Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot
Auch TERRE DE FEMME mischt ja bei der Diskussion um ein Sex-Kaufverbot, klar befürwiortend, kräftig mit, wie diese Presseerklärung verdeutlicht https://www.frauenrechte.de/presse/aktu ... egulierung
Und hier die Mitglieder des Vorstandes https://www.frauenrechte.de/impressum .
Demnächst dazu mehr. Ich bleibe dran.
Kasharius grüßt
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot
Auch wenn es vielleicht eher in den Steuerhreat gehört möchte ich an dieser Stelle die, sicherlich kontroverse Entscheidung des Bundesfinanzhofes zu ATTAC hier einstellen. Zumindest vor dem Hintergrund der Aktivitäten der Abgeordneten im Bundestg Breymaier (SPD) https://www.bundestag.de/abgeordnete/bi ... 680-518680 einserseits und deren Mitgliedschaft im Vorstand von Sisters e.V. anererseits (in beiden Fällen wird aktiv ein Sex-Kauf-Verbot propagiert!) halte ich die Entscheidungsgründe zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit für interessant und im Unterschied zu dem was ATTAC wiederfhren ist, oder Donna Carmen e.V. wiederfahren sollte, hier im Falle der "Schwesternschaft" (mindestens) für zwingender https://www.bundesfinanzhof.de/content/9-2019 . Über die politische Brisanz bin ich mir voll bewusst...
Ich bleibe dran
Kasharius grüßt
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot
Debatte über Prostitution
SPD-Politikerinnen wollen Verbot von Sexerwerb nach schwedischem Vorbild
Ist Prostitution legale Arbeit oder behindert sie die Gleichstellung von Frauen? Einige SPD-Politikerinnen wollen Bewegung in die Debatte bringen - und fordern ein Sexkaufverbot.
© Mathias Marx
Von Milena Hassenkamp
Oliver Berg/ DPA
Sonntag, 07.07.2019 11:18 Uhr
Es ist ein Streit, der von Frauenbewegung und Politik seit jeher sehr emotional geführt wird: Wie soll der Staat mit Prostitution umgehen? Einige Frauen in der SPD haben jetzt ein mögliches Verbot ins Gespräch gebracht, wie es zum Beispiel in Schweden existiert. Es bestraft die Freier, nicht die Prostituierten.
Im Kern geht es bei der Debatte um zwei Fragen: Gibt Prostitution Männern das Recht, Sex zu kaufen und würdigt dadurch die Frauen herab? Oder ist Prostitution eine Arbeit, die ebenso zu behandeln ist wie die Tätigkeiten anderer Berufsgruppen?
Entsprechend gespalten sind die Positionen. Auf der einen Seite stehen die Berufsverbände der Sexarbeiter, zahlreiche Politiker von Grünen und Linken sowie der deutsche Frauenrat und Amnesty International. Sie alle wollen die Sexarbeit schützen und Stigmata abbauen - indem sie die Wahl dieses Berufs als Entscheidung aus freiem Willen anerkennen. Aus ihrer Sicht sind die Bestimmungen des Prostitutionsschutzgesetzes, das seit 2017 in Kraft ist, dabei hinderlich.
Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die Sexarbeit nicht - oder nur in seltenen Fällen - als freiwillig ansehen und sie deshalb am liebsten verbieten würden. Irgendwo dazwischen verortet sich momentan die Mehrheit der SPD-Politiker, die Prostitution grundsätzlich auch als Arbeit betrachtet - und sie aber gerade deshalb durch Gesetze schützen und regulieren will.
In Deutschland wurde unter SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder deshalb 2001 ein Gesetz verabschiedet, dass die Prostitution in die Gesellschaft integrieren sollte. Prostituierte dürfen seitdem am Arbeitslosenversicherungs-, Gesundheits- und Rentensystem teilnehmen und können ihren Lohn einklagen. Die Diskriminierung sollte damit abgebaut werden.
2017 wurde nachgebessert: Am 1.Juli trat das Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. Sexarbeiterinnen müssen sich nun registrieren lassen, sind verpflichtet, regelmäßig zum Gesundheitsamt zu gehen und einen Nachweis mit ihren persönlichen Daten bei sich zu tragen.
Das Gesetz zeigte zunächst wenig Wirkung. Anfang 2019 ergab eine kleine Anfrage der FDP-Abgeordneten Gyde Jensen: Nur 76 von geschätzten 200.000 Prostituierten in Deutschland waren Mitte des vergangenen Jahres als Arbeitnehmerinnen gemeldet. Seitdem dürften die Zahlen gestiegen sein, wie Beispiele zeigen. So haben sich in Berlin bis zum Januar 2019 1248 Prostituierte bei den Behörden gemeldet, in Bremen sind 115 Sexarbeiterinnen registriert, in Saarbrücken 636. Dennoch dürften die Registrierungen noch immer nur einen kleinen Teil aller Sexarbeiterinnen ausmachen.
Parlamentskreis will "Prostitution überwinden"
Die Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier, bis 2018 Vorsitzende der SPD in Baden-Württemberg, wagt daher jetzt einen Vorstoß. Vor wenigen Tagen hat sie mit einem CDU-Kollegen einen fraktionsübergreifenden Parlamentskreis mit dem Namen "Prostitution überwinden" gegründet. Nach der Sommerpause sollen erste Treffen stattfinden, gemeinsam wollen sie Experten anhören und auf ein Sexkaufverbot hinarbeiten.
Breymaiers Standpunkt: Die Gesellschaft müsse sich intensiver mit der Frage auseinandersetzen, ob Prostitution verboten werden muss. "Ich wünsche mir, dass wir eine Haltung kriegen zu Prostitution. Wir haben eine Haltung zu Diebstahl. Es gibt trotzdem noch Diebstahl, aber wenn der Dieb erwischt wird, dann wird er bestraft."
Marijan Murat/ DPA
Leni Breymaier will mit ihrer Parlamentsgruppe ein Sexkaufverbot erreichen
Breymaier ist mit ihrer Forderung nicht allein. In Baden-Württemberg hat der SPD-Landesvorstand unlängst beschlossen, sich für die Umsetzung eines Sexkaufverbots einzusetzen, der bayerische Landesverband des Arbeitskreises Sozialdemokratischer Frauen (ASF) will das ebenfalls, auch die Europaabgeordnete und Vorsitzende des ASF, Maria Noichl, denkt darüber nach.
Die SPD-Frauen wollen das sogenannte "nordische Modell", das in Schweden seit 1999 gilt, für Deutschland anpassen. Freier können dort zu einer Geld- oder Gefängnisstrafe verurteilt werden. Die schwedische Regierung wollte damit zeigen, dass Prostitution eine Form von männlicher Gewalt gegen Frauen, also eine Menschenrechtsverletzung, ist - und als solche nicht akzeptiert werden kann. Inzwischen wird es auch in Norwegen, Island, Frankreich und Nordirland umgesetzt. Nicht die in der Sexarbeit anbietenden Frauen werden somit kriminalisiert, sondern der Kunde. Das Ergebnis ist, so oder so, einem Verbot von Prostitution gleich.
Das Modell ist daher nicht unumstritten: Einige Forscher kamen in einer Studie zu Frankreich zu dem Schluss, dass Sexarbeiterinnen seit dem Verbot stärker stigmatisiert werden als zuvor. Die Ausstiegsprogramme erreichten demnach nur wenige Frauen. Ob Prostitution und Menschenhandel in Schweden durch das Modell zurückgegangen sind, ist zudem laut einer anderen Studie nicht gesichert. Die Straßenprostitution finde weiter statt, allerdings versteckt, meint etwa Forscherin Susanne Dodillet. Die Arbeit werde damit gefährlicher.
EU-Parlament will nordisches Modell
In einer nicht bindenden Resolution hat das Europäische Parlament 2014 dennoch das nordische Modell für ganz Europa gefordert. Hinter diesem Entschluss steht Maria Noichl als Europapolitikerin. Als neue Chefin des ASF möchte sie das Thema weiter diskutieren - auch wenn sie in ihrem Arbeitskreis und auch in ihrer Partei noch keine Mehrheit dafür hat. Noichl sagt: "Ein Gesetz hat mit der Positionierung der Gesellschaft zu einem Thema zu tun." Wenn eine Gesellschaft entscheide, dass Frauenkörper nicht als Objekt zur Befriedigung von Männern da seien, dann sende das ein Signal.
Natürlich würde das nordische Modell auch Probleme mit sich bringen. Sie kenne die Sorge, durch ein Verbot würden die Sexarbeiterinnen in die Illegalität getrieben. Doch schon heute passierte ja Vieles bereits im Graubereich oder außerhalb der Innenstädte, da die Anwohnerinnen und Anwohner die Realität nicht sehen möchten. Ähnlich sieht es auch Breymaier, die feststellt, dass in der momentanen Situation vor allem Sexarbeiterinnen, die illegal aus Osteuropa oder Afrika kommen, keine Lobby haben.
Es gehe aber nicht immer nur um die beiden Extreme Zwangsprostitution und selbst bestimmte Sexarbeit, meint Noichl. "Dazwischen gibt es noch die ganzen Frauen, die sich aus Armut oder anderen nicht selbstbestimmten Situationen heraus prostituierten." Sie fordert deshalb vor allem Unterstützung beim Ausstieg und Alternativen.
Eigentlich, sagt die ASF-Chefin, gehe es beiden Lagern um das Gleiche: "Wir wollen die Situation der Frauen verbessern". Noichl fragt: "Kann es eine Gleichstellung und Achtung auf dem Arbeitsmarkt geben, wenn draußen am Straßenstrich Frauen zu kaufen sind als Objekte?"
https://m.spiegel.de/politik/deutschlan ... 75588.html
SPD-Politikerinnen wollen Verbot von Sexerwerb nach schwedischem Vorbild
Ist Prostitution legale Arbeit oder behindert sie die Gleichstellung von Frauen? Einige SPD-Politikerinnen wollen Bewegung in die Debatte bringen - und fordern ein Sexkaufverbot.
© Mathias Marx
Von Milena Hassenkamp
Oliver Berg/ DPA
Sonntag, 07.07.2019 11:18 Uhr
Es ist ein Streit, der von Frauenbewegung und Politik seit jeher sehr emotional geführt wird: Wie soll der Staat mit Prostitution umgehen? Einige Frauen in der SPD haben jetzt ein mögliches Verbot ins Gespräch gebracht, wie es zum Beispiel in Schweden existiert. Es bestraft die Freier, nicht die Prostituierten.
Im Kern geht es bei der Debatte um zwei Fragen: Gibt Prostitution Männern das Recht, Sex zu kaufen und würdigt dadurch die Frauen herab? Oder ist Prostitution eine Arbeit, die ebenso zu behandeln ist wie die Tätigkeiten anderer Berufsgruppen?
