Grüne zur Prostitution: Bürokraten im Bordell

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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fraences
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Grüne zur Prostitution: Bürokraten im Bordell

Beitrag von fraences »

Grüne zur Prostitution
Bürokraten im Bordell


Demnächst nur mit Behördendokumenten

Der Freier kommt mit Gesundheitszeugnis, die Prostituierte hat eine behördliche Bewilligung: Die Grünen wollen die Regeln des Gewerbes verschärfen - und sehen sich dabei im Einklang mit der Union.


Für Freier könnte das Gespräch mit einer Prostituierten künftig den Charme eines Behördenaktes annehmen: Vor allen Intimitäten legt er ein aktuelles Gesundheitszeugnis aufs Bett, während die Dame Einblick in ihre Konzession gewährt. Erst dann schreitet man zur Tat.

Dieses abseitige Modell ist einer der jüngsten Vorschläge, um die Regeln für Prostitution zu verschärfen. Die Forderung, der Freier müsse ein "jeweils aktuelles ärztliches Zeugnis" vorzeigen - zusammen mit weiteren Auflagen - soll auf dem Parteitag Ende April ins Wahlprogramm der Grünen aufgenommen werden. Den Antrag unterstützen immerhin die Grünen-Landesvorsitzenden von Baden-Württemberg und Bayern, Thekla Walker und Dieter Janecek, sowie eine Reihe von Parteifreunden im Südwesten.

Der Vorstoß illustriert unabhängig von seinen Erfolgsaussichten vor allem eines: die Grünen verabschieden sich zunehmend vom rot-grünen Prostitutionsgesetz, das vor gut zehn Jahren eine weitgehende Legalisierung des Gewerbes einleitete. Schon im vorliegenden Entwurf für das Wahlprogramm bekennt die Partei, trotz der grundsätzlich erwünschten Legalisierung auf "Einschränkungen und restriktive Maßnahmen" zu setzen; gegen Freier, die Zwangsprostituierte besuchen, soll das Strafrecht helfen.

Damit ergeben sich sogar merkwürdige Parallelen zur Union, die dem Gewerbe seit jeher mit mehr Strafen zu Leibe rücken wollte anstatt mit einer Liberalisierung. Sowohl der Grünen-Antrag als auch Unions-Innenpolitiker fordern,
- dass sich Prostituierte regelmäßig beim Arzt untersuchen lassen,
- Bordellbetreiber müssten eine Zulassung einholen und ein
- Mindestalter für Prostituierte von 21 Jahren kommen.

Die Grünen-Landeschefin Walker geht noch darüber hinaus und verlangt eine
- Meldepflicht und Zulassungen für Prostituierte sowie einen
- Kondomzwang.

Nur in Grundsatzreden unterscheiden sich Grüne und Union noch klar: Während die Union die rot-grüne Legalisierung als Teufelszeug ansieht, weil es Zuhälter gestärkt habe und der Polizei Razzien in Bordellen erschwere, loben die Grünen in ihrem Programm, es habe das Sexgewerbe "entkriminalisiert und die Doppelmoral beendet".

Zusätzlichen Schwung verleiht der Debatte eine Studie der Europäischen Union, welche die EU-Kommissarin Cecilia Malmström am vergangenen Montag vorgestellt hat. Demnach registrierten die Sicherheitsbehörden der EU-Länder zwischen 2008 und 2010 mehr als 23 000 Opfer von Menschenhandel, gut zwei Drittel von ihnen waren zur Prostitution gezwungen worden. [Die ILO sieht die Mehrheit bei Arbeitsausbeutung und NICHT bei Prostitution. Anm. Marc]

Die EU hatte 2011 eine Richtlinie verabschiedet, welche schärfere Strafen und neue Tatbestände beim Menschenhandel vorsieht. 22 der 27 EU-Staaten haben die Richtlinie bis zum Ende der Frist Anfang April jedoch nicht voll umgesetzt, darunter Deutschland.


"Die Billigprostitution nimmt zu"

Ein entsprechender Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums liegt zwar längst vor, die Union wollte die Novelle jedoch nutzen, um schärfere Regeln gegen Prostitution durchzusetzen. Das aber lehnen die Liberalen ab. Der Gesetzentwurf ist deshalb blockiert, eine Neuregulierung von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung steht weiter aus.

Die bestehenden Gesetze reichten aus, hieß es aus der FDP-Fraktion. Da stehen sich selbst CSU und Grüne näher.

Parteiübergreifend ist lediglich die allgemeine Enttäuschung über die Wirkung des rot-grünen Prostitutionsgesetzes von 2002. Seitdem gilt käuflicher Sex nicht mehr als sittenwidrig, Prostituierte können legal arbeiten, ihren Lohn im Streitfall einklagen und leichter in die Sozialversicherung kommen. Das kriminelle Milieu rund um Straßenstrich und Bordelle sollte so ausgetrocknet und die Arbeitsbedingungen der Sex-Dienstleister verbessert werden. www.sexworker.at/prostg Doch all dies wurde nach Einschätzung von Polizei und Beratungsstellen kaum erreicht.

