ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz
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Was die Ergebnisse des Runden Tisches NRW angeht würde mich die Einschätzung der hier vertretenen SW sehr interessieren. Ich kann in bester parlamentarischer Redensart nur "rufen": Hört! Hört!
Was mich zum anderen Punkt meines Postings bringt:
Es ist nach meiner Ansicht manchmal gut Kontinuitäten oder auch Divergenzen im Rahmen einer Debatte zu betrachten - so auch beim nämlichen Thema Prostitution. Ich versuche das - freilich nur Auszugsweise durch Gegenüberstellung von Antworten der jeweiligen Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen der im Parlament vertretenen Fraktionen. Hier zunächst die Antwort der jetzigen Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion der Linken vom 24.6.2014
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/018/1801831
Demgegenüber antwortete die Bundesregierung in der 13. Wahlperiode (1994-1998), der letzten Amtszeit von Bundeskanzler Helmuth Kohl (CDU) ebenfalls auf eine Anfrage der Linken zum Frauenhandel wie folgt:
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/13/081/1308193.pdf
In der 12. Wahlperiode (1990-1994) antwortete die Bundesregierung auf eine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen zur rechtlichen und gesellschaftlichen Situation von Prostituierten
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/12/055/1205518.pdf
In der 10. Wahlperiode (1983-1987) der ersten (offiziellen) Amtszeit von Bundeskanzler Helmuth Kohl antwortete die Bundesregierung ebenfalls auf eine Anfrage der erstmals im Bundestag vertretenen Fraktion Die Grünen kurz und bündig zur Zwangsprostitution:
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/10/021/1002187.pdf
Weitere Antworten in früheren Wahlperioden gab es zu diesem Thema wohl nicht.
Kasharius grüßt
Was mich zum anderen Punkt meines Postings bringt:
Es ist nach meiner Ansicht manchmal gut Kontinuitäten oder auch Divergenzen im Rahmen einer Debatte zu betrachten - so auch beim nämlichen Thema Prostitution. Ich versuche das - freilich nur Auszugsweise durch Gegenüberstellung von Antworten der jeweiligen Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen der im Parlament vertretenen Fraktionen. Hier zunächst die Antwort der jetzigen Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion der Linken vom 24.6.2014
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/018/1801831
Demgegenüber antwortete die Bundesregierung in der 13. Wahlperiode (1994-1998), der letzten Amtszeit von Bundeskanzler Helmuth Kohl (CDU) ebenfalls auf eine Anfrage der Linken zum Frauenhandel wie folgt:
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/13/081/1308193.pdf
In der 12. Wahlperiode (1990-1994) antwortete die Bundesregierung auf eine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen zur rechtlichen und gesellschaftlichen Situation von Prostituierten
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/12/055/1205518.pdf
In der 10. Wahlperiode (1983-1987) der ersten (offiziellen) Amtszeit von Bundeskanzler Helmuth Kohl antwortete die Bundesregierung ebenfalls auf eine Anfrage der erstmals im Bundestag vertretenen Fraktion Die Grünen kurz und bündig zur Zwangsprostitution:
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/10/021/1002187.pdf
Weitere Antworten in früheren Wahlperioden gab es zu diesem Thema wohl nicht.
Kasharius grüßt
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz
Danke für die Quellenhinweise. Ich lese dann, farnitoschwenkend. 

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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz
Noch interessanter, dass die Grünen es damals waren, die spekulativen Aussagen folgten:
"Wie steht die Bundesregierung zu der Aussage, daß sich die Bundesrepublik Deutschland zu einem der größten internationalen Zentren des Frauenhandels und der erzwungenen Prostitution entwickelt habe?"
Und zumindest ebenso interessant die Antwort der damaligen Bundesregierung, die sich weigerte zu spekulieren:
"Eine solche Aussage ist wissenschaftlich nicht belegt und findet keine Entsprechung in der Polizeilichen Kriminalstatistik und der Strafverfolgungsstatistik des Statistischen Bundesamtes."
Quelle: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/10/021/1002187.pdf
"Wie steht die Bundesregierung zu der Aussage, daß sich die Bundesrepublik Deutschland zu einem der größten internationalen Zentren des Frauenhandels und der erzwungenen Prostitution entwickelt habe?"
Und zumindest ebenso interessant die Antwort der damaligen Bundesregierung, die sich weigerte zu spekulieren:
"Eine solche Aussage ist wissenschaftlich nicht belegt und findet keine Entsprechung in der Polizeilichen Kriminalstatistik und der Strafverfolgungsstatistik des Statistischen Bundesamtes."
Quelle: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/10/021/1002187.pdf
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Wir dürfen das ruhig "Propaganda" (oder neudeutsch "FUD") statt "Gerücht" nennen. Solches Gerede gibt es seit es den Mythos vom Handel mit weißen Frauen gibt, also seit mindestens hundert Jahren.ehemaliger_User hat geschrieben:Interessant, dass schon 1984 das Gerücht die Rune machte, Deutschland hätte sich zur Drehscheibe des internationalen Frauenhandels entwickelt.
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz
Tatsachenwidrig und nötigend -
die Stadt Bremen und ihre gewerberechtliche Praxis gegenüber SW
die Stadt Bremen und ihre gewerberechtliche Praxis gegenüber SW
Stadtamt Bremen mit Email vom 23. Oktober 2010
Sehr geehrte Frau Scurtu,
mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 20. November 2001 – Rs. C-268/99 – wurde festgestellt, dass die Ausübung der Prostitution eine Erwerbstätigkeit ist. Dieses Urteil hatte, da es sich lediglich auf das Recht der Freizügigkeit bei Erwerbstätigkeit bezog, keine unmittelbare Auswirkung auf deutsches (Gewerbe-) Recht.
Erst mit dem Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten – ProstG, wurde auf nationaler deutscher Ebene ein Gesetz geschaffen, dass die Sittenwidrigkeit der Prostitution im Zivilrechtsverkehr abschaffte.
Das ProstG entfaltet gegenüber dem Gewerberecht keine unmittelbare Auswirkung. Die Ausübung der Prostitution ist grundsätzlich erlaubt, soweit sie im Einklang mit anderen Rechtsvorschriften (z. B. des Baurechts) ausgeübt wird.
Die frühere Rechtsauffassung, dass die Prostitution kein eigenständiges Gewerbe i. S. der deutschen Gewerbeordnung darstellt, ist durch den gesellschaftlichen Wandel und der Akzeptanz der Ausübung der Prostitution in der Gesellschaft, überholt.
Der Bundesfinanzhof entschied 2013, dass die Einkünfte einer Prostituierten gewerbesteuerpflichtig sind (Az: GrS 1/12). Dazu führt der Große Senat des Bundesfinanzhofes aus: „…, dass unter einem Gewerbebetrieb generell "jede selbständige nachhaltige Tätigkeit zu verstehen" sei, "die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt". „.
Der Bundesgesetzgeber hat sich jedoch noch nicht entschließen können, die Gewerbeordnung entsprechend anzupassen.
Damit jedoch eine Prostituierte Ihren steuerlichen und gewerberechtlichen Pflichten nachkommen kann, wurde für die Stadtgemeinde Bremen entschieden, dass angesichts des Wandels in der Rechtssprechung, nunmehr auch entsprechende Gewerbeanmeldungen angenommen werden.
Frühere, anderslautende Auskünfte und Anmeldungen, waren daher richtig, da sie die frühere, nunmehr überholte Rechtspraxis, als Grundlage hatten.
Die Anmeldepflicht für Gewerbetreibende ergibt sich aus § 14 Gewerbeordnung (GewO) sofern es sich um die Ausübung eines sog. „stehenden“ Gewerbes handelt.
Die Gewerbeordnung enthält keine Legaldefinition, sondern setzt den Begriff des Gewerbes als unbestimmten Rechtsbegriff voraus. Übereinstimmend gehen Literatur (Marcks, in: Landmann-Rohmer, GewO, Bd. I, Stand Juni 2012, § 14 Rn. 13; Ennuschat, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 1 Rn. 7 ff.) und Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1987 - BVerwG 1 C 25. 85 - BVerwGE 78, 6 [8] = Buchholz 451. 20 § 14 GewO Nr. 4 S. 3; Beschlüsse vom 16. Februar 1995 - BVerwG 1 B 205. 93 - Buchholz 451. 20 § 14 GewO Nr. 6 = GewArch 1995, 152 und vom 11. März 2008 - BVerwG 6 B 2. 08 - Buchholz 451. 20 § 14 GewO Nr. 8 = GewArch 2008, 301) vom Vorliegen eines Gewerbes aus, wenn es sich um eine erlaubte, auf Gewinnerzielung gerichtete und auf Dauer angelegte selbstständige Tätigkeit handelt, die nicht den Bereichen der Urproduktion, den Freien Berufen oder der bloßen Verwaltung eigenen Vermögens zuzurechnen ist.
Daher kann in Übereinstimmung mit der gewandelten Rechtssprechung ein entsprechendes Gewerbe angemeldet werden.
Mit freundlichem Gruß
Im Auftrag
----------------------
Email Lara Freudmann an Stadt Bremen vom 15.11.2014
Sehr geehrter Herr ...,
vielen Dank für Ihre Antwort. Ich verstehe Ihre Ausführungen dahingehend, dass ich von der Stadt Bremen in den vergangenen Jahren Dokumente erhalten habe, die bewusst tatsachenwidrige Inhalte hatten und ich von der Stadt Bremen dazu genötigt wurde, diese zu akzeptieren. Das dies rechtsförmig Verwaltungspraxis war, wie Sie ausführen, ist evident, dass dies rechtsstaatlich zulässig war, bezweifele ich und ihre Ausführungen geben mir in dieser Beurteilung recht. Es kann nicht Rechtens sein, das tatsachenwidrige amtliche Dokumente ausgestellt werden. Es kann auch nicht Rechtens sein dass solche Dokumente gegen den Willen der Menschen ausgestellt werden, für die sie bestimmt sind und diese dabei mit empfindlichen Übeln konfrontiert werden (Tätigkeit ohne anerkannten Rechtsstatus, Verschiebung der Tätigkeit in eine rechtlich Grauzone, folgend Typisierung als in einem kriminogenen Feld sich entfaltende Tätigkeit mit der Rechtsfolge der weiteren Typisierung störend und der rechtlichen Ungleichbehandlung als minder glaubwürdig in Verwaltungsgerichtsverfahren ).
In ihren Ausführungen geben Sie den Hinweiss, dass eine Anzeigepflicht im Sinne des Gewerberechtes für freiberuflich tätige Menschen nicht vorgesehen ist. Vielen Dank für diesen Hinweis. Nach meiner Rechtsauffassung bin ich als Sexarbeiterin freiberuflich tätig. Damit halte ich die Annahme meiner Gewerbemeldung durch die Stadt Bremen für rechtswidrig. Mir ist unklar, wieso die Stadt Bremen daher überhaupt Gewerbeanmeldungen von Menschen die entgeltliche erotische und sexuelle Dienstleistungen erbringen annimmt. Ich halte das für eine unzulässige Verwaltungspraxis.
Ich möchte Sie bitten mir mitzuteilen:
Wann und von wem wurde für die Stadt Bremen entschieden Gewerbeanmeldungen als Sexarbeitende auszufertigen?
Ist dies verpflichtend für alle im Bereich der sexuellen und erotischen Dienstleistungen entgeltlich tätigen Menschen?
Wie werden die Gewerbemeldungen von Menschen statistisch erfasst, die entgeltlich sexuelle und erotische Dienstleistungen anbieten?
Wird meine Tätigkeit als Sexarbeiterin ( besondere kreative, empathische und darstellerische höchstpersönliche Fähigkeiten und Dienstleistungen ) von der Stadt Bremen als freiberufliche Tätigkeit anerkannt?
Ist daher eine Anzeigepflicht laut Gewerbeordnung überhaupt gegeben und ist die Ausstellung einer solchen Gewerbemeldung rechtlich zulässig?
Vorsorglich der offensichtlich bestehenden rechtsstaatlich zweifelhaften bisherigen und aktuellen Verwaltungspraxis der Stadt Bremen teile ich Ihnen mit, dass ich meine Gewerbeanmeldung daher derzeit für rechtlich zweifelhaft halte und die Verwaltungspraxis der Stadt Bremen in dieser Sache für willkürlich.
Den Rechtsbestand der mir erteilten Gewerbeanmeldung kann ich nicht erkennen. Ich beabsichtige daher, sofern ich Ihrerseits keine nachvollziehbare Erläuterung der Rechtslage erhalte, die Erteilung der Gewerbeanmeldung anzufechten.
mit freundlichen Grüßen
Lara Freudmann
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17.11.2014
MINISTERIN WILL NEUE PROSTITUTIONS-REGELUNGEN
Mindestalter für Huren
Hannover - Frauen aus Osteuropa, die nach Deutschland gelockt und zum Sex gegen Bezahlung gezwungen werden.
Junge Mädchen, die anschaffen gehen müssen.
Huren, die einen Großteil ihrer Einnahmen abdrücken.
Niemand weiß, wie groß die Not von Niedersachsens Prostituierten ist. Das soll sich ändern. weiterlesen
MINISTERIN WILL NEUE PROSTITUTIONS-REGELUNGEN
Mindestalter für Huren
Hannover - Frauen aus Osteuropa, die nach Deutschland gelockt und zum Sex gegen Bezahlung gezwungen werden.
Junge Mädchen, die anschaffen gehen müssen.
Huren, die einen Großteil ihrer Einnahmen abdrücken.
Niemand weiß, wie groß die Not von Niedersachsens Prostituierten ist. Das soll sich ändern. weiterlesen
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17.11.2014
Hürde für Schlepperbanden
Höheres Mindestalter für Prostituierte
Mit falschen Versprechen nach Deutschland gelockt: Fast zwei Drittel aller Opfer von Menschenhandel in Niedersachsen sind unter 21 Jahren alt. Die Landesregierung fordert daher, das gesetzliche Mindestalter für Prostituierte auf 21 Jahre zu erhöhen.
Hannover. Laut Antwort des Sozialministeriums weist das Lagebild "Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung" für das Jahr 2013 in Niedersachsen 49 Opfer aus. 29 davon (59 Prozent) waren unter 21 Jahre alt, drei sogar unter 18 Jahre. Im Jahr 2012 waren es 121 Opfer, davon 80 (66 Prozent) unter 21 und 13 sogar unter 18 Jahren alt.
Bereits jetzt ist es verboten, eine Person unter 21 Jahren in die Prostitution zu drängen. Da aber freiwillige Prostitution in diesem Alter legal ist, ist es oftmals schwierig, dem mutmaßlichen Täter etwas nachzuweisen.
"Eine Heraufsetzung des Mindestalters auf 21 Jahre würde eine zusätzliche Hürde schaffen, die es kriminellen Schlepperbanden erschweren würde, unter 21-jährige osteuropäische Frauen mit falschen Versprechen nach Deutschland zu locken", heißt es daher in der Antwort des Sozialministeriums.
Genauere Aussagen zum "Umfang der Verhinderung von Schleppertätigkeit" könne man nicht machen, weil es keine Untersuchungen in dem Bereich gebe.
http://www.haz.de/Nachrichten/Politik/N ... te-anheben
Hürde für Schlepperbanden
Höheres Mindestalter für Prostituierte
Mit falschen Versprechen nach Deutschland gelockt: Fast zwei Drittel aller Opfer von Menschenhandel in Niedersachsen sind unter 21 Jahren alt. Die Landesregierung fordert daher, das gesetzliche Mindestalter für Prostituierte auf 21 Jahre zu erhöhen.