Entsprechend gespalten sind die Positionen. Auf der einen Seite stehen die Berufsverbände der Sexarbeiter, zahlreiche Politiker von Grünen und Linken sowie der deutsche Frauenrat und Amnesty International. Sie alle wollen die Sexarbeit schützen und Stigmata abbauen - indem sie die Wahl dieses Berufs als Entscheidung aus freiem Willen anerkennen. Aus ihrer Sicht sind die Bestimmungen des Prostitutionsschutzgesetzes, das seit 2017 in Kraft ist, dabei hinderlich.
Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die Sexarbeit nicht - oder nur in seltenen Fällen - als freiwillig ansehen und sie deshalb am liebsten verbieten würden. Irgendwo dazwischen verortet sich momentan die Mehrheit der SPD-Politiker, die Prostitution grundsätzlich auch als Arbeit betrachtet - und sie aber gerade deshalb durch Gesetze schützen und regulieren will.
In Deutschland wurde unter SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder deshalb 2001 ein Gesetz verabschiedet, dass die Prostitution in die Gesellschaft integrieren sollte. Prostituierte dürfen seitdem am Arbeitslosenversicherungs-, Gesundheits- und Rentensystem teilnehmen und können ihren Lohn einklagen. Die Diskriminierung sollte damit abgebaut werden.
2017 wurde nachgebessert: Am 1.Juli trat das Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. Sexarbeiterinnen müssen sich nun registrieren lassen, sind verpflichtet, regelmäßig zum Gesundheitsamt zu gehen und einen Nachweis mit ihren persönlichen Daten bei sich zu tragen.
Das Gesetz zeigte zunächst wenig Wirkung. Anfang 2019 ergab eine kleine Anfrage der FDP-Abgeordneten Gyde Jensen: Nur 76 von geschätzten 200.000 Prostituierten in Deutschland waren Mitte des vergangenen Jahres als Arbeitnehmerinnen gemeldet. Seitdem dürften die Zahlen gestiegen sein, wie Beispiele zeigen. So haben sich in Berlin bis zum Januar 2019 1248 Prostituierte bei den Behörden gemeldet, in Bremen sind 115 Sexarbeiterinnen registriert, in Saarbrücken 636. Dennoch dürften die Registrierungen noch immer nur einen kleinen Teil aller Sexarbeiterinnen ausmachen.
Parlamentskreis will "Prostitution überwinden"
Die Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier, bis 2018 Vorsitzende der SPD in Baden-Württemberg, wagt daher jetzt einen Vorstoß. Vor wenigen Tagen hat sie mit einem CDU-Kollegen einen fraktionsübergreifenden Parlamentskreis mit dem Namen "Prostitution überwinden" gegründet. Nach der Sommerpause sollen erste Treffen stattfinden, gemeinsam wollen sie Experten anhören und auf ein Sexkaufverbot hinarbeiten.
Breymaiers Standpunkt: Die Gesellschaft müsse sich intensiver mit der Frage auseinandersetzen, ob Prostitution verboten werden muss. "Ich wünsche mir, dass wir eine Haltung kriegen zu Prostitution. Wir haben eine Haltung zu Diebstahl. Es gibt trotzdem noch Diebstahl, aber wenn der Dieb erwischt wird, dann wird er bestraft."
Marijan Murat/ DPA
Leni Breymaier will mit ihrer Parlamentsgruppe ein Sexkaufverbot erreichen
Breymaier ist mit ihrer Forderung nicht allein. In Baden-Württemberg hat der SPD-Landesvorstand unlängst beschlossen, sich für die Umsetzung eines Sexkaufverbots einzusetzen, der bayerische Landesverband des Arbeitskreises Sozialdemokratischer Frauen (ASF) will das ebenfalls, auch die Europaabgeordnete und Vorsitzende des ASF, Maria Noichl, denkt darüber nach.
Die SPD-Frauen wollen das sogenannte "nordische Modell", das in Schweden seit 1999 gilt, für Deutschland anpassen. Freier können dort zu einer Geld- oder Gefängnisstrafe verurteilt werden. Die schwedische Regierung wollte damit zeigen, dass Prostitution eine Form von männlicher Gewalt gegen Frauen, also eine Menschenrechtsverletzung, ist - und als solche nicht akzeptiert werden kann. Inzwischen wird es auch in Norwegen, Island, Frankreich und Nordirland umgesetzt. Nicht die in der Sexarbeit anbietenden Frauen werden somit kriminalisiert, sondern der Kunde. Das Ergebnis ist, so oder so, einem Verbot von Prostitution gleich.
Das Modell ist daher nicht unumstritten: Einige Forscher kamen in einer Studie zu Frankreich zu dem Schluss, dass Sexarbeiterinnen seit dem Verbot stärker stigmatisiert werden als zuvor. Die Ausstiegsprogramme erreichten demnach nur wenige Frauen. Ob Prostitution und Menschenhandel in Schweden durch das Modell zurückgegangen sind, ist zudem laut einer anderen Studie nicht gesichert. Die Straßenprostitution finde weiter statt, allerdings versteckt, meint etwa Forscherin Susanne Dodillet. Die Arbeit werde damit gefährlicher.
EU-Parlament will nordisches Modell
In einer nicht bindenden Resolution hat das Europäische Parlament 2014 dennoch das nordische Modell für ganz Europa gefordert. Hinter diesem Entschluss steht Maria Noichl als Europapolitikerin. Als neue Chefin des ASF möchte sie das Thema weiter diskutieren - auch wenn sie in ihrem Arbeitskreis und auch in ihrer Partei noch keine Mehrheit dafür hat. Noichl sagt: "Ein Gesetz hat mit der Positionierung der Gesellschaft zu einem Thema zu tun." Wenn eine Gesellschaft entscheide, dass Frauenkörper nicht als Objekt zur Befriedigung von Männern da seien, dann sende das ein Signal.
Natürlich würde das nordische Modell auch Probleme mit sich bringen. Sie kenne die Sorge, durch ein Verbot würden die Sexarbeiterinnen in die Illegalität getrieben. Doch schon heute passierte ja Vieles bereits im Graubereich oder außerhalb der Innenstädte, da die Anwohnerinnen und Anwohner die Realität nicht sehen möchten. Ähnlich sieht es auch Breymaier, die feststellt, dass in der momentanen Situation vor allem Sexarbeiterinnen, die illegal aus Osteuropa oder Afrika kommen, keine Lobby haben.
Es gehe aber nicht immer nur um die beiden Extreme Zwangsprostitution und selbst bestimmte Sexarbeit, meint Noichl. "Dazwischen gibt es noch die ganzen Frauen, die sich aus Armut oder anderen nicht selbstbestimmten Situationen heraus prostituierten." Sie fordert deshalb vor allem Unterstützung beim Ausstieg und Alternativen.
Eigentlich, sagt die ASF-Chefin, gehe es beiden Lagern um das Gleiche: "Wir wollen die Situation der Frauen verbessern". Noichl fragt: "Kann es eine Gleichstellung und Achtung auf dem Arbeitsmarkt geben, wenn draußen am Straßenstrich Frauen zu kaufen sind als Objekte?"
https://m.spiegel.de/politik/deutschlan ... 75588.html
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot
Do 04.07.2019 | 21:45 | Kontraste
Deutschland – der Puff Europas Brauchen wir ein Prostitutionsverbot?
War die Legalisierung der Prostitution ein Fehler? Deutschland ist das Bordell Europas. Aus der SPD melden sich Frauen mit der Forderung nach einem Prostitutionsverbot zu Wort. Schweden und Frankreich haben dies bereits eingeführt. Dort werden Freier für den Sexkauf bestraft, nicht jedoch die Prostituierten - die Erfahrungen sind überwiegend positiv. Kontraste-Reporterinnen haben im Rotlicht-Milieu in Deutschland recherchiert. Sie trafen Armutsprostituierte, die unter unwürdigen Bedingungen in den Brandenburger Wäldern anschaffen, Zwangsprostituierte, die ihren Zuhältern entfliehen konnten und auch eine Frau, die freiwillig anschafft und nicht in die Illegalität gedrängt werden möchte. Doch ist saubere Prostitution überhaupt möglich?
Anmoderation: Eine Frau kaufen, für ne halbe Stunde, mit Haut und Haar und Anfassen – darf man das? Es ist auf jeden Fall legal in Deutschland. Wir haben eins der liberalsten Prostitutionsgesetze Europas. Das sollte Frauen aus ihrer Notlage holen, ihnen Sicherheit geben – hat es aber nicht. Tausende arbeiten nach wie vor nicht freiwillig, viele begeben sich weiter in Gefahr, wenn sie zu Freiern ins Auto steigen. Das Problem: Es geht, wenn es um Prostitution geht, um zwei völlig verschiedene Welten: Die selbstbewusste Sex-Arbeiterin mit der Steuerkarte und das Mädchen an der Ausfahrtstraße, das nichtmal auf Deutsch um Hilfe rufen kann. Bettina Malter und Caroline Walter über Sex-Arbeit und Sex-Ausbeutung. Direkt nebenan.
Sie tauchen plötzlich einfach auf. Am Rand der Bundesstraße 1, im Osten Brandenburgs. Nur wenige Kilometer vor der polnischen Grenze. Mitten im Wald. Die Frauen, die hier Sex anbieten, kommen meist aus Bulgarien, erfahren wir. Wir lernen Alexandra kennen. Sie geht mit uns dorthin, wo sie sonst Freier bedient. Sie erzählt uns, dass sie anschafft, weil ihre Mutter herzkrank ist und die Operationen sehr viel Geld kostet. Einen anderen Job hat die heute 31-Jährige nicht gefunden.
Alexandra
"Ich bin alleine nach Deutschland gekommen. Ohne Sprache, ohne Wohnung. Das alles war nicht gut gewesen. Ich hatte Angst, weil ich bin 25 Jahre alt gewesen. Das war sehr schwer."
Seit sechs Jahren prostituiert sie sich jetzt. Inzwischen fast täglich an der B1. Immer mit der Angst, dass der Freier zu dem sie einsteigt, schlecht zu ihr ist. Streit gibt es oft.
Alexandra
"Wenn Du nicht möchtest, dass der Kunde Dich anfasst, und er trotzdem weitermacht oder er nicht das tut, was Du sagst, dann nervt das. Und macht viel Stress."
Oft weigern sich die Freier, ein Kondom zu benutzen.
Alexandra
"Wenn ich sage: Ich will das nicht, und Freier sagen: Ich hab Dich aber bezahlt. Mache ich es trotzdem. Und kann nichts dagegen sagen."
Caro
"Und wie geht es dir damit?"
Alexandra
"Herz kaputt."
All das hier ekelt Alexandra an.
Uns fällt auf, dass an der Straße auch extrem junge Frauen stehen. Viele sprechen gar kein Deutsch. Als wir mit unserer Übersetzerin versuchen mit einer von ihnen ins Gespräch zu kommen, gibt es Ärger. Die Frau gegenüber versucht die Unterhaltung zu verhindern. Telefoniert. Passt sie hier auf? Ist das junge Mädchen freiwillig hier? Nur zehn Minuten später sind beide weg. Jemand hat sie abgeholt.