Stattdessen sprechen Praktiker von einer neuen Ausbeutung und einem Notstand. "Die Billigprostitution nimmt zu", sagt Walker. Inwieweit dies mit dem Prostitutionsgesetz zu tun hat, ist allerdings umstritten.

Fest steht allerdings, dass die EU-Erweiterung nach Osteuropa in den Jahren 2004 und 2007 die Lage völlig verändert hat. Junge Frauen aus Osteuropa wandern seitdem in die Bordelle in Deutschland und lassen die Preise verfallen.

Angeblich sind inzwischen 80% der Prostituierten in Deutschland Ausländerinnen, die meisten davon aus Rumänien und Bulgarien; die Länder gehören seit 2007 zur EU. Verlässliche Zahlen gibt es nicht. "Faktisch ist das oft Zwangsprostitution", ist Walker überzeugt. Deshalb müssten wieder strengere Regeln eingeführt werden.
  • Kriminologen wie Monika Frommel warnen dagegen vor neuen Sanktionen.
    - "Schärfere Strafen bringen gar nichts", sagt die Kieler Professorin.
    - Mit Menschenhandel hänge die Legalisierung der Prostitution nicht zusammen.
    - "In der Regel sind die Frauen freiwillig dort, aber unzufrieden mit ihren Arbeitsbedingungen."
    Wer da mit dem Strafgesetzbuch komme, kriminalisiere Prostituierte und lasse damit wieder ein Milieu wachsen, in dem allerlei Straftaten stattfinden und Kriminelle viel Geld verdienen können. So wie vor der Legalisierung des Gewerbes.

www.sueddeutsche.de/politik/gruene-zur- ... -1.1651808
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annainga
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RE: Grüne zur Prostitution: Bürokraten im Bordell

Beitrag von annainga »

absurd.
solche regeln sollte man mal privaten sexkontakten auferlegen.
sex ohne schutz ist immer riskant.
egal ob gewerblich oder privat.
egal ob mit oder ohne gesundheitszeugnis.
aber wem sag ich das.

lieben gruß, annainga

ps: im gesundheitsamt in arnsberg wird kein dokument ausgestellt im sinn von "frei von geschlechtskrankheiten". als ich vor einigen tagen dort zur (freiwiligen) gesundheitsprüfung war, wollte ich gern so ein dokument bekommen. frau bienholt lehnte es ab. sie meinte, mit so einem zertifikat wäre in der vergangenheit einiges ungutes passiert ("gerahnmte zertifikate an bordellwänden, die zu ungeschützten gv geeradezu einlüden").
schade, dass experten zu solchen themen und entscheidungen zu wenig beachtet werden.

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Kasharius
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RE: Grüne zur Prostitution: Bürokraten im Bordell

Beitrag von Kasharius »

@all

Ich will zunächst etwas vorweg schicken:

Ich bin sicher der letzte der hier im Forum gute Ratschläge erteilen sollte/will. Ob, mit welchen Inhalten und wie politisch engagierte SW ihre Inhalte durchsetzen ist allein ihre Sache! Ich bitte meine nachfolgenden Ausführungen daher als das zu nehmen was sie sind: Ureigenste Meinungsäusserungen :001 !

Ich glaube die anstehenden Beratungen in Frankfurt bieten einen guten Anlass dafür sich (sicher nach eingehender und in Teilen vielleicht auch kontroverser Diskussion ) auf eine einheitliche Position gegen die zunehmende Regulierungswut von Politik und Behörden zu verständigen. Meiner Ansicht nach geht es dabei nicht nur darum zu formulieren, was man nicht will. Aus meiner Sicht sollte auch etwas Konkretes gegen die Bestrebungen gesetzt werden. Zwei wesentliche Möglichkeiten dränen sich aus meiner Sicht auf. Man belässt es in Bezug auf die Gesetzeslage beim statusquo und fordert nur eine andere inhaltliche Debatte und ein anderes behördliches Handeln (Bauplanungsrecht, Vergnügungssteuer, Besteuerung von SW generell), oder man benennt Bereiche, wo bestehende Gesetze im Interesse einer selbstbestimmten Sexarbeit verändert oder gar erst geschaffen werden müssen; Handlungsbedarf sehe ich im Bauplanungsrecht und in einem einheitlichen Gewerberecht sowie natürlich im Bereich Sperrgebietsverordnungen!. Diverse Vorschläge die es zu vereinheitlichen gilt, liegen ja auch schon vor.