Hannover. Laut Antwort des Sozialministeriums weist das Lagebild "Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung" für das Jahr 2013 in Niedersachsen 49 Opfer aus. 29 davon (59 Prozent) waren unter 21 Jahre alt, drei sogar unter 18 Jahre. Im Jahr 2012 waren es 121 Opfer, davon 80 (66 Prozent) unter 21 und 13 sogar unter 18 Jahren alt.
Bereits jetzt ist es verboten, eine Person unter 21 Jahren in die Prostitution zu drängen. Da aber freiwillige Prostitution in diesem Alter legal ist, ist es oftmals schwierig, dem mutmaßlichen Täter etwas nachzuweisen.
"Eine Heraufsetzung des Mindestalters auf 21 Jahre würde eine zusätzliche Hürde schaffen, die es kriminellen Schlepperbanden erschweren würde, unter 21-jährige osteuropäische Frauen mit falschen Versprechen nach Deutschland zu locken", heißt es daher in der Antwort des Sozialministeriums.
Genauere Aussagen zum "Umfang der Verhinderung von Schleppertätigkeit" könne man nicht machen, weil es keine Untersuchungen in dem Bereich gebe.
http://www.haz.de/Nachrichten/Politik/N ... te-anheben
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Also mal genau: Von einem Jahr auf das andere _sinkt_ die Zahl der (angeblichen) Menschenhandelsopfer um 60 %. Wie bitte soll das eine Verschärfung der Gesetze rechtfertigen? (Mal ganz davon abgesehen, daß man weltweit nur in Deutschland als Volljährige unter 21 Jahren automatisch als Menschenhandelsopfer eingeordnet wird, auch wenn man völlig freiwillig arbeitet. Was diese Statistik noch absurder macht.)nina777 hat geschrieben:Laut Antwort des Sozialministeriums weist das Lagebild "Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung" für das Jahr 2013 in Niedersachsen 49 Opfer aus. 29 davon (59 Prozent) waren unter 21 Jahre alt, drei sogar unter 18 Jahre. Im Jahr 2012 waren es 121 Opfer, davon 80 (66 Prozent) unter 21 und 13 sogar unter 18 Jahren alt.
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23.11.2014
Sr. Lea Ackermann erhält Augsburger Friedenspreis
Kritik am Prostitutionsgesetz
Die Gründerin der Frauenhilfsorganisation Solwodi, Sr. Lea Ackermann, hat das deutsche Prostitutionsgesetz scharf kritisiert. Es schaffe ideale Bedingungen für Menschenhändler, sagte die katholische Ordensschwester am Samstagabend in Augsburg.
Sr. Ackermann erhielt in Augsburg zusammen mit Solwodi den mit 12.500 Euro dotierten Augsburger Friedenspreis. Die Organisation Solidarity with Women in Distress (Solidarität mit Frauen in Not) kämpft gegen Zwangsprostitution und den weltweiten Handel mit Frauen.
Deutschland habe eines der liberalsten Prostitutionsgesetze der Welt, sagte Ackermann bei der Preisverleihung. Deshalb sei der deutsche Sexmarkt in den vergangenen Jahren besonders stark gewachsen: "Neue Bordelle schießen wie Pilze aus dem Boden, Frauen werden aus dem Ausland herangekarrt, um die Nachfrage zu befriedigen." Mancherorts stammten 90 Prozent der Prostituierten aus dem Ausland. Oft würden die Frauen zu Dumping-Preisen angeboten, berichtete die 77-jährige Frauenrechtlerin. Manche von ihnen würden für einen Euro versteigert: "Das ist zutiefst menschenverachtend und würdelos."
Ackermann forderte daher ein Verbot für den Kauf sexueller Dienstleistungen. Deutschland müsse dem Beispiel von Schweden, Norwegen oder Kanada folgen, in denen Prostitution bestraft werde: "Nur in einer Gesellschaft, in der Menschen nicht wie Waren verkauft werden können, ist Gerechtigkeit möglich."
Enttäuscht von Schwesig
Enttäuscht zeigte sich die Preisträgerin von Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD). Seit Mai versuche man, der Ministerin die rund 23.000 Unterschriften zu übergeben, die Solwodi mittlerweile für ein Sexkauf-Verbot gesammelt hat. "Die Viertelstunde Zeit dafür hat sie bislang aber noch nicht gefunden", berichtete Ackermann. "Das hat mich wirklich wütend gemacht."
Die Laudatio auf die Preisträgerin hielt die Journalistin und Publizistin Maria von Welser, die mit der Ordensschwester befreundet ist. Ackermann habe "immer und unverbrüchlich ihre Frauen im Visier, deren oft aussichtslose Schicksale sie mit Leidenschaft und Liebe in ein besseres Leben wenden möchte", sagte von Welser. Die Ordensfrau zeichne sich durch Überzeugungskraft, Mut und Angstfreiheit aus: "Sie kuscht nicht, nie." Die Frau, die sich für Prostituierte einsetze, sei zugleich eine zutiefst gläubige Nonne. Was sie bewege, trage sie vor Gott. Ackermann gehört den katholischen "Missionsschwestern unserer lieben Frau von Afrika" an.
Der Augsburger Friedenspreis wird seit 1985 alle drei Jahre verliehen. Preisträger waren unter anderem Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker und der Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow.
http://www.domradio.de/themen/ethik-und ... edenspreis
Sr. Lea Ackermann erhält Augsburger Friedenspreis
Kritik am Prostitutionsgesetz
Die Gründerin der Frauenhilfsorganisation Solwodi, Sr. Lea Ackermann, hat das deutsche Prostitutionsgesetz scharf kritisiert. Es schaffe ideale Bedingungen für Menschenhändler, sagte die katholische Ordensschwester am Samstagabend in Augsburg.
Sr. Ackermann erhielt in Augsburg zusammen mit Solwodi den mit 12.500 Euro dotierten Augsburger Friedenspreis. Die Organisation Solidarity with Women in Distress (Solidarität mit Frauen in Not) kämpft gegen Zwangsprostitution und den weltweiten Handel mit Frauen.
Deutschland habe eines der liberalsten Prostitutionsgesetze der Welt, sagte Ackermann bei der Preisverleihung. Deshalb sei der deutsche Sexmarkt in den vergangenen Jahren besonders stark gewachsen: "Neue Bordelle schießen wie Pilze aus dem Boden, Frauen werden aus dem Ausland herangekarrt, um die Nachfrage zu befriedigen." Mancherorts stammten 90 Prozent der Prostituierten aus dem Ausland. Oft würden die Frauen zu Dumping-Preisen angeboten, berichtete die 77-jährige Frauenrechtlerin. Manche von ihnen würden für einen Euro versteigert: "Das ist zutiefst menschenverachtend und würdelos."
Ackermann forderte daher ein Verbot für den Kauf sexueller Dienstleistungen. Deutschland müsse dem Beispiel von Schweden, Norwegen oder Kanada folgen, in denen Prostitution bestraft werde: "Nur in einer Gesellschaft, in der Menschen nicht wie Waren verkauft werden können, ist Gerechtigkeit möglich."
Enttäuscht von Schwesig
Enttäuscht zeigte sich die Preisträgerin von Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD). Seit Mai versuche man, der Ministerin die rund 23.000 Unterschriften zu übergeben, die Solwodi mittlerweile für ein Sexkauf-Verbot gesammelt hat. "Die Viertelstunde Zeit dafür hat sie bislang aber noch nicht gefunden", berichtete Ackermann. "Das hat mich wirklich wütend gemacht."
Die Laudatio auf die Preisträgerin hielt die Journalistin und Publizistin Maria von Welser, die mit der Ordensschwester befreundet ist. Ackermann habe "immer und unverbrüchlich ihre Frauen im Visier, deren oft aussichtslose Schicksale sie mit Leidenschaft und Liebe in ein besseres Leben wenden möchte", sagte von Welser. Die Ordensfrau zeichne sich durch Überzeugungskraft, Mut und Angstfreiheit aus: "Sie kuscht nicht, nie." Die Frau, die sich für Prostituierte einsetze, sei zugleich eine zutiefst gläubige Nonne. Was sie bewege, trage sie vor Gott. Ackermann gehört den katholischen "Missionsschwestern unserer lieben Frau von Afrika" an.
Der Augsburger Friedenspreis wird seit 1985 alle drei Jahre verliehen. Preisträger waren unter anderem Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker und der Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow.
http://www.domradio.de/themen/ethik-und ... edenspreis
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24.11.2014
Mission gegen Anhebung des Mindestalters auf 21 für Prostituierte
Im Land wurde ein runder Tisch einberufen, um die Situation für Prostituierte zu verbessern. Über die Vorschläge sprachen wir mit Gisela Zohren, Mitarbeiterin der Mitternachtsmission, die Prostituierte in Dortmund betreut.
1. Was halten Sie davon, wenn Bordellbetreiber zukünftig eine Zuverlässigkeitsprüfung ablegen müssen, wonach sie keine Vorstrafen wegen sexueller Gewalt haben dürfen und Mindeststandards für Hygiene und Arbeitsbedingungen einhalten müssen?
Wir befürworten die Forderung nach einer Erlaubnispflicht für Betreiber/Innen. Darin enthalten ist natürlich eine Zuverlässigkeitsprüfung und auch die Mindeststandards. Wir sind allerdings der Meinung, dass die Betroffenen an der Gesetzgebung gehört bzw. beteiligt werden sollen.
2. Hilft es Prostituierten, wenn Angebote, wie "Flatrate Partys" eingedämmt werden?
Die Meinungen zu sogenannten "Flatrate Partys"/-bordellen sind sehr geteilt. So gibt es durchaus einen Teil von Sexarbeiterinnen, die diese Form des Arbeitens befürworten. Wir sind der Meinung, dass es sich bei einem Teil dieser "Modelle" durchaus um ausbeuterische Arbeitsverhältnisse handelt.
3. Der Runde Tisch lehnt die Anhebung des Mindestalters für Prostituierte auf 21 Jahre sowie eine Kondompflicht ab. Stimmen Sie dem zu?
Wir sprechen uns gegen eine Anhebung des Mindestalters für Prostituierte auf 21 Jahre aus, ebenso gegen eine Kondompflicht. Viele Frauen und natürlich auch Männer von 18 bis 21 Jahren wären gezwungen wieder in der Illegalität zu arbeiten und somit vielen Gefahren ausgesetzt. Eine Kondompflicht ist nicht zu kontrollieren und bringt daher überhaupt nichts, es würden nur wieder die Sexarbeiterinnen verfolgt und nicht deren Kunden die Sex ohne Kondom einfordern.
http://www.lokalkompass.de/dortmund-cit ... 92533.html
Mission gegen Anhebung des Mindestalters auf 21 für Prostituierte
Im Land wurde ein runder Tisch einberufen, um die Situation für Prostituierte zu verbessern. Über die Vorschläge sprachen wir mit Gisela Zohren, Mitarbeiterin der Mitternachtsmission, die Prostituierte in Dortmund betreut.
1. Was halten Sie davon, wenn Bordellbetreiber zukünftig eine Zuverlässigkeitsprüfung ablegen müssen, wonach sie keine Vorstrafen wegen sexueller Gewalt haben dürfen und Mindeststandards für Hygiene und Arbeitsbedingungen einhalten müssen?
Wir befürworten die Forderung nach einer Erlaubnispflicht für Betreiber/Innen. Darin enthalten ist natürlich eine Zuverlässigkeitsprüfung und auch die Mindeststandards. Wir sind allerdings der Meinung, dass die Betroffenen an der Gesetzgebung gehört bzw. beteiligt werden sollen.
2. Hilft es Prostituierten, wenn Angebote, wie "Flatrate Partys" eingedämmt werden?
Die Meinungen zu sogenannten "Flatrate Partys"/-bordellen sind sehr geteilt. So gibt es durchaus einen Teil von Sexarbeiterinnen, die diese Form des Arbeitens befürworten. Wir sind der Meinung, dass es sich bei einem Teil dieser "Modelle" durchaus um ausbeuterische Arbeitsverhältnisse handelt.
3. Der Runde Tisch lehnt die Anhebung des Mindestalters für Prostituierte auf 21 Jahre sowie eine Kondompflicht ab. Stimmen Sie dem zu?
Wir sprechen uns gegen eine Anhebung des Mindestalters für Prostituierte auf 21 Jahre aus, ebenso gegen eine Kondompflicht. Viele Frauen und natürlich auch Männer von 18 bis 21 Jahren wären gezwungen wieder in der Illegalität zu arbeiten und somit vielen Gefahren ausgesetzt. Eine Kondompflicht ist nicht zu kontrollieren und bringt daher überhaupt nichts, es würden nur wieder die Sexarbeiterinnen verfolgt und nicht deren Kunden die Sex ohne Kondom einfordern.
http://www.lokalkompass.de/dortmund-cit ... 92533.html
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"Hure ist ein Beruf"
Redezeit mit Mechthild Eickel: "Hure ist ein Beruf"
Rotlichtmilieu, Dreck, Gewalt, Drogen, Frauen, die zur Arbeit gezwungen werden: Diese Vorstellungen sind allgemein mit Prostitution verknüpft. "Einseitig und falsch", sagt die Sozialarbeiterin Mechthild Eickel.
Dass sich Vorurteile gegen Huren und ihren Beruf so hartnäckig halten, daran hätten auch die Medien großen Anteil, betont Mechthild Eickel. Sie arbeitete mehr als 15 Jahre lang bei Madonna, der Prostituierten-Selbsthilfe und -Beratungsstelle mit Sitz in Bochum. Die Kinderkrankenschwester und Sozialarbeiterin engagiert sich gegen Diskriminierung und für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen der Sexarbeiterinnen. Viele Frauen verschweigen ihren Beruf, weil sie befürchten, schlecht angesehen zu werden und ihnen daraus Nachteile entstehen könnten. Mechthild Eickel setzt sich dafür ein, dass Huren zu ihrem Beruf stehen können und keine Angst vor Diskriminierung haben müssen. Über ihre Arbeit, über die Veränderungen nach dem Prostitutionsgesetz von 2002 oder durch die EU-Osterweiterung spricht sie in der WDR5-Redezeit. Außerdem beschreibt sie, was aus ihrer Sicht das neue Prostitutionsgesetz regeln müsste, das die Regierungskoalition in Aussicht gestellt hat.
http://www.wdr5.de/sendungen/neugiergen ... el100.html
http://podcast-ww.wdr.de/medstdp/fsk0/5 ... _11-30.mp3
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz
Medizinstudierende
Keine Zwangsuntersuchung für Sexarbeiterinnen!
Zwangsuntersuchungen, Kondompflicht und eine höhere Altersgrenze für Sexarbeiterinnen hält die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland nicht für zielführend. Stattdessen solle der Zugang zur Krankenversicherung erleichtert werden, schlägt die bvmd anlässlich der Diskussion über ein neues Prostitutionsgesetz vor.
HOMBURG. Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) setzt sich dafür ein, die Gesundheitsförderung von Sexarbeiterinnen zu unterstützen und Stigmatisierung abzubauen. Ein entsprechendes Positionspapier haben die Medizinstudierenden bei ihrer Versammlung in Homburg am Mittwoch abgestimmt.
