Über eine SW aus Osteuropa

Ein nahezu unerschöpfliches Thema: Psychologische Betrachtungsweise der Sexarbeit
DickBrave
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Über eine SW aus Osteuropa

Beitrag von DickBrave »

Hallo, im Vorstellungsforum hatte ich ja schon einmal grob angerissen worum es geht.

Hier der Link dazu:

viewtopic.php?t=6468




Hier habe ich die Geschichte mal etwas genauer aufgeführt.
Etwas genauer, weil dann kann man vielleicht evtl. näher auf gewisse Sachen eingehen.


Also, kennen gelernt habe ich das Mädel letztes Jahr.
Abgespielt hat sich alles in einem Laufhaus in Deutschland.

Ich war ganz normaler Kunde.
Sie hatte damals einen Freund, einen bulgarischen Landsmann.

Nach einigen Besuchen vergassen wir immer mehr die Zeit. Muss dazu sagen das ich niemals mehr Geld dafür zahlen musste.

Kann das alles im Detail schlecht ausdrücken, aber die ganze Angelegenheit wurde mit der Zeit kopfmässig immer intimer.
Und ich merkte ziemlich deutlich das sie mit dieser Situation nicht zurechtkam.
Sie sagte mir das auch ziemlich deutlich, also das sie einen Freund hat, und das da halt noch die Arbeit ist.
Sie meinte das sie dort am Tag manchmal mehr wie 10 Kunden abfertigen muss, und somit keinerlei Zeit bleibt für sie über ihre Gefühle nachzudenken.

Was ich festgestellt habe damals, sie stand zwischen 2 Stühlen, sie war verunsichert.
Das sagte sie mir später auch einmal.
Die Besuche bei ihr wurden dann auch immer kürzer.
Was hinzukam, die Cousine ihres Freundes arbeitete im Nachbarzimmer. Sie hatte von der Sache etwas Wind bekommen.
Die hatte dann auch immer ein Auge darauf wann wer wielange ein und ausgeht.
Auf dem Zimmer ging dann nur noch flüstern.

Damals, also das war noch letztes Jahr, war ich kopfmässig noch nicht ganz soweit in der Sache drin.
Ich schrieb ihr einen Brief, mit allem was mir im Kopf rumschwirrte (weil dort konnte man sich sogut wie garnicht mehr unterhalten), gab ihn ihr, und habe das Haus dann mal 4 Wochen gemieden.
Handynummern ausgetauscht hatten wir damals nicht, weil sie hatte ja einen Freund, und deswegen war das für sie tabu. War auch okay und hab ich so akzeptiert.

Habe dann 4 Wochen lang probiert mir den Kopf frei zumachen, mich abzulenken. Hab mich mit Arbeit abgelenkt. Habe versucht es zu vergessen.
Ging aber nicht.

4 Wochen später war ich wieder dort, wir sassen dann da wie 2 Teenager und wussten nicht was man nun am besten sagt.

Von ihren Problemen hab ich immer nur am Rand mitbekommen.
Dachte immer sie hat einen "Boss". Dachte ich zumindest, weil ich konnte nie verstehen das sich ein Mensch so etwas freiwillig antut. Also bezogen auf die langen Arbeitszeiten. Weil wenn man solange da drin ist, man verliert ja bald komplett den Bezug zur Realität.
Hab dann erst später gemerkt das der Druck immer von der Familie unten ausging.

Gerade auch in diesen Häusern, die Preise die dort üblich sind, sind sozusagen ein Schnäppchen für jeden Kunden. Und die Zimmermiete die jeden Tag gezahlt wird ist vom Preis ganz schön gesalzen.
Sie beteuerte immer wieder das sie keinen "Boss" hat, aber ich stehe den Aussagen die dort "im Haus" gemacht werden immer sehr misstrauisch gegenüber. Ist halt was anderes als wenn man ein Mädel (nicht aus dem Gewerbe) ganz normal kennenlernt.

Nachdem ich dann nach 4 Wochen wieder auftauchte, stellte ich dann fest das sie sich von ihrem Freund getrennt hatte.
Dann wurden auch Handynummern getauscht. Wir standen uns dann auch noch näher, aber immer mit der gewissen Distanz, weil sie ja jeden Tag arbeitete.
Dh morgens zur Arbeit, nachts wieder raus, nach Hause und schlafen.
Bin der Meinung das da eh keine Beziehung möglich ist, also bei so einem Tagesablauf.