Noch mal in allem Ernst: Das ist hier keine Schlaumeierei! Ich gebe nur meinen persönlichen Eindruck wieder und wünsche allen Teilnehmern in Frankfurt schon jetzt ertragreiche Diskussionen und auch jede Menge Spaß

Kasharius grüßt

:006

P.S. Monika Frommel hat Recht! :001

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annainga
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RE: Grüne zur Prostitution: Bürokraten im Bordell

Beitrag von annainga »

da bin ich ganz anderer meinung @Kasharius.
du bist einer der ersten, dessen ratschläge ich überdenken würde.

"regulierungswut" triffts ganz gut als ausdruck.
das mag gut gemeint sein, aber wirds nicht zum guten verändern.

lieben gruß, annainga

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Jupiter
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RE: Grüne zur Prostitution: Bürokraten im Bordell

Beitrag von Jupiter »

Als ich in der Printausgabe der SZ dies heute las, habe ich meinen Augen nicht getraut.
Das ist wirklich die Spitze einer Regelungswut um das Gewerbe offiziell unmöglich zu machen.
Solche wirklichkeitsfremden Vorschläge kommen eigentlich aus der Ecke von fundamentalen Prostitutionsgegnern und frustrierter Ehefrauen.
Es ist traurig, dass man sich mit so etwas auseinandersetzen muss.

Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)

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Beitrag von Kasharius »

@annainga

Danke!

Die Frage ist eben: Was wirds zum Guten ändern....?!

Kasharius winkt und grüßt :006

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Beitrag von Kasharius »

@Jupiter

ja es ist traurig, aber offenbar Notwendiger den je...

Kasharius grüßt erneut

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RE: Grüne zur Prostitution: Bürokraten im Bordell

Beitrag von annainga »

ich weiß schon, worauf du mit deiner frage abzielst @Kasharius, "was wird´s zum guten ändern".
wir sollten uns tatsächlich nicht darauf konzentrieren, was wir nicht wollen, sondern darauf konzentrieren, was wir wollen.

für mich würde ich sagen, mehr gelassenheit, was sexarbeit angeht, nicht diese (hysterische) angst, wenn sperrgebietsregelungen oder gesundheitsprüfungen wegfallen, dass es dann eine sexarbeitsschwemme und krankheitsschwemme gäbe .....

ein toleranterer umgang in sachen baurecht, eine gleichstellung zu anderen selbstständigen tätigkeiten und die angabe korrekter zahlen anstelle von übertreibungen.

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

@annainga

d.h. also auch die Änderung von Gesetzen...?

Kasharius...na du weist schon... :002

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Beitrag von Kasharius »

...noch ne Nachfrage: Nimmst Du an den Beratungen in Frankfurt teil...?

Kasharius grüßt immer noch

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RE: Grüne zur Prostitution: Bürokraten im Bordell

Beitrag von Tilopa »

Wow, da bin selbst ich baff.
Aber genau aus Kapitulation vor diesen die Grünen unaufhaltsam unterlaufenden Kleinbürgern bin ich 2010 (eigentlich gute 10 Jahre zu spät) aus der Partei ausgetreten.
Dennoch bestehen die Grünen auch heute noch lange nicht nur aus Christen und Schwaben und deshalb würde ich den Parteitag erstmal abwarten. Es gibt da immerhin trotzdem noch genug Leute wie Volker Beck und die Grüne Jugend und ich würde erstmal ruhig abwarten, was die dann so zu diesem Antrag zu sagen haben.

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Marc of Frankfurt
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Richtigstellung von Volker Beck:


Volker Beck ist parlamentarischer Geschäftsführer der grünen Bundestagsfraktion.


Prostitutionsgesetz weiterentwickeln, statt verschärfen

18. April 2013 von Volker Beck

Die Süddeutsche Zeitung erweckte am 18.04.2013 den Eindruck, die Anträge zur Verschärfung des Prostitutionsgesetzes, die unter anderem die Landesvorsitzende aus Baden-Württemberg und der bayerische Landesvorsitzende gestellt haben, seien bereits Mehrheitsmeinung in der Partei. Doch allen medialen Unkenrufen zum Trotz halten wir beim Prostitutionsgesetz Kurs und machen nicht den Gauweiler 2.0. Darüber bestand bislang immer Einigkeit bei Grüns, getragen von unserem Bundesfrauenrat.

Im Wahlprogrammentwurf stellen wir deshalb auch fest, das wir mit dem rot-grünen Prostitutionsgesetz das Sexgewerbe entkriminalisiert und die Doppelmoral beendet haben.

Die These, ein liberales Prostitutionsgesetz führe zu mehr Menschenhandel ist längst widerlegt. Im Gegenteil: Seit der Liberalisierung gab es mehr polizeiliche Aktivität und dennoch deutlich weniger Tatvedächtige, Verurteilte und Opfer. Die Zahl der Opfer von Zwangsprostitution ging laut BKA um 48% zurück. Die genauen Zahlen sind in der Antwort unserer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung zu finden. Das spricht eher dafür, dass die Herauslösung der Sexarbeit aus dem kriminellen Milieu zunehmend gelingt.
http://www.sexworker.at/phpBB2/download.php?id=1164 PDF

Natürlich ist jedes Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution eines zu viel. Wir Grünen haben Vorschläge unterbreitet, wie durch Verbesserungen im Aufenthaltsrecht ein besserer Schutz der Opfer gelingen kann.