Anlass ist der schwarz-rote Koalitionsvertrag, in dem die Parteien angekündigt haben, das Prostitutionsgesetz zu überarbeiten und vor allem Kontrollmöglichkeiten für Sexarbeit gesetzlich zu verbessern. Einen Gesetzentwurf bereitet das Bundesfamilienministerium vor.
Im Gespräch sind etwa eine bundesweite Kondompflicht, das Mindestalter für Sexarbeit von 18 auf 21 Jahre heraufzusetzen, verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen für Sexarbeiterinnen und die Freier von Zwangsprostituierten zu bestrafen.
Die Medizinstudierenden haben sich nun gegen verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen ausgesprochen. Dies steht aus ihrer Sicht dem Recht der körperlichen Unversehrtheit und der informationellen Selbstbestimmung entgegen. Stattdessen fordert die bvmd, eine freiwillige, anonyme und kostenlose Gesundheitsberatung für die Betroffenen.
Finanziert werden könnte dies durch die geplanten Ausgaben für die Pflichtuntersuchungen. Das Geld soll laut bvmd besser in Prävention und Aufklärung investiert werden.
Die Studierenden verweisen darauf, dass man mit freiwilliger Prävention und Aufklärung bei HIV und Aids deutlich niedrigere Neuinfektionszahlen erreicht habe als mit verpflichtenden Untersuchungen.
bvmd gegen Kondompflicht
Auch eine diskutierte Kondompflicht hält die bvmd für kontraproduktiv. Es bestehe die Gefahr, dass eine bundesweite Pflicht nicht entsprechend kontrolliert werden kann. Auch könne die freiwillige Prävention so womöglich unterlaufen werden. Stattdessen schlägt die bvmd vor, Kondome kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Als wichtige Maßnahme nennen die Studierenden, dass Hürden für den Zugang zu einer Krankenversicherung für die Betroffenen abgebaut werden müssen.
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts haben Dreiviertel der Sexarbeiterinnen ausländische Wurzeln und von ihnen sind mehr als die Hälfte nicht krankenversichert.
Zudem spricht sich der bvmd dafür aus, Sexarbeit als freien Beruf nach Artikel 12 I Grundgesetz anzuerkennen.
Höhere Altersgrenze nicht zielführend
Als nicht zielführend erachten die Medizinstudierenden, dass geplant ist, die Altersgrenze für Sexarbeit von 18 auf 21 Jahre anzuheben. Der Grund: So gerieten jüngere Sexarbeiterinnen in die Illegalität und würden infolge dessen von gesundheitlicher Versorgung abgeschnitten.
Auch die Anonymität muss aus Sicht der bvmd unbedingt weiterhin gewährleistet bleiben, damit Angebote zur Prävention und Krankenversorgung von den Betroffenen genutzt werden. Sie lehnt es daher ab, dass Sexarbeiter künftig verpflichtet werden sollen, sich namentlich zu registrieren.
Die Medizinstudierenden fordern auch, Experten der Sexarbeit zu beteiligen, wenn Standards für die Sexarbeit und für die Arbeitsumgebung entwickelt werden.
http://www.aerztezeitung.de/politik_ges ... innen.html
Keine Zwangsuntersuchung für Sexarbeiterinnen!
Zwangsuntersuchungen, Kondompflicht und eine höhere Altersgrenze für Sexarbeiterinnen hält die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland nicht für zielführend. Stattdessen solle der Zugang zur Krankenversicherung erleichtert werden, schlägt die bvmd anlässlich der Diskussion über ein neues Prostitutionsgesetz vor.
HOMBURG. Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) setzt sich dafür ein, die Gesundheitsförderung von Sexarbeiterinnen zu unterstützen und Stigmatisierung abzubauen. Ein entsprechendes Positionspapier haben die Medizinstudierenden bei ihrer Versammlung in Homburg am Mittwoch abgestimmt.
Anlass ist der schwarz-rote Koalitionsvertrag, in dem die Parteien angekündigt haben, das Prostitutionsgesetz zu überarbeiten und vor allem Kontrollmöglichkeiten für Sexarbeit gesetzlich zu verbessern. Einen Gesetzentwurf bereitet das Bundesfamilienministerium vor.
Im Gespräch sind etwa eine bundesweite Kondompflicht, das Mindestalter für Sexarbeit von 18 auf 21 Jahre heraufzusetzen, verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen für Sexarbeiterinnen und die Freier von Zwangsprostituierten zu bestrafen.
Die Medizinstudierenden haben sich nun gegen verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen ausgesprochen. Dies steht aus ihrer Sicht dem Recht der körperlichen Unversehrtheit und der informationellen Selbstbestimmung entgegen. Stattdessen fordert die bvmd, eine freiwillige, anonyme und kostenlose Gesundheitsberatung für die Betroffenen.
Finanziert werden könnte dies durch die geplanten Ausgaben für die Pflichtuntersuchungen. Das Geld soll laut bvmd besser in Prävention und Aufklärung investiert werden.
Die Studierenden verweisen darauf, dass man mit freiwilliger Prävention und Aufklärung bei HIV und Aids deutlich niedrigere Neuinfektionszahlen erreicht habe als mit verpflichtenden Untersuchungen.
bvmd gegen Kondompflicht
Auch eine diskutierte Kondompflicht hält die bvmd für kontraproduktiv. Es bestehe die Gefahr, dass eine bundesweite Pflicht nicht entsprechend kontrolliert werden kann. Auch könne die freiwillige Prävention so womöglich unterlaufen werden. Stattdessen schlägt die bvmd vor, Kondome kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Als wichtige Maßnahme nennen die Studierenden, dass Hürden für den Zugang zu einer Krankenversicherung für die Betroffenen abgebaut werden müssen.
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts haben Dreiviertel der Sexarbeiterinnen ausländische Wurzeln und von ihnen sind mehr als die Hälfte nicht krankenversichert.
Zudem spricht sich der bvmd dafür aus, Sexarbeit als freien Beruf nach Artikel 12 I Grundgesetz anzuerkennen.
Höhere Altersgrenze nicht zielführend
Als nicht zielführend erachten die Medizinstudierenden, dass geplant ist, die Altersgrenze für Sexarbeit von 18 auf 21 Jahre anzuheben. Der Grund: So gerieten jüngere Sexarbeiterinnen in die Illegalität und würden infolge dessen von gesundheitlicher Versorgung abgeschnitten.
Auch die Anonymität muss aus Sicht der bvmd unbedingt weiterhin gewährleistet bleiben, damit Angebote zur Prävention und Krankenversorgung von den Betroffenen genutzt werden. Sie lehnt es daher ab, dass Sexarbeiter künftig verpflichtet werden sollen, sich namentlich zu registrieren.
Die Medizinstudierenden fordern auch, Experten der Sexarbeit zu beteiligen, wenn Standards für die Sexarbeit und für die Arbeitsumgebung entwickelt werden.
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Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz
Medizinstudierende
Keine Zwangsuntersuchung für Sexarbeiterinnen!
Zwangsuntersuchungen, Kondompflicht und eine höhere Altersgrenze für Sexarbeiterinnen hält die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland nicht für zielführend. Stattdessen solle der Zugang zur Krankenversicherung erleichtert werden, schlägt die bvmd anlässlich der Diskussion über ein neues Prostitutionsgesetz vor.
HOMBURG. Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) setzt sich dafür ein, die Gesundheitsförderung von Sexarbeiterinnen zu unterstützen und Stigmatisierung abzubauen. Ein entsprechendes Positionspapier haben die Medizinstudierenden bei ihrer Versammlung in Homburg am Mittwoch abgestimmt.
Anlass ist der schwarz-rote Koalitionsvertrag, in dem die Parteien angekündigt haben, das Prostitutionsgesetz zu überarbeiten und vor allem Kontrollmöglichkeiten für Sexarbeit gesetzlich zu verbessern. Einen Gesetzentwurf bereitet das Bundesfamilienministerium vor.
Im Gespräch sind etwa eine bundesweite Kondompflicht, das Mindestalter für Sexarbeit von 18 auf 21 Jahre heraufzusetzen, verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen für Sexarbeiterinnen und die Freier von Zwangsprostituierten zu bestrafen.
Die Medizinstudierenden haben sich nun gegen verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen ausgesprochen. Dies steht aus ihrer Sicht dem Recht der körperlichen Unversehrtheit und der informationellen Selbstbestimmung entgegen. Stattdessen fordert die bvmd, eine freiwillige, anonyme und kostenlose Gesundheitsberatung für die Betroffenen.
Finanziert werden könnte dies durch die geplanten Ausgaben für die Pflichtuntersuchungen. Das Geld soll laut bvmd besser in Prävention und Aufklärung investiert werden.
Die Studierenden verweisen darauf, dass man mit freiwilliger Prävention und Aufklärung bei HIV und Aids deutlich niedrigere Neuinfektionszahlen erreicht habe als mit verpflichtenden Untersuchungen.
bvmd gegen Kondompflicht
Auch eine diskutierte Kondompflicht hält die bvmd für kontraproduktiv. Es bestehe die Gefahr, dass eine bundesweite Pflicht nicht entsprechend kontrolliert werden kann. Auch könne die freiwillige Prävention so womöglich unterlaufen werden. Stattdessen schlägt die bvmd vor, Kondome kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Als wichtige Maßnahme nennen die Studierenden, dass Hürden für den Zugang zu einer Krankenversicherung für die Betroffenen abgebaut werden müssen.
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts haben Dreiviertel der Sexarbeiterinnen ausländische Wurzeln und von ihnen sind mehr als die Hälfte nicht krankenversichert.
Zudem spricht sich der bvmd dafür aus, Sexarbeit als freien Beruf nach Artikel 12 I Grundgesetz anzuerkennen.
Höhere Altersgrenze nicht zielführend
Als nicht zielführend erachten die Medizinstudierenden, dass geplant ist, die Altersgrenze für Sexarbeit von 18 auf 21 Jahre anzuheben. Der Grund: So gerieten jüngere Sexarbeiterinnen in die Illegalität und würden infolge dessen von gesundheitlicher Versorgung abgeschnitten.
Auch die Anonymität muss aus Sicht der bvmd unbedingt weiterhin gewährleistet bleiben, damit Angebote zur Prävention und Krankenversorgung von den Betroffenen genutzt werden. Sie lehnt es daher ab, dass Sexarbeiter künftig verpflichtet werden sollen, sich namentlich zu registrieren.
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Zwangsuntersuchungen, Kondompflicht und eine höhere Altersgrenze für Sexarbeiterinnen hält die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland nicht für zielführend. Stattdessen solle der Zugang zur Krankenversicherung erleichtert werden, schlägt die bvmd anlässlich der Diskussion über ein neues Prostitutionsgesetz vor.
HOMBURG. Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) setzt sich dafür ein, die Gesundheitsförderung von Sexarbeiterinnen zu unterstützen und Stigmatisierung abzubauen. Ein entsprechendes Positionspapier haben die Medizinstudierenden bei ihrer Versammlung in Homburg am Mittwoch abgestimmt.
Anlass ist der schwarz-rote Koalitionsvertrag, in dem die Parteien angekündigt haben, das Prostitutionsgesetz zu überarbeiten und vor allem Kontrollmöglichkeiten für Sexarbeit gesetzlich zu verbessern. Einen Gesetzentwurf bereitet das Bundesfamilienministerium vor.
Im Gespräch sind etwa eine bundesweite Kondompflicht, das Mindestalter für Sexarbeit von 18 auf 21 Jahre heraufzusetzen, verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen für Sexarbeiterinnen und die Freier von Zwangsprostituierten zu bestrafen.
Die Medizinstudierenden haben sich nun gegen verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen ausgesprochen. Dies steht aus ihrer Sicht dem Recht der körperlichen Unversehrtheit und der informationellen Selbstbestimmung entgegen. Stattdessen fordert die bvmd, eine freiwillige, anonyme und kostenlose Gesundheitsberatung für die Betroffenen.
Finanziert werden könnte dies durch die geplanten Ausgaben für die Pflichtuntersuchungen. Das Geld soll laut bvmd besser in Prävention und Aufklärung investiert werden.
Die Studierenden verweisen darauf, dass man mit freiwilliger Prävention und Aufklärung bei HIV und Aids deutlich niedrigere Neuinfektionszahlen erreicht habe als mit verpflichtenden Untersuchungen.
bvmd gegen Kondompflicht
Auch eine diskutierte Kondompflicht hält die bvmd für kontraproduktiv. Es bestehe die Gefahr, dass eine bundesweite Pflicht nicht entsprechend kontrolliert werden kann. Auch könne die freiwillige Prävention so womöglich unterlaufen werden. Stattdessen schlägt die bvmd vor, Kondome kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Als wichtige Maßnahme nennen die Studierenden, dass Hürden für den Zugang zu einer Krankenversicherung für die Betroffenen abgebaut werden müssen.
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts haben Dreiviertel der Sexarbeiterinnen ausländische Wurzeln und von ihnen sind mehr als die Hälfte nicht krankenversichert.
Zudem spricht sich der bvmd dafür aus, Sexarbeit als freien Beruf nach Artikel 12 I Grundgesetz anzuerkennen.
Höhere Altersgrenze nicht zielführend
Als nicht zielführend erachten die Medizinstudierenden, dass geplant ist, die Altersgrenze für Sexarbeit von 18 auf 21 Jahre anzuheben. Der Grund: So gerieten jüngere Sexarbeiterinnen in die Illegalität und würden infolge dessen von gesundheitlicher Versorgung abgeschnitten.
Auch die Anonymität muss aus Sicht der bvmd unbedingt weiterhin gewährleistet bleiben, damit Angebote zur Prävention und Krankenversorgung von den Betroffenen genutzt werden. Sie lehnt es daher ab, dass Sexarbeiter künftig verpflichtet werden sollen, sich namentlich zu registrieren.
Die Medizinstudierenden fordern auch, Experten der Sexarbeit zu beteiligen, wenn Standards für die Sexarbeit und für die Arbeitsumgebung entwickelt werden.
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz
Zu den sogenannten menschenunwürdige Angebotsformen sexueller und erotischer Dienstleistungen an dieser Stelle der Hinweis auf einen TAZ Artikel, Autorin Heide Oestreich, von heute. Titel "Musatfa, ich mach Schluss" der sich befasst mit dem,
Thema Erlebniswohnungen (Berlin) - Gangbang
folgender Querverweis:
http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 188#144188
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz
Strukturen und Umstände von Menschenhandel in Deutschland wirksam bekämpfen
Rede zur Verbesserung der Situation von Opfern von Menschenhandel in Deutschland
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist im Grunde schon eine beschämende Situation: In den Minuten, in denen wir hier über Opfer von Menschenhandel diskutieren, werden in diesem Land Tausende von Menschen ausgebeutet. Sie müssen zum Zwecke eines unnatürlichen Gewinnstrebens dienen, und sie werden an Körper und Seele ausgebeutet. Wir in Deutschland sind stolz auf unseren Rechtsstaat, auf unsere Werte und Traditionen. Aber wir müssen selbstkritisch sagen: Wir haben es nicht geschafft – bislang nicht geschafft –, die Strukturen und Umstände von Menschenhandel in Deutschland wirksam zu bekämpfen. Das bleibt unsere Pflicht.
