu schützen, oder ob in Österreich eine Erosion der Meinungsfreiheit einsetzt, die schließlich bei polizeistaatlichen Maßnahmen endet, die von Regierungsparteien gegen Oppositionsparteien angeordnet wird.

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Beitrag von Hedera »

Naja, wer kann die "gewalttätige Aktionen" nachweisen, bzw. von welchen Aktionen sprichst du eigentlich? Davon wäre mir nichts (haltbares) bekannt! (Dazu kommt auch noch meine sehr positiv eingestellte Meinung zu Tierschutzarbeit, weshalb wir vielleicht verschiedenen Ansichten zu einem Umstand haben, der für dich gewalttätig ausschauen mag, für mich aber noch legitim wäre...)

Lyciscas Beitrag finde ich sehr gut und bringt ziemlich genau auf den Punkt, warum ich den Thread hier eröffent habe und wo ich Parallelen zur SW sehe. Allerdings möcht ich "verwirrte Geister" im Zusammenhang mit Tierschutzarbeit auch nicht stehen lassen. Es mag sein, dass viele die Arbeit des Tierschutzes nicht als legitim oder unnütz sehen, aber dennoch hat es Respekt verdient. Ebenso wäre es wahrscheinlich auch von deiner Seite wünschenswert, wenn die Gesellschaft Respekt gegenüber der Arbeit für eine Besserstellung der SW entgegenbringen würde.

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Beitrag von Blanca »

Liebe Jasmin.

Ich habe mich zugegebenermaßen nicht näher mit dem Fall befaßt. Und auch ich habe eine lange Karriere als Tier- und Umweltschützer hinter mir. Auf Grund meiner Erfahrungen innerhalb einiger Organisationen stürze ich mich aber nicht mehr blindlings auf eine Seite - auch nicht auf die Seite der Beschützer von wem auch immer.

Blanca

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Beitrag von Hedera »

Ich hoff, du hast mich nicht falsch verstanden (Foren sind halt doch nicht face-to-face). Blindlings auf Seite schlagen find ich ebenfalls nicht gut, aber gewalttätig würd ichs auch nicht nennen, das wollt ich damit sagen. Aber so vertritt eben jeder andere Ansichten und das ist auch gut, so bleiben Unterhaltungen spannend!

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Marc of Frankfurt
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Wie mit terrorverdächtigem Islamismus in Deutschland umgegangen wird.
Kritisches zum sog. Sauerlandurteil:
http://blog.fefe.de/?ts=b56e8ba9

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Beitrag von Blanca »

Schon ok, hab Dich nicht falsch verstanden.
Ich bin auch dafür, daß Tiere und die Umwelt bestmöglich geschützt werden - aber ich unterstütze einfach nicht alle Methoden.

Blanca

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Beitrag von Hedera »

Ja, es sind ganz bestimmt nicht alle Methoden gerechtfertigt, da stimm ich dir voll und ganz zu. Ich bin halt gespannt in welchen Punkten die TierschützerInnen für schuldig gesprochen werden, sie selber weisen die Vorwürfe ab, fragwürdige Methoden wie Brandstiftung usw. benutzt zu haben. Ich hoff, sie habens wirklich nicht gemacht.

Der Artikel über "Islamismus" zeigt, dass Deutschland wohl auch dem Überwachungswahn verfallen ist...

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RE: Tierschutzprozess

Beitrag von tschik »

Ein imo sehr gut recherchierter artikel:
http://www.florianklenk.com/2010/02/nic ... _tiere.php

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Beitrag von Hedera »

"Sie seien nicht mehr bereit, „still zu leiden“, klagten die Grafs. Es seien Schutzgelderpressermethoden, mit denen sie hier terrorisiert würden. Die Versicherungen seien dabei, die Verträge für die Filialen zu kündigen. Genauso wie Balluch die Gräueltaten von Tierquälern dokumentierte, notierte Graf die Schandtaten radikaler Tierschützer. Graf reichte Fotos zerstörter Filialen, eingeschossener Schaufensterscheiben, demolierter Luxusautos und beschmierter Hausfassaden. Sogar Mitarbeiter, etwa die Pressesprecherin des Konzerns und eine Sekretärin, wurden durch Stalking, nächtliche Schreidemos und Vandalismus gequält. Grafs Kindern wurde in anonymen Mails wörtlich mit dem „Abschlachten“ gedroht."

Wenn das wirklich der Fall gewesen ist, dass diese Vorfälle wirklich von den 13 angeklagten TierschützerInnen initiiert worden sind, dann wär das ein unglaubliches Armutszeugnis. Ich hoffe, es ist nicht so, nicht zuletzt, weil es auch die ganze Tierrechtsarbeit in den Dreck ziehen würde...

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Blanca
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Beitrag von Blanca »

Ich glaube nicht, daß die Aktionen Einzelner der ganzen Tierschutzarbeit schaden würden.
Man kann sich ohne weiteres von solchen Methoden distanzieren.

Blanca

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Beitrag von Hedera »

Hoffentlich. Ich verbind den Namen Balluch doch mit vielen positiven Veränderungen, wär schad, wenn sich das ins Gegenteil verkehren würd...

Jasmin

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Lycisca
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Beitrag von Lycisca »

Von Balluch gibt es auch eine Gegendarstellung zu den Behauptungen im Klenk-Artikel (obiger Link, einer der Kommentare). Demnach wurden Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen: Wo er z.B. in einem Artikel die Tierschützer zu Besonnenheit aufruft wird ein unglücklich formulierter Satz herausgerissen, der bei genügend viel Bad-Will als Aufruf zu Ungesetzlichkeiten verstanden werden könnte.

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Beitrag von Blanca »

Balluch ist aber auch nicht gerade für seine Diplomatie bekannt..
Ich solidarisiere mich mit ihm überhaupt nicht - obwohl mir Tierschutz sehr am Herzen liegt.

Blanca