Wer Dunkelfeld aufhellen und Strafverfolgung verbessern will, muss den Opfern aufenthaltsrechtlich dauerhaft Schutz anbieten.

Die Bundesregierung verweigert sich dem aber und sieht keinen Handlungsbedarf.

Das Prostitutionsgesetz war zugleich eine unvollendete Reform: Nach 10 Jahren sind Reformnotwendigkeiten deutlich, die wir nun anpacken müssen.

Wir wollen die Stätten von Prostitution besser regulieren. Das Gewerberecht gibt uns die Handhabe, um Missstände und Lohndumping zu unterbinden.

Das gelingt aber nur, wenn wir die Prostitution ans Tageslicht holen und sie nicht wieder in die Kriminalität verbannen. Kriminalisierung der Prostitution schadet den betroffenen Frauen nur.

Der Entwurf des Bundesvorstands für das Wahlprogramm (BTW-G-01 Zeile 177-195) schlägt da bereits den richtigen Weg ein, den wir noch konkretisieren sollten.

Kontraproduktiv sind aber die von den AntragsstellerInnen Ehlers-Walker-Janecek beantragten Verschärfungen, die offenkundig den Schulterschluss mit der Union suchen. Insbesondere Forderungen, die dem CSU-Maßnahmenkatalog gegen HIV aus den 1980er Jahren entspringen, waren bei den Grünen bislang nicht mehrheitsfähig – und sollten es auch nicht werden.

Die beantragten Änderungen zum Wahlprogramm sind ein Sammelsurium aus dem Gruselkabinett der Sittenwächterzeit. Im Einzelnen wird da z.B ein „Kondomzwang“ und das verpflichtende Vorlegen von Gesundheitszeugnissen gefordert. Auf den ersten Blick klingt das nach „Verbraucherschutz“ – tatsächlich wird so eine Regelung niemals durchzusetzen sein.

Sie wäre nur ein Vorwand, um wieder Prostituiertenlisten anzulegen und die Polizei zu Kontrollrazzien zu schicken. Ein ärztliches Zeugnis über die gesundheitliche Unbedenklichkeit entlässt zudem die Freier aus ihrer Verantwortung für den Schutz der Frauen nicht.

Die Aidshilfen lehnen so einen Vorstoß zu Recht als kontraproduktiv ab. Denn der Schutz der Frauen würde dadurch abnehmen, weil Männer erst recht auf das Kondom verzichten würden, da sie ja quasi staatlich garantiert bekamen, dass ihr Gegenüber keine Krankheiten hat.

Außerdem schlagen die AntragsstellerInnen Ehlers-Walker-Janecek einen Ton an, der Sexarbeiter*Innen zu Opfern stilisiert und ihnen abspricht, diese Entscheidung bewusst gefällt zu haben.

Auf dem Kongress von Grün.Links.Denken. hatten wir für unsere liberale Linie einstimmige Unterstützung.

Auch Interessensgruppen von Sexarbeiter*Innen, wie Hydra e. V., sind da auf unserer Seite.

Prostitution ist in demokratischen, weltoffenen Gesellschaften kein Thema für das Polizeirecht.

Deshalb brauchen wir gewerberechtliche Überprüfungen von Prostitutionsstätten, um auch die Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*Innen zu verbessern und mehr Opferschutz zur wirksamen Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution zu gewährleisten.

http://gruen-links-denken.de/2013/prost ... rscharfen/

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Marc of Frankfurt
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Da können wir wohl sagen auch wir vom Sexworker Forum sind auf Seite von Volker Beck.


Der Artikel der Süddeutschen war mal wieder nur eine mediale Sau oder poppulistischen Minderheitenmeinung die durchs Dorf getrieben wird. Die emotionalen und kommerziellen Eigengesetzlichkeiten der Medien halt. Oder die religiös, konservativ aus den US mit viel Geld gesteuerte Prostitutionsfeindlichkeit?



Hier der Entwurf für unsere Sexworker Position zu Gewerberecht und Regulierung an der wir gemeinsam arbeiten wollen:
http://sync.in/4R0gI4SsJA

Auch die Studie aus Ottawa über Prostitutionsorganisation ist empfehlenswert was Dekriminalisierung und Fortentwicklung vom ProstG betreffen:
http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 973#130973

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Beitrag von lust4fun »

          Bild
Marc of Frankfurt hat geschrieben:Der Artikel der Süddeutschen war mal wieder nur eine mediale Sau oder poppulistischen Minderheitenmeinung die durchs Dorf getrieben wird. Die emotionalen und kommerziellen Eigengesetzlichkeiten der Medien halt.
Nun, man kann dem SZ-Artikel zugute halten, dass er immerhin wahrnehmbar eine gewisse kritische Distanz zu seiner "Nachricht" behält. Aber er verzichtet tatsächlich auf eine begründete Einschätzung der Erfolgsaussichten des Antrags und hinterlässt den Eindruck, dass es da eine mächtige Strömung gibt. Das ist wahrscheinlich eine Chimäre wie die Rede von der Ausnahme einer Sexarbeit auf Augenhöhe.