Das Wort einer jungen Frau, die selbst Opfer von Menschenhandel war und ein Buch darüber geschrieben hat, soll uns zur Mahnung gereichen. Sie schreibt:
Kein junger Mensch … verkauft gern seinen Körper. Doch wenn man diesen Weg erst einmal beschritten hat, führt er unaufhaltsam nach unten. Es wird dunkler, … und man sieht nirgendwo einen Ausweg.
Es ist unsere Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Menschen, die Opfer von Menschenhandel sind, einen Ausweg sehen. Durch gesetzgeberische Maßnahmen müssen wir diesem Leid ein Ende bereiten und sicherstellen, dass der wehrhafte Rechtsstaat diesen Menschen zur Seite steht. Dafür stehen wir.
Es ist richtig, dass der Gesetzentwurf der Grünen in vielen Punkten wahre Dinge anspricht,
(Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])
Dinge, die der Gesetzentwurf der Regierung in den nächsten Monaten anpacken und umsetzen wird.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider nicht!)
Interessant ist aber auch, das anzusprechen, was die Grünen nicht in ihren Gesetzentwurf geschrieben haben.
Es gibt nämlich gerade auch im Bereich der sexuellen Ausbeutung Umstände, die ein Handeln von uns allen erfordern, und dieses Handeln fordern die Grünen gerade nicht ein. Es geht um das Handeln im Bereich der Prostitution, um eine Reform des Prostitutionsgesetzes aus dem Jahr 2002.
(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist denn das in Ihrem Gesetzentwurf zum Bleiberecht geregelt? Dazu haben wir doch andere Gesetze!)
Ich mache Ihnen überhaupt keinen Vorwurf, dass im Jahr 2002 dieses Gesetzgebungsverfahren so über die Bühne ging. Es war sicherlich aus manchen Gründen gut gemeint. Aber es hat sich in der Realität als nicht gut erwiesen, deshalb muss der Gesetzgeber den Mut haben, dies anzusprechen und zu ändern. Wir wollen es ändern.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Genau! – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach neun Jahren!)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Ullrich, gestatten Sie eine Bemerkung oder Frage? – Bitte, Herr Beck.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Nur damit das Hohe Haus bei der Chronologie durch Ihren Sachvortrag nicht durcheinanderkommt: Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir als Grüne schon 2002 eine Ausgestaltung des Berufs- und Gewerberechts der Prostitution für erforderlich gehalten haben und im Jahr 2013, als die schwarz-gelbe Koalition einen später im Bundesrat gescheiterten Versuch unternommen hat, die Menschenhandelsopferfrage zu regeln – wobei übrigens auf das Aufenthaltsrecht gar nicht eingegangen wurde, sondern nur auf das Strafrecht –, Änderungsanträge gestellt haben, um die gewerberechtliche Reglung der Prostitution vorzunehmen, die die Koalition jetzt auch im Grundsatz aufgegriffen hat?
In vielen Details werden wir uns wahrscheinlich noch auseinandersetzen müssen, aber wir sind uns einig, dass wir Prostitutionsstätten gewerberechtlich durchregeln müssen. Der Kollege Uhl war damals bass erstaunt, dass von uns Anträge kamen, die offensichtlich in der damaligen Koalition nicht mehrheitsfähig gewesen sind. Wir sind sogar so weit gegangen – was in Ihren Reihen, glaube ich, jetzt auch diskutiert wird –, zu sagen: Wer als Freier vorsätzlich die Dienstleistung eines Menschenhandelsopfers ausnutzt, der muss dafür natürlich bestraft werden, weil er sich zum Täter macht und sich nicht darauf berufen kann, dass ihm jemand anderes das Menschenhandelsopfer zugeführt hat.
Wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir vielleicht schon etwas weiter waren als Sie, gezwungen durch Ihren Koalitionspartner in der letzten Legislaturperiode? – Sie müssen nur Ja sagen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU):
Herr Kollege Beck, Ihre Rhetorik kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Sie von völlig falschen Voraussetzungen ausgehen. Wenn Sie sich mit Opferverbänden, mit Personen unterhalten, die sich beruflich mit den Folgen des Menschenhandels beschäftigen, dann wird Ihnen unisono gesagt: Das rot-grüne Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002 hat es erst ermöglicht, dass in Deutschland
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe mit sehr vielen gesprochen! Ich habe das nicht unisono gehört!)
– Kollege Beck, Zuhören erleichtert manchmal die Findung der Realität –
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht, wenn Sie Falsches erzählen!)
Hunderttausende von jungen Frauen in Bordellen ausgebeutet werden konnten,
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Vermischen Sie nicht alles!)
weil man es aufgrund der laxen Rechtslage den Bordellbesitzern einfach gemacht hat, diese Menschen auszubeuten. Legale Prostitution lässt sich oftmals in einem Graubereich nicht von Zwangsprostitution trennen, deswegen tragen Sie Mitverantwortung für dieses Gesetz.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fakten- und sachwidrig ist Ihr Vortrag!)
Daher wäre ich an Ihrer Stelle eher ruhig geblieben.
(Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn in den letzten zehn Jahren gemacht? Die Verantwortung liegt doch bei Ihnen! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit 2005 regieren Sie!)
Wir wollen in diesem Hohen Hause die gesetzlichen Maßnahmen umsetzen, um zukünftig junge Frauen stärker vor sexueller Ausbeutung zu schützen. Dazu braucht es nicht allein eine Reform der Erlaubnispflicht von Bordellen. Es braucht auch eine Anhebung des Mindestalters auf 21 Jahre. Wir brauchen eine verpflichtende Beratung und verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen. Wir brauchen eine Abschaffung des eingeschränkten Weisungsrechts, und wir brauchen am Ende auch eine Änderung der Kultur in diesem Land. Körper sind keine Ware.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sexuelle Dienstleistungen!)
Man kauft Menschen nicht. Der Respekt vor Menschen verbietet es, dass wir sexuelle Dienstleistungen als Ware ansehen. Es geht um Menschen, die oftmals vor dem Hintergrund einer legalen Fassade ausgebeutet wurden.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen die Prostitution verbieten! Dann sagen Sie es doch! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen also die Prostitution verbieten!)
Das ist etwas, was wir nicht akzeptieren und tolerieren wollen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, die Frage der Bekämpfung von Menschenhandel ist geprägt durch ein Mosaik von vielen Maßnahmen.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn man bei der Moral zu sehr aufdreht, landet man manchmal in der falschen Ecke!)
Wir müssen stärker überwachen, dass Unternehmer Menschen nicht ausbeuten. Wir müssen zukünftig die Bordellszene in Deutschland stärker reglementieren, um damit die Opfer zu schützen. Wir müssen dieses Thema aber immer auch vor dem Hintergrund der Würde des Menschen betrachten. Dort, wo die Würde des Menschen verletzt ist, haben wir die Pflicht, zu handeln. Die Würde des Menschen ist die beste Idee, die wir haben. Deswegen ist das Handeln unsere allererste Pflicht.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen Sie die Würde von Prostituierten schützen! Das ist auch Menschenwürde!)
Dafür wollen wir kämpfen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU
https://www.csu-landesgruppe.de/themen/ ... bekaempfen
Rede zur Verbesserung der Situation von Opfern von Menschenhandel in Deutschland
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist im Grunde schon eine beschämende Situation: In den Minuten, in denen wir hier über Opfer von Menschenhandel diskutieren, werden in diesem Land Tausende von Menschen ausgebeutet. Sie müssen zum Zwecke eines unnatürlichen Gewinnstrebens dienen, und sie werden an Körper und Seele ausgebeutet. Wir in Deutschland sind stolz auf unseren Rechtsstaat, auf unsere Werte und Traditionen. Aber wir müssen selbstkritisch sagen: Wir haben es nicht geschafft – bislang nicht geschafft –, die Strukturen und Umstände von Menschenhandel in Deutschland wirksam zu bekämpfen. Das bleibt unsere Pflicht.
Das Wort einer jungen Frau, die selbst Opfer von Menschenhandel war und ein Buch darüber geschrieben hat, soll uns zur Mahnung gereichen. Sie schreibt:
Kein junger Mensch … verkauft gern seinen Körper. Doch wenn man diesen Weg erst einmal beschritten hat, führt er unaufhaltsam nach unten. Es wird dunkler, … und man sieht nirgendwo einen Ausweg.
Es ist unsere Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Menschen, die Opfer von Menschenhandel sind, einen Ausweg sehen. Durch gesetzgeberische Maßnahmen müssen wir diesem Leid ein Ende bereiten und sicherstellen, dass der wehrhafte Rechtsstaat diesen Menschen zur Seite steht. Dafür stehen wir.
Es ist richtig, dass der Gesetzentwurf der Grünen in vielen Punkten wahre Dinge anspricht,
(Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])
Dinge, die der Gesetzentwurf der Regierung in den nächsten Monaten anpacken und umsetzen wird.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider nicht!)
Interessant ist aber auch, das anzusprechen, was die Grünen nicht in ihren Gesetzentwurf geschrieben haben.
Es gibt nämlich gerade auch im Bereich der sexuellen Ausbeutung Umstände, die ein Handeln von uns allen erfordern, und dieses Handeln fordern die Grünen gerade nicht ein. Es geht um das Handeln im Bereich der Prostitution, um eine Reform des Prostitutionsgesetzes aus dem Jahr 2002.
(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist denn das in Ihrem Gesetzentwurf zum Bleiberecht geregelt? Dazu haben wir doch andere Gesetze!)
Ich mache Ihnen überhaupt keinen Vorwurf, dass im Jahr 2002 dieses Gesetzgebungsverfahren so über die Bühne ging. Es war sicherlich aus manchen Gründen gut gemeint. Aber es hat sich in der Realität als nicht gut erwiesen, deshalb muss der Gesetzgeber den Mut haben, dies anzusprechen und zu ändern. Wir wollen es ändern.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Genau! – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach neun Jahren!)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Ullrich, gestatten Sie eine Bemerkung oder Frage? – Bitte, Herr Beck.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Nur damit das Hohe Haus bei der Chronologie durch Ihren Sachvortrag nicht durcheinanderkommt: Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir als Grüne schon 2002 eine Ausgestaltung des Berufs- und Gewerberechts der Prostitution für erforderlich gehalten haben und im Jahr 2013, als die schwarz-gelbe Koalition einen später im Bundesrat gescheiterten Versuch unternommen hat, die Menschenhandelsopferfrage zu regeln – wobei übrigens auf das Aufenthaltsrecht gar nicht eingegangen wurde, sondern nur auf das Strafrecht –, Änderungsanträge gestellt haben, um die gewerberechtliche Reglung der Prostitution vorzunehmen, die die Koalition jetzt auch im Grundsatz aufgegriffen hat?
In vielen Details werden wir uns wahrscheinlich noch auseinandersetzen müssen, aber wir sind uns einig, dass wir Prostitutionsstätten gewerberechtlich durchregeln müssen. Der Kollege Uhl war damals bass erstaunt, dass von uns Anträge kamen, die offensichtlich in der damaligen Koalition nicht mehrheitsfähig gewesen sind. Wir sind sogar so weit gegangen – was in Ihren Reihen, glaube ich, jetzt auch diskutiert wird –, zu sagen: Wer als Freier vorsätzlich die Dienstleistung eines Menschenhandelsopfers ausnutzt, der muss dafür natürlich bestraft werden, weil er sich zum Täter macht und sich nicht darauf berufen kann, dass ihm jemand anderes das Menschenhandelsopfer zugeführt hat.
Wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir vielleicht schon etwas weiter waren als Sie, gezwungen durch Ihren Koalitionspartner in der letzten Legislaturperiode? – Sie müssen nur Ja sagen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU):
Herr Kollege Beck, Ihre Rhetorik kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Sie von völlig falschen Voraussetzungen ausgehen. Wenn Sie sich mit Opferverbänden, mit Personen unterhalten, die sich beruflich mit den Folgen des Menschenhandels beschäftigen, dann wird Ihnen unisono gesagt: Das rot-grüne Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002 hat es erst ermöglicht, dass in Deutschland
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe mit sehr vielen gesprochen! Ich habe das nicht unisono gehört!)
– Kollege Beck, Zuhören erleichtert manchmal die Findung der Realität –
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht, wenn Sie Falsches erzählen!)
Hunderttausende von jungen Frauen in Bordellen ausgebeutet werden konnten,
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Vermischen Sie nicht alles!)
weil man es aufgrund der laxen Rechtslage den Bordellbesitzern einfach gemacht hat, diese Menschen auszubeuten. Legale Prostitution lässt sich oftmals in einem Graubereich nicht von Zwangsprostitution trennen, deswegen tragen Sie Mitverantwortung für dieses Gesetz.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fakten- und sachwidrig ist Ihr Vortrag!)
Daher wäre ich an Ihrer Stelle eher ruhig geblieben.
(Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn in den letzten zehn Jahren gemacht? Die Verantwortung liegt doch bei Ihnen! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit 2005 regieren Sie!)
Wir wollen in diesem Hohen Hause die gesetzlichen Maßnahmen umsetzen, um zukünftig junge Frauen stärker vor sexueller Ausbeutung zu schützen. Dazu braucht es nicht allein eine Reform der Erlaubnispflicht von Bordellen. Es braucht auch eine Anhebung des Mindestalters auf 21 Jahre. Wir brauchen eine verpflichtende Beratung und verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen. Wir brauchen eine Abschaffung des eingeschränkten Weisungsrechts, und wir brauchen am Ende auch eine Änderung der Kultur in diesem Land. Körper sind keine Ware.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sexuelle Dienstleistungen!)
Man kauft Menschen nicht. Der Respekt vor Menschen verbietet es, dass wir sexuelle Dienstleistungen als Ware ansehen. Es geht um Menschen, die oftmals vor dem Hintergrund einer legalen Fassade ausgebeutet wurden.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen die Prostitution verbieten! Dann sagen Sie es doch! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen also die Prostitution verbieten!)
Das ist etwas, was wir nicht akzeptieren und tolerieren wollen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, die Frage der Bekämpfung von Menschenhandel ist geprägt durch ein Mosaik von vielen Maßnahmen.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn man bei der Moral zu sehr aufdreht, landet man manchmal in der falschen Ecke!)
Wir müssen stärker überwachen, dass Unternehmer Menschen nicht ausbeuten. Wir müssen zukünftig die Bordellszene in Deutschland stärker reglementieren, um damit die Opfer zu schützen. Wir müssen dieses Thema aber immer auch vor dem Hintergrund der Würde des Menschen betrachten. Dort, wo die Würde des Menschen verletzt ist, haben wir die Pflicht, zu handeln. Die Würde des Menschen ist die beste Idee, die wir haben. Deswegen ist das Handeln unsere allererste Pflicht.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen Sie die Würde von Prostituierten schützen! Das ist auch Menschenwürde!)
Dafür wollen wir kämpfen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU
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Die Rede von Eva Högl im Bundestag am 5. 12. 2014
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz
Mehr Rechte verhindern Ausbeutung
IRMINGARD SCHEWE-GERIGK --
Bis 2002 waren Prostituierte in Deutschland nahezu rechtlos. Das rot-grüne Prostitutionsgesetz hat diesen Zustand juristisch erstmals beendet. Dennoch bleibt viel zu regeln, um die betroffenen Frauen wirksam zu schützen. Dabei würde sich die Kriminalisierung der Prostitution als Irrweg erweisen
Kaum ein gesellschaftspolitisches Thema erregt die Gemüter in Talkshows und Magazinen so sehr wie das Thema Prostitution. Zwei Positionen stehen sich unversöhnlich gegenüber: Die Vertreter eines Verbots verkünden missionarisch, dass Prostitution niemals freiwillig sein kann, sondern immer unter Zwang ausgeübt wird. Sie sprechen den Prostituierten die Entscheidungskompetenz ab, wollen Bordelle und Prostitution verbieten und Freier bestrafen. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die Prostitution tolerieren und als Teil des Selbstbestimmungsrechts von Frauen ansehen, wenn sie freiwillig erfolgt. Sie argumentieren, durch die Stärkung der Rechte von Prostituierten könne ihrer Ausbeutung entgegengewirkt werden.