Wir erfahren: Das Ordnungsamt kontrolliert an der B1 nicht mehr. Wie kann das sein? Die Amtsdirektorin meint, ja der Straßenstrich sei gefährlich, aber sie hätte auch gar nicht das Personal, um das zu kontrollieren.
Roswitha Thiede, Amtsdirektorin Seelow-Land
"Man ist schon frustriert. Es gibt ja immerhin noch Bürger die sagen, könnt ihr nicht dafür sorgen, dass dieses Bild von der Straße verschwindet. Aber da müssen wir leider kapitulieren, wir müssen sagen dass uns die Hände gebunden sind, weil der Straßenstrich ist nun mal in Deutschland erlaubt."
Und zwar so liberal wie sonst kaum in Europa. Wir lesen im Netz von Männern, die nur deswegen herkommen. Deutschland Topreiseziel für Sextourismus. Wir finden Reiseseiten auf denen damit geworben wird: Tagsüber Sehenswürdigkeiten, nachts mit Guide ins Bordell. Sechs Tage für circa 3.000 Dollar.
Leni Breymaier (SPD), Bundestagsabgeordnete
"Wir sind das Bordell Europas. Aber nicht nur in Europa. Wir haben auf der Welt inzwischen einen Ruf wie Thailand. Man kommt nach Deutschland um mit dem Porsche 260 fahren zu können und anschließend kann man noch billig eine Frau ficken. Das ist Deutschland fürs Ausland und dafür schäme ich mich."
Eine rasante Entwicklung, so Breymaier, seit der Legalisierung der Prostitution Ende 2001. Unter dem legalen Deckmantel gebe es weiterhin Zwangsprostitution.
Eine Wohnung in Stuttgart. Hier sprechen wir mit zwei Frauen, die genau das erlebt haben. Sie sind aus Rumänien und erzählen uns: Die meisten Frauen werden in die Prostitution gezwungen. Bei Catalina war es ein Loverboy. Ein Partner, der anfangs Liebe vorgaukelt und sich dann als Zuhälter entpuppt.
Catalina
"Ich habe ein paar Tage nicht genug Geld gemacht. Da hat mein Zuhälter mich die ganze Nacht verprügelt. Ich war grün und blau von oben bis unten. Ich will mich nicht erinnern. Wenn sie mich gesehen hätten: Sie hätten gedacht, ich hatte einen Unfall. Das war die schlimmste Nacht meines Lebens."
Catalina schafft erst in Spanien an, landet in Italien, irgendwann in Deutschland: In Köln. Dortmund, Nürnberg, Stuttgart, von vielen Städten fehlt ihr der Name. Zwölf Jahre verfliegen wie im freien Fall. Sie hat mal zehn Männer am Tag, mal 15, 20, erzählt sie. Erst als ein Freier sie schwängert, schafft sie über eine Hilfsorganisation den Ausstieg.
Catalina
"Ich will nie wieder zurück. Ich ertrage es nicht, dass mich noch mal irgendwer anfasst."
Zwangsprostitution ist in Deutschland verboten, doch die Gesetze schützen die Frauen nicht, findet SPD-Politikerin Leni Breymaier. Es sei deshalb an der Zeit für eine radikale Lösung nach schwedischem Vorbild.
Leni Breymaier (SPD), Bundestagsabgeordnete
"Wir brauchen ein Prostitutionsverbot nach Nordischem Modell erstens um die Frauen zu schützen die bei uns sind und die die theoretisch zu uns kommen. Es geht mir am Ende des Tages auch um unsere Gesellschaft. Ich will in keiner Gesellschaft leben, in der ein Geschlecht das andere kaufen kann."
In Schweden hat das Nordische Modell seinen Ursprung. Vom ehemaligen Straßenstrich in Malmö ist heute nichts mehr zu spüren. Denn die Schweden haben für sich definiert: Prostitution ist Gewalt. Und deshalb wird jeder bestraft, der Sex kauft. Mit einem Bußgeld oder gar Haft. Bereits seit 20 Jahren gilt das. Kommissarin Karin Holmqvist findet: So kann sie besser gegen Zwangsprostitution ermitteln.
Karin Holmqvist, Leiterin der Polizeigruppe für Menschenhandel
"Wir verfolgen die Freier, aber wir arbeiten auch daran die Frauen zu identifizieren, die von Zwangsprostitution betroffen sind. Und weil das Gesetz erlaubt die Freier zu verfolgen, hilft uns das die Frauen zu finden."
Was sie außerdem erreicht haben: Einen landesweiten Kulturwandel. Die Schweden blicken jetzt anders auf Prostitution. Zur Wahrheit gehört aber auch: Es gibt sie immer noch.
Andere Länder wie Irland sind dem Beispiel von Schweden gefolgt.
Auch Nordirland, Frankreich, Norwegen und Island haben inzwischen ein Sexkaufverbot ohne die Frauen zu bestrafen.
Die Außenminister von Schweden und Frankreich riefen kürzlich alle EU-Länder auf, sie sollten Sexkauf verbieten. Um gemeinschaftlich den Menschenhandel zurückzudrängen.
Auch das EU-Parlament hat bereits 2014 für ein Verbot gestimmt. Und die Mitgliedstaaten aufgefordert, es einzuführen.
Aber hilft das Verbot wirklich?
Das Ausmaß des Menschenhandels lässt sich nur schwer in Zahlen fassen. Generell zeigen Studien: Dort, wo Prostitution legal ist, gibt es mehr Menschenhandel. Doch sobald es um konkrete Länder geht, fehlen unabhängige Daten. Vieles scheint daher Interpretation.
Die Bundesregierung lehnt ein Verbot deshalb auch ab.
Zitat
"Es konnte bisher insbesondere nicht belegt werden, dass die Einführung des Sexkaufverbots in Schweden einen Rückgang der Fälle von Menschenhandel zur Folge hat. (…) Ziel der Politik in Deutschland ist es, Frauen vor Gewalt zu schützen und sie dazu gerade nicht in die Illegalität zu drängen."
Keine Partei hat bisher Breymaiers Forderung nach einem Verbot übernommen. Auch Ulle Schauws von den Grünen findet: Ein Sexkaufverbot würde nur eine andere Gruppe benachteiligen.
Ulle Schauws (Bündnis 90/Die Grünen), Frauenpolitische Sprecherin
"Es gibt Menschen die sagen: Ich möchte in diesem Bereich arbeiten. Das als selbstbestimmte Entscheidung zu akzeptieren, finde ich richtig."
Damit meint sie Frauen wie Josefa Nereus in Hamburg. Sie nennt sich Sexarbeiterin. Die 33-Jährige ist seit zwei Jahren selbstständig. Und geht damit offen um, privat und im Netz. Auf Youtube hat die gelernte Mediengestalterin ihren eigenen Kanal, auf dem sie ihre Arbeit erklärt.
Josefa Nereus, Sexarbeiterin, Hamburg
"Es ist schon sehr belastend, immer wieder gefragt zu werden, ob ich das tatsächlich freiwillig mache, denn die Frage setzt ja voraus, dass ich es eventuell nicht freiwillig mache. Und das ist im Vergleich zu anderen Berufen auch eine extreme Ungleichbehandlung. Niemand fragt die Frau im Altenheim, ob sie das tatsächlich gerne macht, die alten Menschen zu pflegen. Da wird das einfach so vorausgesetzt, dass es in Ordnung ist. Für mich ist es ein Traumjob, was nicht bedeutet, dass ich auch mal ab und zu Tage habe, an denen ich denke, eeeeeh, aber alles in allem, bin ich sehr zufrieden mit dem Job."
Ihre Kunden, empfängt sie in einer Einzimmerwohnung und bietet Sexerlebnisse nach Maß. Die Mehrheit lehnt Josefa Nereus bereits am Telefon ab. Sie bedient nur die, denen sie nach einem Gespräch Vertrauen schenkt. Ein Sexkaufverbot nennt sie: ein Desaster.
Josefa Nereus, Sexarbeiterin, Hamburg
"In meinem Fall ist die größte Angst, die ich beim Sexkaufverbot hätte, ich bin ja geoutete Sexworkerin, dass ich meine Wohnung verliere und keine neue Wohnung bekomme. Und ich habe nicht die Ressourcen mir eine Eigentumswohnung in Hamburg zu leisten oder irgendwo anders. Ich hätte wirklich Angst, wo komme ich unter, wo kann ich überhaupt wohnen, wo kann ich weiter arbeiten, wenn ich nicht im Puff arbeiten. Ist ja auch die Frage. Wie wird das ausgelegt was für Arbeitsplätze sind dann tatsächlich noch möglich."
Für die einen mag es ein Beruf sein. Doch Deutschland versagt bisher dabei, Zwangsprostituierte vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. Die Forderung nach einem Verbot ist ein wichtiger Schritt, die Debatte neu zu führen.
Beitrag von Bettina Malter und Caroline Walter
https://www.rbb-online.de/kontraste/arc ... erbot.html
Deutschland – der Puff Europas Brauchen wir ein Prostitutionsverbot?
War die Legalisierung der Prostitution ein Fehler? Deutschland ist das Bordell Europas. Aus der SPD melden sich Frauen mit der Forderung nach einem Prostitutionsverbot zu Wort. Schweden und Frankreich haben dies bereits eingeführt. Dort werden Freier für den Sexkauf bestraft, nicht jedoch die Prostituierten - die Erfahrungen sind überwiegend positiv. Kontraste-Reporterinnen haben im Rotlicht-Milieu in Deutschland recherchiert. Sie trafen Armutsprostituierte, die unter unwürdigen Bedingungen in den Brandenburger Wäldern anschaffen, Zwangsprostituierte, die ihren Zuhältern entfliehen konnten und auch eine Frau, die freiwillig anschafft und nicht in die Illegalität gedrängt werden möchte. Doch ist saubere Prostitution überhaupt möglich?
Anmoderation: Eine Frau kaufen, für ne halbe Stunde, mit Haut und Haar und Anfassen – darf man das? Es ist auf jeden Fall legal in Deutschland. Wir haben eins der liberalsten Prostitutionsgesetze Europas. Das sollte Frauen aus ihrer Notlage holen, ihnen Sicherheit geben – hat es aber nicht. Tausende arbeiten nach wie vor nicht freiwillig, viele begeben sich weiter in Gefahr, wenn sie zu Freiern ins Auto steigen. Das Problem: Es geht, wenn es um Prostitution geht, um zwei völlig verschiedene Welten: Die selbstbewusste Sex-Arbeiterin mit der Steuerkarte und das Mädchen an der Ausfahrtstraße, das nichtmal auf Deutsch um Hilfe rufen kann. Bettina Malter und Caroline Walter über Sex-Arbeit und Sex-Ausbeutung. Direkt nebenan.