Vereinzelt war sie auch mal bei mir zuhause, aber wenn man sich dann nachts mal sieht, und morgens muss sie wieder los....viel Zeit bleibt da nicht.

Bei meinen Besuchen bei ihr hab ich es dann auch eingestellt mit ihr Sex zu haben.

Es fing in dieser Zeit bei ihr an, und sie wurde ziemlich depressiv, sehr launisch, liess die Launen auch oft an mir ab.
Ich zeigte trotzdem Verständnis für sie, sie entschuldigte sich dann auch immer wieder, rief mich oft an, fragte warum und wieso ich überhaupt noch zu ihr komme, weil sie würde mir damit nur Probleme machen usw.
Kam oft hin, da war ihr Zimmer offen, und es lagen büschelweise Haare auf dem Boden. Oder hatte Herzrasen.
Dann ging es los, ich kam manchmal hin, sie sass da und hielt sich den Bauch, ich sah dann das die eine Seite, da wo die Eileiter sitzt angeschwollen war. Passierte sehr oft.
Sie arbeitete mit Schmerzen, liess sich aber nicht unterkriegen und meinte es geht schon irgendwie.
Wenn es ganz schlimm war, war sie ein oder 2 Tage zuhause in ihrem Zimmer und hat nur geschlafen.
Und das mit den Stimmungsschwankungen waren echt extrem. Manchmal, wenn wir uns mal kurz da sehen wollten, bzw wenn ich grad arbeitstechn. in der Nähe war, sagte sie immer, ich solle vorher kurz anrufen, damit sie sagen wie sie grad drauf ist.
Weil, es war manchmal echt extrem, also mit ihren Stimmungen, entweder ganz locker und gelöst, oder total daneben.

Wenn man unter solchen Gegebenheiten arbeitet, klar, dann kann man nicht mehr so arbeiten wie man es eigentlich möchte, einige Kunden werden dann ausbleiben, kommen nicht wieder. Heisst der Umsatz sinkt.
Da fangen die Mädels dann an zu „probieren“, heisst das sie in andere Städte gehen, mit dem Gedanken „Vielleicht läufts da ja besser“.
Hat sie dann auch gemacht, ein ständiges hin und her.

Als sie sich dann an ihrem alten Arbeitsplatz wieder eingependelt hat, da war eine damals befreundete Kollegin mal mit auf dem Zimmer.
Die hat sie dann mal zur Rede gestellt und gefragt was mit ihr los ist.
Da rückte sie dann mal etwas mit der Sprache raus, sagte das sie unten einen Tumor hätte, aber sie müsse ein paar Tage später den nächsten Arzttermin abwarten um das Ergebnis abzuwarten.
Aufgrund der sprachlichen Barriere ist es nicht immer einfach sich detailiert und fliessend zu unterhalten, ich erfuhr dann nur das sie einen Tumor hat,. und eine OP braucht. Krankenversicherung hat sie nicht.
Jetzt ging es los, sie arbeitete weiter jeden Tag 12 Stunden, (einmal ich glaube 5 Wochen ohne einen Tag Pause!!) ist dann nachts noch mit einer Freundin in ein anderes Haus mitgegangen und hat dort noch die Nachtschicht zusätzlich mitgemacht....halt um möglichst viel Geld machen zu können.
In dieser Zeit war sie derart launisch, das ich kaum noch hingegangen bin.
Habe mich dann auch sogut wie gar nicht mehr gemeldet, Anrufe gingen nur noch von ihr aus.
Was sollte ich auch machen, habe ihr zigmal gesagt sie soll rausgehen und sich nicht selbst kaputt machen. Meine Tür stand immer für sie offen, das weiss sie.
Aber es war wie als wenn man gegen eine Wand läuft.