Volker Becks Antwort ist gut!
Hier noch der Link zum Antrag für die Bundesdelegiertenkonferenz:
https://t.co/suJk69AKWI

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Tilopa
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Beitrag von Tilopa »

Danke @Marc und @lust4fun für die verlinkten Dokumente.

Und der Antrag ist ja tatsächlich noch bescheuerter, als die Berichterstattung der SZ vermuten ließ. Hat aber insofern sein gutes, als dass dieser reaktionäre Haufen den auf der BDK eben mit größter Wahrscheinlichkeit nicht durchbekommt.

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Kasharius
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RE: Grüne zur Prostitution: Bürokraten im Bordell

Beitrag von Kasharius »

@all

ja es ist sehr gut das @Marc die entscheidenden Dokumente hier noch einmal zusammengefasst hat. Ihr Inhalt, vor allem der analytische Teil und die Positionen zum Gewerberecht bestätigen ja meine Annahme,daß genügend Vorschläge auf dem Tisch liegen um daraus eine dann möglichst einhellige Positionierung der SW-Bewegung entwickeln zu können.

ich finde Volker Beck einen der wenigen Politiker, der sich auch öffentlich und dabei sehr sachkundig zu selbstbestimmter Sexarbeit positioniert.

Ich hoffe jedenfalls erneut auf gute Beratungen in Frankfurt.

Kasharius grüßt :006

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RE: Grüne zur Prostitution: Bürokraten im Bordell

Beitrag von fraences »

ERST ZUM ARZT, DANN ZUR HURE
Grünen fordern Gesundheitszeugnis für Freier



Stuttgart Sex im Bordell nur gegen Attest: Die Grünen fordern ein Gesundheitszeugnis für Freier und außerdem Konzessionen für Prostituierte. Die Auflagen sollen mehr Sicherheit für die Frauen bringen – für den Freier könnte der Gang ins Bordell zuerst mit dem Gang zum Gesundheitsamt beginnen.

Wenn es nach den Grünen ginge, soll jede Prostituierte zukünftig ähnlich wie Gaststätten oder Taxiunternehmen eine Konzession besitzen. Diese wird dem Freier vor dem Akt vorgelegt, der zückt daraufhin sein Gesundheitszeugnis und erst dann wird losgelegt. Sollte eine Prostituierte gegen die Auflage verstoßen, könnte ihr die Konzession entzogen werden.


Eine Prostituierte auf der Straße. Bald sollen Freier ein Gesundheitszeugnis vorlegen - macht das Sinn?
Foto: dpa
Mit diesem Vorschlag fürs Wahlprogramm wollen die Grünen Zwangsprostitution eindämmen und gesundheitlichen Schutz der Huren erreichen. „Es ist nötig, dass es zum Schutz der Frauen eine stärkere Kontrolle gibt“, sagte die baden-württembergische Landesvorsitzende der Grünen, Thekla Walker, zur MOPO. Damit setzen die Grünen auf eine Verschärfung des 2002 von rot-grün verabschiedeten Prostitutionsgesetzes.

Freiern stellen sich beim Gedanken daran, ein behördliches Zeugnis für ihr Treiben beim Arzt zu bekommen, wohl erstmal die Nackenhaare hoch. Aber auch sie sollen durch den Entwurf für das Wahlprogramm geschützt werden. „Niemand kann daran interessiert sein, sich mit Krankheiten zu infizieren“, so Walker. Soviel zur Theorie. Die Praxis könnte allerdings ganz anders aussehen: Schon jetzt herrscht großer Konkurrenzkampf unter den Prostituierten. Sex ohne Kondom ist an der Tagesordnung, denn dafür bezahlen die Freier mehr Geld. Grund genug , gesundheitliche Bedenken über Bord zu werfen.

Gudrun Greb, Sozialarbeiterin von Ragazza e.V., einem Hamburger Verein, der sich um Prostituierte kümmert, steht dem Vorschlag der Grünen skeptisch gegenüber: „Meistens geht so etwas zulasten der Frauen.“ Wie auch das vor rund einem Jahr eingeführte „Kontaktverbot“ in St. Georg. Bis zu 5000 Euro Bußgeld muss seitdem zahlen, wer im Sperrgebiet eine Hure anspricht.