Handschrift der Frauenhändler?
In einem Appell an die Bundesregierung forderte Alice Schwarzer, die Herausgeberin der Frauenzeitschrift Emma, 2013 ein Ende der Prostitution. Seitdem ist es um sie still geworden; die eigenen (Steuer)Sünden verlangen ihren Tribut. Schwarzer macht das Prostitutionsgesetz dafür verantwortlich, dass es in dem Gewerbe negative Entwicklungen gibt und behauptet, das Gesetz trage die Handschrift der Frauenhändler. Bemerkenswerterweise hat den Appell auch die Vorsitzende der CDU-Frauenunion, Maria Böhmer, unterschrieben – und sich damit quasi selbst zum Handeln aufgefordert. Immerhin hatte sie als Staatsministerin acht Jahre dafür Zeit. Aber wäre mit einer Rücknahme des Gesetzes die Welt wirklich wieder in Ordnung?
Vor dem Jahr 2002 befanden sich die in der Prostitution tätigen Menschen in einer nahezu rechtlosen Situation. Obwohl das Verbot der Prostitution schon 1927 aufgehoben wurde, stuften die Gerichte sie als sittenwidrig ein. Das Bundesverwaltungsgericht urteilte noch im Jahr 1965, Prostituierte seien mit Berufsverbrechern gleichzustellen. Sie waren Bürgerinnen zweiter Klasse – stigmatisiert und diskriminiert. Ihnen war es nicht möglich, Verträge mit Kunden oder Arbeitgebern zu schließen, da diese aufgrund von Sittenwidrigkeit nichtig waren. Prostituierte konnten weder ihren Entgeltanspruch gegen Freier gerichtlich geltend machen, noch sich kranken- oder rentenversichern. Auch fehlte ein Anspruch auf Umschulung, was den Ausstieg aus der Prostitution erschwerte. Die Arbeitsbedingungen und das Arbeitsumfeld waren katastrophal, denn wegen des Paragrafen „Förderung der Prostitution“ war es für Bordellbetreiber strafbar, gute und hygienische Arbeitsbedingungen zu schaffen. Kurz gesagt: Je miserabler die Räume, desto legaler deren Vermietung. Viele verdienten an diesem Zustand: Wohnungsvermieter, Bar-Besitzer, Zuhälter. Sogar der Staat verfuhr nach dem Motto „Geld stinkt nicht“ und kassierte aus dem sittenwidrigen Geschäft Steuern. Für die Frauen selbst blieb oft nicht viel übrig.
Erst in den neunziger Jahren kam Kritik an diesen unhaltbaren Zuständen auf (zum Beispiel von der Bundeskonferenz der Frauenministerinnen), und auch die übergroße Mehrheit der deutschen Bevölkerung sprach sich für rechtliche und soziale Verbesserungen für Prostituierte aus. In diesem gesellschaftlichen Klima entstand 2002 das Prostitutionsgesetz, das vor allem die rechtliche Stellung der Prostituierten stärken sollte. Es legt fest, dass rechtswirksame Verträge geschlossen werden können, die zum besonderen Schutz der Prostituierten ausschließlich einseitig verpflichtend sind. Das heißt, eine Frau kann ihr Arbeitsverhältnis von einem Tag auf den anderen kündigen, sie kann bestimmte Kunden und unerwünschte Sexualpraktiken ablehnen. Ein möglicher Arbeitgeber hat dagegen ein eingeschränktes Weisungsrecht. Er darf lediglich den Ort und die Zeit für die Tätigkeit festlegen. Durch das Gesetz wurden auch der Anspruch auf Zahlung für erbrachte Leistungen und der Zugang zur Sozialversicherung sowie der Umschulungsanspruch bei einem Ausstieg geregelt. Die Streichung des Straftatbestandes „Förderung der Prostitution“ ermöglicht es Bordellbetreibern jetzt, legal ein angenehmes und hygienisches Umfeld zu schaffen oder auch Kondome zur Verfügung zu stellen. Strafbar bleiben hingegen die Ausbeutung von Prostituierten und die Einschränkung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit.
In den Bundesländern fehlt der Wille
Trotz des Gesetzes unterliegt Prostitution aber weiterhin rechtlichen Verboten und Einschränkungen. So war damals allen Beteiligten klar, dass das als reines Bundesgesetz verabschiedete Werk nur einen ersten Schritt darstellt und weitere rechtliche Regelungen notwendig sind, um die Betroffenen wirkungsvoll zu schützen – etwa im Gewerberecht oder im Polizeirecht der dafür zuständigen Länder. Doch eine von der Bundesregierung einberufene Bund-Länder-Arbeitsgruppe scheiterte sehr schnell an der mangelnden Kooperation der Länder.
Bereits die Evaluation im Jahr 2007 deutete an, dass die Wirkung des Gesetzes sehr begrenzt ist. Zwar hat es die Rechtssituation der Betroffenen verbessert, es kann aber weder Prostitution umfassend regulieren, noch die Arbeitsbedingungen allgemein verbessern. Zudem fehlt in den Ländern bis heute der Wille, das Bundesgesetz umzusetzen. In Bayern kommt es per Dienstanweisung sogar nicht einmal zur Anwendung. Dort wird davon ausgegangen, dass ein Vertrag zwischen Bordellbetreiber und Prostituierter den Tatbestand der Zuhälterei erfüllt und daher nichtig ist – obwohl ein Gericht dem ausdrücklich widersprochen hat.
Den Erfolg des Gesetzes an der Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse zu messen, ist vor diesem Hintergrund sicher ein untaugliches Mittel. Problematisch ist zudem, dass viele Betroffene das Gesetz sowie die ihnen zustehenden Rechte nicht kennen und diese deshalb auch nicht einfordern. Diese Situation nutzen einige Bordellbetreiber offensichtlich aus. Auswüchse wie Flatrate-Sex oder Gang-Bang-Partys hätten durch frühzeitige gewerberechtliche Regelungen, wie man sie jetzt diskutiert, verhindert werden können. Damals fand die notwendige gesellschaftliche Debatte nicht statt. Das rächt sich nun umso mehr.
Heute wird die Diskussion unter vollkommen neuen Vorzeichen geführt. Neben einem gesellschaftlichen roll-back hat sich das Prostitutionsgewerbe auch durch Armutsmigration stark verändert und bedarf dringend verbindlicher Standards. Oft wird kritisiert, dass der Anteil der Migrantinnen in den Bordellen enorm hoch ist, und man schließt daraus, dass sie alle Opfer von Menschenhandel seien. Aber Prostitution und Menschenhandel gleichzusetzen, verharmlost dieses abscheuliche Verbrechen und verhöhnt die Opfer.
Warum Schweden kein Vorbild ist
Viele Bulgarinnen und Rumäninnen haben die EU-Osterweiterung im Jahr 2007 genutzt, der Armut in ihrem Lande zu entfliehen und legal nach Deutschland zu kommen. Arm, ohne Sprachkenntnisse und mit geringer Bildung suchen einige von ihnen eine Verdienstmöglichkeit in der Prostitution, um sich und ihre Familie im Herkunftsland zu ernähren. Oft ist es nicht ihr eigener Wille, sondern sie werden von ihren Familien nach Deutschland geschickt. Um dieser Zwangslage zu entgehen, brauchen diese Frauen Hilfen und eine Alternative zur Prostitution. An dieser Stelle gibt es Überschneidungen zum Menschenhandel, da auch organisierte Banden diese Situation ausnutzen. Das muss mit allen Mitteln bekämpft werden, etwa durch Polizeikontrollen in Bordellen, die weiterhin möglich sind. Der Handel mit Frauen ist aber keine Folge des Prostitutionsgesetzes.
Bevor Entscheidungen über Änderungen am Gesetz getroffen werden, sollte zunächst das Verhältnis zwischen Staat und Individuum geklärt werden: Wollen wir weiterhin in einem liberalen Wohlfahrtsstaat leben, in dem Menschen das Recht haben, so zu leben, wie sie wollen, solange sie die Freiheit anderer nicht einschränken? Oder streben wir einen kommunitären Wohlfahrtsstaat an, in dem der Staat allgemein gültige Werte und Normen für die gesamte Gesellschaft festlegt, denen sich die Menschen unterzuordnen haben, wie es in Schweden der Fall ist?
Das schwedische Modell gilt manchen in Deutschland als Vorbild; es hat allerdings viele Schattenseiten. Dort gelten seit 1999 ein Verbot des Sexkaufs und eine Bestrafung der Freier, während der Sexverkauf straffrei bleibt. Eigentlich absurd. Es käme doch auch niemand auf die Idee, den Käufer von Alkohol zu bestrafen, aber gleichzeitig den Verkauf zu erlauben. Zwar ist Prostitution in Schweden nicht mehr so häufig auf der Straße sichtbar, aber die Frauen leben seitdem gefährlicher. Sie werden an unsichere Orte verdrängt, verabreden sich über das Internet. In Schweden hat ein Polizeioffizier deshalb das Recht, eine Überwachung oder Hausdurchsuchung, sogar eine Telefonüberwachung, wenn sie nicht in größerem Ausmaß stattfindet, ohne richterlichen Beschluss durchzuführen. Wollen wir in einem solchen Staat leben? Von einer Verhältnismäßigkeit der Mittel kann wohl kaum gesprochen werden, wenn in Schweden weniger als eine Anklage gegen Freier pro Tag erhoben wird und in den vergangenen Jahren vier Männer für Sexkauf ins Gefängnis mussten. Für einen liberalen Rechtsstaat wie Deutschland ist so etwas glücklicherweise undenkbar.
Auch ein Komplettverbot ist für uns unrealistisch. In China, Saudi-Arabien oder Iran steht auf Prostitution die Todesstrafe. In den Vereinigten Staaten werden jährlich 60 000 Frauen wegen Prostitution verhaftet, diese finden danach keine Arbeit – und gehen weiterhin der gleichen Tätigkeit nach.
Was hilft den Menschen wirklich?
Wenn es allen – wie gern behauptet wird – um die verbesserte Situation der Prostituierten ginge, müsste die Leitfrage für jede vorgeschlagene Maßnahme lauten: „Was hilft den Menschen, die in der Prostitution arbeiten, wirklich?“ Dann wären viele populistische Vorschläge, die das eigene Ego beruhigen, sofort vom Tisch. Dennoch besteht ein erheblicher Handlungsbedarf bei der Verbesserung der Arbeitssituation. Hier hätten die Länder, die bis zur Föderalismusreform für das Gewerberecht zuständig waren, längst handeln müssen. Nun ist der Bund am Zuge. Die schwarz-gelbe Koalition hatte 2013 einen Versuch unternommen – ohne Erfolg.
Jetzt wollen CDU / CSU und SPD die allgemeinen Aussagen im Koalitionsvertrag mit Leben füllen. Über die konkreten Regelungen gibt es allerdings in vielen Punkten Streit. Einigkeit besteht bei der gewerberechtlichen Erlaubnispflicht für Prostitutionsbetriebe mit entsprechenden Auflagen, um unhygienische und unzumutbare Arbeitsbedingungen zu beenden. Dabei muss auch die Zuverlässigkeit der Betreiber geprüft werden, anderenfalls darf es keine Erlaubnis geben. Ähnliches ist bei der Nichteinhaltung vorgeschriebener Auflagen vorzuschreiben. In diesem Fall sollte die Genehmigungsbehörde die Erlaubnis entziehen können und die Einrichtung schließen. Mit diesen Maßnahmen könnten bereits viele Missstände beseitigt werden. Eine Anmeldepflicht für jede einzelne Prostituierte hingegen dient nicht zur Unterscheidung zwischen legaler Prostitution und strafbarer Zwangsprostitution, sondern nur der Kontrolle mit immensen Datenschutzproblemen.
Neben dem Bund sind allerdings auch die Kommunen gefragt. Angesichts ihrer knappen Kassen haben allein in Nordrhein-Westfalen 13 Gemeinden eine Sexsteuer eingeführt und nehmen dadurch 300.000 Euro jährlich ein. Dieses Geld sollten sie in Beratungsstellen stecken, die über die rechtliche Situation, Gesundheits- und Arbeitsschutz sowie Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten informieren. Unglücklicherweise erleben wir gerade das Gegenteil. So wurde beispielsweise in Dortmund die Finanzierung für ein Projekt gestrichen, das bulgarischen Prostituierten in ihrer Heimatsprache Hilfe angeboten hatte.
Schutz für die Opfer des Menschenhandels
Die von der CDU vorgeschlagene Heraufsetzung des Mindestalters von 18 auf 21 Jahre, „um die stetige Nachfrage nach immer jüngeren Frauen“ einzudämmen, entbehrt nicht nur jeder Statistik, sondern ist auch keine sinnvolle Maßnahme. Die jungen Volljährigen würden sicherlich in die Illegalität gehen und keinerlei Schutz genießen. Es dürfen rechtlich keine anderen Maßstäbe an Prostituierte angelegt werden als etwa an Soldatinnen, die mit 18 Jahren sogar ihr Leben in Gefahr bringen können. Auch die von der CSU ins Spiel gebrachten Zwangsuntersuchungen stigmatisieren Menschen, die in der Prostitution arbeiten. Untersuchungen hatten gezeigt, dass das Risiko übertragbarer Krankheiten bei ihnen nicht größer ist als im Durchschnitt der Bevölkerung.
Noch wesentlich mehr uneingeschränkte Hilfe und Unterstützung des Staates als bisher brauchen aber vor allem die Opfer des Menschenhandels. Eine effektivere Verfolgung der Täter ist ebenso unabdingbar, wie den Betroffenen Schutzwohnungen bereitzustellen und das Aufenthaltsrecht unabhängig von der Aussagebereitschaft anzubieten. Italien hat es uns vorgemacht und damit die Zahl der Aussagen gegen Menschenhändler sogar erhöht. Ein Zeugnisverweigerungsrecht für spezialisierte Beratungsstellen hilft den Opfern, Vertrauen aufzubauen und über ihre furchtbaren Erlebnisse zu berichten. Daneben ist es notwendig, den Straftatbestand Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung neu zu fassen, damit die Bestrafung der Täter nicht länger von der Aussage der Opfer abhängt. Denn bisher ist die Rechtlosigkeit der Opfer der beste Täterschutz. An diesem Punkt ist der Staat besonders gefragt.
http://www.b-republik.de/archiv/mehr-re ... ausbeutung
IRMINGARD SCHEWE-GERIGK --
Bis 2002 waren Prostituierte in Deutschland nahezu rechtlos. Das rot-grüne Prostitutionsgesetz hat diesen Zustand juristisch erstmals beendet. Dennoch bleibt viel zu regeln, um die betroffenen Frauen wirksam zu schützen. Dabei würde sich die Kriminalisierung der Prostitution als Irrweg erweisen
Kaum ein gesellschaftspolitisches Thema erregt die Gemüter in Talkshows und Magazinen so sehr wie das Thema Prostitution. Zwei Positionen stehen sich unversöhnlich gegenüber: Die Vertreter eines Verbots verkünden missionarisch, dass Prostitution niemals freiwillig sein kann, sondern immer unter Zwang ausgeübt wird. Sie sprechen den Prostituierten die Entscheidungskompetenz ab, wollen Bordelle und Prostitution verbieten und Freier bestrafen. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die Prostitution tolerieren und als Teil des Selbstbestimmungsrechts von Frauen ansehen, wenn sie freiwillig erfolgt. Sie argumentieren, durch die Stärkung der Rechte von Prostituierten könne ihrer Ausbeutung entgegengewirkt werden.