Sie wollte sich Geld für die OP zur Seite legen, durch ihre viele Arbeit. Wollte diese OP dann in Bulgarien machen lassen, und nahm sich vor nie wieder in dieses Gewerbe zurück zu kehren. Einfach nur ein normales Leben leben, also sie wollte dann zu mir kommen.
Ausserdem müsse sie noch bei der Bank dort unten noch den Abtrag für das Appartment ihrer Eltern abzahlen. Solche Infos kamen ab und an mal durch.
Also es kam immer mal so etwas rüber, das ich merkte das ihre Familie wieder angerufen hat, und das, dies und jenes müsse noch bezahlt werden.

Über ihre Kollegin hab ich mal erfahren das sie meinte „sie könne NICHT einfach so mal nachhause fahren (also zu ihren Eltern), OHNE dort mit Geld aufzukreuzen“.
Das gab mir dann schon zu denken.
Dazu muss ich noch sagen, ich habe ihr dann von mir aus auch noch etwas zu der OP beigesteuert.
So, jetzt kam der Tag wo sie nach Bulgarien ging.
Ist grad mal einige Wochen her.
Den letzten Tag verbrachten wir komplett zusammen.
Es war ein schöner Tag, es war schön zu sehen wie von einem Menschen soviel Ballast runtergefallen ist.
Ich habe mir den Tag auch extra freigenommen, und wir haben viel unternommen, war mit ihr im Wald spaziern, eigentlich ganz gewöhnliche Sachen
Aber ich habe selten in meinem Leben einen Mensch gesehen, der so was von erleichtert „aufgeatmet“ hat.
In einer ganz ruhigen Minute hat sie mich gefragt ob wir uns nach ihrer Rückkehr mal nach psychologischer Hilfe für sie umschauen könnten.

Alleine schon wenn ich das Wort „puff“ in den Mund nahm, da stellte sich bei ihr schon alles quer. Kann mich erinnern, meine Wohnung war ziemlich verdunkelt an dem Tag, sie riss erst mal alle Jalousien auf, öffnete alle Fenster, stand 5 Minuten am offenen Fenster, tankte Sonne und sagte mir das sie sich in ihrem Leben niemals so befreit und unbeschwert gefühlt hat.
Abends sollte dann der Bus losfahren, ich brachte sie dort hin. Auf dem Weg dorthin fuhren wir noch zu ihrem „Arbeitsplatz“, sie hatte noch ihre Sachen dort, und wollte diese abholen.
Hab dann später auch von einer Kollegin von ihr erfahren das sie wirklich für immer von dort weg wollte an diesem Tag, weil sie hatte sich dort verabschiedet.

Wir hatten noch etwas Zeit, und verbrachten noch einige Zeit in der Stadt, dann haben wir uns verabschiedet. Sie war Feuer und Flamme, wollte die OP machen, und dann so schnell wie möglich zurück zu mir.
Als sie dann unten war, also bei ihrer Famile, ging der Kontakt leicht zurück.
Habe mitbekommen das sie erst mal ein Grossteil des Geldes zur Bank bringen musste, also für den Abtrag.
Der Rest reichte dann grad noch für die OP.
Nach der OP war sie total durch, 2 Tage danach haben wir das erstemal kurz telefoniert. Ich bekam dann gesagt das sie keine Kinder mehr bekommen könne.
Sie war total schräg drauf, sagte sie fühlt sich nur noch als halbe Frau, und fragte mich dauernd was ich überhaupt noch von ihr will.
Warf mir auch vor das ich während der OP nicht bei ihr war. Aber ich hatte ihr vorher schon deutlich gemacht das ich beruflich grad viel zu tun habe.

