ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
Eddy
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Eddy »

A propos Behörden:

Die Gesundheitsämter sind gegen Zwangsberatung und Registrierung. Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes hat sich schon im März 2015 eindeutig positioniert:


http://www.stiftung-gssg.de/upload/Gesu ... z_2015.pdf


Aber dieser Sachverstand wurde von der Politik ignoriert.


Eddy

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Beitrag von Eddy »

Deutschland hat sich entschieden:

1. Ja, wir sind für die Diskriminierung von Prostituierten.

2. Ja, Sexarbeit ist keine normale Dienstleistung, sondern eine Arbeit besonderer Art, die solcher Sonderregelungen bedarf

3. Ja, wir finden es gut, dass eine arme Frau aus dem Ausland, die ohne Geld einreist, nicht sofort in den Club einchecken und Geld verdienen darf, sondern sich erst einmal jemanden suchen muss, der ihr das Geld für den Lebensunterhalt und alle sonstigen Kosten für die Zeit vorstreckt, bis sie alle Formalitäten erfüllt hat, dass sie dann endlich selbst arbeiten und Geld verdienen darf – um ihre zuvor aufgehäuften Schulden abzustottern

4. Ja, wir wissen, dass das bei den zunehmend knapperen personellen Ressourcen im öffentlichen Dienst (Registrierungsstellen; Beratungsstellen der Gesundheitsämter) nicht von heute auf morgen geht und die Frauen sich eben erstmal gedulden müssen, bis sie anfangen können zu arbeiten

5. Ja, wir finden es gut, wenn sich die angehenden DLs zur Überbrückung dieser Wartezeit erstmal verschulden müssen und sich damit in zusätzliche Abhängigkeiten begeben.

6. Ja, wir finden es gut, wenn auf diese Weise Zwangsprostitution und Zuhälterschaft gefördert werden. Bringt zusätzlichen Umsatz z.B. bei Luxuslimousinen und ähnliches Zeug, was sich der Normalbürger sowieso nicht leisten kann. Auch dafür müssen wir ja Kundschaft generieren. Die selbständig arbeitende, nur für sich selbst verantwortliche, von Männern (mit finanziellen Interessen an ihr) unabhängige DL passt nicht in unser Konzept.

7. Ja, wir finden es gut, dass sich – gegen entsprechende Geldforderungen oder zukünftige Umsatzbeteiligungen – ein Markt von „Servicedienstleistungen“ etablieren wird, der die ersteinreisenden DLs direkt am Flughafen oder Bahnhof empfängt und dann in den nächsten Tagen durch alle Formalitäten begleitet und mit ihnen gemeinsam erledigt – selbstverständlich gegen ein „angemessenes“ Honorar.

8. Ja, wir finden es gut, wenn die Frauen von ihren ersten Einnahmen erstmal alles an diejenigen abgeben müssen, die diese Serviceleistungen erbracht haben. Dann müssen sie nämlich mehr und länger arbeiten, bis sie ihre eigenen finanziellen Ziele erreichen. Auf diesem kleinen Umweg fördern wir gern die Prostitution.

9. Ja, wir finden es gut, wenn insbesondere Frauen mit höherem Bildungsstand wie Abiturientinnen, Studentinnen, Akademikerinnen usw., die Angst um ihre zukünftige Karriere außerhalb der Sexarbeit haben, wenn sie sich registrieren lassen würden, in Zukunft entweder nicht mehr in Deutschland der Sexarbeit nachgehen (sondern in andere Länder ausweichen), oder aber unregistriert d.h. illegal arbeiten, denn dann können wir sie entweder bestrafen, oder sie müssen sich einen Zuhälter suchen, der im Untergrund alles für sie organisiert und auch das Geld kassiert (so bleibt das Geld dann wenigstens weitgehend in Deutschland!)

10. Ja, wir finden es gut, dass durch den Selektionsmechanismus „Angst vor der Registrierung“ der durchschnittliche Bildungsstandard der legalen, offen als solche erkennbaren Prostituierten sinkt. Dies passt besser zu unserer Weltanschauung zu Prostituierten als Dummchen, die des staatlichen Schutzes vor den bösen Männern bedürfen.

11. Ja, wir finden es gut, wenn wir die Notlage der Frauen, die in der Prostitution arbeiten bzw. arbeiten wollen, verschlimmern, und wir finden es auch gut, wenn sich diese Frauen diskriminiert fühlen. Denn beides schreckt ab. Und Abschreckung ist uns wichtig!

12. Das wird ein Spaß, wenn in 20 oder 30 Jahren dank irgendwelcher Hacker bekannt wird, welche weiblichen Abgeordneten des Bukarester oder Sofianer Parlaments oder gar Ministerinnen dieser Länder zu ihren Studentenzeiten mal in Deutschland als Prostituierte registriert waren und den einen oder anderen Club von innen kennengelernt haben.

13. Noch sind alle DLs (ab 18) legal. Das wollen wir abschaffen. Es wird in Zukunft legale und illegale DLs geben. Und wir finden es gut, dass die Illegalen dann keinen Zugang mehr zu den Angeboten des Gesundheitssystems für DLs haben. Wir wissen aus internationalen Studien, dass in den Ländern, wo es eine Zweiteilung in legale und illegale DLs gibt, die sexuelle Gesundheit der Illegalen immer deutlich schlechter ist als die der Legalen. Wir wissen auch, dass Illegale viel höheren Gewaltrisiken ausgesetzt sind als Legale. Das finden wir gut und deshalb wollen wir das in Zukunft auch in Deutschland so haben.

14. Ja, wir finden es gut, dass Frauen Sexarbeit zukünftig nicht mehr einfach so „probeweise“ austesten können, ob das für sie überhaupt infrage kommt. Wir finden es gut, dass sie erst ein demütigendes Anmeldeprozedere durchlaufen müssen, bevor sie ihren ersten Kunden ausprobieren und ihr erstes Honorar in Empfang nehmen können. Das schreckt ab, und sie sind dann wenigstens ein für allemal als Hure registriert, auch wenn sie beim Anblick des ersten Kunden der Mut verlassen hat und sie gleich wieder ausgestiegen sind, bevor sie überhaupt richtig eingestiegen sind

15. Ja, wir halten den Sachverstand der Experten für überflüssig. Sachverstand wird bei politischen Entscheidungen nicht gebraucht und stört. Expertenwissen oder –meinungen sind bei solchen komplexen politischen Entscheidungsprozessen nur schädlich. Das gilt für die Statistiken der Kriminologen ebenso wie für die Stellungnahmen der Deutschen STI-Gesellschaft (DGSTI), der Gesundheitsämter bzw. des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, der Verbände/Gruppierungen der SexarbeiterInnen u.v.a.

16. Das Gesetz ermöglicht es, die Handlungsfähigkeit und das Gutmenschentum der deutschen Politiker zu demonstrieren. Kollateralschäden bei den Betroffenen (also der Zielgruppe des Gesetzes, die durch dieses Gesetz geschützt werden soll) sind hinzunehmen.


Was bleibt, ist die Resignation und Kapitulation aller, die mit Sachverstand unterschiedlichster Art und Fachrichtung gegen das Gesetz gekämpft haben. Der Krieg ist verloren.

Gleichzeitig ist dies ein Lehrstück, wie Politik in Deutschland handwerklich gesehen funktioniert. Wobei sich dann die Frage stellt, ob diese Qualität politischen Handelns auch in völlig anderen Bereichen so funktioniert, wo wir es nur nicht merken, weil wir von den anderen Bereichen nicht genug verstehen ….

Eddy

Klaus Fricke
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Klaus Fricke »

@ Eddy
! ! !

Nur diesen Satz
"Was bleibt, ist die Resignation und Kapitulation ..." mag ich nicht unterschreiben, auch wenn ich befürchte, dass eine entscheidende Schlacht bereits verloren ist. Ich hege die Hoffnung, dass sich noch einige Sexarbeitende mehr als jetzt (und Kundschaft und Betreibende) im Verlauf der Debatte um das Gesetz in diese einmischen werden und dass das Meinungsbild noch beeinflussbar ist. Und auch wenn das nur Marginalien am Entwurf zu verändern mag, ist ein sich bei Betroffenen veränderndes Bewusstsein, als Erfolg zu werten.