Handschrift der Frauenhändler?
In einem Appell an die Bundesregierung forderte Alice Schwarzer, die Herausgeberin der Frauenzeitschrift Emma, 2013 ein Ende der Prostitution. Seitdem ist es um sie still geworden; die eigenen (Steuer)Sünden verlangen ihren Tribut. Schwarzer macht das Prostitutionsgesetz dafür verantwortlich, dass es in dem Gewerbe negative Entwicklungen gibt und behauptet, das Gesetz trage die Handschrift der Frauenhändler. Bemerkenswerterweise hat den Appell auch die Vorsitzende der CDU-Frauenunion, Maria Böhmer, unterschrieben – und sich damit quasi selbst zum Handeln aufgefordert. Immerhin hatte sie als Staatsministerin acht Jahre dafür Zeit. Aber wäre mit einer Rücknahme des Gesetzes die Welt wirklich wieder in Ordnung?
Vor dem Jahr 2002 befanden sich die in der Prostitution tätigen Menschen in einer nahezu rechtlosen Situation. Obwohl das Verbot der Prostitution schon 1927 aufgehoben wurde, stuften die Gerichte sie als sittenwidrig ein. Das Bundesverwaltungsgericht urteilte noch im Jahr 1965, Prostituierte seien mit Berufsverbrechern gleichzustellen. Sie waren Bürgerinnen zweiter Klasse – stigmatisiert und diskriminiert. Ihnen war es nicht möglich, Verträge mit Kunden oder Arbeitgebern zu schließen, da diese aufgrund von Sittenwidrigkeit nichtig waren. Prostituierte konnten weder ihren Entgeltanspruch gegen Freier gerichtlich geltend machen, noch sich kranken- oder rentenversichern. Auch fehlte ein Anspruch auf Umschulung, was den Ausstieg aus der Prostitution erschwerte. Die Arbeitsbedingungen und das Arbeitsumfeld waren katastrophal, denn wegen des Paragrafen „Förderung der Prostitution“ war es für Bordellbetreiber strafbar, gute und hygienische Arbeitsbedingungen zu schaffen. Kurz gesagt: Je miserabler die Räume, desto legaler deren Vermietung. Viele verdienten an diesem Zustand: Wohnungsvermieter, Bar-Besitzer, Zuhälter. Sogar der Staat verfuhr nach dem Motto „Geld stinkt nicht“ und kassierte aus dem sittenwidrigen Geschäft Steuern. Für die Frauen selbst blieb oft nicht viel übrig.
Erst in den neunziger Jahren kam Kritik an diesen unhaltbaren Zuständen auf (zum Beispiel von der Bundeskonferenz der Frauenministerinnen), und auch die übergroße Mehrheit der deutschen Bevölkerung sprach sich für rechtliche und soziale Verbesserungen für Prostituierte aus. In diesem gesellschaftlichen Klima entstand 2002 das Prostitutionsgesetz, das vor allem die rechtliche Stellung der Prostituierten stärken sollte. Es legt fest, dass rechtswirksame Verträge geschlossen werden können, die zum besonderen Schutz der Prostituierten ausschließlich einseitig verpflichtend sind. Das heißt, eine Frau kann ihr Arbeitsverhältnis von einem Tag auf den anderen kündigen, sie kann bestimmte Kunden und unerwünschte Sexualpraktiken ablehnen. Ein möglicher Arbeitgeber hat dagegen ein eingeschränktes Weisungsrecht. Er darf lediglich den Ort und die Zeit für die Tätigkeit festlegen. Durch das Gesetz wurden auch der Anspruch auf Zahlung für erbrachte Leistungen und der Zugang zur Sozialversicherung sowie der Umschulungsanspruch bei einem Ausstieg geregelt. Die Streichung des Straftatbestandes „Förderung der Prostitution“ ermöglicht es Bordellbetreibern jetzt, legal ein angenehmes und hygienisches Umfeld zu schaffen oder auch Kondome zur Verfügung zu stellen. Strafbar bleiben hingegen die Ausbeutung von Prostituierten und die Einschränkung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit.
In den Bundesländern fehlt der Wille
Trotz des Gesetzes unterliegt Prostitution aber weiterhin rechtlichen Verboten und Einschränkungen. So war damals allen Beteiligten klar, dass das als reines Bundesgesetz verabschiedete Werk nur einen ersten Schritt darstellt und weitere rechtliche Regelungen notwendig sind, um die Betroffenen wirkungsvoll zu schützen – etwa im Gewerberecht oder im Polizeirecht der dafür zuständigen Länder. Doch eine von der Bundesregierung einberufene Bund-Länder-Arbeitsgruppe scheiterte sehr schnell an der mangelnden Kooperation der Länder.
Bereits die Evaluation im Jahr 2007 deutete an, dass die Wirkung des Gesetzes sehr begrenzt ist. Zwar hat es die Rechtssituation der Betroffenen verbessert, es kann aber weder Prostitution umfassend regulieren, noch die Arbeitsbedingungen allgemein verbessern. Zudem fehlt in den Ländern bis heute der Wille, das Bundesgesetz umzusetzen. In Bayern kommt es per Dienstanweisung sogar nicht einmal zur Anwendung. Dort wird davon ausgegangen, dass ein Vertrag zwischen Bordellbetreiber und Prostituierter den Tatbestand der Zuhälterei erfüllt und daher nichtig ist – obwohl ein Gericht dem ausdrücklich widersprochen hat.
Den Erfolg des Gesetzes an der Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse zu messen, ist vor diesem Hintergrund sicher ein untaugliches Mittel. Problematisch ist zudem, dass viele Betroffene das Gesetz sowie die ihnen zustehenden Rechte nicht kennen und diese deshalb auch nicht einfordern. Diese Situation nutzen einige Bordellbetreiber offensichtlich aus. Auswüchse wie Flatrate-Sex oder Gang-Bang-Partys hätten durch frühzeitige gewerberechtliche Regelungen, wie man sie jetzt diskutiert, verhindert werden können. Damals fand die notwendige gesellschaftliche Debatte nicht statt. Das rächt sich nun umso mehr.
Heute wird die Diskussion unter vollkommen neuen Vorzeichen geführt. Neben einem gesellschaftlichen roll-back hat sich das Prostitutionsgewerbe auch durch Armutsmigration stark verändert und bedarf dringend verbindlicher Standards. Oft wird kritisiert, dass der Anteil der Migrantinnen in den Bordellen enorm hoch ist, und man schließt daraus, dass sie alle Opfer von Menschenhandel seien. Aber Prostitution und Menschenhandel gleichzusetzen, verharmlost dieses abscheuliche Verbrechen und verhöhnt die Opfer.
Warum Schweden kein Vorbild ist
Viele Bulgarinnen und Rumäninnen haben die EU-Osterweiterung im Jahr 2007 genutzt, der Armut in ihrem Lande zu entfliehen und legal nach Deutschland zu kommen. Arm, ohne Sprachkenntnisse und mit geringer Bildung suchen einige von ihnen eine Verdienstmöglichkeit in der Prostitution, um sich und ihre Familie im Herkunftsland zu ernähren. Oft ist es nicht ihr eigener Wille, sondern sie werden von ihren Familien nach Deutschland geschickt. Um dieser Zwangslage zu entgehen, brauchen diese Frauen Hilfen und eine Alternative zur Prostitution. An dieser Stelle gibt es Überschneidungen zum Menschenhandel, da auch organisierte Banden diese Situation ausnutzen. Das muss mit allen Mitteln bekämpft werden, etwa durch Polizeikontrollen in Bordellen, die weiterhin möglich sind. Der Handel mit Frauen ist aber keine Folge des Prostitutionsgesetzes.
Bevor Entscheidungen über Änderungen am Gesetz getroffen werden, sollte zunächst das Verhältnis zwischen Staat und Individuum geklärt werden: Wollen wir weiterhin in einem liberalen Wohlfahrtsstaat leben, in dem Menschen das Recht haben, so zu leben, wie sie wollen, solange sie die Freiheit anderer nicht einschränken? Oder streben wir einen kommunitären Wohlfahrtsstaat an, in dem der Staat allgemein gültige Werte und Normen für die gesamte Gesellschaft festlegt, denen sich die Menschen unterzuordnen haben, wie es in Schweden der Fall ist?
Das schwedische Modell gilt manchen in Deutschland als Vorbild; es hat allerdings viele Schattenseiten. Dort gelten seit 1999 ein Verbot des Sexkaufs und eine Bestrafung der Freier, während der Sexverkauf straffrei bleibt. Eigentlich absurd. Es käme doch auch niemand auf die Idee, den Käufer von Alkohol zu bestrafen, aber gleichzeitig den Verkauf zu erlauben. Zwar ist Prostitution in Schweden nicht mehr so häufig auf der Straße sichtbar, aber die Frauen leben seitdem gefährlicher. Sie werden an unsichere Orte verdrängt, verabreden sich über das Internet. In Schweden hat ein Polizeioffizier deshalb das Recht, eine Überwachung oder Hausdurchsuchung, sogar eine Telefonüberwachung, wenn sie nicht in größerem Ausmaß stattfindet, ohne richterlichen Beschluss durchzuführen. Wollen wir in einem solchen Staat leben? Von einer Verhältnismäßigkeit der Mittel kann wohl kaum gesprochen werden, wenn in Schweden weniger als eine Anklage gegen Freier pro Tag erhoben wird und in den vergangenen Jahren vier Männer für Sexkauf ins Gefängnis mussten. Für einen liberalen Rechtsstaat wie Deutschland ist so etwas glücklicherweise undenkbar.
Auch ein Komplettverbot ist für uns unrealistisch. In China, Saudi-Arabien oder Iran steht auf Prostitution die Todesstrafe. In den Vereinigten Staaten werden jährlich 60 000 Frauen wegen Prostitution verhaftet, diese finden danach keine Arbeit – und gehen weiterhin der gleichen Tätigkeit nach.
Was hilft den Menschen wirklich?
Wenn es allen – wie gern behauptet wird – um die verbesserte Situation der Prostituierten ginge, müsste die Leitfrage für jede vorgeschlagene Maßnahme lauten: „Was hilft den Menschen, die in der Prostitution arbeiten, wirklich?“ Dann wären viele populistische Vorschläge, die das eigene Ego beruhigen, sofort vom Tisch. Dennoch besteht ein erheblicher Handlungsbedarf bei der Verbesserung der Arbeitssituation. Hier hätten die Länder, die bis zur Föderalismusreform für das Gewerberecht zuständig waren, längst handeln müssen. Nun ist der Bund am Zuge. Die schwarz-gelbe Koalition hatte 2013 einen Versuch unternommen – ohne Erfolg.
Jetzt wollen CDU / CSU und SPD die allgemeinen Aussagen im Koalitionsvertrag mit Leben füllen. Über die konkreten Regelungen gibt es allerdings in vielen Punkten Streit. Einigkeit besteht bei der gewerberechtlichen Erlaubnispflicht für Prostitutionsbetriebe mit entsprechenden Auflagen, um unhygienische und unzumutbare Arbeitsbedingungen zu beenden. Dabei muss auch die Zuverlässigkeit der Betreiber geprüft werden, anderenfalls darf es keine Erlaubnis geben. Ähnliches ist bei der Nichteinhaltung vorgeschriebener Auflagen vorzuschreiben. In diesem Fall sollte die Genehmigungsbehörde die Erlaubnis entziehen können und die Einrichtung schließen. Mit diesen Maßnahmen könnten bereits viele Missstände beseitigt werden. Eine Anmeldepflicht für jede einzelne Prostituierte hingegen dient nicht zur Unterscheidung zwischen legaler Prostitution und strafbarer Zwangsprostitution, sondern nur der Kontrolle mit immensen Datenschutzproblemen.
Neben dem Bund sind allerdings auch die Kommunen gefragt. Angesichts ihrer knappen Kassen haben allein in Nordrhein-Westfalen 13 Gemeinden eine Sexsteuer eingeführt und nehmen dadurch 300.000 Euro jährlich ein. Dieses Geld sollten sie in Beratungsstellen stecken, die über die rechtliche Situation, Gesundheits- und Arbeitsschutz sowie Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten informieren. Unglücklicherweise erleben wir gerade das Gegenteil. So wurde beispielsweise in Dortmund die Finanzierung für ein Projekt gestrichen, das bulgarischen Prostituierten in ihrer Heimatsprache Hilfe angeboten hatte.
Schutz für die Opfer des Menschenhandels
Die von der CDU vorgeschlagene Heraufsetzung des Mindestalters von 18 auf 21 Jahre, „um die stetige Nachfrage nach immer jüngeren Frauen“ einzudämmen, entbehrt nicht nur jeder Statistik, sondern ist auch keine sinnvolle Maßnahme. Die jungen Volljährigen würden sicherlich in die Illegalität gehen und keinerlei Schutz genießen. Es dürfen rechtlich keine anderen Maßstäbe an Prostituierte angelegt werden als etwa an Soldatinnen, die mit 18 Jahren sogar ihr Leben in Gefahr bringen können. Auch die von der CSU ins Spiel gebrachten Zwangsuntersuchungen stigmatisieren Menschen, die in der Prostitution arbeiten. Untersuchungen hatten gezeigt, dass das Risiko übertragbarer Krankheiten bei ihnen nicht größer ist als im Durchschnitt der Bevölkerung.
Noch wesentlich mehr uneingeschränkte Hilfe und Unterstützung des Staates als bisher brauchen aber vor allem die Opfer des Menschenhandels. Eine effektivere Verfolgung der Täter ist ebenso unabdingbar, wie den Betroffenen Schutzwohnungen bereitzustellen und das Aufenthaltsrecht unabhängig von der Aussagebereitschaft anzubieten. Italien hat es uns vorgemacht und damit die Zahl der Aussagen gegen Menschenhändler sogar erhöht. Ein Zeugnisverweigerungsrecht für spezialisierte Beratungsstellen hilft den Opfern, Vertrauen aufzubauen und über ihre furchtbaren Erlebnisse zu berichten. Daneben ist es notwendig, den Straftatbestand Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung neu zu fassen, damit die Bestrafung der Täter nicht länger von der Aussage der Opfer abhängt. Denn bisher ist die Rechtlosigkeit der Opfer der beste Täterschutz. An diesem Punkt ist der Staat besonders gefragt.