Kurzum, es dauerte knapp 3 Wochen und sie tauchte wieder an ihrem alten Arbeitsplatz auf.
Ich selbst habe es durch einen dummen Zufall einen Tag zuvor erfahren, also ich wusste es nicht von ihr.
Ihr Telefon hat sie natürlich ausgemacht, bzw die Karte gewechselt mit einer neuen Nummer. Bin dann an diesem Tag dort ins Haus, mit der kleinen Hoffnung das alles vielleicht nur ein Missverständnis ist.
Dort angekommen noch alle Zimmer zu. Ich sah dann eine Freundin von ihr, von der ich wusste das sie während der OP in Bulgarien bei ihr war. Ich fragte sie ob „sie“ hier ist, sie sagte nein, sie wäre nicht hier.
Also kann ich davon ausgehen das sie versucht hat mich zu täuschen. Also damit das sie dann wohl zu ihrer Freundin wohl gesagt hat „Wenn er hier auftaucht, sag ihm ich bin nicht in Deutschland“. Obwohl sie sich denken konnte das sie das nicht vor mir verheimlichen könnte. Egal.
Paar Minuten später sah ich sie in ihrem Zimmer. Sie schaute mich an als hätte sie einen Geist gesehen. Ich durfte zwar kurz rein, aber auch bei den Folgebesuhen schloss sie niemals die Tür.
Auf meine Frage „WARUM??“, sagte sie das sie sich nicht mehr als Frau fühlt, und was ich mit ihr will, und dann noch das sie halt Geld bräuchte, deswegen wäre sie wieder hier.
Den Brocken, also ihre „Anwesenheit“ dort, musste ich erst mal verdauen. Dachte mir es kann doch nicht sein, das ein Mädel die hier eine Chance geboten bekommt, es so einfach ausschlägt und wieder zurück in den „Sumpf“ zurück geht.
Es war ihr sehr peinlich die Situation, und immer in so Momenten baut sie eine Art Schutzschild auf und verbaut sich dahinter.
Sie meinte noch sie hat meine Nummer, und wird mich bald anrufen.

Das geht doch nicht so einfach aus Lust und Laune ohne Hintergrund.
Als ich mich wieder halbwegs beruhigt habe, bin ich wieder hin, einige Tage lang, immer nur ganz kurz, hab ihr was zu trinken mitgebracht, eine Kleinigkeit zu essen, hab gefragt wie es ihr geht und bin sofort wieder verschwunden.
Beim zweiten Mal sagte ich auch nur kurz Hallo zu ihr, habe ich mich dort im Haus an die Bar gesetzt, hab einen Kaffee bestellt, da war eine junge Kollegin da, sie machte grad Pause.
Die hatte auch so halbwegs mitbekommen was zwischen uns passiert ist die letzten Monate. Mit ihr hab ich dann bestimmt eine Stunden dort gesessen und wir haben uns über Gott und die Welt unterhalten.
Als ich das Haus dann verlassen wollte sah „Sie“ mich im Treppenhaus.
Wir standen wieder da, schauten uns an mit grossen Augen. Sie fing dann an was ich solange im Haus gemacht habe, ob ich bei einer anderen Frau war, wo ich jetzt hingehen werde, ob ich jetzt nachhause fahre etc.
Also ihr Kopf hat schon ganz schön gerattert.

War 2 Tage später nochmal dort, sie meinte sie bräuchte Zeit, und wenn sie mich da drinnen sieht wird sie nervös.
Und jetzt, eine Woche später war ich gestern erstmal das letzte Mal dort.
Ihre Stimmung war wieder auf dem Nullpunkt.
Sie sagt extrem verletzende Dinge mir gegenüber, wird agressiv, entschuldigt sich im nächsten Moment wieder usw.
Habe gesehen das sie sich mittlerweile am ganzen Kopf die Haare ausreisst. Wenn das noch ein halbes Jahr so weitergeht, dann hat sie bald keine Haare mehr auf dem Kopf.
Glücklicherweise war diese eine alte Kollegin von ihr wieder da. Sie hat mich auf ein kurzes Gespräch mal mit aufs Zimmer genommen.
Sie musste dabei sogar die Zimmertüre auflassen damit "sie" nichts falsches von uns denken würde, sie kam nämlich ständig rübergerannt, schaute ob die Tür bei uns auf ist und redete wirres Zeugs.
Ich war erstmal beruhigt als sie mir sagte das sie "sie" zuhause aufgenommen hat. So weiss ich das sie erst mal halbwegs in guten Händen ist.
Sie sprach mich auch drauf an, ob ich das mit ihren Haaren auch bemerkt hätte.
Auch sagte sie mir das sie manchmal tagelang nur wirres Zeug redet, dann ist sie wieder ganz normal, dann geht es wieder los.

Ich denke/vermute mal das man das zu dem Borderline zuordnen kann, lasse mich da aber gerne eines besseren belehren.