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Jupiter
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Jupiter »

Der Kampf ist sicherlich noch nicht verloren. Ich bezweifele, dass die vorgesehene Hurendatenbank verfassungsrechtlich wasserdicht ist.
Leider interessiert es diese Regierung überhaupt nicht (besonderer Vorreiter ist da die CSU), ob ein Gesetz der Verfassung entspricht.

Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)

Eddy
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Eddy »

Ich bin inzwischen sehr pessimistisch.

Was den Bundestag betrifft, ist kaum zu erwarten, dass sich die Mehrzahl der Abgeordneten intensiv in die Materie einarbeitet und auf Konfrontation mit dem Gesetz geht, Fraktionszwang hin oder her. Schließlich bietet ja ein JA zu dem Gesetz auch eine gute Gelegenheit, sich nach außen hin als Gutmensch zu präsentieren.

Was den Bundesrat betrifft, mag es tatsächlich das eine oder andere Land geben, das sich anders positioniert. Gut vorstellen könnte ich mir das bei Nordrhein-Westfalen, das mit seinem Runden Tisch Prostitution hervorragende Arbeit geleistet hat (ein leuchtendes Vorbild für andere Bundesländer!) und damit wirklich gute Argumente hat – sozusagen evidenzbasiert – gegen das Gesetz zu stimmen. Das wird aber nicht reichen, denn andere Länder haben sich für das Thema nicht interessiert und keine eigene Meinung entwickelt.

Was die Kommunen betrifft, die die eigentlich Betroffenen unter den staatlichen Organen sind, so ist festzustellen: die werden nicht gefragt. Die haben über das Gesetz nicht zu befinden, dürfen nicht mitstimmen, obwohl sie diejenigen sind, die es auszuführen haben. Die Gesundheitsämter, die zur Zwangsberatung gezwungen werden (obwohl sie eigentlich gerne nur freiwillig beraten würden), sind kommunal, und die Registrierungsstellen werden es wohl auch sein.

Um den Anliegen der DLs gerecht zu werden, möglichst schnell „einsteigen“ zu können, wenn sie in finanzieller Not hier ankommen, müssten Gesundheitsämter und Registrierstellen eigentlich einen „Rund-um-die-Uhr-Service“ anbieten. Das wird aber nicht möglich sein. Es werden für diese neuen Aufgaben keine neuen Mitarbeiter eingestellt werden. Diese Aufgaben werden quasi „nebenbei“ erledigt werden müssen, indem das noch jemand „dazugepackt“ bekommt. Wenn der dann Urlaub hat … In früheren Versionen war auch schon von recht hohen Qualifikationsanforderungen die Rede für diejenigen, die diese Zwangsberatungen durchführen dürfen/müssen …

Kein Landrat, kein Oberbürgermeister kann seinen kommunalen Gremien (als Entscheidungsträger)„verkaufen“, er brauche für den Schutz der Prostituierten zusätzliches Personal. Im allerbesten Fall lässt sich auf kommunaler Ebene noch Geld locker machen und Stellen schaffen oder erhalten, wenn es um Kindergesundheit, Kinderschutz oder aber Infektionsschutz für die Allgemeinheit (speziell MRSA/MRE-Problematik) und Ähnliches geht … aber für den „Schutz“ der Prostituierten? „Wie wollen Sie den Bürgern erklären, dass zum Schutz der Prostituierten die Grundsteuer, die Gewerbesteuern oder die Kreisumlage erhöht werden muss?“ und solche Sprüche müssten sich die Landräte und Oberbürgermeister anhören, wenn sie es wagen würden, an neue Stellen für diese Aufgaben zu denken …

Fazit: es werden die Kommunen sein, die dieses Gesetz in dieser Form auf keinen Fall wollen, aber die haben nicht mitzureden. Es fehlt neben Bundestag und Bundesrat eine dritte Instanz – die der Kommunen –, die ein die Kommunen bindendes Gesetz durchwandern müsste. Die gibt es nicht. Nur dort hätte es wirklich eine Chance zu scheitern.

Dennoch sehe ich hier eine kleine Chance: wenn die Kommunen verstehen würden, was da auf sie zurollt, könnten sie über ihre Landkreis- und Städtetage versuchen, auf die Landesregierungen Einfluss zu nehmen, dass die auf Bundesratsebene intervenieren.

Und was das Verfassungsgericht betrifft, dürfte es Jahre dauern, bis eine solche Frage beim Verfassungsgericht geklärt ist – verhindern kann das Verfassungsgericht das Gesetz also sowieso nicht mehr. Am Ende gibt es dann vielleicht einen „faulen“ Kompromiss wie z.B. Löschungsfristen oder bestenfalls Pflicht zur sofortigen Datenlöschung, wenn die Frauen ihren „Hurenpass“ endgültig zurückgeben und damit ihr „Recht auf Sexarbeit“ aufgeben.



Um noch etwas anzumerken: Beratung in Gesundheitsfragen und zu gesundheitlichem Schutz und Risiken ist zunächst mal eine gute Sache, gegen die kaum jemand etwas wirklich Vernünftiges vorbringen können wird.

Eine solche Beratung macht aber nur Sinn, wenn sie freiwillig geschieht, und sie macht schon gar keinen Sinn, wenn die Frauen dazu gezwungen werden in einer Situation, in der sie gar nicht aufnahmefähig sind, weil sie mit viel zu vielen anderen Problemen belastet oder viel zu nervös und aufgeregt sind ... es gibt hier im Forum einen Thread, wo sich DLs darüber austauschten, wie aufgeregt und nervös sie vor ihrem ersten Arbeitstag, ihrem ersten Kunden waren (und dass es dann alles nicht so schlimm war ...) ... und genau in diese Situation hinein möchte man eine "Lehrstunde" einbauen?

Das wird eher eine "Leerstunde": das geht ins eine Ohr rein und aus dem anderen gleich wieder raus - da bleibt nichts hängen.

Und dabei sind DLs sehr aufgeschlossen und hoch interessiert an diesen Themen ... oft auch schon gut vorgebildet und haben eher Spezialfragen ... aber bitte zur richtigen Zeit und nicht zur Unzeit. Und nicht als Zwang, sondern als freiwilliges, sehr niederschwelliges, an den TATSÄCHLICHEN Bedürfnissen und Fragen der DLs orientiertes Angebot.

Eddy

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Hamster
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Beitrag von Hamster »

Auch ich wusste bis jetzt nicht, dass das Prostitutionsgesetz ueberarbeitet wird. Erst seit meiner Registrierung bei www.sexworker.at erfuhr ich davon. Hier ein ganz grosses Lob an Euch bei der Aufklaerung!!! :love7
Schlimm, dass Vieles wieder in alte 60-iger Jahre zurueckfaellt.
Solange ich nicht diesselben Rechte wie eine freiberufliche Selbststaendige habe, der SW-Beruf in Augen der Nicht-SW nicht "normal" ist, nicht anerkannt wird und SW weiterhin stigmatisiert werden, moechte und brauche ich keinen verdammten Hurenpass. Ich bin nicht im Hitlerzeitalter, wo Juden mit einem Stern gebrandmarkt wird; ich muss mich nicht mit einem Hurenpass markieren!
Ich durchlief ein Behoerdenmarathon und zahle genug Steuern und den Solidaritaetszuschlag. Jaaa, das sehen die feinen Politiker gerne!
Ohne uns eigentlichen SW gaebe es keine Sexindustrie wie Werbeleute, Sexartikelindustrie, Zimmervermieter etc., die alle an uns SW was verdienen, die aber nicht so stigmatisiert werden wie SW.
Auch auf eine Zwangsgesundheitsberatung kann ich sehr gut verzichten. Ich bin nicht bloed und vernachlaessige freiwillig meine eigene Gesundheit, sondern gehe freiwillig privat zum Frauenarzt, der gar nicht weiss, dass ich als SW taetig bin. (Moeglich, weil ich diese spezielle Arztrechnung selbst aus eigener Tasche bezahle, so dass die KK nichts erfaehrt). Die Freizeitswinger, also die Nicht-SW, die in Swingerclubs ihren Spass haben, sind gesundheitsmaessig weitaus gefaehrlicher!
Seit ich seit 2009 allein als selbststaendige SW arbeite (vorher 2 Jahre lang mit anderen Kolleginnen in anderen Wohnungen), betraten bisher 7 Mal Polizisten in zivil meine Wohnung, wo ich allein arbeite, und verlangten meinen Ausweis. Auf meine Frage, was das solle, meinten sie, es diene nur meinem Schutz. Boah, dass ich nicht lache. Ich war stinksauer und sie rauben mir den letzten Nerv! :angryfire :angryfire :angryfire :angryfire :angryfire
Das dient einfach nur der Kontrolle!