Doch einige der Frauen blieben und bieten sich jetzt noch günstiger an. „Das Kontaktverbot hat die Situation für die Frauen in St. Georg nur verschlechtert“, so Greb. Sie würden in die Illegalität getrieben.
Die 49-Jährige setzt lieber auf freiwillige Selbstkontrolle: „Viele Frauen würden gerne Kondome nutzen, wenn die Freier es zuließen.“ Genau da setzt der Vorschlag der Grünen an, so Walker. Er würde den Frauen das Mittel an die Hand geben, ihre Forderung nach Safer Sex und mehr gesundheitlicher Kontrolle umzusetzen.

Nicht nur Greb ist skeptisch. Kriminologen in Deutschland warnen vor neuen Sanktionen. Wer Prostituierten mit dem Strafgesetzbuch komme, müsse davon ausgehen, dass sich das Milieu zusehends wieder illegalisiert.

www.mopo.de/nachrichten/erst-zum-arzt-- ... 25562.html

Die Realität ist der in der Praxis, das Freier, die mit einem Gesundheitsnachweis zu eine Prostituierte gehen, das AO gerade fordern.
Dies führt zu noch mehr AO Anfragen!!!!

Die beiden Grünen-Politiker sollten, sich mehr kundig machen, bevor sie solchen Unsinn reden.

Ich hab es für ein verspätete Aprilscherz gehalten.
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Beitrag von malin »

letztlich kommt diee bizarre forderung einer illegalisierung gleich.

da, bis auf einen hartgesottenen kern, wohl kein kunde gesteigertes interesse daran haben dürfte sich durch vorlage eines infektionsstatus beleges (gesundheitszeugnis gibts nicht, da auch mit x tests keine gesundheit garantiert werden kann) namentlich zu identifizieren (und nebenbei gesagt, auch die anbieterinnen durch vorlage einer konzession/risiko stalking).

also wird es erstens einen massiven einbruch der anfragen geben = noch mehr armutsrisiko für die anbieterseite --> kosten für die steuerzahler, also uns alle, denn wenn der beruf nicht mehr ausübbar ist, muss man eben hartz4 beziehen.

und zweitens anfragen a la: gehts auch ohne (bescheinigung)? = risiko für die anbieterseite ihre konzession zu verlieren, sich strafbar zu machen

ach ja, und natürlich anfragen bez. ohne Kondom, weil man ja gesund ist...


oh mann, diese ideen werden immer aburder.

BITTE liebe politiker, stärkt die anbieterseite, fördert kleine, selbstverwaltete arbeitsstätten, bietet qualifizierte fortbildungen zu gesundheits- und rechtsfragen an, und hört endlich auf die eu-erweiterungsbedingten probleme und missstände den sw in die schuhe zu schieben.
liebe grüsse malin

eventuell fehlende buchstaben sind durch meine klemmende tastatur bedingt :-)

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Tilopa
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RE: Grüne zur Prostitution: Bürokraten im Bordell

Beitrag von Tilopa »

Hier ein Teil der Entstehungsgeschichte dieses Programmsantrags der schwäbisch-grünen RevisionistInnen (reime ich mir aus der unten verlinkten Veranstaltung und meiner eigenen aktiven Zeit bei den Grünen mal so zusammen):
Die Landesarbeitsgemeinschaft Frauenpolitik hatte 13. März zu einem "Fachgespräch Prostitutionsgesetz" in Stuttgart geladen und dabei durch die Auswahl der "ExpertInnen aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Polizei, Staatsanwaltschaft und Sozialarbeit" sichergestellt, dass der Nachmittag eine gelungene Propagandaveranstaltung zur Festigung der eigenen Vorurteile, Ressentimentes und Verklemmtheit wird. Dass von diesen "FachpolitikerInnen" (= Mitglieder (w) der LAG Frauenpolitik) eine sachliche und ausgewogene Informations- und Diskussionsveranstaltung von vornherein keineswegs gewünscht war, wird durch die Auswahl der RednerInnen jedenfalls überdeutlich:

14:15-14:30 Uhr: Begrüßung und Vorstellung der TeilnehmerInnen (Thekla Walker, Landesvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen) Einführung (Karen Ehlers, LAG FrauenPolitik)
14:30-15:00 Uhr: Sabine Constabel, Sozialarbeiterin beim Gesundheitsamt Stuttgart in der Anlaufstelle "La Strada"
15:00-15:30 Uhr: Ingrid Krumm, Gleichstellungsbeauftragte Ostalbkreis, Kontaktstelle von Solwodi in Baden-Württemberg
15:30-15:45 Uhr: Kaffeepause
15:45-16:15 Uhr: Prof. Adolf Gallwitz, Hochschule der Polizei in Villingen-Schwenningen
16:15-16:45 Uhr: Helmut Sporer, Kriminalinspektion Augsburg, Kriminalkommissariat 1
16:45-17:15 Uhr: Wolfgang Hohmann, Leiter des Ermittlungsdienstes Prostitution, Polizeidirektion Stuttgart
17:15-17:30 Uhr: Kaffeepause
17:30-18:00 Uhr: Andreas Thul-Epperlein, Oberstaatsanwalt, Abteilungsleiter der Abteilung 18 (Wirtschaftsstrafsachen, Illegale Beschäftigung) der Staatsanwaltschaft Stuttgart und Manfred Büttner, Steuerfahnder, Steuerfahndungsstelle Stuttgart
18:00-18:45 Uhr: Zusammenfassung der Ergebnisse und moderierte Abschlussdiskussion (Thekla Walker und Karen Ehlers)