Man weiss dann auch ihr abweisendes aggressives Verhalten nicht immer zu deuten. Weil wenn sie manchmal abweisend und verletztent zu einem ist, dann weiss ich nicht immer ob sie es ernst meint...oder ob dies bereits krankhaft bedingt ist.


Ich gab der Kollegin meine Telefonnummer, mit der Bitte das sie ein Auge auf sie werfen soll, und das ich der Meinung bin sie braucht schnellstmöglichst psychologische Hilfe.
Solange sie da drin ist, ist daran sowieso nicht zu denken.

Ich bin jetzt an einem Punkt, ich kann nichts mehr tun.
Habe das Gefühl je mehr ich nach ihr schaue, umso mehr wird sie durcheinander.....bzw um so mehr versucht sie mich zu vertreiben.



Kann jetzt nur auf ihre Kollegin setzen, das sie sich um sie kümmert, aber auch die hat ja ihre eigenen Probleme.

Die Betreiber der Häuser zb, die kriegen sowas doch bestimmt auch etwas mit, also auch zb wenn ein Mädel aus der Heimat zurückkommt, hatte eine Unterleibs-OP, und bietet 2 Wochen später wieder ihre Dienste an.
Aber gut, was wollen die dagegen machen??
Die wissen genau, verweigern sie ihr ein Zimmer, dann geht sie ins nächste Haus und mietet sich dort ein.

Es ist traurig das Ganze, nimmt mich sehr mit, und das schlimmste ist....man kann nur mit zusehen wie sich jemand selbst kaputt macht.

Ich möchte aber nicht einfach tatenlos zuschauen.

Wenn das jetzt alles zu persönlich oder zuviel war, sagt es mir. Dann tut es mir leid dafür.


Vielleicht ergibt sich ja eine nette Diskussion.


DANKE

DickBrave

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Marc of Frankfurt
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Anal-yse der strukturellen Basis der Probleme

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Danke für deine Geschichte.
Dass sie so lange geworden ist zeigt mir wie sehr emotional du mit ihr verbunden bist.


Möglicherweise ist sie nicht mehr und nicht weniger als in die sog. Falle Prostitution geraten.

D.h. sie hatte sich zu sehr und zu lange nur auf ihre gesunde jugendliche Attraktivität verlassen und darauf ihr Geschäftsmodell und Leben aufgebaut. D.h. mit ihrem Marktwert war ihr Selbstwert gewachsen. Durch selbst verdientes Geld im intl. Pay6-Markt war ihre Freiheit als Migrantin, als selbstständige Kauffrau und als Mensch erarbeitet und erkauft zugleich (Arbeit und Stadtluft machen gekanntlich frei). Ihre Unabhängigkeit ermöglichte ihr Würde und Stolz auch gegenüber zu engen familiären Banden oder Verpflichtungen in die Heimat. Zumindest solange der cash flow ausreichte.

Dann kam ein Absturz. Und wenn dann nach einer Krise ein Ritter als Retter daherkommt, will verständlicherweise längst nicht jedeR, die/der diese absolute Freiheit als Sexworker jemals gekostet hatte, sich zurück in neue emotionale und materielle Abhängigkeiten und Familienbande begeben, selbst auf die Gefahr hin dass ein solch unbändig erscheinender Freiheitswille als selbstzerstörerisch oder schizophren mißverstanden wird.