Sie tauchen plötzlich einfach auf. Am Rand der Bundesstraße 1, im Osten Brandenburgs. Nur wenige Kilometer vor der polnischen Grenze. Mitten im Wald. Die Frauen, die hier Sex anbieten, kommen meist aus Bulgarien, erfahren wir. Wir lernen Alexandra kennen. Sie geht mit uns dorthin, wo sie sonst Freier bedient. Sie erzählt uns, dass sie anschafft, weil ihre Mutter herzkrank ist und die Operationen sehr viel Geld kostet. Einen anderen Job hat die heute 31-Jährige nicht gefunden.
Alexandra
"Ich bin alleine nach Deutschland gekommen. Ohne Sprache, ohne Wohnung. Das alles war nicht gut gewesen. Ich hatte Angst, weil ich bin 25 Jahre alt gewesen. Das war sehr schwer."
Seit sechs Jahren prostituiert sie sich jetzt. Inzwischen fast täglich an der B1. Immer mit der Angst, dass der Freier zu dem sie einsteigt, schlecht zu ihr ist. Streit gibt es oft.
Alexandra
"Wenn Du nicht möchtest, dass der Kunde Dich anfasst, und er trotzdem weitermacht oder er nicht das tut, was Du sagst, dann nervt das. Und macht viel Stress."
Oft weigern sich die Freier, ein Kondom zu benutzen.
Alexandra
"Wenn ich sage: Ich will das nicht, und Freier sagen: Ich hab Dich aber bezahlt. Mache ich es trotzdem. Und kann nichts dagegen sagen."
Caro
"Und wie geht es dir damit?"
Alexandra
"Herz kaputt."
All das hier ekelt Alexandra an.
Uns fällt auf, dass an der Straße auch extrem junge Frauen stehen. Viele sprechen gar kein Deutsch. Als wir mit unserer Übersetzerin versuchen mit einer von ihnen ins Gespräch zu kommen, gibt es Ärger. Die Frau gegenüber versucht die Unterhaltung zu verhindern. Telefoniert. Passt sie hier auf? Ist das junge Mädchen freiwillig hier? Nur zehn Minuten später sind beide weg. Jemand hat sie abgeholt.
Wir erfahren: Das Ordnungsamt kontrolliert an der B1 nicht mehr. Wie kann das sein? Die Amtsdirektorin meint, ja der Straßenstrich sei gefährlich, aber sie hätte auch gar nicht das Personal, um das zu kontrollieren.
Roswitha Thiede, Amtsdirektorin Seelow-Land
"Man ist schon frustriert. Es gibt ja immerhin noch Bürger die sagen, könnt ihr nicht dafür sorgen, dass dieses Bild von der Straße verschwindet. Aber da müssen wir leider kapitulieren, wir müssen sagen dass uns die Hände gebunden sind, weil der Straßenstrich ist nun mal in Deutschland erlaubt."
Und zwar so liberal wie sonst kaum in Europa. Wir lesen im Netz von Männern, die nur deswegen herkommen. Deutschland Topreiseziel für Sextourismus. Wir finden Reiseseiten auf denen damit geworben wird: Tagsüber Sehenswürdigkeiten, nachts mit Guide ins Bordell. Sechs Tage für circa 3.000 Dollar.
Leni Breymaier (SPD), Bundestagsabgeordnete
"Wir sind das Bordell Europas. Aber nicht nur in Europa. Wir haben auf der Welt inzwischen einen Ruf wie Thailand. Man kommt nach Deutschland um mit dem Porsche 260 fahren zu können und anschließend kann man noch billig eine Frau ficken. Das ist Deutschland fürs Ausland und dafür schäme ich mich."
Eine rasante Entwicklung, so Breymaier, seit der Legalisierung der Prostitution Ende 2001. Unter dem legalen Deckmantel gebe es weiterhin Zwangsprostitution.
Eine Wohnung in Stuttgart. Hier sprechen wir mit zwei Frauen, die genau das erlebt haben. Sie sind aus Rumänien und erzählen uns: Die meisten Frauen werden in die Prostitution gezwungen. Bei Catalina war es ein Loverboy. Ein Partner, der anfangs Liebe vorgaukelt und sich dann als Zuhälter entpuppt.
Catalina
"Ich habe ein paar Tage nicht genug Geld gemacht. Da hat mein Zuhälter mich die ganze Nacht verprügelt. Ich war grün und blau von oben bis unten. Ich will mich nicht erinnern. Wenn sie mich gesehen hätten: Sie hätten gedacht, ich hatte einen Unfall. Das war die schlimmste Nacht meines Lebens."
Catalina schafft erst in Spanien an, landet in Italien, irgendwann in Deutschland: In Köln. Dortmund, Nürnberg, Stuttgart, von vielen Städten fehlt ihr der Name. Zwölf Jahre verfliegen wie im freien Fall. Sie hat mal zehn Männer am Tag, mal 15, 20, erzählt sie. Erst als ein Freier sie schwängert, schafft sie über eine Hilfsorganisation den Ausstieg.
Catalina
"Ich will nie wieder zurück. Ich ertrage es nicht, dass mich noch mal irgendwer anfasst."
Zwangsprostitution ist in Deutschland verboten, doch die Gesetze schützen die Frauen nicht, findet SPD-Politikerin Leni Breymaier. Es sei deshalb an der Zeit für eine radikale Lösung nach schwedischem Vorbild.
Leni Breymaier (SPD), Bundestagsabgeordnete
"Wir brauchen ein Prostitutionsverbot nach Nordischem Modell erstens um die Frauen zu schützen die bei uns sind und die die theoretisch zu uns kommen. Es geht mir am Ende des Tages auch um unsere Gesellschaft. Ich will in keiner Gesellschaft leben, in der ein Geschlecht das andere kaufen kann."
In Schweden hat das Nordische Modell seinen Ursprung. Vom ehemaligen Straßenstrich in Malmö ist heute nichts mehr zu spüren. Denn die Schweden haben für sich definiert: Prostitution ist Gewalt. Und deshalb wird jeder bestraft, der Sex kauft. Mit einem Bußgeld oder gar Haft. Bereits seit 20 Jahren gilt das. Kommissarin Karin Holmqvist findet: So kann sie besser gegen Zwangsprostitution ermitteln.
Karin Holmqvist, Leiterin der Polizeigruppe für Menschenhandel
"Wir verfolgen die Freier, aber wir arbeiten auch daran die Frauen zu identifizieren, die von Zwangsprostitution betroffen sind. Und weil das Gesetz erlaubt die Freier zu verfolgen, hilft uns das die Frauen zu finden."
Was sie außerdem erreicht haben: Einen landesweiten Kulturwandel. Die Schweden blicken jetzt anders auf Prostitution. Zur Wahrheit gehört aber auch: Es gibt sie immer noch.
Andere Länder wie Irland sind dem Beispiel von Schweden gefolgt.
Auch Nordirland, Frankreich, Norwegen und Island haben inzwischen ein Sexkaufverbot ohne die Frauen zu bestrafen.
Die Außenminister von Schweden und Frankreich riefen kürzlich alle EU-Länder auf, sie sollten Sexkauf verbieten. Um gemeinschaftlich den Menschenhandel zurückzudrängen.
Auch das EU-Parlament hat bereits 2014 für ein Verbot gestimmt. Und die Mitgliedstaaten aufgefordert, es einzuführen.
Aber hilft das Verbot wirklich?
Das Ausmaß des Menschenhandels lässt sich nur schwer in Zahlen fassen. Generell zeigen Studien: Dort, wo Prostitution legal ist, gibt es mehr Menschenhandel. Doch sobald es um konkrete Länder geht, fehlen unabhängige Daten. Vieles scheint daher Interpretation.
Die Bundesregierung lehnt ein Verbot deshalb auch ab.
Zitat
"Es konnte bisher insbesondere nicht belegt werden, dass die Einführung des Sexkaufverbots in Schweden einen Rückgang der Fälle von Menschenhandel zur Folge hat. (…) Ziel der Politik in Deutschland ist es, Frauen vor Gewalt zu schützen und sie dazu gerade nicht in die Illegalität zu drängen."
Keine Partei hat bisher Breymaiers Forderung nach einem Verbot übernommen. Auch Ulle Schauws von den Grünen findet: Ein Sexkaufverbot würde nur eine andere Gruppe benachteiligen.
Ulle Schauws (Bündnis 90/Die Grünen), Frauenpolitische Sprecherin
"Es gibt Menschen die sagen: Ich möchte in diesem Bereich arbeiten. Das als selbstbestimmte Entscheidung zu akzeptieren, finde ich richtig."
Damit meint sie Frauen wie Josefa Nereus in Hamburg. Sie nennt sich Sexarbeiterin. Die 33-Jährige ist seit zwei Jahren selbstständig. Und geht damit offen um, privat und im Netz. Auf Youtube hat die gelernte Mediengestalterin ihren eigenen Kanal, auf dem sie ihre Arbeit erklärt.
Josefa Nereus, Sexarbeiterin, Hamburg
"Es ist schon sehr belastend, immer wieder gefragt zu werden, ob ich das tatsächlich freiwillig mache, denn die Frage setzt ja voraus, dass ich es eventuell nicht freiwillig mache. Und das ist im Vergleich zu anderen Berufen auch eine extreme Ungleichbehandlung. Niemand fragt die Frau im Altenheim, ob sie das tatsächlich gerne macht, die alten Menschen zu pflegen. Da wird das einfach so vorausgesetzt, dass es in Ordnung ist. Für mich ist es ein Traumjob, was nicht bedeutet, dass ich auch mal ab und zu Tage habe, an denen ich denke, eeeeeh, aber alles in allem, bin ich sehr zufrieden mit dem Job."
Ihre Kunden, empfängt sie in einer Einzimmerwohnung und bietet Sexerlebnisse nach Maß. Die Mehrheit lehnt Josefa Nereus bereits am Telefon ab. Sie bedient nur die, denen sie nach einem Gespräch Vertrauen schenkt. Ein Sexkaufverbot nennt sie: ein Desaster.
Josefa Nereus, Sexarbeiterin, Hamburg
"In meinem Fall ist die größte Angst, die ich beim Sexkaufverbot hätte, ich bin ja geoutete Sexworkerin, dass ich meine Wohnung verliere und keine neue Wohnung bekomme. Und ich habe nicht die Ressourcen mir eine Eigentumswohnung in Hamburg zu leisten oder irgendwo anders. Ich hätte wirklich Angst, wo komme ich unter, wo kann ich überhaupt wohnen, wo kann ich weiter arbeiten, wenn ich nicht im Puff arbeiten. Ist ja auch die Frage. Wie wird das ausgelegt was für Arbeitsplätze sind dann tatsächlich noch möglich."
Für die einen mag es ein Beruf sein. Doch Deutschland versagt bisher dabei, Zwangsprostituierte vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen. Die Forderung nach einem Verbot ist ein wichtiger Schritt, die Debatte neu zu führen.