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Beitrag von Hamster »

Unsinnig finde ich auch die Gesetzesregelungswut der Politiker, wie lang, krumm oder schief die Gurken oder Bananen gefaelligst zu sein haben.

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fraences
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Beitrag von fraences »

das neugeplante Prostituiertenkontrollgesetz: Zwangsregistrierung, Hurenpass...

https://rdl.de/beitrag/das-neugeplante- ... -hurenpass
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Beitrag von Lycisca »

Hamster hat geschrieben:Seit ich seit 2009 allein als selbststaendige SW arbeite (vorher 2 Jahre lang mit anderen Kolleginnen in anderen Wohnungen), betraten bisher 7 Mal Polizisten in zivil meine Wohnung, wo ich allein arbeite, und verlangten meinen Ausweis.
Lass dir von den Polizisten ebenfalls den Ausweis zeigen und teile ihnen mit, dass sie dir schriftlich Aufklärung über deine Rechte geben sollen und wo du dich beschweren kannst ... das sind zwar nur Steinchen im Behördengetriebe, aber wenn das jede SW macht, wird diese Kontrolle für die Polizei irgendwann zu mühselig.

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Beitrag von Kasharius »

@Eddy

nur kurz eine Anmerkung bezüglich des Bundesverfassungsgericht: Gerade die Rechtssprechung zur Vorratsdatenspeicherung zeigt, daß Gesetze hier sehr schnell und umfassend gekippt werden können. In Bezug auf das auch beim sog. Hurenpass greifende Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sind die Verfassungsrichter sehr sensibel - und der EUGH, wenn es um die Freizügigkeit innerhalb Europas geht erst Recht. Der sog. Hurenpass betrifft ja nicht nur deutsche SW!

Ansonsten danke ich Dir einfach mal für DEine tollen und fundierten Beiträge hier im Forum.

Kasharius grüßt herzlich

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Beitrag von Hamster »

@Lycisca
Danke schoen fuer den Tipp!
Werde ich naechstes Mal so machen.

Bisher haben sie sich auch ausgewiesen, mich aber nicht ueber meine Rechte aufgeklaert, mir lediglich, nachdem ich meinen Ausweis gezeigt habe, die Visitenkarte des Polizeipraesidiums hinterlassen, damit ich dort anrufen kann, wenn mir als Prostituierte was passiert.

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Beitrag von fraences »

Ich habe Zweifel"
Gerhard Haase-Hindenberg

SPD-Expertin Ulrike Bahr über das geplante Gesetz


Ulrike Bahr ist für das Thema Prostitution die Berichterstatterin der SPD-Fraktion im Bundestag. Ihre Parteifreundin, Familienministerin Manuela Schwesig, hat den Auftrag, das von der Bundesregierung geplante "Prostituiertenschutzgesetz" auszuarbeiten. Es soll in den kommenden Monaten fertig werden.

http://www.welt.de/print/wams/article14 ... eifel.html
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Klaus Fricke »

Schön Frau Bahr, sie zweifeln.

Wie wäre es mit dann mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten, im Zweifel gegen staatliche Intervention? Oder doch lieber staatliche Gängelung? Oder doch lieber "Unsere Liebralität ist ein Holzweg" (Ulrich Mäurer, Innensenator Bremen, Weser Kurier vom 26.11.2013, Artikel "Problem Zwangsprostitution")?

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Beitrag von fraences »

Das Interview von Frau Bahr ist sehr schwach argumentiert.

Das Grundrechte für SexarbeiterInnen eingeschränkt wird, kein Wort dazu.

Schon bezeichnend für die SPD PolitikerInnen.
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Vergebliche Liebesmüh

Beitrag von translena »