In dem Moment wo das natürliche Lebens- und Geschäftsmodell der Sexarbeit nicht mehr funktioniert (Unfall, Krankheit, Alter, Marktkrise, Strukturwandel) bricht die persönliche Welt zusammen. Ganz allgemein gilt nämlich auch: Krankheit ist die häufigste Verarmungsursache von Frauen in der Welt, denn die meisten haben keine Krankenversicherung. Und in der Sexarbeit und insb. migrantischen Sexarbeit gibt es erstrecht oft keine ausgefeilten cleveren nachhaltig tragfähigen und über Generationen hinweg weitervermittelten Zukunftsvorkehrungen. Weil einerseits alles tabuisiert ist oder gar als Förderung von Prostitution verboten und kriminalisiert ist und andererseits weil Prostitution eben "elementaren natürlichen" Geschehensabläufen folgt kaum zu verbieten immer nach eigenen Regeln ablaufen.
  • Elend kann man nicht verbieten. Man kann die negativen Seiten von Prostitution nicht abschaffen durch Verbot und Eindämmung von Prostitution, sondern nur indem man in einer Haltung von Lebensweisenakzeptanz und Respekt für Sexworker Möglichkeiten zur Selbsthilfe und Zukunftsvorsorge ermöglicht.
Die Lebensabsicherung sieht in der sonstigen Welt außerhalb von Prostitution bekanntlich ganz anders aus. Da gibt es hierzulande seit 1883 das Bismarcksche System der Sozialversicherungen, zu dem sie als Sexarbeiterin und Migrantin keinen Zutritt hatte, oder es tragen zumindest seit alters her die traditionellen Familienbande (Blut ist dicker als Wasser). Doch diese sind oftmals gerade durch das Sexual- bzw. Prostitutionstabu und -stigma zerstört (Tochter wurde verstoßen oder fühlte sich gezwungen auszureißen).


Also für mich Sexworker eine nachvollziehbar verständlich extrem elende Situation für sie und das ganz unabhängig von den persönlichen Details (aber möglicherweise alles auch nur eine überkritische Ferndiagnose;-).

Eine Lebenssituation für Sexworker und MigrantInnen
  • die eine kulturelle-gesellschaftliche Lösung wie Entstigmatisierung und Sexworker-Respekts verlangt, wofür sich das Sexworker Forum einsetzt und
  • eine immense persönlich psychologische Kraftanstrengung zwischen liebenden Partnern ...
Wünsche Dir und ihr viel Kraft für eine wie auch immer geartete Zukunft.

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Aoife
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RE: Über eine SW aus Osteuropa

Beitrag von Aoife »

Hallo DickBrave,

danke für deine ausführliche Schilderung :001

Deine Frage nach "Borderline" läßt sich natürlich hier nicht eindeutig beantworten, aber du hast Recht, es gibt schon Hinweise dafür.
Und es geht dir ja auch nicht (wenn ich dich richtig verstehe) um eine hieb-& stichfeste Diagnose wie beispielsweise für einen Rentenantrag.
Was du beschreibst läßt fachliche Hilfe schon sehr wünschenswert erscheinen - nur ohne Motivation des Betroffenen geht da nichts.

Und gerade *wenn* es Borderline sein sollte: Dabei sind Leiden und Motivation typischerweise entkoppelt - als Borderliner kann man/frau
massivst leiden und trotzdem null motiviert sein, etwas dagegen zu unternehmen. Wenn ich mir nun die Situation als Ganzes anschaue,
das, was du schreibst mit deinem Verhalten (DU hast dich schließlich mit der Hoffnung auf Hilfe an uns gewandt) in Beziehung
setze, so scheint dein Mit-Leiden dich stärker zu motivieren,
als die eigentlich Betroffene selbst es ist, trotz ihrer offensichtlich starken Problemen.

Ich denke das solltest du wissen, ansonsten kann es einen ja nahezu in den Wahnsinn treiben, wenn man solches Leiden
beobachtet und einfach nichts unternommen wird dagegen ...
Aber es gibt noch einen anderen Punkt: Es ist alleine ihre Sache, ob sie da etwas tun will. Natürlich kannst du informieren, z.B.
auf die Möglichkeit hinweisen, dass eine Psychotherapie helfen könnte.
Und ebenso alleine deine Sache, ob du etwas tun willst. Einen Anfang hast du ja schon gemacht, indem du hier deine Probleme
offengelegt hast. Was ich sehr mutig von dir finde, Respekt! Leider können wir in einem Forum nur eher allgemein gehaltene Tips geben.
Vielleicht hilft es dir ja schon gesagt zu bekommen, dass du keine Verantwortung für sie hast. Dass es nicht dein Problem ist, sie
von den "ausbeuterischen" Familienstrukturen zu erretten. Das ist nur der äußere Anschein, das eigentliche Problem "Familie" hat sie
von klein auf verinnerlicht, ansonsten hätte sie sich schon längst selbst davon befreien können.
Aber wenn das nicht ausreicht, steht es dir selbstverständlich frei, eine professionelle Therapie in Anspruch zu nehmen.
So seltsam es klingen mag, da denkt man ja auch nicht als Erstes daran, wenn es einem anderen offensichtlich soviel schlechter geht.
Aber die Erfahrung zeigt, dass in Beziehungen oft der gesündere Partner um Therapie nachsucht, was durchaus auch Sinn macht,
denn wenn man eine Beziehung als System auffasst, dann ist es ja vernünftig, Veränderungen an diesem System von dessen Stärken
ausgehend in Angriff zu nehmen. Und oft folgen dann später die
"kränkeren" Partner dem Beispiel und trauen sich dann erst auch in Therapie.