Beitrag von Bettina Malter und Caroline Walter
https://www.rbb-online.de/kontraste/arc ... erbot.html
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot
Danke @Ursa
ein Beitrag der sich zunächst um ausgewogene Stimmen bemüht, am Ende aber leider doch Partei für ein Sexkauf-Verbot zu ergreifen scheint. Dennoch halte ich dies - derzeit - in D (noch) nicht für mehrheitsfähig.
Wir bleiben dran
Kasharius grüßt
ein Beitrag der sich zunächst um ausgewogene Stimmen bemüht, am Ende aber leider doch Partei für ein Sexkauf-Verbot zu ergreifen scheint. Dennoch halte ich dies - derzeit - in D (noch) nicht für mehrheitsfähig.
Wir bleiben dran
Kasharius grüßt
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot
Für mich lautet doch die Kernfrage: Wenn es Alexandra und Catalina in ihrem Job schlecht ergangen ist, warum soll Josefa dann aber in ihrem nicht weiter arbeiten dürfen.
Und: Das sog. Nordische Modell hat sich immer mehr zu einem politischen Kampfbegriff verselbständigt der nach meiner Ansicht in letzter Konsequenz insbesondere Frauen das Recht abspricht, über ihren Körper selbstbestimmt verfügen zu können; und zwar eben genau mit dem Argument, das
Sex-Kaufverbot würde genau dies wieder gewährleisten.
Kasharius grüßt in der Hoffnung, dieses Kauderwelsch verstehe jemand zwinker
Und: Das sog. Nordische Modell hat sich immer mehr zu einem politischen Kampfbegriff verselbständigt der nach meiner Ansicht in letzter Konsequenz insbesondere Frauen das Recht abspricht, über ihren Körper selbstbestimmt verfügen zu können; und zwar eben genau mit dem Argument, das
Sex-Kaufverbot würde genau dies wieder gewährleisten.
Kasharius grüßt in der Hoffnung, dieses Kauderwelsch verstehe jemand zwinker

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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot
Lieber@Kasharius
ich verstehe dich sehr gut....
Du bringst es auf den Punkt. Es gibt verschiedene Situationen und Erfahrungen.
Es geht um das Selbstbestimmungsrecht der Frauen und dies verhindert das nordische Modell.
Warum sollten Josefa u.s.w. nicht weiter arbeiten dürfen, respektive mit der Kriminalisierung ihrer Kunden die Geschäftsgrundlage entzogen werden.
Und ein besserer Schutz für die anderen Frauen würde schon gar nicht erreicht. Das Problem wäre ja nicht gelöst, nur die Auswirkungen verschlimmert.
Zum Ende des Tages nun noch ein ermutigender Artikel der schon diesen Frühling in der Wochenzeitung WOZ erschienen ist. Auch hier sprechen verschiedene Frauen mit unterschiedlichen Erfahrungen bei ihrer Arbeit.
Aber der Grundtenor ist klar. Und die Argumentation sehr gut. Zudem ist der Artikel nicht wertend und wohltuend objektiv.
Grüsse
Nr. 16/2019 vom 18.04.2019
Sexarbeit
«Freier sind keine Kriminellen»
In der Debatte um ein Prostitutionsverbot kamen sie bisher kaum zu Wort: Sexarbeiterinnen über ihren Berufsalltag und darüber, wo die Probleme wirklich liegen.
Von Miriam Suter (Text) und Ursula Häne (Foto)
Princess Zuleikas* Sprache ist geschliffen: Ihr s zerschneidet die Luft wie scharfes Papier. Ihre Arbeit verlangt Präzision. Die 27-Jährige ist Sexualbegleiterin und Bizarr-Lady. Neben uns steht ein Queensize-Bett mit einer Hängevorrichtung aus Leder. Wer sich darauf legt, kann sich gleichzeitig die Handgelenke und Fussknöchel fesseln lassen, um dann ausgeliefert über der Matratze zu schweben. Zuleika arbeitet seit sechs Jahren in ihrem Beruf. Sie sei da so reingerutscht, erzählt sie: «Ich habe während meines Psychologiestudiums als Latexmodel gearbeitet und bin so in die Fetisch- und BDSM-Szene gekommen. Etwas später habe ich mich dann als Fetisch-Escort selbstständig gemacht.» Vor zwei Jahren ging das Studio im Industriequartier in der Zürcher Agglomeration auf, in dem sie momentan arbeitet. Als Sexualbegleiterin arbeitet Zuleika daneben mit Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder sexuellen Problemen, etwa die Potenz betreffend. «Ich bevorzuge achtsamen BDSM mit Bodywork- und Tantraelementen», erklärt sie. Die klassische Domina sei sie nicht.
Eine solche ist ihre Kollegin, Cassandra van Cane*. Die 30-Jährige kam wie Zuleika durch private Neigungen zum Beruf. Vor zwei Jahren lernte sie die Besitzerin des aktuellen Studios kennen und arbeitet nun hauptberuflich als Domina.
Im Sommer letzten Jahres machte die Zürcher Frauenzentrale mit ihrer Kampagne «Stopp Prostitution» Stimmung für die Bestrafung von Freiern in der Schweiz, «zum Schutz der Sexarbeiterinnen». Auf der Website der Kampagne kommt keine einzige Sexarbeiterin zu Wort. Es habe sich keine Frau outen wollen, schreibt die Frauenzentrale dazu auf Anfrage. Fest steht: Der Beruf der Sexarbeiterin ist so vielfältig wie die Frauen, die ihn ausüben. Eines haben aber alle Sexarbeiterinnen, mit denen die WOZ für diesen Artikel gesprochen hat, gemeinsam: Sie sind gegen die Einführung einer solchen «Freierstrafe», wie sie etwa Schweden oder Frankreich bereits kennen (vgl. «Das Schwedenmodell» im Anschluss an diesen Text).
Auch die 28-jährige Marie* verdient ihr Geld mit Sexarbeit. Nach ihrem Medizinstudium habe sie ein paar Monate auf ihrem gelernten Beruf im Spital gearbeitet, erzählt sie in der Küche der Fachstelle für Sexarbeit Xenia in Bern: «Diese Zeit war für mich schlimmer als die Arbeit, die ich heute mache. Ich fühlte mich dort zehnmal mehr prostituiert.» Der raue Umgangston im Team, die fehlende Wertschätzung ihrer Arbeit – für Marie war dieser Zustand nicht zu ertragen. Durch eine Freundin, die damals selber bereits seit einiger Zeit als Escort arbeitete, kam sie ins Sexgewerbe: «Ich habe einen starken Bezug zu meiner Sexualität und experimentiere gern. Meine Freundin meinte, ich sei vom Typ her perfekt geeignet für diesen Job.» Als Dauersingle sei sie One Night Stands ausserdem leid gewesen, und die Idee, für Geld mit fremden Männern zu schlafen, habe sie gereizt. Marie kündigte ihren Job und arbeitet heute Vollzeit in Studios und als Escort. «Ich kann durchaus auch Kunden ablehnen», sagt sie. «Wenn jemand zum Beispiel etwas verlangt, was ich nicht will, etwa Küssen oder orale Befriedigung ohne Kondom, das kommt ziemlich oft vor.»
Die Lust am Fetisch
Wer zu van Cane und Zuleika ins Zürcher Industriegebiet kommt, will vor allem eins: sich total hingeben. «Unsere Kundinnen und Kunden wollen Grenzen und Ängste überwinden und ihre Fantasien ausleben», sagt Zuleika. Auch verheiratete Männer seien dabei, das könne sie nicht verhindern. «Zu denen sage ich dann aber: Schauen wir, dass wir deine Frau auch hierherkriegen!» Das Zimmer mit dem Queensize-Bett ist bloss der sanfte Einstieg in die Welt der beiden Frauen. Fünf Räume umfasst ihr Reich. Etwa einen nachgebauten Klinikbehandlungsraum mit verschiedenen Reizstromgeräten oder die beiden Haupträume, so gross wie Fitnessstudios, mit Flaschenzügen an der Decke und nachgebauten Gefängniszellen. Praktisch jeder Fetisch wird hier bedient. Für beide Frauen ist klar: Verspürten sie selber keine Lust bei der Arbeit, könnten sie diesen Job nicht machen. «Es macht mich an, wenn jemand für mich an seine Grenzen und darüber hinaus geht», sagt van Cane.
Die drei Frauen können gut von ihrer Arbeit leben, und alle können frei darüber entscheiden, wie viel sie arbeiten und vor allem: mit wem. «Ich habe absolut kein Problem damit, mich als Sexarbeiterin zu bezeichnen», sagt Zuleika. «Denn genau das ist es ja, was ich tue. Aber ich habe Mühe mit dem gesellschaftlichen Stigma, das dem Beruf anhaftet.» Sie sagt aber auch: «Uns ist natürlich klar, dass wir uns in einer privilegierten Position befinden.»
Gedrückte Preise
Für Manuela* gilt das nicht. Die 46-jährige Tschechin lebt seit 2009 in der Schweiz. Wir sitzen am Tisch in einer 1,5-Zimmer-Wohnung in einer Kleinstadt im Aargau. Ein paar Meter daneben steht das Bett, bezogen mit Satinwäsche. Kondome und Gleitgel sind auf dem Nachttisch platziert. Manuela erzählt, dass sie in Tschechien zeitweise in einem Büro und später in einem Musikladen gearbeitet habe, «der ging dann aber zu». Sie spricht leise, fährt mit den Fingern über bald verblasste Narben auf den Unterarmen. Mit 26 Jahren verlor sie ihre Stelle, ihr Mann verliess sie. Manuela fing an, sich selber zu verletzen und in einem Bordell nahe der deutschen Grenze zu arbeiten. «Vielleicht habe ich diesen Job als eine Art Bestrafung für mich selbst gesehen. Ich glaube, ich hatte schon damals eine ziemlich schwere Depression», sagt sie.
Manuelas Weg in die Schweiz war lang, er führte sie durch verschiedene Bordelle in Tschechien, den Niederlanden, Deutschland und Italien, im Gepäck hatte sie einen Haufen Schulden wegen der Reisekosten – und in ihrer Heimat ein Kind. «Als ich schwanger war, hörte ich auf zu arbeiten. Der Vater ist kein Kunde. Das Geld reichte aber hinten und vorne nicht, und dann bekam ich ein Angebot aus der Schweiz.» Hier begann sie, in einem Saunaclub zu arbeiten, «der Chef war nett, aber ab und zu besoffen». Dann drohte er Manuela, ihr die Papiere wegzunehmen. Sie kündigte, erhielt die Aufenthaltsbewilligung B, wirtschaftet nun auf eigene Rechnung. Sie schickt Geld nach Hause, zu ihrem Kind und ihren Eltern. Ihre Anzeigen schaltet sie auf einer Internetplattform, Termine vereinbart sie per Telefon. Im Schnitt, «wenns gut läuft», hat Manuela drei Kunden am Tag. Sie arbeitet nie lange am gleichen Ort, immer bloss für einige Tage in unterschiedlichen Städten in der Deutschschweiz. Jeden Monat fährt sie für etwa eine Woche nach Hause.