Vergebliche Liebesmüh
Die Bundesregierung arbeitet an einem neuen Prostitutionsgesetz. Es soll Sexarbeiterinnen schützen – auch vor Menschenhändlern. Die bisherigen Ideen aber zeigen, dass es mit der Wirklichkeit der Frauen wenig zu tun hat. Eine Reise durch das deutsche Rotlichtgewerbe
Die Metamorphose dauert nur wenige Minuten. Eben noch war Jenny* in Jeans und Kapuzenpulli in ihrem roten Cabrio aus der Vorstadt-Idylle in Berlins hektische Mitte gefahren. In einem Nobelpuff verwandelt sie sich in eine verführerische Femme fatale – in einem kleinen Zimmer, das Schminkraum und Umkleidekabine ist und Aufenthaltsraum für alle, die nicht gerade nebenan ihrem Job nachgehen.
Jenny weiß, dass ein dicker Lidstrich die großen blauen Augen ihrer Wirkung berauben würde und knallig rote Lippen einen effektvollen Kontrast zu den naturblonden Locken bilden. Beim Make-up lässt sie nicht mit sich reden. Beim Kostüm schon. Sie sagt "Kostüm" und muss lachen. Es ist ein glucksendes Mädchenlachen, wenn sie davon erzählt, wie ein bekannter Fernsehschauspieler hier aufgetaucht sei und gesagt habe: "Ich mache fast den gleichen Job wie du! Man sagt mir, was ich spielen soll, und ich sage, wie viel Geld ich dafür haben will. Nur dass ich mein Kostüm meist anbehalte."
Der Schauspieler kommt heute wieder, sein Pseudonym steht für 18 Uhr in Jennys Terminbuch. Sie holt schon mal die Overknee-Stiefel aus dem Spind. Mit Zigarette im Mundwinkel wird sie ihm eine Weile missgelaunt gegenübersitzen. "Dirty talk" ist dann angesagt. Er wird vor ihr niederknien, am Absatz des Stiefels saugen. Irgendwann wird sie ihm die Gnade gewähren und ihre großen Brüste entblößen, für die sie viel Geld bezahlt hat, und ihm erlauben, sein Gesicht darin zu vergraben.
Bei ihm läuft es immer nach demselben Muster. Die meisten anderen Kunden wollen neue Sachen ausprobieren, aber auch die kennt Jenny seit Jahren. Laufkunden, das macht sie nicht mehr, dafür ist sie mit ihren 34 Jahren zu alt, findet sie. Das sollen ihre jüngeren Kolleginnen machen: in die Zimmer gehen, um sich immer neuen fremden Männern anzubieten. Sie hat einen anderen Plan. Zwischen Streckbank und Andreaskreuz liegt ihre berufliche Zukunft. Die Rollen, die von ihr als Domina erwartet werden, sind Lehrerin, Ärztin, Polizistin. Das können keine Teenager verkörpern.
Als Jenny noch Träume hatte, das ist fast 15 Jahre her, wollte sie Kosmetikerin werden. Wellness-Kosmetikerin. Die Ausbildung sollte ein Jahr dauern und mehr als 5000 Euro kosten. Eine Freundin hatte ihr von dem Job erzählt, mit dem sie das Geld bald zusammenhätte. In einem Jahr vielleicht. Jenny folgte ihr in ein Bordell in Wedding, dem ehemaligen Arbeiterbezirk im Berliner Norden. "Dort war es schmuddelig und die Kundschaft sehr multikulturell", sagt Jenny. Lange hätte sie das nicht gemacht. Dann kam ein Mann, der an Sex nicht interessiert war. Er stellte sich als Headhunter vor. Durch ihn kam sie in diesen Klub, wo sie deutlich mehr verdient.
Wenn man sie heute fragt, ob sie ihren Beruf gern macht, sagt sie: "Wenn ich mit einer anderen Arbeit in so kurzer Zeit dasselbe Geld verdienen würde, würde ich die machen."
Es passiert gerade etwas, das sie nicht einschätzen kann. Vor einiger Zeit war der Betreiber des Bordells zu den Damen in den Aufenthaltsraum gekommen. Er erzählte von einem neuen Gesetz, das geplant sei. Soweit er es verstanden habe, sollten sie sich alle demnächst registrieren lassen und auch an einer Gesundheitsberatung teilnehmen.
Die Bundesregierung will das Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002 überarbeiten. Gerade haben sich Union und SPD nach langen Verhandlungen auf einen Entwurf geeinigt, er kann nur in die Ressortabstimmung gehen. Die Grundideen sind bereits bekannt. Die Betreiber etwa sollen ihre Bordelle genehmigen lassen, wie andere Betriebe auch. Sie sollen eine Zuverlässigkeitsprüfung machen, wer vorbestraft ist, soll kein Bordell führen dürfen. Die Prostituierten sollen sich von einem medizinischen Dienst beraten lassen und sich danach bei einer Behörde anmelden. Das sind die wichtigsten Punkte. Die SPD will mit diesem Gesetz die Prostituierten besser schützen, die Union will es nutzen, um auch gegen Menschenhändler vorgehen zu können.
Doch schon jetzt stellt sich die Frage, ob die Politik die Lebenswirklichkeit im Sexgewerbe ausreichend berücksichtigt. Denn Prostituierte arbeiten in Deutschland unter so unterschiedlichen Bedingungen, dass man manchmal glauben könnte, sie gingen völlig verschiedenen Berufen nach.
Sie verdienen ihr Geld an sehr unterschiedlichen Orten. In Bordellen, die die Regierung strenger regulieren will. Auf sogenannten "Gangbang"-Partys, die die Regierung verbieten wollte, weil sie es für unwürdig hält, wenn ein paar wenige Frauen an einem Abend ein paar Dutzend Männer befriedigen sollen. Auf Online-Portalen, auf denen sich junge Frauen anbieten. An diesen Orten wird man eine Idee davon haben, ob das zusammenpasst: die Pläne der Regierung und die Wirklichkeit der Sexarbeiterinnen.
Niemand kann sagen, wie viele Männer und Frauen in Deutschland als Prostituierte arbeiten. Das ist das erste Problem. Hurenverbände gehen von etwa 70.000 aus, andere von 400.000. Die Experten der Sicherheitsbehörden halten 250.000 für realistisch. Aus dem Familienministerium, zuständig für das Gesetz, ist gar keine Zahl zu erfahren. Man wolle mit der Anmeldepflicht ja erst eine verlässliche Zahl ermitteln. Und wo soll diese Anmeldung erfolgen? Das Ministerium verweist auf eine Koalitionsvereinbarung aus dem Februar dieses Jahres. "Die Anmeldung erfolgt bei einer geeigneten Behörde durch persönliche Vorstellung", heißt es darin. Was aber könnte eine "geeignete Behörde" sein? Schweigen im Ministerium.
Deutsche Bürgermeister und ihre Kämmerer werden langsam nervös. Sie wollen sich nicht vorstellen, dass womöglich eine Viertelmillion Sexarbeiterinnen auf den lokalen Ordnungsämtern auftauchen, um sich registrieren zu lassen. Außerdem soll es auch "eine medizinische Beratung beim öffentlichen Gesundheitsdienst" geben. Und die "geeignete Behörde" soll herausfinden, ob eine Prostituierte "in einer Zwangslage durch Dritte ausgebeutet wird", ob es also Hinweise auf Menschenhändler im Hintergrund gibt. Dann nämlich müsse "die zuständige Behörde die für den Schutz der Person erforderlichen Maßnahmen" ergreifen. Das mag gut klingen, erfordert aber viel Personal, das Sachverstand und Empathie braucht. Und das die Behörden bisher nicht haben.
"Es wäre nicht das erste Gesetz, das einen großen Wasserkopf an Verwaltung nach sich zieht", sagt Ulrike Bahr, die zuständige Berichterstatterin der SPD-Fraktion im Bundestag. Ihre Kollegin von der CDU, Sylvia Pantel, glaubt dagegen, dass die Polizei die beste Behörde wäre, um die Kontrollen zu übernehmen. "Da sitzen Beamte, die dürfen nicht mal eben jemandem sagen, wer diesem Gewerbe nachgeht." Das soll heißen, bei der Polizei sind die Persönlichkeitsrechte der Prostituierten am besten geschützt.
Adickesallee, Frankfurt am Main. Im dritten Stock eines grauen Ziegelbaus hat die Abteilung K62 2 ihren Dienstsitz, eines der größten Ermittlerteams der Republik in Sachen Menschenhandel und Zwangsprostitution. Dessen Leiter heißt Jürgen Benz, ist Kriminalhauptkommissar und würde auch einen guten TV-Ermittler abgeben. Sportliche Figur, legeres Outfit, vor allem spricht er klare, druckreife Sätze, wie man sie sonst nur aus Drehbüchern kennt. Doch auch eloquenten Kriminalhauptkommissaren verschlägt es schon mal die Sprache. Als Benz und ein Kollege, der mit ihm zum Interview erschienen ist, den Vorschlag der CDU-Frau hören, blicken sie sich an und bitten, das Aufnahmegerät auszuschalten. Was sie sagen, lässt sich in einem kurzen Satz zusammenfassen: Gut gemeint, aber nicht praktikabel. Benz' Kollege, Kriminalhauptkommissar Stefan Bartz, fragt: "Was nutzt es mir, wenn sich eine Frau heute in Frankfurt als Prostituierte meldet und dann quer durch die Bundesrepublik zieht, aber weiterhin in Frankfurt gemeldet bleibt?" Das seien praktische Fragen aus dem Alltag der Ermittler, über die sich der Gesetzgeber noch gar keine Gedanken gemacht habe.
Prostitution funktioniert nicht selten wie ein Wanderzirkus. Oft arbeiten Frauen heute in Frankfurt, morgen in Karlsruhe, übermorgen in Hamburg oder München. Die Betreiber der Klubs und Bordelle wollen ständig neue Attraktionen anbieten. Das macht es Polizisten und Gesundheitsbehörden schwer, den Überblick zu behalten.
Auch Jana arbeitet an vielen Orten. Mehr als 70.000 Kilometer legt sie pro Jahr in ihrem Mittelklassewagen zurück, um zu all denen zu gelangen, die sie begehrlich finden. Vom Hamburger Erotikklub "Catonium" bis zur Berner "Zickenstube" reist die selbstbewusste Frau, die als "Bitchy Jana" längst einer der Stars im Erotikgewerbe ist. Wird ihr Erscheinen für eine Party angekündigt, zieht das die Kunden an.
Jana hat im Gegensatz zu Jenny, der Berliner Edelprostituierten, einen Beruf erlernt, bevor sie mit Sex ihr Geld verdiente. Nach dem Abitur machte sie eine Lehre zur Immobilienkauffrau, die sie mit Bestnoten abschloss. Sie hatte gute Jahre in ihrem Beruf. Dann aber haben chaotische Arbeitsverhältnisse und Intrigen sie krank gemacht. Nach einem Burn-out entschloss sie sich, ihr bisheriges Leben radikal zu ändern. Da war sie Ende 20 und mit ihrem Freund regelmäßig Gast in Hamburger Swingerklubs. Jana entdeckte, dass der Sex auch mit anderen Männern Spaß macht, und ihren Freund erregte es, dass ihr das Spaß macht. Inzwischen ist er ihr Mann.