Ich hoffe, dir damit etwas weitergeholfen zu haben :017

Liebe Grüße, Aoife
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DickBrave
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RE: Über eine SW aus Osteuropa

Beitrag von DickBrave »

@Marc

"Falle Prostitution", ja, da stecken die meisten drin.

Ich denke schon das sie sich mit dem Geld das regelmässig fliesst vielleicht Anerkennung bei ihrer Familie "erkaufen" will. Ist möglich.
Was ihren "Marktwert" (der Anfangs sicherlich höher war) betrifft, ich weiss das sie ihn regelrecht verachtet.
Also das was sie nach "Aussenhin" für die Kunden darstellt.

Klar ist sie auch frustriert, das es jetzt nicht mehr soläuft wie vorher.
Ist in dieser Art der Häuser völlig normal. Neue hübsche Mädels tauchen ständig auf, der Konkurrenzdruck ist enorm.
Gerade junge Frauen sind sehr schnell regelrecht "verheizt".


Klar, und wenn dannjemand kommt wie ich....dann stellt sich die Frage....weiterhin Sexarbeit (um der Familie weiterhin gerecht zu bleiben), oder ein Ausstieg, bzw Umstieg in einen geregelten Alltagsjob.

Ein Ausstieg, bzw Umstieg ist natürlich auch nicht in kurzer Zeit vollzogen, heisst es ist erstmal kein Geld da. Somit wäre sie nicht mehr auf sich alleine gestellt!!

Zumal ich sagen muss, ich habe vor einigen Wochen mal mitbekommen was sie unter einem "Guten Tag" versteht........
Möchte die Zahl jetzt nicht nennen, aber ein normaler Job würde gut da ran reichen.




@Adoife

Hmm, also eine hieb- und stichfeste Diagnose denk ich kann nur ein Arzt erstellen.
(Obwohl, es gibt sogar glaub ich ein paar Selbsttests im Netz).

Was ihre Motivation betrifft, bevor sie wegging, und wir mal eine ganz ganz ruhige Minute zusammen hatten, da hat sie das Thema ja mal selbst vorgeschlagen.

Als ich das letzte mal bei ihr war, sagte sie auch, das wenn sie so weitermacht, sie bald ins Krankenhaus muss, allerdings nicht in ein gewöhnliches Krankenhaus.


Ja, stimmt, es motiviert mich sehr, da hast du Recht.
Und obwohl sie schon selbst davon geredet hat, also das sie professionelle Hilfe braucht, weiss ich allerdings nicht inweit da ihre nähere Zukunft aussehen soll.

Und was ihren "Zwang" gegenüber ihrer Familie betrifft, ja, da kann ich nichts machen dagegen.
Ist eine Entscheidung die nur sie selbst treffen kann.


Danke schonmal


Gruss DickBrave

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Re: RE: Über eine SW aus Osteuropa

Beitrag von Aoife »

          Bild
DickBrave hat geschrieben:@Adoife
"d" zuviel ;)
http://www.forvo.com/word/aoife/
DickBrave hat geschrieben:Hmm, also eine hieb- und stichfeste Diagnose denk ich kann nur ein Arzt erstellen.
Selbst ein Arzt müsste sie dazu kennen und wäre auf ihre Mitarbeit angewiesen :001
DickBrave hat geschrieben:(Obwohl, es gibt sogar glaub ich ein paar Selbsttests im Netz).
Ja gibt es. Auch gute, aber der Form halber dürfen sie nur als screening tests angepriesen werden.
http://www.psychotherapiepraxis.at/surv ... line.phtml

Liebe Grüße, Aoife
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