Es habe sich einiges in den letzten zehn Jahren verändert, erzählt Manuela. Die Preise seien massiv gesunken, «vor allem wegen Frauen aus dem Balkan, die verlangen weniger». Auch einige Kunden wollten die Preise drücken, forderten dafür immer mehr und würden teilweise übergriffig: «Ich hatte schon Kunden, die mich festhielten, damit sie während des Sex den Gummi abziehen konnten.» Die Polizei gerufen habe sie aber noch nie. Es hilft ihr zu wissen, dass sie es könnte, «aber wenn die dann kommen, könnten sie merken, dass die Wohnung, in der ich arbeite, nicht korrekt gemeldet ist». 700 bis 1000 Franken pro Woche bezahlt Manuela für die kleinen Wohnungen, in denen sie arbeitet. Meistens werden diese Wohnungen illegal untervermietet; wie das genau läuft, weiss Manuela nicht. Das Mietverhältnis der Wohnung, in dem das Gespräch stattgefunden hatte, wurde einige Wochen später nach einer Anzeige der NachbarInnen bei der Staatsanwaltschaft aufgelöst.
Anna* befindet sich in einer ähnlichen Situation wie Manuela. Die 30-Jährige kam vor drei Jahren aus Bulgarien in die Schweiz, liess ihr Kind und eine Mutter ohne Arbeit in ihrer Heimat zurück. Seither arbeitet sie fast täglich auf dem Strassenstrich. Auch sie erzählt: «Viele Männer wollen Sex ohne Gummi. Aber das mache ich nicht, da können sie zu einer anderen.» Zu Hause in Bulgarien hat sie einen Job gefunden, für den Winter. Sie putzt Hotelzimmer. Eigentlich will Anna weg vom Strich. «Aber ich habe schon einige Male gesagt, dass ich nicht mehr zurückkomme, und stehe trotzdem immer wieder hier.»
Auch nach dem Vorfall, den sie vor ein paar Jahren mit einer Freundin erlebte, die ebenfalls auf dem Strich arbeitet: Drei Freier fuhren mit den Frauen «ins Nirgendwo hinaus», an einer Autobahnraststätte sei es zur Eskalation gekommen. «Die Männer waren sich nicht einig, wer uns bezahlt. Dann haben sie angefangen zu streiten, einer zückte ein Messer, wir bekamen Angst.» Einer der Männer habe die beiden Frauen mit dem Messer bedroht und geschrien: «Ich bringe euch Schlampen um!» Anna und ihre Freundin seien in einen nahe gelegenen Wald geflohen und hätten die Polizei gerufen. «Die kamen dann zwar, die Männer konnten aber vorher schon abhauen, und uns hat niemand geholfen. Die Beamten haben uns nicht einmal in die Stadt zurückgefahren.» Aufhören kommt auch für Manuela momentan nicht infrage, nicht bevor sie ihre Schulden abbezahlt hat. «Danach etwas anderes zu finden, wird aber sicher nicht einfach.»
Keine Lust auf ein Versteckspiel
Manuela sagt: «Freier sind keine Kriminellen. Ein solches Verbot befeuert bloss den Schwarzmarkt, das ist viel gefährlicher für die Frauen.» Sie habe Angst davor, dass Freier brutal würden und noch weniger bezahlen wollten, wenn sie kriminalisiert würden. Und für Anna steht fest: «Ich kann in der Schweiz keinen anderen Job machen als den auf dem Strich. Ich bin darauf angewiesen, dass ich dort einigermassen sicher bin.»
Für Marie ist ausserdem klar, dass Sexarbeit gesellschaftlich akzeptiert werden muss. Sie wünscht sich, eines Tages ihre Kinder von der Schule abholen und den anderen Müttern ganz einfach sagen zu können, was sie beruflich macht: «Viele Prostituierte macht das Doppelleben, das sie führen müssen, krank. Nicht die Arbeit selbst.» Zurück in der Zürcher Agglomeration, im Raum mit dem Queensize-Bett, stimmen dem auch Zuleika und Cassandra van Cane zu. «Ich fühle mich in meiner Eigenständigkeit bevormundet, wenn jemand meint, besser zu wissen, was gut für mich ist. Mit dieser Art von Feminismus kann ich nichts anfangen», sagt Zuleika. Und van Cane ergänzt: «Man sollte offen und transparent über Sexarbeit sprechen können, damit sich niemand erpressbar macht, weil man das hinter vorgehaltener Hand tun muss.»
* Namen der Redaktion bekannt.
https://www.woz.ch/1916/sexarbeit/freie ... riminellen
ich verstehe dich sehr gut....
Du bringst es auf den Punkt. Es gibt verschiedene Situationen und Erfahrungen.
Es geht um das Selbstbestimmungsrecht der Frauen und dies verhindert das nordische Modell.
Warum sollten Josefa u.s.w. nicht weiter arbeiten dürfen, respektive mit der Kriminalisierung ihrer Kunden die Geschäftsgrundlage entzogen werden.
Und ein besserer Schutz für die anderen Frauen würde schon gar nicht erreicht. Das Problem wäre ja nicht gelöst, nur die Auswirkungen verschlimmert.
Zum Ende des Tages nun noch ein ermutigender Artikel der schon diesen Frühling in der Wochenzeitung WOZ erschienen ist. Auch hier sprechen verschiedene Frauen mit unterschiedlichen Erfahrungen bei ihrer Arbeit.
Aber der Grundtenor ist klar. Und die Argumentation sehr gut. Zudem ist der Artikel nicht wertend und wohltuend objektiv.
Grüsse
Nr. 16/2019 vom 18.04.2019
Sexarbeit
«Freier sind keine Kriminellen»
In der Debatte um ein Prostitutionsverbot kamen sie bisher kaum zu Wort: Sexarbeiterinnen über ihren Berufsalltag und darüber, wo die Probleme wirklich liegen.
Von Miriam Suter (Text) und Ursula Häne (Foto)
Princess Zuleikas* Sprache ist geschliffen: Ihr s zerschneidet die Luft wie scharfes Papier. Ihre Arbeit verlangt Präzision. Die 27-Jährige ist Sexualbegleiterin und Bizarr-Lady. Neben uns steht ein Queensize-Bett mit einer Hängevorrichtung aus Leder. Wer sich darauf legt, kann sich gleichzeitig die Handgelenke und Fussknöchel fesseln lassen, um dann ausgeliefert über der Matratze zu schweben. Zuleika arbeitet seit sechs Jahren in ihrem Beruf. Sie sei da so reingerutscht, erzählt sie: «Ich habe während meines Psychologiestudiums als Latexmodel gearbeitet und bin so in die Fetisch- und BDSM-Szene gekommen. Etwas später habe ich mich dann als Fetisch-Escort selbstständig gemacht.» Vor zwei Jahren ging das Studio im Industriequartier in der Zürcher Agglomeration auf, in dem sie momentan arbeitet. Als Sexualbegleiterin arbeitet Zuleika daneben mit Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder sexuellen Problemen, etwa die Potenz betreffend. «Ich bevorzuge achtsamen BDSM mit Bodywork- und Tantraelementen», erklärt sie. Die klassische Domina sei sie nicht.
Eine solche ist ihre Kollegin, Cassandra van Cane*. Die 30-Jährige kam wie Zuleika durch private Neigungen zum Beruf. Vor zwei Jahren lernte sie die Besitzerin des aktuellen Studios kennen und arbeitet nun hauptberuflich als Domina.
Im Sommer letzten Jahres machte die Zürcher Frauenzentrale mit ihrer Kampagne «Stopp Prostitution» Stimmung für die Bestrafung von Freiern in der Schweiz, «zum Schutz der Sexarbeiterinnen». Auf der Website der Kampagne kommt keine einzige Sexarbeiterin zu Wort. Es habe sich keine Frau outen wollen, schreibt die Frauenzentrale dazu auf Anfrage. Fest steht: Der Beruf der Sexarbeiterin ist so vielfältig wie die Frauen, die ihn ausüben. Eines haben aber alle Sexarbeiterinnen, mit denen die WOZ für diesen Artikel gesprochen hat, gemeinsam: Sie sind gegen die Einführung einer solchen «Freierstrafe», wie sie etwa Schweden oder Frankreich bereits kennen (vgl. «Das Schwedenmodell» im Anschluss an diesen Text).
Auch die 28-jährige Marie* verdient ihr Geld mit Sexarbeit. Nach ihrem Medizinstudium habe sie ein paar Monate auf ihrem gelernten Beruf im Spital gearbeitet, erzählt sie in der Küche der Fachstelle für Sexarbeit Xenia in Bern: «Diese Zeit war für mich schlimmer als die Arbeit, die ich heute mache. Ich fühlte mich dort zehnmal mehr prostituiert.» Der raue Umgangston im Team, die fehlende Wertschätzung ihrer Arbeit – für Marie war dieser Zustand nicht zu ertragen. Durch eine Freundin, die damals selber bereits seit einiger Zeit als Escort arbeitete, kam sie ins Sexgewerbe: «Ich habe einen starken Bezug zu meiner Sexualität und experimentiere gern. Meine Freundin meinte, ich sei vom Typ her perfekt geeignet für diesen Job.» Als Dauersingle sei sie One Night Stands ausserdem leid gewesen, und die Idee, für Geld mit fremden Männern zu schlafen, habe sie gereizt. Marie kündigte ihren Job und arbeitet heute Vollzeit in Studios und als Escort. «Ich kann durchaus auch Kunden ablehnen», sagt sie. «Wenn jemand zum Beispiel etwas verlangt, was ich nicht will, etwa Küssen oder orale Befriedigung ohne Kondom, das kommt ziemlich oft vor.»
Die Lust am Fetisch
Wer zu van Cane und Zuleika ins Zürcher Industriegebiet kommt, will vor allem eins: sich total hingeben. «Unsere Kundinnen und Kunden wollen Grenzen und Ängste überwinden und ihre Fantasien ausleben», sagt Zuleika. Auch verheiratete Männer seien dabei, das könne sie nicht verhindern. «Zu denen sage ich dann aber: Schauen wir, dass wir deine Frau auch hierherkriegen!» Das Zimmer mit dem Queensize-Bett ist bloss der sanfte Einstieg in die Welt der beiden Frauen. Fünf Räume umfasst ihr Reich. Etwa einen nachgebauten Klinikbehandlungsraum mit verschiedenen Reizstromgeräten oder die beiden Haupträume, so gross wie Fitnessstudios, mit Flaschenzügen an der Decke und nachgebauten Gefängniszellen. Praktisch jeder Fetisch wird hier bedient. Für beide Frauen ist klar: Verspürten sie selber keine Lust bei der Arbeit, könnten sie diesen Job nicht machen. «Es macht mich an, wenn jemand für mich an seine Grenzen und darüber hinaus geht», sagt van Cane.