Eine "ideale Konstellation", nennt Jana das. In der Berner "Zickenstube" mietet sie sich immer mal wieder für eine Woche ein und vereinbart Termine mit Kunden, die sie ganz allein für sich haben wollen. Überwiegend aber wird sie für professionelle "Gangbang-Partys" gebucht.
Sie erzählt gern, wie es vor acht Jahren einen Sachbearbeiter der Arbeitsagentur schockierte, als sie bei ihm ein Existenzgründungsdarlehen beantragte. Sie hatte ihm ihren Businessplan auf den Schreibtisch gelegt, der Mann überflog die Tätigkeitsbeschreibung für die Sexdienstleistungen und suchte mit hochrotem Kopf das passende Formular heraus. Jana bekam das Darlehen und meldete sich beim Gewerbe- und beim Finanzamt an. Es sollte schließlich ein professionell geführtes One-Woman-Unternehmen sein, mit einer für die Finanzbehörden erkennbaren Gewinnabsicht. Auch eine verpflichtende Gesundheitsberatung hält sie für eine gute Idee. Sorge bereitet ihr etwas anderes.
Immer wieder taucht in den Medien auf, dass Gangbang-Partys verboten werden sollen. Damit, sagt Jana, verdiene sie bis zu 80 Prozent ihres Jahreseinkommens. Niemand solle ihr sagen, dass das nicht mit "der Würde der Frau" vereinbar sei: kein Politiker und auch nicht Alice Schwarzer. Was sie als unwürdig empfinde, das entscheide sie selbst. "Beim Gangbang sind die Frauen der Boss im Ring!", sagt Jana mit einem Augenaufschlag, der jeden Zweifel verbietet.
Aber die Lebenswirklichkeit von Frauen wie "Bitchy Jana" oder Jenny hat nichts mit dem Elend zu tun, das etwa rund um das Frankfurter Bahnhofsviertel besichtigt werden kann. Nichts mit dem Alltag der Frauen, die hier arbeiten.
Zwischen Taunus-, Elbe- und Moselstraße bieten junge, meist osteuropäische Frauen in sogenannten Laufhäusern ihre Körper an. Sie stehen in verwinkelten Gängen, vor kleinen Zimmern mit Neonlicht und warten auf Kundschaft. Viele sprechen kein Deutsch. Die Männer laufen von Zimmer zu Zimmer, um zu sehen, bei welcher Frau sie fünf Euro Rabatt für den Geschlechtsakt aushandeln können. "Discount-Puffs" werden die Laufhäuser in den besseren Etablissements genannt. Es ist eine der Gegenden, die Jürgen Benz und seine Kollegen aus der Abteilung K62 2 besonders im Blick haben. Und die die Politik vor eine ganz besondere Herausforderung stellen.
Denn einerseits gibt es Frauen wie Jana und Jenny, die den Eindruck machen, dass sie ihren Beruf okay finden. Die Deutsch sprechen, schlagfertig sind und einem Kunden deutlich sagen können, wenn er sich nicht an die vereinbarten Spielregeln hält. Und es gibt Frauen, wie sie in den Laufhäusern des Frankfurter Bahnhofsviertels arbeiten. Frauen, die als junge Mädchen aus Rumänien, Bulgarien, Ungarn oder Afrika nach Deutschland kommen oder gebracht werden und die die Sprache nicht sprechen und das Land nicht kennen. Manchen Schätzungen zufolge kommen vier von fünf Prostituierten, die in Deutschland arbeiten, aus diesen Ländern.
Wer annimmt, dass irgendeine dieser Frauen aus freiem Willen in einem der Frankfurter Laufhäuser anschaffen geht, ist entweder grenzenlos naiv, oder er hat Gründe, sich das einzureden. So jedenfalls sehen es erfahrene Polizisten bundesweit, so sehen es auch der Frankfurter Kommissar Jürgen Benz und seine Leute. Manchmal können sie es beweisen.
Vor etwa drei Jahren war ihnen bei einer Kontrolle ein nigerianisches Mädchen aufgefallen, das sich versteckt hatte. Benz und seine Leute nahmen es mit auf die Wache, zur Vernehmung. Die junge Frau aber schwieg. Die Kommissare kennen die seltsamen Zeremonien, denen sich junge Afrikanerinnen in ihrer Heimat unterwerfen müssen. Voodoo-Zauber, ausgeführt von Priestern in dunklen Schreinen. Fortan stehen die Frauen unter einem Schwur. Hinzu kommt, dass sie durch Erfahrungen mit korrupten und gewalttätigen Polizisten in ihren Heimatländern kein Vertrauen zu Ermittlern haben. Doch das Wunder geschah. Das Mädchen begann schließlich doch zu sprechen. Offenbar waren die Qualen, denen es im Laufhaus ausgesetzt war, stärker als die Angst vor dem Voodoo-Zauber. Das Überraschende für die Beamten war, dass es sich bei den Zuhältern fast ausnahmslos um Frauen handelte, die einmal selbst als Prostituierte tätig waren. Vor wenigen Wochen urteilte das Landgericht Frankfurt in diesem Fall. Die Zuhälterinnen sitzen seither in einer hessischen Justizvollzugsanstalt.
Hauptkommissar Benz schätzt, dass in ganz Frankfurt etwa 1400 Frauen ihr Geld als Prostituierte verdienen – überwiegend in Laufhauszimmern, Terminwohnungen und FKK-Klubs. "Das sind alles Armutsprostituierte", sagt er. Aber wie soll man wissen, ob sie unter Zwang arbeiten? Und wie, ob es ein Zwang ist, wie ihn das Strafgesetzbuch meint? Benz sagt: "Für mich ist es eine Zwangsprostituierte, wenn ich das nachweisen kann. Wenn die Frauen mit uns nicht reden, kriege ich kein Verfahren."
Das genau ist das Problem. Das geplante Prostituiertenschutzgesetz wird daran wohl nichts ändern.
Die Union hegt nach wie vor die Hoffnung, damit den Menschenhändlern das Handwerk legen zu können. Die SPD aber weist zu Recht darauf hin, dass das Familienministerium dafür schlichtweg nicht zuständig ist. Das falle in die Zuständigkeit des Bundesjustizministers. Der Sozialdemokrat Heiko Maas arbeitet auch an einer Lösung. "Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass Verurteilungen von Menschenhändlern und Zuhältern künftig nicht mehr daran scheitern sollen, dass das Opfer nicht aussagt", teilt sein Ministerium mit. Und Maas selbst sagt der "Welt am Sonntag", dass er derzeit prüfen lässt, wie "Tatbestandsvoraussetzungen niedrigschwelliger gestaltet werden können". Gemeint ist: ab wann Menschenhandel rechtlich als Menschenhandel gilt – und zwar im Strafrecht, nicht in einem Prostitutionsgesetz. Sollte das bedeuten, dass belastbare Ermittlungsergebnisse der Polizei künftig ausreichen, um Menschenhändler anzuklagen und eventuell zu verurteilen, würde das den Frauen sicher sehr helfen.
Trotzdem sind Polizisten wie die Frankfurter Kommissare Benz und Bartz noch vorsichtig. "Ich arbeite seit sechs Jahren in diesem Bereich, und da ist das immer wieder angesprochen und wohl auch in den Ministerien diskutiert worden", sagt Bartz. Er könnte ebenso gut sagen, dass er an eine Lösung erst dann glaubt, wenn sie beschlossen ist.
Sein Kollege Benz hätte es "aus polizeilicher Sicht" außerdem gut gefunden, die Arbeit als Prostituierte erst ab einem Alter von 21 Jahren zu erlauben. Das hatte die CDU mal gefordert. Inzwischen ist das aber wieder vom Tisch. Die Gefahr ist zu groß, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Einschränkung des Rechts auf freie Berufswahl als verfassungswidrig ansieht. Benz aber ist überzeugt, dass ein Mensch mit 21 gefestigter ist als mit 18. Dass er seinen Willen und seine Grenzen besser kennt – und verantwortlicher entscheidet. "Ein normales 18-jähriges Mädchen aus bürgerlichem Hause wird sich nicht prostituieren – das glaube ich nicht", sagt er.
Allerdings scheint es, als habe die Zahl der Teenager, die sich prostituieren, in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Wer im Internet Portale wie Joyclub beobachtet, findet jedenfalls in Gruppen wie "Käufliche Lust" immer mehr Mädchen, die ihr Alter zwischen 18 und 21 Jahren angeben.
Sira ist 19, ein hübsches Mädchen mit auffällig grünen Augen und einem Unterlippenpiercing. Sie bietet seit einiger Zeit auf mehreren Online-Portalen einen Escort-Service an. Früher hat das mal bedeutet, dass man Herren zu geschäftlichen Essen oder sonst wohin begleitete, Sex danach war entweder nicht ausgeschlossen oder fest vereinbart. Inzwischen bedeutet Escort oft, dass eine Prostituierte an einen Ort kommt, an dem ein Freier sich schon aufhält. Vor drei Monaten hat Sira das zum ersten Mal getan.
Sie will im nächsten Jahr ihr Fachabitur machen. Ihre Mitschüler wissen, was Sira macht. Denn sie will offen damit umgehen, auch wenn das bedeutet, dass sich die eine oder andere ihrer Freundinnen vor ihr abwendet. Was auch geschah, als sie ihnen freimütig von ihrem "ersten Mal" erzählte.
"Ich musste mich schon überwinden", sagt sie. Aber dann kam ein liebenswerter Mann von Mitte 30 daher, der verheiratet ist und Kinder hat. Er hat mit seiner Frau eine Abmachung, dass sie einen Liebhaber haben darf, aber er nicht. Doch er hat sich nach einer Frau gesehnt, die vor allem etwas macht, was seine Frau nicht macht: Analverkehr. Sira hatte das bis dahin nie getan. Trotzdem nannte sie ihm eine Adresse und stieg dort zu ihm ins Auto. Am Tag darauf besuchte Sira in einer kleinen hessischen Landgemeinde das Gewerbeamt. Sie ließ sich als Prostituierte registrieren und wartet nun auf den Bescheid vom Finanzamt.
Sie sagt, der Job als Sexarbeiterin mache ihr Spaß. Allerdings hat sie eben erst damit begonnen, und es ist keinesfalls klar, ob das auch so bleibt.
