"Belle de Jour" von Jos. Kessel (Roman) & Luis

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Sinamore
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Beitrag von Sinamore »

Entschuldigung für die späte Antwort, hatte deinen Post übersehen. Ich fand den Film interessant, vor allem für die damalige Zeit beeindruckend. Aber es als filmisches Meisterwerk zu bezeichnen finde ich etwas übertrieben.
Mir ist aufgefallen dass der Umgang der Bekannten am Anfang des Filmes sehr kühl wirkt, oder jedenfalls nicht natürlich. Ich frage mich ob das bewusst so inszeniert wurde, oder ob ein solches Verhalten in diesen Kreisen damals gängig war.

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friederike
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Beitrag von friederike »

Liebe Sina,

vielen Dank für Deine interessante Rückmeldung!

In den 60er Jahren war der Film ein Skandalerfolg. Er beeindruckt mich durch die Präzision der Darstellung und die psychologische Tiefenschärfe der Bilder, die Traum und erzählte Wirklichkeit ineinander verwebt.

Zufälle gibt es bei Bunuel wahrscheinlich nicht. Die Figur der Bekannten (Renée) hat, glaube ich, die Aufgabe, ein Zwischenglied für die Heldin Severine zu bilden. Renée hat eine Liaison mit dem zwielichtigen Verführer Husson - sie ist also schon aus dem bürgerlichen Muster herausgefallen. Am Anfang der Handlung strebt Severine an, den Kontakt zu den beiden zu meiden - vor allem Husson. Sie ahnt wohl ein Verderben.          

LG,
Friederike

ehemaliger_User
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ARTE 08.07.2013 um 20:15

Beitrag von ehemaliger_User »

08.07.2013 um 20:15 arte: Belle de Jour
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Marc of Frankfurt
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Immer wieder gerne gesehen dieses Meisterwerk.

Gestern fiel mir besonders die negative Botschaft auf, dass die Heldin Severin bei all ihrer Stärke, Erfolg in der Sexarbeit und Abgrenzungskompetenz in den Sog der negativen Aspekte von Prostituton gerät, als sie von den Gangstern verfolgt wird, diese die Schutzgrenze zwischen den Welten gewaltsam durchbrechen und mit Waffengewalt ihr Privatleben zerstört wird.


Das ist nur möglich, weil mache Freier, die zu Tätern werden, genauso wie die Gesellschaft es vorgibt von einer Rechtlosigkeit und Schutzlosigkeit von Sexworkern ausgehen. Sie interpretieren den geschäftlichen Aspekt, das "Kaufen" der Dienstleistung falsch und zu allgemein im Sinne von "Frau/Körper kaufen". In der Realität ist auch dieser aktuelle Mordfall ein Beleg für diesen fatalen Zusammenhang http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 190#133190 .

Die prekäre Stellung der Sexworker in der Gesellschaft ist Aufluß eines unreifen immer noch unaufgeklärten Verhältnisses von Sexualität und Wirtschaft.

Das derzeitig beratene Anti-Prostitutions-Gesetz schafft dazu erneut eine Grundlage http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 004#133004 .

Deswegen brauchen wir mehr Wirtschaftsforschung Sexwork http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=2288 . Ich arbeite gerade dran, wie wir das Flatrate-Modell http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=4869 evaluieren können, um diese moralisch sensible Schnittstelle des "sexualisierten Verkaufens" besser vestehen zu können.

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Marc of Frankfurt
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Bezug zu "Fifty Shades of Grey"

Beitrag von Marc of Frankfurt »

"Sadomasochistischer Sex, wird in dem Buch "Fifty Shades of Grey", als ein Weg gezeigt, sehr althergebrachte, sehr traditionelle Geschlechteridentitäten zu festigen - allerdings unter dem, wenn Sie so wollen, Regenschirm sexueller Lust."

"Unter den Bedingungen des Menschen in mordernen Gesellschaften mit ihrer geringen so patriarchalenn Rollenbindung und damit einhergehender Notwendigkeit immer zu verhandeln, bietet sadomasochistischer Sex eine Möglichkeit zu mehr Sicherheit."

"Dieses Buch hatte wahrscheinlich einen solchen Erfolg, weil Sadomasochismus hier als Lösung dargestellt wird für all die Widersprüche, mit denen wir heute leben.

--Eva Illouz, israelische Soziologin



www.faz.net/aktuell/feuilleton/bilder-u ... 39460.html

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La Marfa
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RE: "Literatur" 50 Shades of Grey

Beitrag von La Marfa »

Das sehe ich auch so, mehr noch, da wird der neu gekleideten Wiederauflage des alten Märchens der Errettung der Frau dank ernthafter Analysen zuviel Ehre zuteil. Retter"literatur" für Menschen, die sich in ihrer Rolle in der Welt verunsichert oder überfordert fühlen.

Lass SM da raus und du hast ne Art "Pretty Woman".

Aber das passt in diese Zeit: Nur weil etwas einen Anteil SM hat, ist es per se auf einmal spannend, s. RTL2 und andere Quoten- und Gewinnunternehmen. Verabscheuenswerte überbordende Sensationsgier als Haltung bedient das nach meiner Meinung.

La Marfa