http://gruene-bw.de/service/termine/sin ... esetz.html

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Tilopa
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RE: Grüne zur Prostitution: Bürokraten im Bordell

Beitrag von Tilopa »

Prostitutionspolitik im Bundestags-Wahlprogramm der Grünen.
Ich habe mal eine kurze Übersicht über die Anträge im Vorfeld der Bundesdelegiertenkonferenz am 26.-28. April 2013 zusammen gestellt.

Vollständig finden sich die Anträge hier: http://www.gruene.de/fileadmin/user_upl ... n-2013.pdf

Am wichtigsten sind die Zeilen 177-185 des Leitantrages.
Der Antrag des Bundesvorstands enthält hier folgenden Text:

"Das rot-grüne Prostitutionsgesetz hat den Bereich des Sexgewerbes entkriminalisiert und die Doppelmoral beendet. Das war ein längst überfälliger Schritt. Ein Verbot der Prostitution würde die Prostituierten in die Illegalität drängen, ihre Arbeitsbedingung weiter verschlechtern und sie stärker der Gefahr von gewalttätigen Übergriffen aussetzen. Unser Ziel ist der möglichst weitgehende Schutz von Prostituierten. Dabei setzen wir nicht auf Einschränkungen und restriktive Maßnahmen. Das Beratungs- und Hilfsangebot wollen wir ausbauen. Wir wollen einen Ausbau der Ausstiegsprogramme. Durch gewerberechtliche Überprüfungen von Bordellstätten wollen wir die Arbeitsbedingungen sicherer machen und verbessern."


Dazu gibt es den oben thematisierten Änderungsantrag der "Schwaben":

"Das rot-grüne Prostitutionsgesetz hatte zum Ziel, den Bereich des Sexgewerbes zu entkriminalisieren. Doch trotz der Aufhebung der Sittenwidrigkeit, die von vielen Fachleuten begrüßt wurde, hat sich die Lebenswirklichkeit der Prostituierten nicht verbessert. Die Nutzung von Sexdienstleistungen geschieht auch unter vordergründig „sauberen und fairen“ Bedingungen in den meisten Fällen unter Verletzung der Menschenwürde. Menschen davor zu schützen, ist jedoch eine gesellschaftliche Verpflichtung. Es müssen Bedingungen geschaffen werden, die ein sicheres Arbeitsumfeld und eine soziale Absicherung zum Ziel haben. Da Prostitution in der Regel als selbstständiges Gewerbe ausgeübt wird, das besonderen Bedingungen unterliegt, sollten Schutzrechte, wie sie etwa auch jedem/r Arbeitnehmer/in zustehen, in einem eigenen Gesetz verankert werden, das der besonderen Situation von Prostituierten gerecht wird.

Es sind u.a. folgende Regelungen erforderlich, um die Prostituierten zu schützen:
-Prostituierte sind vor Anweisungen Dritter zu schützen, jede versuchte Einflussnahme muss verboten werden. Hierzu muss das eingeschränkte Weisungsrecht in §3, ProstG abgeschafft werden.
-Das Mindestalter für Prostituierte ist bundeseinheitlich auf 21 Jahre festzulegen;
-ein grundsätzlicher Kondomzwang ist einzuführen;
-es wird eine polizeiliche Meldepflicht für Prostituierte eingeführt, in deren Rahmen eine Konzession zur Ausübung der Prostitution erteilt wird.
-Konzessionen an Prostituierte werden nur vergeben, wenn sie erkennbar in der Lage sind, selbstbestimmt und damit im eigenen Interesse zu handeln.
-Die Prostituierten werden zum eigenen Schutz verpflichtet, sich regelmäßig ärztlichen Untersuchungen zu unterziehen.
-Der notwendige Sozialversicherungsschutz ist eigenständig, etwa nach dem Vorbild der Künstlersozialkassen, zu gestalten; die Finanzierung kann z.B. über Mindesttarife für Sexdienstleistungen erfolgen.
-Hilfs-, Beratungs- und Ausstiegsangebote sind auszubauen und werden niederschwellig in der jeweiligen Heimatsprache angeboten.
-Freier werden dazu verpflichtet, durch ein jeweils aktuelles ärztliches Zeugnis gegenüber Prostituierten eine gesundheitliche Unbedenklichkeit nachzuweisen. Freier, die Dienste von nicht konzessionierten Prostituierten in Anspruch nehmen
oder sich weigern, der Prostituierten ein ärztliches Gesundheitszeugnis vorzulegen, werden strafrechtlich zur Verantwortung gezogen.