Sira hat das, was Wissenschaftler und Kommissare wie Jürgen Benz eine "Missbrauchsbiografie" nennen. Sie war vier, als der beste Freund ihres Vaters ihr zum ersten Mal zu nahe kam. Das ging neun Jahre lang so, dass er sich an ihr rieb, sie begrapschte. Es gibt viele Frauen, die Ähnliches erlebt haben und irgendwann anfangen, als Prostituierte zu arbeiten. Es wurden unzählige Dissertationen über diesen Zusammenhang verfasst. Demnach ist Prostitution für manche Frauen ein Weg, die Kontrolle zurückzugewinnen, die Macht über Männer.
Als Sira 14 war, hatte sie ihre erste Liebesbeziehung – mit einer sechs Jahre älteren Frau. Bei Frauen, sagt sie, sei Liebe immer dabei. Bei Männern empfinde sie nur den körperlichen Akt. "Ein Traum von mir ist ein Männerkörper, der komplett ausgeschaltet ist – irgendwie robotermäßig. Also eben so, dass ich mit dem Körper anfangen kann, was ich will." Sie hat sich ein paar Regeln vorgenommen, um sich zu schützen. Sira trifft sich mit keinem Mann, dessen Gesicht sie nicht aus dem Internet kennt und dessen Stimme sie nicht am Telefon gehört hat. Sie sagt ihnen, was genau sie erregend findet: die Macht über Männer zu haben, die sie dafür bezahlen. Wovon sie ihnen nichts sagt, sind die heimlichen Fantasien, in denen sie ihnen entsetzliche Schmerzen zufügt.
Sira hatte einiges über das neue Gesetz gelesen. Auch die Sache mit dem Mindestalter von 21 Jahren. Wenn das komme, sagt sie, würde sie sich als Prostituierte abmelden, aber trotzdem weitermachen. Niemand sei gezwungen auf einer Internetplattform überhaupt ein Alter anzugeben. Und über den geplanten "Hurenausweis", den jede Prostituierte bei sich führen und auf Verlangen ihren Kunden vorzeigen solle, kann sie nur lachen. "Wenn das einer von mir verlangen würde, womöglich noch mit meinem realen Namen auf der Karte – ich würde ihm sagen: 'Na, dann nimm mal deinen Schwanz schön selbst in die Hand!'"
Es ist einer dieser Momente, die es in vielen Gesprächen für diese Geschichte gab. Momente, in denen es darum geht, dass der Staat Gesetzesvorschriften plant, aber nicht in der Lage ist zu kontrollieren, ob sie eingehalten werden. Momente, in denen man sich fragt, ob aus einem gut gemeinten Gesetz am Ende auch ein gutes Gesetz wird.
Das fragt sich Jenny, die Prostituierte aus dem Berliner Edelbordell, auch. Sie war gerade zwei Wochen im Urlaub. Jetzt erwartet sie ein volles Terminbuch – und neben dem Spind eine Registrierkasse. Der Bordellbetreiber hat sie aufgestellt. In einem anderen Berliner Etablissement, sagt er, seien ohne Vorwarnung plötzlich Steuerfahnder und Fahnder des Zolls aufgetaucht. Sie hätten die Dienstpläne der letzten drei Jahre gefunden. Natürlich hätten darin nur die Künstlernamen der Mädchen gestanden. Die Fahnder hätten die Betreiberin vor die Wahl gestellt: Entweder sie rücke die wahren Namen heraus oder sie bekomme eine "Buchprüfung, die sich gewaschen hat". Die Betreiberin sei schwach geworden, die Liebesdienerinnen bekamen Besuch, und das ging für einige nicht gut aus. Zwei der Damen hatten nebenbei Hartz IV bezogen, Sozialversicherungsbetrug nennt man das. Und zwei Südamerikanerinnen hatten keine Aufenthaltsgenehmigung.
Jenny weiß nicht, worüber sie sich mehr aufregen soll, über das Vorgehen der Beamten oder die Blödheit ihrer Kolleginnen. Und was soll die Registrierkasse bewirken?
Er wolle ein Symbol setzen für Steuerehrlichkeit, sagt der Bordellbetreiber, für den Fall der Fälle.
Jenny lacht ihr glucksendes Mädchenlachen. "Das ist doch ein Fake!" Schließlich könnte ja nur die Grundgebühr registriert werden, 80 Euro für die halbe und 140 Euro für die ganze Stunde. Jener Betrag also, den sich Prostituierte und Bordellbetreiber teilen. Das Gesamthonorar aber hängt von den individuellen Wünschen der Gäste ab.
Wer aber soll überwachen, was zwei Menschen hinter verschlossenen Türen vereinbaren? Das ist eine der Fragen, die offenbart, woran viele Vorschläge der Bundesregierung, das Gesetz zu ändern, bisher kranken. Denn kaum eine der gut gemeinten Ideen gibt auf diese Frage eine überzeugende Antwort. Das gilt schon für eine vergleichsweise läppische Regelung wie die Kondompflicht.
Jenny sagt, sie wisse, "dass manche junge Kollegin dort 'Französisch total' für 50 Euro anbietet". "Französisch total" ist die romantisierende Umschreibung für ungeschützten Oralverkehr. "Das zum Thema Kondompflicht!", sagt sie. Kondome zu benutzen sei ein Gebot der Vernunft, eine gesetzliche Vorschrift aber naiv.
Mit welcher ihrer Kolleginnen man spricht, in Berlin oder anderswo im Land, sie sagen fast alle dasselbe.
"Bitchy Jana" hat zwischen zwei Terminen einen Tag frei. Sie fährt nach Berlin, zu einem ungewöhnlichen Treffen. Wir haben sie und die beiden Expertinnen von SPD und Union eingeladen, Ulrike Bahr und Sylvia Pantel, um über das geplante Gesetz zu diskutieren. Es sind sehr unterschiedliche Welten, die da aufeinanderprallen.
Da ist Sylvia Pantel, CDU, die sehr resolut sein kann. Sie sagt: "Ich habe bisher immer in Wahlkreisen kandidiert, die nicht so gut betucht waren und wo sich Straßenstrich und Ähnliches befinden. Deshalb weiß ich auch, entgegen behüteten Kollegen, was abgeht."
Da ist Ulrike Bahr, die im Augsburger Stadtrat von dem Thema "schon was mitbekommen" hatte.
Und da ist Jana, die es für "die beste Entscheidung" ihres Lebens hält, dass sie aus ihrer Leidenschaft für Sex einen Beruf gemacht hat.
So richtig scheinen ihr das die beiden Politikerinnen nicht zu glauben, die Sache mit der Leidenschaft. Pantel tastet sich in dieses Gespräch hinein. Irgendwie ist ihr klar, dass diese Frau etwas anderes ist als die Mädchen auf dem Straßenstrich in ihrem Düsseldorfer Wahlkreis.
"Sind Sie alleinstehend?"
"O nein! Ich bin glücklich verheiratet, und das seit vielen Jahren."
"Und Ihr Mann toleriert Ihre Arbeit?"
"Wenn er es nur tolerieren würde, würde ich diesen Job nicht machen. Er aber hat eine Affinität dafür entwickelt."
Es ist etwas, das sich die Politiker und auch erfahrene Polizisten nur schwer vorstellen können. Doch Jana ist nur eine von vielen.
Es gibt junge, selbstbewusste Frauen und auch Männer, die ihre Körper verkaufen – weil sie das genau so wollen. Man trifft sie zum Beispiel auf Konferenzen, auf denen sie über Feminismus, Bordelle und Selbstbestimmung diskutieren. Diese Frauen wollen, dass sich der Staat möglichst raushält und ihre Geschäfte nicht kompliziert macht.
Es gibt andere, die – wie Sira – Geld brauchen und lieber ihre Körper an Freier vermieten, als jeden Tag in einem Büro zu sitzen oder einem Hotel zu arbeiten.
Und es gibt die, die keine Wahl haben. Weil sie jede Arbeit machen würden, um Geld zu verdienen. Oder weil sie gezwungen werden. Nur wie soll der Staat wissen, wen er schützen muss? Denn ausgerechnet die, die wirklich Schutz brauchen, haben die größte Scheu, mit der Polizei zu sprechen. Auch darauf hat die Regierung bisher keine Antwort.
Außerdem gibt es noch ein paar andere Dinge, von denen Frauen wie Jana gern hätten, dass die Politiker noch mal darüber nachdenken. Die Sache mit der Anmeldepflicht zum Beispiel.
Sie selbst habe sich angemeldet, sagt Jana, für sie sei das kein Problem gewesen. Aber was sei zum Beispiel mit der Nebenerwerbshure, der Hausfrau etwa, die sich am Abend ein wenig was dazuverdienen wolle? "Was ist, wenn sie nicht in Hamburg oder Berlin, sondern auf dem Land wohnt? Wenn sie sich dort auf der Gemeinde registrieren lässt, ist das doch noch am selben Tag im Ort herum!"
Ulrike Bahr, die Sozialdemokratin, nickt zustimmend.
Oder die Pflicht zur Gesundheitsberatung. Die finde sie gut und wichtig, sagt Jana. Aber man dürfe nicht erwarten, damit die Zwangsprostitution einzudämmen. "Vielleicht", sagt Jana, "macht man ja einem Zuhälter das Leben ein bisschen schwerer, wenn er mehrere Damen hat und er sie alle zur Gesundheitsberatung schicken muss. Aber keine schutzbedürftige Frau wird im Beratungsgespräch auf die Frage 'Können wir Ihnen weiterhelfen?' antworten: 'Ja, bitte!' Das können Sie vergessen."
Und vor allem will Jana wissen, was jetzt mit den Gangbang-Partys ist. Werden die verboten oder nicht? Für sie geht es um viel Geld.
"Solange keine Gewalt gegen die Frauen eingesetzt wird", sagt die CDU-Frau Sylvia Pantel, "also inszenierte Vergewaltigungen oder so, wird es kein Verbot geben." Es scheint, als hätte die Bundesregierung ihren ursprünglichen Plan aufgegeben. Noch vor ein paar Monaten hieß es, man wolle Gangbang-Partys verbieten.
Das ist eines der wenigen greifbaren Ergebnisse. Davon gibt es so viele nicht am Ende dieser Rundreise. Jenny sehnt sich im Berliner Edelpuff nicht nach staatlichem Schutz, Sira bei ihren online vereinbarten Terminen schon gar nicht. Den Zwangsprostituierten in den Laufhäusern und anderswo muss geholfen werden. Da aber hoffen die Kriminalhauptkommissare der Republik auf den Bundesjustizminister, nicht auf das neue Prostitutionsgesetz. Sylvia Pantel und Ulrike Bahr, die beiden Politikerinnen, verabschieden sich von Jana. Ob sie irgendeine Erkenntnis aus dieser Begegnung mitnehmen in den Deutschen Bundestag? Der Gesetzentwurf, an dem sie seit Monaten mitarbeiten, ist jedenfalls noch sehr theoretisch. Viele Probleme wurden erkannt, aber es gibt bislang kaum praktikable Lösungen. Keine jedenfalls, die allen Frauen im Prostitutionsgewerbe in jenen so unterschiedlichen Welten gerecht werden.
* Bei den Namen der Prostituierten handelt es sich um die Namen, unter denen sie arbeiten
http://www.welt.de/print/wams/article14 ... smueh.html