Die drei Frauen können gut von ihrer Arbeit leben, und alle können frei darüber entscheiden, wie viel sie arbeiten und vor allem: mit wem. «Ich habe absolut kein Problem damit, mich als Sexarbeiterin zu bezeichnen», sagt Zuleika. «Denn genau das ist es ja, was ich tue. Aber ich habe Mühe mit dem gesellschaftlichen Stigma, das dem Beruf anhaftet.» Sie sagt aber auch: «Uns ist natürlich klar, dass wir uns in einer privilegierten Position befinden.»
Gedrückte Preise
Für Manuela* gilt das nicht. Die 46-jährige Tschechin lebt seit 2009 in der Schweiz. Wir sitzen am Tisch in einer 1,5-Zimmer-Wohnung in einer Kleinstadt im Aargau. Ein paar Meter daneben steht das Bett, bezogen mit Satinwäsche. Kondome und Gleitgel sind auf dem Nachttisch platziert. Manuela erzählt, dass sie in Tschechien zeitweise in einem Büro und später in einem Musikladen gearbeitet habe, «der ging dann aber zu». Sie spricht leise, fährt mit den Fingern über bald verblasste Narben auf den Unterarmen. Mit 26 Jahren verlor sie ihre Stelle, ihr Mann verliess sie. Manuela fing an, sich selber zu verletzen und in einem Bordell nahe der deutschen Grenze zu arbeiten. «Vielleicht habe ich diesen Job als eine Art Bestrafung für mich selbst gesehen. Ich glaube, ich hatte schon damals eine ziemlich schwere Depression», sagt sie.
Manuelas Weg in die Schweiz war lang, er führte sie durch verschiedene Bordelle in Tschechien, den Niederlanden, Deutschland und Italien, im Gepäck hatte sie einen Haufen Schulden wegen der Reisekosten – und in ihrer Heimat ein Kind. «Als ich schwanger war, hörte ich auf zu arbeiten. Der Vater ist kein Kunde. Das Geld reichte aber hinten und vorne nicht, und dann bekam ich ein Angebot aus der Schweiz.» Hier begann sie, in einem Saunaclub zu arbeiten, «der Chef war nett, aber ab und zu besoffen». Dann drohte er Manuela, ihr die Papiere wegzunehmen. Sie kündigte, erhielt die Aufenthaltsbewilligung B, wirtschaftet nun auf eigene Rechnung. Sie schickt Geld nach Hause, zu ihrem Kind und ihren Eltern. Ihre Anzeigen schaltet sie auf einer Internetplattform, Termine vereinbart sie per Telefon. Im Schnitt, «wenns gut läuft», hat Manuela drei Kunden am Tag. Sie arbeitet nie lange am gleichen Ort, immer bloss für einige Tage in unterschiedlichen Städten in der Deutschschweiz. Jeden Monat fährt sie für etwa eine Woche nach Hause.
Es habe sich einiges in den letzten zehn Jahren verändert, erzählt Manuela. Die Preise seien massiv gesunken, «vor allem wegen Frauen aus dem Balkan, die verlangen weniger». Auch einige Kunden wollten die Preise drücken, forderten dafür immer mehr und würden teilweise übergriffig: «Ich hatte schon Kunden, die mich festhielten, damit sie während des Sex den Gummi abziehen konnten.» Die Polizei gerufen habe sie aber noch nie. Es hilft ihr zu wissen, dass sie es könnte, «aber wenn die dann kommen, könnten sie merken, dass die Wohnung, in der ich arbeite, nicht korrekt gemeldet ist». 700 bis 1000 Franken pro Woche bezahlt Manuela für die kleinen Wohnungen, in denen sie arbeitet. Meistens werden diese Wohnungen illegal untervermietet; wie das genau läuft, weiss Manuela nicht. Das Mietverhältnis der Wohnung, in dem das Gespräch stattgefunden hatte, wurde einige Wochen später nach einer Anzeige der NachbarInnen bei der Staatsanwaltschaft aufgelöst.
Anna* befindet sich in einer ähnlichen Situation wie Manuela. Die 30-Jährige kam vor drei Jahren aus Bulgarien in die Schweiz, liess ihr Kind und eine Mutter ohne Arbeit in ihrer Heimat zurück. Seither arbeitet sie fast täglich auf dem Strassenstrich. Auch sie erzählt: «Viele Männer wollen Sex ohne Gummi. Aber das mache ich nicht, da können sie zu einer anderen.» Zu Hause in Bulgarien hat sie einen Job gefunden, für den Winter. Sie putzt Hotelzimmer. Eigentlich will Anna weg vom Strich. «Aber ich habe schon einige Male gesagt, dass ich nicht mehr zurückkomme, und stehe trotzdem immer wieder hier.»
Auch nach dem Vorfall, den sie vor ein paar Jahren mit einer Freundin erlebte, die ebenfalls auf dem Strich arbeitet: Drei Freier fuhren mit den Frauen «ins Nirgendwo hinaus», an einer Autobahnraststätte sei es zur Eskalation gekommen. «Die Männer waren sich nicht einig, wer uns bezahlt. Dann haben sie angefangen zu streiten, einer zückte ein Messer, wir bekamen Angst.» Einer der Männer habe die beiden Frauen mit dem Messer bedroht und geschrien: «Ich bringe euch Schlampen um!» Anna und ihre Freundin seien in einen nahe gelegenen Wald geflohen und hätten die Polizei gerufen. «Die kamen dann zwar, die Männer konnten aber vorher schon abhauen, und uns hat niemand geholfen. Die Beamten haben uns nicht einmal in die Stadt zurückgefahren.» Aufhören kommt auch für Manuela momentan nicht infrage, nicht bevor sie ihre Schulden abbezahlt hat. «Danach etwas anderes zu finden, wird aber sicher nicht einfach.»
Keine Lust auf ein Versteckspiel
Manuela sagt: «Freier sind keine Kriminellen. Ein solches Verbot befeuert bloss den Schwarzmarkt, das ist viel gefährlicher für die Frauen.» Sie habe Angst davor, dass Freier brutal würden und noch weniger bezahlen wollten, wenn sie kriminalisiert würden. Und für Anna steht fest: «Ich kann in der Schweiz keinen anderen Job machen als den auf dem Strich. Ich bin darauf angewiesen, dass ich dort einigermassen sicher bin.»
Für Marie ist ausserdem klar, dass Sexarbeit gesellschaftlich akzeptiert werden muss. Sie wünscht sich, eines Tages ihre Kinder von der Schule abholen und den anderen Müttern ganz einfach sagen zu können, was sie beruflich macht: «Viele Prostituierte macht das Doppelleben, das sie führen müssen, krank. Nicht die Arbeit selbst.» Zurück in der Zürcher Agglomeration, im Raum mit dem Queensize-Bett, stimmen dem auch Zuleika und Cassandra van Cane zu. «Ich fühle mich in meiner Eigenständigkeit bevormundet, wenn jemand meint, besser zu wissen, was gut für mich ist. Mit dieser Art von Feminismus kann ich nichts anfangen», sagt Zuleika. Und van Cane ergänzt: «Man sollte offen und transparent über Sexarbeit sprechen können, damit sich niemand erpressbar macht, weil man das hinter vorgehaltener Hand tun muss.»
* Namen der Redaktion bekannt.
https://www.woz.ch/1916/sexarbeit/freie ... riminellen
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot
Ach mein lieber @Ursa
ich danke Dir auch für den ermutigenden Artikel zur Nacht...
Kasharius grüßt Dich
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Kasharius grüßt Dich
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot
Mit dem Beispiel meiner selbst und dass manche Berichte der Abolutionisten selbst auf mich eine Wirkung haben, obwohl ich die Gegenstellungnahmen kenne, habe ich hier schon mehrmals geschrieben, dass ein Protest notwendig ist, der in der Öffentlichkeit nicht als Meinung einer SexarbeiterInnen-MInderheit oder als von einer Zuhälterlobby gesteuert weggewischt werden kann, bin dafür aber kritisiert worden. Ich bleibe aber dabei, dass das dringend notwendig ist und der SPD-Vorstoß zeigt, wie ernst die Lage ist.Boris Büche hat geschrieben: ↑26.06.2019, 11:23Tschuldigung, das ist mein Eindruck auch.
Wenn man sich anschaut, wie erfolgreich sich SW etwa in Spanien organisieren, welcher Organisationsgrad in Indien erreicht wurde (Weltspitze!), sieht D. ziemlich alt aus . . . und nur deswegen haben SISTERS und Co. überhaupt die Chance auf einen "Stich".
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot
@Fragender,
na dem Mann kann geholfen werden zwinker: strich-code-move, vom 22.-27.7. in Berlin, Washingtonplatz vor dem Hauptbahnhof...
Hier gibt es auch nen threat dazu...
Kasharius grüßt
na dem Mann kann geholfen werden zwinker: strich-code-move, vom 22.-27.7. in Berlin, Washingtonplatz vor dem Hauptbahnhof...
Hier gibt es auch nen threat dazu...
Kasharius grüßt
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot
Ein Interview mit der Leiterin der Fachberatungsstelle Prostitution der Diakonie in Hamburg. Die klingt sehr vernünftig!
...so ganz anders als die Caritas-Frauen im reaktionären Südwestdeutschland, von denen hier schon berichtet wurde...
"Prostitution ist auch ein Arbeitsmarktthema"
https://www.spiegel.de/politik/deutschl ... 76368.html
...so ganz anders als die Caritas-Frauen im reaktionären Südwestdeutschland, von denen hier schon berichtet wurde...

"Prostitution ist auch ein Arbeitsmarktthema"
https://www.spiegel.de/politik/deutschl ... 76368.html
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot
Ich weiß nicht ob das hier wirklich richtig platziert ist, wenn nötig bitte um Korrektur.
Lesenswert ist es allemal:
https://miss-daria.de/kommentar-eines-l ... prostschg/
LG
Lesenswert ist es allemal:
https://miss-daria.de/kommentar-eines-l ... prostschg/
LG
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot
Das sieht mir nur nach einer lokalen Informationsveranstaltung aus und nicht nach einem massiven Protest, der einer weiten Öffentlichkeit zeigt, dass der Mehrheit der SexarbeiterInnen die Zukunft ihres Jobs nicht bestenfalls egal ist.
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot
Ist doch ganz klar, weil möglicherweise Alexandra und Catalina - was sie selbst ja auch behaupten - repräsentativ für die große Mehrheit der SexarbeiterInnen stehen und Josefa nur für eine kleine Minderheit. Falls das so stimmt, wäre ein Sexkaufverbaut durchaus legitim. Nur haben Alexandra und Catalina sicher nicht den Überblick, um tatsächlich feststellen zu können, dass ihre Situation die Situation der Mehrheit widerspiegelt. Aber Josefa vielleicht auch nicht? Und nun kommt wieder meine Frage: Wenn solche Aussagen von Alexandra und Catalina selbst auf mich eine Wirkung haben - obwohl ich die Gegenstellungnahmen kenne und keine sachlichen Fehler darin finden kann - und mich grübeln lassen, ob es vielleicht eine Wahrheit gibt, die sich nicht in den Zahlen der Kriminalstatistik über Menschenhandel und Zwangsprostitution finden lässt, welche Wirkung haben diese Berichte dann erst in der breiten Öffentlichkeit, die die Gegenstellungnahmen nicht kennt? Daher ist ein Massenprotest von SexarbeiterInnen gegen Verbote um so wichtiger.