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Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz
Mehr Rechte verhindern Ausbeutung
IRMINGARD SCHEWE-GERIGK --
Bis 2002 waren Prostituierte in Deutschland nahezu rechtlos. Das rot-grüne Prostitutionsgesetz hat diesen Zustand juristisch erstmals beendet. Dennoch bleibt viel zu regeln, um die betroffenen Frauen wirksam zu schützen. Dabei würde sich die Kriminalisierung der Prostitution als Irrweg erweisen
Kaum ein gesellschaftspolitisches Thema erregt die Gemüter in Talkshows und Magazinen so sehr wie das Thema Prostitution. Zwei Positionen stehen sich unversöhnlich gegenüber: Die Vertreter eines Verbots verkünden missionarisch, dass Prostitution niemals freiwillig sein kann, sondern immer unter Zwang ausgeübt wird. Sie sprechen den Prostituierten die Entscheidungskompetenz ab, wollen Bordelle und Prostitution verbieten und Freier bestrafen. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die Prostitution tolerieren und als Teil des Selbstbestimmungsrechts von Frauen ansehen, wenn sie freiwillig erfolgt. Sie argumentieren, durch die Stärkung der Rechte von Prostituierten könne ihrer Ausbeutung entgegengewirkt werden.
Handschrift der Frauenhändler?
In einem Appell an die Bundesregierung forderte Alice Schwarzer, die Herausgeberin der Frauenzeitschrift Emma, 2013 ein Ende der Prostitution. Seitdem ist es um sie still geworden; die eigenen (Steuer)Sünden verlangen ihren Tribut. Schwarzer macht das Prostitutionsgesetz dafür verantwortlich, dass es in dem Gewerbe negative Entwicklungen gibt und behauptet, das Gesetz trage die Handschrift der Frauenhändler. Bemerkenswerterweise hat den Appell auch die Vorsitzende der CDU-Frauenunion, Maria Böhmer, unterschrieben – und sich damit quasi selbst zum Handeln aufgefordert. Immerhin hatte sie als Staatsministerin acht Jahre dafür Zeit. Aber wäre mit einer Rücknahme des Gesetzes die Welt wirklich wieder in Ordnung?
Vor dem Jahr 2002 befanden sich die in der Prostitution tätigen Menschen in einer nahezu rechtlosen Situation. Obwohl das Verbot der Prostitution schon 1927 aufgehoben wurde, stuften die Gerichte sie als sittenwidrig ein. Das Bundesverwaltungsgericht urteilte noch im Jahr 1965, Prostituierte seien mit Berufsverbrechern gleichzustellen. Sie waren Bürgerinnen zweiter Klasse – stigmatisiert und diskriminiert. Ihnen war es nicht möglich, Verträge mit Kunden oder Arbeitgebern zu schließen, da diese aufgrund von Sittenwidrigkeit nichtig waren. Prostituierte konnten weder ihren Entgeltanspruch gegen Freier gerichtlich geltend machen, noch sich kranken- oder rentenversichern. Auch fehlte ein Anspruch auf Umschulung, was den Ausstieg aus der Prostitution erschwerte. Die Arbeitsbedingungen und das Arbeitsumfeld waren katastrophal, denn wegen des Paragrafen „Förderung der Prostitution“ war es für Bordellbetreiber strafbar, gute und hygienische Arbeitsbedingungen zu schaffen. Kurz gesagt: Je miserabler die Räume, desto legaler deren Vermietung. Viele verdienten an diesem Zustand: Wohnungsvermieter, Bar-Besitzer, Zuhälter. Sogar der Staat verfuhr nach dem Motto „Geld stinkt nicht“ und kassierte aus dem sittenwidrigen Geschäft Steuern. Für die Frauen selbst blieb oft nicht viel übrig.
Erst in den neunziger Jahren kam Kritik an diesen unhaltbaren Zuständen auf (zum Beispiel von der Bundeskonferenz der Frauenministerinnen), und auch die übergroße Mehrheit der deutschen Bevölkerung sprach sich für rechtliche und soziale Verbesserungen für Prostituierte aus. In diesem gesellschaftlichen Klima entstand 2002 das Prostitutionsgesetz, das vor allem die rechtliche Stellung der Prostituierten stärken sollte. Es legt fest, dass rechtswirksame Verträge geschlossen werden können, die zum besonderen Schutz der Prostituierten ausschließlich einseitig verpflichtend sind. Das heißt, eine Frau kann ihr Arbeitsverhältnis von einem Tag auf den anderen kündigen, sie kann bestimmte Kunden und unerwünschte Sexualpraktiken ablehnen. Ein möglicher Arbeitgeber hat dagegen ein eingeschränktes Weisungsrecht. Er darf lediglich den Ort und die Zeit für die Tätigkeit festlegen. Durch das Gesetz wurden auch der Anspruch auf Zahlung für erbrachte Leistungen und der Zugang zur Sozialversicherung sowie der Umschulungsanspruch bei einem Ausstieg geregelt. Die Streichung des Straftatbestandes „Förderung der Prostitution“ ermöglicht es Bordellbetreibern jetzt, legal ein angenehmes und hygienisches Umfeld zu schaffen oder auch Kondome zur Verfügung zu stellen. Strafbar bleiben hingegen die Ausbeutung von Prostituierten und die Einschränkung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit.
In den Bundesländern fehlt der Wille
Trotz des Gesetzes unterliegt Prostitution aber weiterhin rechtlichen Verboten und Einschränkungen. So war damals allen Beteiligten klar, dass das als reines Bundesgesetz verabschiedete Werk nur einen ersten Schritt darstellt und weitere rechtliche Regelungen notwendig sind, um die Betroffenen wirkungsvoll zu schützen – etwa im Gewerberecht oder im Polizeirecht der dafür zuständigen Länder. Doch eine von der Bundesregierung einberufene Bund-Länder-Arbeitsgruppe scheiterte sehr schnell an der mangelnden Kooperation der Länder.
Bereits die Evaluation im Jahr 2007 deutete an, dass die Wirkung des Gesetzes sehr begrenzt ist. Zwar hat es die Rechtssituation der Betroffenen verbessert, es kann aber weder Prostitution umfassend regulieren, noch die Arbeitsbedingungen allgemein verbessern. Zudem fehlt in den Ländern bis heute der Wille, das Bundesgesetz umzusetzen. In Bayern kommt es per Dienstanweisung sogar nicht einmal zur Anwendung. Dort wird davon ausgegangen, dass ein Vertrag zwischen Bordellbetreiber und Prostituierter den Tatbestand der Zuhälterei erfüllt und daher nichtig ist – obwohl ein Gericht dem ausdrücklich widersprochen hat.
Den Erfolg des Gesetzes an der Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse zu messen, ist vor diesem Hintergrund sicher ein untaugliches Mittel. Problematisch ist zudem, dass viele Betroffene das Gesetz sowie die ihnen zustehenden Rechte nicht kennen und diese deshalb auch nicht einfordern. Diese Situation nutzen einige Bordellbetreiber offensichtlich aus. Auswüchse wie Flatrate-Sex oder Gang-Bang-Partys hätten durch frühzeitige gewerberechtliche Regelungen, wie man sie jetzt diskutiert, verhindert werden können. Damals fand die notwendige gesellschaftliche Debatte nicht statt. Das rächt sich nun umso mehr.
Heute wird die Diskussion unter vollkommen neuen Vorzeichen geführt. Neben einem gesellschaftlichen roll-back hat sich das Prostitutionsgewerbe auch durch Armutsmigration stark verändert und bedarf dringend verbindlicher Standards. Oft wird kritisiert, dass der Anteil der Migrantinnen in den Bordellen enorm hoch ist, und man schließt daraus, dass sie alle Opfer von Menschenhandel seien. Aber Prostitution und Menschenhandel gleichzusetzen, verharmlost dieses abscheuliche Verbrechen und verhöhnt die Opfer.
Warum Schweden kein Vorbild ist
Viele Bulgarinnen und Rumäninnen haben die EU-Osterweiterung im Jahr 2007 genutzt, der Armut in ihrem Lande zu entfliehen und legal nach Deutschland zu kommen. Arm, ohne Sprachkenntnisse und mit geringer Bildung suchen einige von ihnen eine Verdienstmöglichkeit in der Prostitution, um sich und ihre Familie im Herkunftsland zu ernähren. Oft ist es nicht ihr eigener Wille, sondern sie werden von ihren Familien nach Deutschland geschickt. Um dieser Zwangslage zu entgehen, brauchen diese Frauen Hilfen und eine Alternative zur Prostitution. An dieser Stelle gibt es Überschneidungen zum Menschenhandel, da auch organisierte Banden diese Situation ausnutzen. Das muss mit allen Mitteln bekämpft werden, etwa durch Polizeikontrollen in Bordellen, die weiterhin möglich sind. Der Handel mit Frauen ist aber keine Folge des Prostitutionsgesetzes.
Bevor Entscheidungen über Änderungen am Gesetz getroffen werden, sollte zunächst das Verhältnis zwischen Staat und Individuum geklärt werden: Wollen wir weiterhin in einem liberalen Wohlfahrtsstaat leben, in dem Menschen das Recht haben, so zu leben, wie sie wollen, solange sie die Freiheit anderer nicht einschränken? Oder streben wir einen kommunitären Wohlfahrtsstaat an, in dem der Staat allgemein gültige Werte und Normen für die gesamte Gesellschaft festlegt, denen sich die Menschen unterzuordnen haben, wie es in Schweden der Fall ist?
Das schwedische Modell gilt manchen in Deutschland als Vorbild; es hat allerdings viele Schattenseiten. Dort gelten seit 1999 ein Verbot des Sexkaufs und eine Bestrafung der Freier, während der Sexverkauf straffrei bleibt. Eigentlich absurd. Es käme doch auch niemand auf die Idee, den Käufer von Alkohol zu bestrafen, aber gleichzeitig den Verkauf zu erlauben. Zwar ist Prostitution in Schweden nicht mehr so häufig auf der Straße sichtbar, aber die Frauen leben seitdem gefährlicher. Sie werden an unsichere Orte verdrängt, verabreden sich über das Internet. In Schweden hat ein Polizeioffizier deshalb das Recht, eine Überwachung oder Hausdurchsuchung, sogar eine Telefonüberwachung, wenn sie nicht in größerem Ausmaß stattfindet, ohne richterlichen Beschluss durchzuführen. Wollen wir in einem solchen Staat leben? Von einer Verhältnismäßigkeit der Mittel kann wohl kaum gesprochen werden, wenn in Schweden weniger als eine Anklage gegen Freier pro Tag erhoben wird und in den vergangenen Jahren vier Männer für Sexkauf ins Gefängnis mussten. Für einen liberalen Rechtsstaat wie Deutschland ist so etwas glücklicherweise undenkbar.
Auch ein Komplettverbot ist für uns unrealistisch. In China, Saudi-Arabien oder Iran steht auf Prostitution die Todesstrafe. In den Vereinigten Staaten werden jährlich 60 000 Frauen wegen Prostitution verhaftet, diese finden danach keine Arbeit – und gehen weiterhin der gleichen Tätigkeit nach.
Was hilft den Menschen wirklich?
Wenn es allen – wie gern behauptet wird – um die verbesserte Situation der Prostituierten ginge, müsste die Leitfrage für jede vorgeschlagene Maßnahme lauten: „Was hilft den Menschen, die in der Prostitution arbeiten, wirklich?“ Dann wären viele populistische Vorschläge, die das eigene Ego beruhigen, sofort vom Tisch. Dennoch besteht ein erheblicher Handlungsbedarf bei der Verbesserung der Arbeitssituation. Hier hätten die Länder, die bis zur Föderalismusreform für das Gewerberecht zuständig waren, längst handeln müssen. Nun ist der Bund am Zuge. Die schwarz-gelbe Koalition hatte 2013 einen Versuch unternommen – ohne Erfolg.
Jetzt wollen CDU / CSU und SPD die allgemeinen Aussagen im Koalitionsvertrag mit Leben füllen. Über die konkreten Regelungen gibt es allerdings in vielen Punkten Streit. Einigkeit besteht bei der gewerberechtlichen Erlaubnispflicht für Prostitutionsbetriebe mit entsprechenden Auflagen, um unhygienische und unzumutbare Arbeitsbedingungen zu beenden. Dabei muss auch die Zuverlässigkeit der Betreiber geprüft werden, anderenfalls darf es keine Erlaubnis geben. Ähnliches ist bei der Nichteinhaltung vorgeschriebener Auflagen vorzuschreiben. In diesem Fall sollte die Genehmigungsbehörde die Erlaubnis entziehen können und die Einrichtung schließen. Mit diesen Maßnahmen könnten bereits viele Missstände beseitigt werden. Eine Anmeldepflicht für jede einzelne Prostituierte hingegen dient nicht zur Unterscheidung zwischen legaler Prostitution und strafbarer Zwangsprostitution, sondern nur der Kontrolle mit immensen Datenschutzproblemen.
Neben dem Bund sind allerdings auch die Kommunen gefragt. Angesichts ihrer knappen Kassen haben allein in Nordrhein-Westfalen 13 Gemeinden eine Sexsteuer eingeführt und nehmen dadurch 300.000 Euro jährlich ein. Dieses Geld sollten sie in Beratungsstellen stecken, die über die rechtliche Situation, Gesundheits- und Arbeitsschutz sowie Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten informieren. Unglücklicherweise erleben wir gerade das Gegenteil. So wurde beispielsweise in Dortmund die Finanzierung für ein Projekt gestrichen, das bulgarischen Prostituierten in ihrer Heimatsprache Hilfe angeboten hatte.
Schutz für die Opfer des Menschenhandels
Die von der CDU vorgeschlagene Heraufsetzung des Mindestalters von 18 auf 21 Jahre, „um die stetige Nachfrage nach immer jüngeren Frauen“ einzudämmen, entbehrt nicht nur jeder Statistik, sondern ist auch keine sinnvolle Maßnahme. Die jungen Volljährigen würden sicherlich in die Illegalität gehen und keinerlei Schutz genießen. Es dürfen rechtlich keine anderen Maßstäbe an Prostituierte angelegt werden als etwa an Soldatinnen, die mit 18 Jahren sogar ihr Leben in Gefahr bringen können. Auch die von der CSU ins Spiel gebrachten Zwangsuntersuchungen stigmatisieren Menschen, die in der Prostitution arbeiten. Untersuchungen hatten gezeigt, dass das Risiko übertragbarer Krankheiten bei ihnen nicht größer ist als im Durchschnitt der Bevölkerung.
Noch wesentlich mehr uneingeschränkte Hilfe und Unterstützung des Staates als bisher brauchen aber vor allem die Opfer des Menschenhandels. Eine effektivere Verfolgung der Täter ist ebenso unabdingbar, wie den Betroffenen Schutzwohnungen bereitzustellen und das Aufenthaltsrecht unabhängig von der Aussagebereitschaft anzubieten. Italien hat es uns vorgemacht und damit die Zahl der Aussagen gegen Menschenhändler sogar erhöht. Ein Zeugnisverweigerungsrecht für spezialisierte Beratungsstellen hilft den Opfern, Vertrauen aufzubauen und über ihre furchtbaren Erlebnisse zu berichten. Daneben ist es notwendig, den Straftatbestand Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung neu zu fassen, damit die Bestrafung der Täter nicht länger von der Aussage der Opfer abhängt. Denn bisher ist die Rechtlosigkeit der Opfer der beste Täterschutz. An diesem Punkt ist der Staat besonders gefragt.
http://www.b-republik.de/archiv/mehr-re ... ausbeutung
IRMINGARD SCHEWE-GERIGK --
Bis 2002 waren Prostituierte in Deutschland nahezu rechtlos. Das rot-grüne Prostitutionsgesetz hat diesen Zustand juristisch erstmals beendet. Dennoch bleibt viel zu regeln, um die betroffenen Frauen wirksam zu schützen. Dabei würde sich die Kriminalisierung der Prostitution als Irrweg erweisen
Kaum ein gesellschaftspolitisches Thema erregt die Gemüter in Talkshows und Magazinen so sehr wie das Thema Prostitution. Zwei Positionen stehen sich unversöhnlich gegenüber: Die Vertreter eines Verbots verkünden missionarisch, dass Prostitution niemals freiwillig sein kann, sondern immer unter Zwang ausgeübt wird. Sie sprechen den Prostituierten die Entscheidungskompetenz ab, wollen Bordelle und Prostitution verbieten und Freier bestrafen. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die Prostitution tolerieren und als Teil des Selbstbestimmungsrechts von Frauen ansehen, wenn sie freiwillig erfolgt. Sie argumentieren, durch die Stärkung der Rechte von Prostituierten könne ihrer Ausbeutung entgegengewirkt werden.