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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Große Koalition einigt sich auf Entwurf zum Prostituiertenschutzgesetz

Schauws (Grüne): Verpflichtende Gesundheitsberatung und Meldepflicht sind Rückschlag für Prostituierte
zwd Berlin (sv). Nach monatelangen Verhandlungen haben sich die Koalitionspartner mit Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) am Mittwoch auf einen Gesetzentwurf zum Prostituiertenschutzgesetz verständigt. Das Frauenministerium könne nun einen Gesetzentwurf auf den Weg bringen, der es mit dem Schutz der Prostituierten vor Fremdbestimmung ernst meine, erklärten die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Nadine Schön, und der frauenpolitische Sprecher, Marcus Weinberg.

Die Anmeldepflicht solle zukünftig für alle Prostituierten gelten – ohne Ausnahmen. Bordellbetreibern, die Prostituierte ohne Anmeldung arbeiten ließen, drohten empfindliche Strafen. Dabei blieben von der Bordellindustrie finanzierte Ärzte oder Beratungseinrichtungen im Anmeldungsprozess außen vor, da diese staatliche Aufgabe nur auf Behörden zu übertragen sei. Außerdem hätten laut Schön und Weinberg CDU/CSU gegen erheblichen Widerstand der SPD dafür gekämpft, dass die besondere Altersgruppe der 18- bis 20-Jährigen sich im Rahmen der Anmeldepflicht engmaschiger bei den Behörden vorstellen müsse. Damit könne diese Altersgruppe leichter und niedrigschwelliger im direkten Kontakt mit den Behörden Hilfe bekommen, wenn sie sie bräuchten.

Schauws (Grüne): Union treibt selbstbestimmte Prostituierte in die Illegalität

Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, begrüßte grundsätzlich eine Reform des Prostituiertengesetzes. Doch die verpflichtende Gesundheitsberatung und die Meldepflicht seien ein Rückschlag für die Prostituierten. Weder erreichten Zwangsberatungen Prostituierte, noch schützten sie sie, kritisierte Schauws. Eine Meldepflicht sei zudem datenschutzrechtlich bedenklich. Als widersprüchlich bezeichnete die Grünen-Politikerin das Argument der Union, mit dem Gesetzentwurf diejenigen schützen zu wollen, die fremdbestimmt arbeiteten. Die Union übersehe, dass sie selbstbestimmte Prostituierte auf die ungeschützte Straße, ins Dunkelfeld und in die Illegalität treibe.

Die Grünen setzen dagegen auf deutlich mehr freiwillige Angebote und Beratung von Prostituierten. Auch wenn sich über die Wichtigkeit der Beratung eigentlich alle einig seien, lasse die Bundesregierung doch offen, wie sie die Beratung durch die Länder stärken wolle, unterstrich Schauws. Ein Gesetz, das vor allem Pflichten statt Schutz für alle Prostituierten vorsehe, werde seinem Namen und seinem Ziel nicht gerecht.

http://www.zwd-online.de/index.php?PHPS ... tent_id=14
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Beitrag von Kasharius »

Tja, ich sag es nicht gerne aber Frau Schauws hat wohl recht. Ich verstehe auch noch nicht, wer den nach dem Konzept diese Zwangsberatung durchführen soll. Doch nicht etwa Polizisten oder Beamte in den Ordnungs- oder Gesundheitsämter. Und wie soll das konkret ablaufen: Wie bei der Schwangerenkonfliktberatung? Und wie soll das den europa- und grundrechtskonform laufen? Und was sagt äh...dingens...äh ach ja, ELLA dazu? Fragen über Fragen...ick wees et nicht...
.
.Jute Nacht.

Kasharius grüßt

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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Überwachung in der Prostitution
von Bodo Seip

Kein Bereich bleibt vor der flächendeckenden Überwachung verschont. Die Geschichte lehrt uns übrigens das totalitäre System immer als erstes eine Vollüberwachung etablieren. Nun, also auch die Sexarbeit soll überwacht und kontrolliert werden. Und so ganz nebenbei wird die Unverletzlichkeit der Wohnung abgeschafft.

Damit ist der Weg frei für die staatliche Überwachung bis ins Schlafzimmer. Denn bei der Sexarbeit fängt es an und wenn die Gesetze erst einmal geändert sind, dann kommt wahrscheinlich der Rest dran.

netzpolitik.org Anna Biselli

CDU/CSU sind stolz: „Im Prostitutionsgewerbe wird es keine Anonymität mehr geben."

