Facetten der Sexarbeit

Ein nahezu unerschöpfliches Thema: Psychologische Betrachtungsweise der Sexarbeit
JennyHN
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Facetten der Sexarbeit

Beitrag von JennyHN »

Eines Abends rief mich eine Frau an. Sie war sehr zurückhaltend und unsicher, wusste nicht wie anfangen.
Als ich meine Überraschung verwurschtelt hatte, konnte ich mich ganz gut auf sie einstellen und lies mich auf ihr Thema ein….

Sie schien mir recht verzweifelt zu sein.
Aber auch neugierig, abenteuerlustig und mutig – immerhin hatte sie mich gesucht, gefunden und angerufen.

Sie versuchte, ihr Problem, bzw. ihre Idee kurz zu umreißen – das dauerte letztlich 1,5 Std.
Wenn ich probiere, es in kurze, eher nüchterne Worte zu fassen, ist sie auf der Suche nach einer Möglichkeit, ihren Freund an sich zu binden und sich dabei selbst zu verlieren…

Ich hatte ein komisches Gefühl dabei.
Auch war ich unsicher, ob ich einen solchen „Job“ machen möchte.
Ob ich sie unterstützen soll in etwas, wo ich überzeugt bin, es kann nur nach Hinten los gehen.
Da sie gut erreichbar ist, fuhr ich tags darauf zu ihr, um mir das Ganze noch mal von Angesicht zu Angesicht anzuhören; auch MICH zu zeigen mit meiner Person und meinem Denken – und mal zu gucken, wie es sich DANN anfühlt.

Ich traf auf eine Frau mit Konf. 32/34.
Ich schätze sie auf Anf. 40 – wobei ihr Gesicht sehr verhärmt wirkte; sehr traurig; sehr depremiert und einsam – und dahingehend „vergewaltigt“, mit viel Schminke dennoch jung aussehen zu müssen. Leider ging das schief – auch dickes Make up lässt eine vertrocknete Seele nicht unsichtbar werden…
Sie ist sehr teuer gekleidet, niveauvoll und versucht angestrengt, DAS darzustellen, das sie glaubt, von anderen erwartet zu werden.

Sie saß mir gegenüber. Zusammengesunken; mit steilen Falten auf der Stirn, eingefallenen, mageren Wangen und traurigen Augen – und erzählte mir ihr halbes Leben.
Von ihrer langjährigen Ehe mit einem Mann, der sie nie berührte – und wie dadurch jede Libido entschwand.
Von einem Leben in der „Haute Couture der Gesellschaft“ ohne Bestätigung, Leidenschaft und Freude – aber viel Fassade.

2006 dann eine neue Liebe.
Ein Mann, der die Bindung scheut.
Ein Freigeist; hochintelligent, gebildet und in gehobener Stellung.
Immer gestresst und selten Zeit.

Sie scheint ihm nahezu hörig zu sein; sagt, sie liebe ihn abgöttisch.
Sie leidet, weil er immer wieder klar stellt, dass dies keine BEZIEHUNG sei. Daß es nichts Festes sei. Und er seine Freiheit brauche.
Aber ebenso sagt er, dass er noch nie ein Zusammensein mit einer Frau erlebt hätte, das Lust UND Liebe in dieser Weise vereint.

Sie ist also eine Frau mit nur wenig Erfahrung; wenig Selbstvertrauen und wenig Lebenslust.
Und sie wünscht sich nichts sehnlicher, als jenen Mann glücklich zu machen und an sich zu binden.
Und das möchte sie gerne mit MIR tun.

Er ist wohl ein Mann, der Abwechslung mag; Abenteuer; Leidenschaft; Feuer – einen Kick.
Und das sagt er ihr wohl auch laufend – selbst DANN, wenn sie sich ihm zärtlich zuwendet. Er lässt sie dadurch fühlen, dass sie ihm diesen „Kick“ wohl nicht gibt.

Nun hatte sie also wohl damit begonnen, Freundinnen/Bekannte Frauen zum 3er zu animieren.
Es hatte scheinbar bereits 2 solcher „Veranstaltungen“ gegeben – wobei sie hierbei merkte, dass es ihr sehr schwer fällt, ihren Freund mit Frauen zu teilen, welche eine Art emotionaler Bindung mit beiden haben.

Sie hat also dadurch erkannt, dass emotionale Verwurschtlungen in diesem Bezug nicht gut für sie sind.
Nun zog sie daraus den Schluß, dass sie es mit einer FREMDEN Frau versuchen müsse.
Sie möchte ihm unbedingt den von ihm gewünschten „Kick“ schenken.

Ihre Idee wäre, ich solle bei einem „zufälligen Zusammentreffen“ mit ihm flirten; ihn aus seiner Stresssituation runterholen und erotisch aufheizen. Ein Wein; ein schlüpfriges Gespräch; ein Blinzeln – und dann wieder gehen und seine Lust IHR überlassen.

Vielleicht auch ein 2. Treffen, um zum Essen zu gehen.
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Ansich eine „harmlose“ Geschichte mit offenem Ende.
Ob es ein Treffen gab; wann das war; wo das war – ist alles unwichtig.

Warum ich das mache? Mich 3 Std. mit einer Frau unterhalten, ohne dafür Geld zu bekommen?
Mich 3 Std. mit ihr und ihren Problemen auseinander setzen?
Ihr meine Zeit und Aufmerksamkeit schenken?

Ich denke, diese Frau ist unglaublich einsam.
Diese Frau hängt an einem Punkt in ihrem Leben fest, der ihr nicht gut tut.
Mit einer Blickrichtung, die ihr nicht gut tut.
Augenscheinlich hat sie vieles, das andere Frauen sich wünschen – wenn man dahinter sieht, ist nur Traurigkeit, Einsamkeit und Leere…

Ich wünschte, sie würde nicht versuchen, an IHM zu arbeiten, sondern vielmehr damit anzufangen, selbst glücklicher zu werden; sich selbst mehr zu lieben; sich selbst mehr wertzuschätzen und mehr Freude in IHR Leben zu bringen.

Ich erzähle das, um auch DIESE Seite unseres Berufes aufzuzeigen.
Um zu erzählen, warum es nicht immer nur um Sex geht.
Und worum es NOCH gehen kann….
Liebe Grüße, Jenny
Polygamie ist nicht unmoralisch.
Aber das Vertrauen und die Gesundheit liebender Partner zu mißbrauchen, schon....