Zur besseren Kontrolle von Bordellen müssen auch diese Betriebe und ihre Betreiber einer - regelmäßig zu erneuernden - Konzessionierungspflicht unterliegen. Das Vermieterprivileg (§ 180a Abs. 2 Nr. 2 StGB) muss abgeschafft werden, da derzeit die Ausbeutung durch den Wohnungsinhaber einer milderen Strafandrohung als die Ausbeutung durch den Zuhälter (nach § 181a Abs.1 Nr.1 StGB) unterworfen ist. Um Mietwucher zu unterbinden, dürfen nur ortsübliche Mieten für Gewerbeflächen erlaubt sein. Besondere Formen der Prostitutionsnutzung (Flatrate-Bordelle, Gang-Bang-Partys usw.) müssen verboten werden."



Dem steht ein konkurrierender Änderungsantrag von Volker Beck und anderen gegenüber:

"Das rot-grüne Prostitutionsgesetz hat den Bereich des Sexgewerbes entkriminalisiert und die Doppelmoral beendet. Das war ein längst überfälliger Schritt. Ein Verbot der Prostitution würde die Prostituierten in die Illegalität drängen, ihre Arbeitsbedingung weiter verschlechtern und sie stärker der Gefahr von gewalttätigen Übergriffen aussetzen. Allerdings blieb man damals auf halbem Wege stehen. Unser Ziel ist der möglichst weitgehende Schutz von Prostituierten. Das Beratungs- und Hilfsangebot wollen wir ausbauen. Sexarbeiter*Innen müssen über ihre Rechte aufgeklärt werden. Wir wollen einen Ausbau der Ausstiegsprogramme. Dabei setzen wir nicht auf Einschränkungen, sondern auf das Recht: so sollen unter anderem Prostitutionsbetriebe ab einer bestimmten Größe der gewerberechtlichen Erlaubnispflicht unterliegen. Durch gewerberechtliche Überprüfungen von Prostitutionsstätten und ihren BetreiberInnen wollen wir Prostituierte schützen und ihre Arbeitsbedingungen sicherer machen. Außerdem wollen wir Sexarbeiter*Innen besser rechtlich schützen vor Mietwucher und Ausbeutung und überprüfen, inwieweit der Zugang zu Sozialversicherung verbessert werden kann."


Da der Antrag der "Schwaben" von Dummheit nur so strotzt und jede Sachkenntnis von der Realität der Prostitution vermissen lässt, kann ich mir absolut nicht vorstellen, dass er in einer Kampfabstimmung gegen den von Volker Beck auch nur ansatzweise mehrheitsfähig ist.

Der (ebenfalls aber eher unwahrscheinliche) Worst Case sähe eher folgendermaßen aus: Der Bundesvorstand lässt sich auf einen Kuhhandel ein und übernimmt im Vorfeld der Abstimmung hinreichend viele Elemente beider Änderungsanträge (von den Schwaben beispielsweise Schutzalter oder Kondomzwang oder eine Konzessionierung nicht direkt von Sexworkern, sondern -als Kompromiss- von Bordellbetrieben plus Meldepflicht - siehe Bremen), und beide Antragssteller ziehen ihre Änderungsanträge zurück.


Darüber hinaus gibt es von Volker Beck u.a. noch einen zweiten Änderungsantrag, der folgende Forderung beinhaltet:
"Durch gewerberechtliche Überprüfungen von Prostitutionsstätten und ihren BetreiberInnen wollen wir Prostituierte schützen und ihre Arbeitsbedingungen sicherer machen."
Dieser hätte m.E. ebenfalls gute Chancen, bereits im Vorfeld in den Leitantrag aufgenommen zu werden.


Weiterhin noch jeweils einen von Volker Beck u.a. und den "Schwaben" in denen in unterschiedlichen Nuancen eine strafrechtliche Verfolgung der Kunden von Zwangsprostituierten (so ihnen dies bekannt ist) gefordert wird. Diese wird sich also vermutlich am Ende ebenfalls im Wahlprogramm finden.


Und zuletzt noch ein mir auf Anhieb nicht verständlicher Antrag der "Schwaben" zur "Schaffung eines Straftatbestandes der Ausbeutung". Weitere, kurze Änderungsanträge sind eher redaktioneller Natur oder dienen der politischen Korrektheit, deshalb gehe ich auf diese hier nicht weiter ein, ebenso wie auf den Text und die Anträge zu den Zeilen 186ff, in denen es deutlich weniger kontrovers um die Verbesserung des Schutzes der Opfer von Menschenhandel geht (Asylrecht etc.).