Überwachung in der Prostitution - was hat es damit auf sich? Neben den großen Überwachungsausweitungen und Grundrechtsunterwanderungen durch Vorratsdatenspeicherung und Co. ist es leicht, den Blick dafür zu verlieren, dass Überwachungsbefugnisse auch in anderen Bereichen ausgeweitet werden. In Bereichen, die nicht jede und jeden betreffen und die daher gern untergehen.


https://www.scnews.info/deutschland-und ... stitution/



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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Regeln für die Rotlichtbranche

Einem neuen Gesetz zufolge sollen die Betreiber von Bordellen erstmals eine Genehmigung benötigen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Die Branche gedeiht, die Umsätze sind enorm, nur hineinschauen kann der Staat kaum in die Welt des Rotlichts und in all jene Orte im Land, an denen Prostituierte arbeiten. Die Bundesregierung will das ändern, seit einem Jahr ringen Union und SPD um ein Prostituiertenschutzgesetz. Nach langem Hin und Her soll kommende Woche ein Referentenentwurf von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) in die Ressortabstimmung gehen. Im September kommt das Gesetz ins Kabinett, hoffen Beteiligte. Ob der Zeitplan realistisch ist, weiß niemand. Die Sache bleibt schwierig, schließlich geht es um Dinge, bei denen zwischen Konservativen und Sozialdemokraten Weltanschauungen liegen - und zwischen Bund und Ländern noch einige Hürden.

Wenn kommt, was der Gesetzentwurf vorsieht, müssen Bordellbetreiber mehr Zeit auf Papierkram verwenden und den Nachweis, wen sie beschäftigen. Wer eine Prostitutionsstätte betreibt, braucht eine Erlaubnis, darf nicht wegen Gewalt oder Menschenhandels vorbestraft sein und muss Hygienestandards einhalten. Wer Flat-Rate-Sex zum Betriebsmodell macht, also unbegrenzten Sex zum Einmalpreis, dem soll der Laden geschlossen werden. Auch Gang-Bang-Partys in Bordellen sollen unterbunden werden, also die gewerbsmäßige Präsentation einer Frau beim Sex mit vielen Freiern. Praktiken, die gegen das sexuelle Selbstbestimmungsrecht verstoßen, will die Koalition auch nicht mehr bewerben lassen. Bis hier ist man sich einig. "Für uns ist das Entscheidende, dass wir mit diesem Gesetz erstmals umfangreiche und strenge Regeln für diejenigen schaffen, die Prostitutionsstätten betreiben", sagte der Staatssekretär im Familienministerium Ralf Kleindiek der Süddeutschen Zeitung.

Von einem allseits begrüßten Konsens kann aber keine Rede sein: Umstritten ist noch, wie hoch Geldstrafen bei Ordnungswidrigkeiten ausfallen. Die Kondompflicht für Freier hält die SPD für Schaufensterpolitik. Die Union konnte gynäkologische Pflichtuntersuchungen nicht durchsetzen, dafür aber die Festlegung, dass als Prostituierte auch Menschen gelten, die nur gelegentlich Sex für Geld anbieten.

Ärger gibt es noch um die Anmeldepflicht für Sex-Arbeiterinnen und -Arbeiter. Tritt das Prostituiertengesetz so in Kraft, wie es jetzt dem Kanzleramt zur Koordinierung vorliegt, wird für Prostituierte nicht nur eine jährliche Gesundheitsberatung Pflicht, für Unter-21-Jährige eine halbjährliche. Union und SPD betrachten dies als Hilfs- und Kontaktangebot. Auf Druck der Union sieht der Entwurf aber auch vor, dass Prostituierte sich überall anmelden müssen, wo sie arbeiten - und nicht wie zunächst geplant nur da, wo sie meistens ihr Geld verdienen. Wer also in einer anderen Stadt gebucht wird oder mit dem Wohnmobil zu einer Sportveranstaltung fährt, um sich zu prostituieren, muss nach dem Willen von CDU und CSU auch dort bei Behörden vorstellig werden.

"Die Hilfsangebote werden die Frauen nicht erreichen, wenn sie nur an einem Ort in Deutschland angemeldet sind, aber an vielen Orten unterwegs sind", sagt die CDU-Familienpolitikerin Nadine Schön. Die Realität zeige, dass Prostitution heute hochmobil sei. Um "mehr Transparenz" zu schaffen und zu verhindern, dass der Kontakt zu Behörden und Helfern abreiße, mache die Anmeldung an mehreren Orten Sinn. Für übertrieben hält Schön es jedoch, auch Gesundheitsberatung an jedem Arbeitsort zur Pflicht zu machen.

Unter Sozialdemokraten stößt die multiple Anmeldepflicht auf Widerstand. "Ich finde, es reicht, wenn Prostituierte sich einmal anmelden", sagt die Bundestagsabgeordnete und Sozialpolitikerin Carola Reimann (SPD). "Dann kann man diese Regelung erst einmal ausprobieren." Das Gesetz sehe ohnehin eine Evaluierung vor. Es gehe auch nicht darum, die Verfolgbarkeit von Prostituierten zu optimieren oder Bewegungsprofile zu erstellen. "Die Union hat den Menschenhandel im Blick. Wir regeln aber die legale Prostitution. Daraus ergibt sich die eine oder anderer Friktion." Als Schutz für Prostituierte, nicht als ordnungspolitisches Instrument, will die SPD das Gesetz verstanden wissen und warnt vor Überforderung der Kommunen. Sie müssen künftig Bordelle genehmigen und Prostituierte registrieren, bei Bedarf auch unter Alibinamen. Der Klarname wird dann beim Amt hinterlegt. Können Prostituierte kein Deutsch, sollen sie in ihrer Muttersprache informiert werden. "Die von der Union angestrebte Regelung würde nicht nur hohe bürokratische Kosten für Länder und Kommunen nach sich ziehen, sondern sie wäre auch für die Prostituierten kaum praktikabel", warnt die rheinland-pfälzische Frauenministerin Irene Alt (Grüne). Viele Prostituierte wechselten wöchentlich den Arbeitsplatz. "Das wären im Extremfall annähernd 50 Anmeldungen im Jahr." Protest kommt auch aus Brandenburg. "Ich lehne eine Registrierungspflicht für Prostituierte grundsätzlich ab. Etwas Vergleichbares gibt es in keiner anderen Branche und würde Prostituierte stigmatisieren", sagte Frauenministerin Diana Golze (Linke). Das klingt, als hätte die Debatte gerade eben erst begonnen.

http://www.sueddeutsche.de/politik/pros ... -1.2560898
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »


Neuer Entwurf: Schwesig will Prostitution strenger regulieren
Frauenministerin Schwesig: Verschärfte Regeln für Sexarbeiter


Frauenministerin Schwesig: Verschärfte Regeln für Sexarbeiter

Frauenministerin Schwesig hat dem Druck aus der Union nachgegeben: Nach SPIEGEL-Informationen soll es für Sexarbeiter strengere Regeln geben - auch für Gelegenheitsprostituierte.

Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) hat nach Informationen des SPIEGEL ihren Gesetzentwurf für das sogenannte Prostituiertenschutzgesetz auf Drängen der Unionsfraktion erneut verschärft. Vor allem die Regeln für Sexarbeiter werden strenger. (Diese Meldung stammt aus dem SPIEGEL. Den neuen SPIEGEL finden Sie hier.)

So sollen Prostituierte direkt mit einem Bußgeld belegt werden, wenn sie ihre Anmeldebestätigung nicht vorweisen können. Im ersten Entwurf aus Schwesigs Hause hatte es noch geheißen, dass die Verstöße "beharrlich" sein müssten, um als Ordnungswidrigkeit geahndet werden zu können.

Anders als bislang geplant wird auch "Gelegenheitsprostitution" unter das neue Gesetz fallen. Die Unionsfraktion hatte befürchtet, dass das Milieu diese sonst als Schlupfloch nutzen könnte. Außerdem müssen die Sexarbeiter ihre verpflichtenden Beratungsgespräche mit staatlichen Behörden führen.

Schwesig hatte vorgeschlagen, dass die Landesregierungen auch privat organisierte Fachstellen für die Beratung einsetzen können.

http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... 43092.html
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