Handschrift der Frauenhändler?
In einem Appell an die Bundesregierung forderte Alice Schwarzer, die Herausgeberin der Frauenzeitschrift Emma, 2013 ein Ende der Prostitution. Seitdem ist es um sie still geworden; die eigenen (Steuer)Sünden verlangen ihren Tribut. Schwarzer macht das Prostitutionsgesetz dafür verantwortlich, dass es in dem Gewerbe negative Entwicklungen gibt und behauptet, das Gesetz trage die Handschrift der Frauenhändler. Bemerkenswerterweise hat den Appell auch die Vorsitzende der CDU-Frauenunion, Maria Böhmer, unterschrieben – und sich damit quasi selbst zum Handeln aufgefordert. Immerhin hatte sie als Staatsministerin acht Jahre dafür Zeit. Aber wäre mit einer Rücknahme des Gesetzes die Welt wirklich wieder in Ordnung?
Vor dem Jahr 2002 befanden sich die in der Prostitution tätigen Menschen in einer nahezu rechtlosen Situation. Obwohl das Verbot der Prostitution schon 1927 aufgehoben wurde, stuften die Gerichte sie als sittenwidrig ein. Das Bundesverwaltungsgericht urteilte noch im Jahr 1965, Prostituierte seien mit Berufsverbrechern gleichzustellen. Sie waren Bürgerinnen zweiter Klasse – stigmatisiert und diskriminiert. Ihnen war es nicht möglich, Verträge mit Kunden oder Arbeitgebern zu schließen, da diese aufgrund von Sittenwidrigkeit nichtig waren. Prostituierte konnten weder ihren Entgeltanspruch gegen Freier gerichtlich geltend machen, noch sich kranken- oder rentenversichern. Auch fehlte ein Anspruch auf Umschulung, was den Ausstieg aus der Prostitution erschwerte. Die Arbeitsbedingungen und das Arbeitsumfeld waren katastrophal, denn wegen des Paragrafen „Förderung der Prostitution“ war es für Bordellbetreiber strafbar, gute und hygienische Arbeitsbedingungen zu schaffen. Kurz gesagt: Je miserabler die Räume, desto legaler deren Vermietung. Viele verdienten an diesem Zustand: Wohnungsvermieter, Bar-Besitzer, Zuhälter. Sogar der Staat verfuhr nach dem Motto „Geld stinkt nicht“ und kassierte aus dem sittenwidrigen Geschäft Steuern. Für die Frauen selbst blieb oft nicht viel übrig.
Erst in den neunziger Jahren kam Kritik an diesen unhaltbaren Zuständen auf (zum Beispiel von der Bundeskonferenz der Frauenministerinnen), und auch die übergroße Mehrheit der deutschen Bevölkerung sprach sich für rechtliche und soziale Verbesserungen für Prostituierte aus. In diesem gesellschaftlichen Klima entstand 2002 das Prostitutionsgesetz, das vor allem die rechtliche Stellung der Prostituierten stärken sollte. Es legt fest, dass rechtswirksame Verträge geschlossen werden können, die zum besonderen Schutz der Prostituierten ausschließlich einseitig verpflichtend sind. Das heißt, eine Frau kann ihr Arbeitsverhältnis von einem Tag auf den anderen kündigen, sie kann bestimmte Kunden und unerwünschte Sexualpraktiken ablehnen. Ein möglicher Arbeitgeber hat dagegen ein eingeschränktes Weisungsrecht. Er darf lediglich den Ort und die Zeit für die Tätigkeit festlegen. Durch das Gesetz wurden auch der Anspruch auf Zahlung für erbrachte Leistungen und der Zugang zur Sozialversicherung sowie der Umschulungsanspruch bei einem Ausstieg geregelt. Die Streichung des Straftatbestandes „Förderung der Prostitution“ ermöglicht es Bordellbetreibern jetzt, legal ein angenehmes und hygienisches Umfeld zu schaffen oder auch Kondome zur Verfügung zu stellen. Strafbar bleiben hingegen die Ausbeutung von Prostituierten und die Einschränkung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit.
In den Bundesländern fehlt der Wille
Trotz des Gesetzes unterliegt Prostitution aber weiterhin rechtlichen Verboten und Einschränkungen. So war damals allen Beteiligten klar, dass das als reines Bundesgesetz verabschiedete Werk nur einen ersten Schritt darstellt und weitere rechtliche Regelungen notwendig sind, um die Betroffenen wirkungsvoll zu schützen – etwa im Gewerberecht oder im Polizeirecht der dafür zuständigen Länder. Doch eine von der Bundesregierung einberufene Bund-Länder-Arbeitsgruppe scheiterte sehr schnell an der mangelnden Kooperation der Länder.
Bereits die Evaluation im Jahr 2007 deutete an, dass die Wirkung des Gesetzes sehr begrenzt ist. Zwar hat es die Rechtssituation der Betroffenen verbessert, es kann aber weder Prostitution umfassend regulieren, noch die Arbeitsbedingungen allgemein verbessern. Zudem fehlt in den Ländern bis heute der Wille, das Bundesgesetz umzusetzen. In Bayern kommt es per Dienstanweisung sogar nicht einmal zur Anwendung. Dort wird davon ausgegangen, dass ein Vertrag zwischen Bordellbetreiber und Prostituierter den Tatbestand der Zuhälterei erfüllt und daher nichtig ist – obwohl ein Gericht dem ausdrücklich widersprochen hat.
Den Erfolg des Gesetzes an der Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse zu messen, ist vor diesem Hintergrund sicher ein untaugliches Mittel. Problematisch ist zudem, dass viele Betroffene das Gesetz sowie die ihnen zustehenden Rechte nicht kennen und diese deshalb auch nicht einfordern. Diese Situation nutzen einige Bordellbetreiber offensichtlich aus. Auswüchse wie Flatrate-Sex oder Gang-Bang-Partys hätten durch frühzeitige gewerberechtliche Regelungen, wie man sie jetzt diskutiert, verhindert werden können. Damals fand die notwendige gesellschaftliche Debatte nicht statt. Das rächt sich nun umso mehr.
Heute wird die Diskussion unter vollkommen neuen Vorzeichen geführt. Neben einem gesellschaftlichen roll-back hat sich das Prostitutionsgewerbe auch durch Armutsmigration stark verändert und bedarf dringend verbindlicher Standards. Oft wird kritisiert, dass der Anteil der Migrantinnen in den Bordellen enorm hoch ist, und man schließt daraus, dass sie alle Opfer von Menschenhandel seien. Aber Prostitution und Menschenhandel gleichzusetzen, verharmlost dieses abscheuliche Verbrechen und verhöhnt die Opfer.
Warum Schweden kein Vorbild ist
Viele Bulgarinnen und Rumäninnen haben die EU-Osterweiterung im Jahr 2007 genutzt, der Armut in ihrem Lande zu entfliehen und legal nach Deutschland zu kommen. Arm, ohne Sprachkenntnisse und mit geringer Bildung suchen einige von ihnen eine Verdienstmöglichkeit in der Prostitution, um sich und ihre Familie im Herkunftsland zu ernähren. Oft ist es nicht ihr eigener Wille, sondern sie werden von ihren Familien nach Deutschland geschickt. Um dieser Zwangslage zu entgehen, brauchen diese Frauen Hilfen und eine Alternative zur Prostitution. An dieser Stelle gibt es Überschneidungen zum Menschenhandel, da auch organisierte Banden diese Situation ausnutzen. Das muss mit allen Mitteln bekämpft werden, etwa durch Polizeikontrollen in Bordellen, die weiterhin möglich sind. Der Handel mit Frauen ist aber keine Folge des Prostitutionsgesetzes.
Bevor Entscheidungen über Änderungen am Gesetz getroffen werden, sollte zunächst das Verhältnis zwischen Staat und Individuum geklärt werden: Wollen wir weiterhin in einem liberalen Wohlfahrtsstaat leben, in dem Menschen das Recht haben, so zu leben, wie sie wollen, solange sie die Freiheit anderer nicht einschränken? Oder streben wir einen kommunitären Wohlfahrtsstaat an, in dem der Staat allgemein gültige Werte und Normen für die gesamte Gesellschaft festlegt, denen sich die Menschen unterzuordnen haben, wie es in Schweden der Fall ist?
Das schwedische Modell gilt manchen in Deutschland als Vorbild; es hat allerdings viele Schattenseiten. Dort gelten seit 1999 ein Verbot des Sexkaufs und eine Bestrafung der Freier, während der Sexverkauf straffrei bleibt. Eigentlich absurd. Es käme doch auch niemand auf die Idee, den Käufer von Alkohol zu bestrafen, aber gleichzeitig den Verkauf zu erlauben. Zwar ist Prostitution in Schweden nicht mehr so häufig auf der Straße sichtbar, aber die Frauen leben seitdem gefährlicher. Sie werden an unsichere Orte verdrängt, verabreden sich über das Internet. In Schweden hat ein Polizeioffizier deshalb das Recht, eine Überwachung oder Hausdurchsuchung, sogar eine Telefonüberwachung, wenn sie nicht in größerem Ausmaß stattfindet, ohne richterlichen Beschluss durchzuführen. Wollen wir in einem solchen Staat leben? Von einer Verhältnismäßigkeit der Mittel kann wohl kaum gesprochen werden, wenn in Schweden weniger als eine Anklage gegen Freier pro Tag erhoben wird und in den vergangenen Jahren vier Männer für Sexkauf ins Gefängnis mussten. Für einen liberalen Rechtsstaat wie Deutschland ist so etwas glücklicherweise undenkbar.
Auch ein Komplettverbot ist für uns unrealistisch. In China, Saudi-Arabien oder Iran steht auf Prostitution die Todesstrafe. In den Vereinigten Staaten werden jährlich 60 000 Frauen wegen Prostitution verhaftet, diese finden danach keine Arbeit – und gehen weiterhin der gleichen Tätigkeit nach.
Was hilft den Menschen wirklich?
Wenn es allen – wie gern behauptet wird – um die verbesserte Situation der Prostituierten ginge, müsste die Leitfrage für jede vorgeschlagene Maßnahme lauten: „Was hilft den Menschen, die in der Prostitution arbeiten, wirklich?“ Dann wären viele populistische Vorschläge, die das eigene Ego beruhigen, sofort vom Tisch. Dennoch besteht ein erheblicher Handlungsbedarf bei der Verbesserung der Arbeitssituation. Hier hätten die Länder, die bis zur Föderalismusreform für das Gewerberecht zuständig waren, längst handeln müssen. Nun ist der Bund am Zuge. Die schwarz-gelbe Koalition hatte 2013 einen Versuch unternommen – ohne Erfolg.
Jetzt wollen CDU / CSU und SPD die allgemeinen Aussagen im Koalitionsvertrag mit Leben füllen. Über die konkreten Regelungen gibt es allerdings in vielen Punkten Streit. Einigkeit besteht bei der gewerberechtlichen Erlaubnispflicht für Prostitutionsbetriebe mit entsprechenden Auflagen, um unhygienische und unzumutbare Arbeitsbedingungen zu beenden. Dabei muss auch die Zuverlässigkeit der Betreiber geprüft werden, anderenfalls darf es keine Erlaubnis geben. Ähnliches ist bei der Nichteinhaltung vorgeschriebener Auflagen vorzuschreiben. In diesem Fall sollte die Genehmigungsbehörde die Erlaubnis entziehen können und die Einrichtung schließen. Mit diesen Maßnahmen könnten bereits viele Missstände beseitigt werden. Eine Anmeldepflicht für jede einzelne Prostituierte hingegen dient nicht zur Unterscheidung zwischen legaler Prostitution und strafbarer Zwangsprostitution, sondern nur der Kontrolle mit immensen Datenschutzproblemen.
Neben dem Bund sind allerdings auch die Kommunen gefragt. Angesichts ihrer knappen Kassen haben allein in Nordrhein-Westfalen 13 Gemeinden eine Sexsteuer eingeführt und nehmen dadurch 300.000 Euro jährlich ein. Dieses Geld sollten sie in Beratungsstellen stecken, die über die rechtliche Situation, Gesundheits- und Arbeitsschutz sowie Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten informieren. Unglücklicherweise erleben wir gerade das Gegenteil. So wurde beispielsweise in Dortmund die Finanzierung für ein Projekt gestrichen, das bulgarischen Prostituierten in ihrer Heimatsprache Hilfe angeboten hatte.
Schutz für die Opfer des Menschenhandels
Die von der CDU vorgeschlagene Heraufsetzung des Mindestalters von 18 auf 21 Jahre, „um die stetige Nachfrage nach immer jüngeren Frauen“ einzudämmen, entbehrt nicht nur jeder Statistik, sondern ist auch keine sinnvolle Maßnahme. Die jungen Volljährigen würden sicherlich in die Illegalität gehen und keinerlei Schutz genießen. Es dürfen rechtlich keine anderen Maßstäbe an Prostituierte angelegt werden als etwa an Soldatinnen, die mit 18 Jahren sogar ihr Leben in Gefahr bringen können. Auch die von der CSU ins Spiel gebrachten Zwangsuntersuchungen stigmatisieren Menschen, die in der Prostitution arbeiten. Untersuchungen hatten gezeigt, dass das Risiko übertragbarer Krankheiten bei ihnen nicht größer ist als im Durchschnitt der Bevölkerung.
Noch wesentlich mehr uneingeschränkte Hilfe und Unterstützung des Staates als bisher brauchen aber vor allem die Opfer des Menschenhandels. Eine effektivere Verfolgung der Täter ist ebenso unabdingbar, wie den Betroffenen Schutzwohnungen bereitzustellen und das Aufenthaltsrecht unabhängig von der Aussagebereitschaft anzubieten. Italien hat es uns vorgemacht und damit die Zahl der Aussagen gegen Menschenhändler sogar erhöht. Ein Zeugnisverweigerungsrecht für spezialisierte Beratungsstellen hilft den Opfern, Vertrauen aufzubauen und über ihre furchtbaren Erlebnisse zu berichten. Daneben ist es notwendig, den Straftatbestand Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung neu zu fassen, damit die Bestrafung der Täter nicht länger von der Aussage der Opfer abhängt. Denn bisher ist die Rechtlosigkeit der Opfer der beste Täterschutz. An diesem Punkt ist der Staat besonders gefragt.
http://www.b-republik.de/archiv/mehr-re ... ausbeutung
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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