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot
Was in D mehrheitsfähig ist, spielt dabei leider nur eine untergeordnete Rolle. Ich glaube auch, dass die Mehrheit dagegen ist, glaube aber zusätzlich, dass den meisten das Thema zu egal ist, um Widerstand dagegen zu leisten. Und widerstandleistenden Männern würde wohl vorgeworfen, als Kunden profitieren zu wollen.
Viel wichtiger dabei sind die Mehrheitsmeinungen in Bundestag und Bundesrat und da sieht es nach meiner Meinung anders aus als in der Bevölkerung, Insbesondere besteht auch da die Möglichkeit, dass Männern, die gegen ein Verbot sind, vorgeworfen wird, profitieren zu wollen und dass diese sich deswegen gezwungen sehen, einem Verbot zuzustimmen.
Womit wir dann wieder bei den Massenprotesten sind, die als einzige wirksame Maßnahme den entsprechenden Druck auf die ParlamentarierInnen ausüben könnten.
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot
@Fragender
wenn Du Dir die Infos zu der Strich-Code-Aktion anschaust wirst Du feststellen, Art und Ausmaß dieser Aktion werden wirkmächtig sein, schon wegen der fünf Wohnwagen (Love-Mobile) und mittun ist auch nicht schlecht...
Im übigen geht es hier nicht um Mehrheitsmeinungen und das Selbstbestimmungsrecht jedes/jeder Einzelnen. Und ein faktisches Berufsverbot würde dem nicht entsprächen und wäre verfassungswidrig.
Kasharius grüßt
wenn Du Dir die Infos zu der Strich-Code-Aktion anschaust wirst Du feststellen, Art und Ausmaß dieser Aktion werden wirkmächtig sein, schon wegen der fünf Wohnwagen (Love-Mobile) und mittun ist auch nicht schlecht...
Im übigen geht es hier nicht um Mehrheitsmeinungen und das Selbstbestimmungsrecht jedes/jeder Einzelnen. Und ein faktisches Berufsverbot würde dem nicht entsprächen und wäre verfassungswidrig.
Kasharius grüßt
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot
Ich finde das alles viel zu optimistisch.
Fünf Wohnwagen sollen einmal in Berlin und einmal in Hannover zum Diskutieren und Nachdenken einladen? Das können doch nicht viele Leute sein, die daran teilnehmen. Und wieviele davon sind SexarbeiterInnen? So viele, dass die nicht ernsthaft in Medien als Teil einer "Zuhälterlobby" dargestellt werden können? Wobei es schon zweifelhaft ist, dass Medien über so eine kleine Aktion überregional berichten, wenn überhaupt? Wie soll denn dadurch die breite Öffentlichkeit davon überzeugt werden, dass es für ein Sexkaufverbot wegen zu weit verbreiteter Zwangsprostitution keine sachliche Grundlage gibt, so dass die Parlamentarier sich nicht trauen, gegen eine starke Öffentlichkeitsmeinung zu stimmen?
Ich bezweifle auch, dass eine Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts einiger weniger als verfassungswidrig eingestuft würde, wenn sie nötig wäre, um das Selbstbestimmungsrecht einer großen Mehrheit zu schützen. Dass dann tatsächlich beim Bundesverfassungsgericht eine ausreichende Prüfung der Fakten stattfinden würde, darauf würde ich mich nicht verlassen. Das Gericht hat ja schon die von Dona Carmen initiierte Verfassungsklage abgelehnt, unter anderem mit dem Kommentar, es würden dort an vielen Stellen nur allgemeine Statistiken aufgeführt, ohne das Ziel zu beachten, welches der Gesetzgeber mit dem Gesetz verfolgt. Obwohl offensichtlich war, dass das Ziel des Anführens dieser Statistiken darin lag, die Zielsetzung des Gesetzgebers in Frage zu stellen.
Fünf Wohnwagen sollen einmal in Berlin und einmal in Hannover zum Diskutieren und Nachdenken einladen? Das können doch nicht viele Leute sein, die daran teilnehmen. Und wieviele davon sind SexarbeiterInnen? So viele, dass die nicht ernsthaft in Medien als Teil einer "Zuhälterlobby" dargestellt werden können? Wobei es schon zweifelhaft ist, dass Medien über so eine kleine Aktion überregional berichten, wenn überhaupt? Wie soll denn dadurch die breite Öffentlichkeit davon überzeugt werden, dass es für ein Sexkaufverbot wegen zu weit verbreiteter Zwangsprostitution keine sachliche Grundlage gibt, so dass die Parlamentarier sich nicht trauen, gegen eine starke Öffentlichkeitsmeinung zu stimmen?
Ich bezweifle auch, dass eine Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts einiger weniger als verfassungswidrig eingestuft würde, wenn sie nötig wäre, um das Selbstbestimmungsrecht einer großen Mehrheit zu schützen. Dass dann tatsächlich beim Bundesverfassungsgericht eine ausreichende Prüfung der Fakten stattfinden würde, darauf würde ich mich nicht verlassen. Das Gericht hat ja schon die von Dona Carmen initiierte Verfassungsklage abgelehnt, unter anderem mit dem Kommentar, es würden dort an vielen Stellen nur allgemeine Statistiken aufgeführt, ohne das Ziel zu beachten, welches der Gesetzgeber mit dem Gesetz verfolgt. Obwohl offensichtlich war, dass das Ziel des Anführens dieser Statistiken darin lag, die Zielsetzung des Gesetzgebers in Frage zu stellen.
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot
Und ich finde Dich - mit Verlaub - zu pessimistisch und im übrigen verdienen die Initiatorinnen dieses Projektes dass eine Woche an einem hochfrequentierten Platz stattfindet unseren Respekt und unsere Solidarität. Du kannst gerne hinfahren und Dich selbst informieren/beteiligen oder beim Auf-/Abbau helfen. Hätte mich auch beteiligt, wäre ich nicht im Urlaub...
Im übrigen jenseits der konkreten erfolglosen Verfassungsbeschwerde ist ein tragendes Prinzip unserer Verfassung der Minderheitenschutz und das aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG resultierende Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen; es gilt soweit Rechte anderer nicht verletzt werden. Und genau deshalb gilt es auch jenseits aller vermeintlichen oder tatsächlichen Mehrheiten (wer bestimmt das...?) für nicht zwangsausgebeutete SW. SOGAR WENN ES DAVON NUR EINE GÄBE, KÖNNTE SIE SICH DARAUF BERUFEN!!!
Es ist ein weitverbreiteter Irrtum dass in einer Demokratie immer die Mehrheit entscheidet!
Kasharius grüßt
Im übrigen jenseits der konkreten erfolglosen Verfassungsbeschwerde ist ein tragendes Prinzip unserer Verfassung der Minderheitenschutz und das aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG resultierende Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen; es gilt soweit Rechte anderer nicht verletzt werden. Und genau deshalb gilt es auch jenseits aller vermeintlichen oder tatsächlichen Mehrheiten (wer bestimmt das...?) für nicht zwangsausgebeutete SW. SOGAR WENN ES DAVON NUR EINE GÄBE, KÖNNTE SIE SICH DARAUF BERUFEN!!!
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Kasharius grüßt
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot
Nur weil ich glaube, dass diese Aktion nicht die notwendige Reichweite und Schlagkraft hat, um hinsichtlich der Vermeidung eines Sexkaufsverbots genügend zu bewirken, heißt das doch nicht, dass ich den Veranstaltern den Respekt verweigere ...
Bzgl. Verfassungswidrigkeit: "soweit Rechte anderer nicht verletzt werden" - das ist ja gerade das Problem. Bin aber kein Jurist, deswegen weiß ich nicht, ob darunter auch mittelbare Rechtsverletzungen fallen, oder nur unmittelbare.
Bzgl. Verfassungswidrigkeit: "soweit Rechte anderer nicht verletzt werden" - das ist ja gerade das Problem. Bin aber kein Jurist, deswegen weiß ich nicht, ob darunter auch mittelbare Rechtsverletzungen fallen, oder nur unmittelbare.
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Re: Sexarbeit- Über Sexkauf-Verbot
@ Fragender
das mit der Solidaritätsbekundung finde ich gut
Zur Frage des Selbstbestimmungsrecht: Wo soll den bei einer freiwillig-selbstbestimmten sexuellen Dienstleistung bitte die mittelbare oder unmittelbare Beeinträchtigung der Rechte Dritter oder der Beteiligten liegen. Das Konstrukt der Abolitionisten fusst auf der Annahme, diese Freiwilligkeit pauschal und grundsätzlich in Abrede zu stellen bzw. eben zu behaupten, das gelte nur für eine kleine überschaubare, im übrigen elitäre Gruppe. Diese würde einer so überweltigenden Mehrheit traumatisierter und zwangsausgebeuteter, in jedem Fall fremdbestimmter Prostituierter (die nicht Sexarbeiter heißen dürften) gegenüberstehen. Und eben dieses Konstrukt ist demagogisch, wenig faktenbasiert, antidemokratisch und verfassungswidrig (weil es von einem falschen Minderheitenkonzept das in unserer Verfassung so aber angelegt ist, ausgeht). Und deshalb kommt es auf Massenproteste gar nicht an. Diese Demagogie erkennt jeder....wenn er will (und da liegt der Hunfd in er Brattpfanne...)
Komm im Juli zum Washingtonplatz informiere Dich und tausche Dich aus...
Kasharius grüßt Dich
das mit der Solidaritätsbekundung finde ich gut

Zur Frage des Selbstbestimmungsrecht: Wo soll den bei einer freiwillig-selbstbestimmten sexuellen Dienstleistung bitte die mittelbare oder unmittelbare Beeinträchtigung der Rechte Dritter oder der Beteiligten liegen. Das Konstrukt der Abolitionisten fusst auf der Annahme, diese Freiwilligkeit pauschal und grundsätzlich in Abrede zu stellen bzw. eben zu behaupten, das gelte nur für eine kleine überschaubare, im übrigen elitäre Gruppe. Diese würde einer so überweltigenden Mehrheit traumatisierter und zwangsausgebeuteter, in jedem Fall fremdbestimmter Prostituierter (die nicht Sexarbeiter heißen dürften) gegenüberstehen. Und eben dieses Konstrukt ist demagogisch, wenig faktenbasiert, antidemokratisch und verfassungswidrig (weil es von einem falschen Minderheitenkonzept das in unserer Verfassung so aber angelegt ist, ausgeht). Und deshalb kommt es auf Massenproteste gar nicht an. Diese Demagogie erkennt jeder....wenn er will (und da liegt der Hunfd in er Brattpfanne...)
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Kasharius grüßt Dich