Hetze geht weiter: Bild: Debatte um das Prostitutionsgesetz

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fraences
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Hetze geht weiter: Bild: Debatte um das Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Debatte um Reform des ProstitutionsgesetzesSIE kämpft seit Jahren gegen käufliche Liebe!

BILD.de spricht mit Autorin Kajsa Ekis Ekman


Die schwedische Autorin Kajsa Ekis Ekman (32) engagiert sich seit zehn Jahren im Kampf gegen Prostitution und Menschenhandel

Die schwedische Autorin Kajsa Ekis Ekman klärt seit sieben Jahren über Prostitution und Menschenhandel auf

Berlin – Prostituierte ist in Deutschland ein Beruf wie jeder andere – zumindest laut Gesetz. Die Realität sieht jedoch anders aus, die Zustände im Milieu sind teils katastrophal. Deutschland diskutiert: Brauchen wir eine Reform des 2002 in Kraft getretenen Prostitutionsgesetzes?

BILD.de sprach mit der schwedischen Autorin Kajsa Ekis Ekman (32), die sich seit Jahren im Kampf gegen Prostitution engagiert. Sie ist der Meinung, dass der Weg, den ihr Heimatland Schweden geht, ein Vorbild für Deutschland sein könnte.

Warum sich Ekman überhaupt mit Prostitution beschäftigt?

„Ich habe 2003 in Barcelona mit einem Mädchen zusammengelebt, das ihren Körper verkauft hat“, erzählt Ekman im BILD.de-Interview. „Ich erlebte Prostitution und das damit verbundene Elend hautnah. Seitdem beschäftige ich mich mit dem Thema."

Sie studierte Literaturwissenschaft, schrieb ein Buch über Prostitution, Leihmutterschaft und Menschenhandel („Varat och Varan“, zu Deutsch: „Sein und Ware“, 2010), arbeitet als Journalistin und klärt heute weltweit über Prostitution auf.
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„Es gibt Prostituierte auf dem Straßenstrich und es gibt Escort-Damen. Diese beiden haben eines gemeinsam: Wenn sie sich mit einem Mann treffen, hat der Lust auf Sex – die Frauen aber nicht“, erklärt die junge Schwedin das Dilemma. „Das hat nichts mit normalem Sex zu tun.“ Die Frauen machten es nur für das Geld.

Kajsa Ekis Ekman: „In Schweden bezahlen nur Loser für Sex“

Ekman kommt aus einem Land, in dem Prostitution seit einigen Jahren regelrecht verpönt ist. Seit im Jahr 1999 in Schweden ein Gesetz eingeführt wurde, das nicht die Huren, sondern die Freier bestraft, hat sich die Situation dort deutlich gebessert.

Zwar gibt es Sex gegen Geld immer noch, aber: „Obwohl wir in Schweden nie viele Prostituierte hatten, ging ihre Zahl sogar von 2000 auf rund 1000 zurück. Auch die Zahl der Freier hat sich fast halbiert. Es ist also ein großer Erfolg!“

Seit dieses Gesetz erlassen wurde, habe auch in der schwedischen Bevölkerung ein Umdenken stattgefunden. „Heute ist es schlicht erbärmlich, zu einer Hure zu gehen. Du giltst als gesellschaftlicher Außenseiter; als einer, der es nicht schafft, eine Frau ohne Geld ins Bett zu kriegen. Du bist ein Loser“, so die Journalistin.

Menschenhandel

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Die Folge: Die Nachfrage sinkt, das Angebot auch. Ekman: „Das Signal ist ein deutliches: Man kann keine Frau für Geld kaufen. Und man darf es auch nicht. War man bei einer Prostituierten, wird erwischt, bekommt man einen Brief der Polizei nach Hause, die ganze Familie bekommt es mit. Das schreckt ab.“ Und man muss eine Geldstrafe zahlen. Vor zwei Jahren wurde das Gesetz sogar noch verschärft, nun drohen Freiern Gefängnisstrafen von sechs bis zwölf Monaten.

Damit wurde Schweden zum Vorbild für andere Länder. „Das Gesetz bestraft endlich die Männer, die dafür verantwortlich sind – und sagt nicht den Prostituierten, was sie dürfen und was nicht. Dänemark und Frankreich wollen ein ähnliches Gesetz erlassen, Island und Norwegen haben das bereits.“

Kajsa Ekis Ekman: „Sex ist eine großartige Sache – wenn man ihn nicht gegen Geld hat"Kajsa Ekis Ekman: „Sex ist eine großartige Sache – wenn man ihn nicht gegen Geld hat“
Foto: Kajsa Ekis Ekman
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Die Situation in Deutschland ist eine ganz andere

Hier wurde die rechtliche Lage hinsichtlich „käuflicher Liebe“ nicht verschärft, sondern gelockert. Das „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten“ wurde 2001 vom deutschen Bundestag verabschiedet und setzt unter anderem fest, dass Prostitution in Deutschland legal und das Geld für die sexuellen Leistungen einklagbar ist. Die Frauen konnten nun auch regulär in die gesetzliche Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung einzahlen. Doch ihre Lage verbesserte sich nicht – laut aktuellen Studien ist eher der Gegenteil der Fall.

„Die deutsche Regierung ließ im Jahr 2007 das Prostitutionsgesetz auswerten. Keine der damit verbundenen Hoffnungen hatte sich erfüllt“, sagt die Autorin, „es ging den Frauen nicht besser, im Gegenteil. Wir in Schweden nehmen Deutschland als ernstes, seriöses Land wahr. Da würde man eigentlich denken, dass ein Gesetz geändert wird, wenn es so offensichtlich nicht funktioniert. Aber passiert ist nichts.“

Der neue liberale und auch verharmlosende Umgang mit käuflichem Sex sei für Ekman ein ganz falscher Ansatz, denn: „Prostitution ist das Gegenteil von freier Sexualität. Millionen Männer haben Sex mit Frauen, die keinen mit ihnen haben wollen. Das ist alles andere als frei!“ Die Schwedin weiter: „Wenn man eine Prostituierte vor die Wahl stellen würde: Nimm das Geld und geh oder nimm das Geld und habe noch Sex mit dem Mann. Dann würde keine freiwillig den Sex wählen.“

Die Prostituierte, die selbstbestimmt und mit Spaß ihre Arbeit ausführt, ist in der Minderheit Die Prostituierte, die frei und selbstbestimmt ihre Arbeit ausführt, ist in der Minderheit
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Das Bild der selbstbestimmten Prostituierten mit Spaß am Job ist die Ausnahme

„Sex ist eine großartige Sache – wenn man ihn nicht gegen Geld hat. Wenn ein Mann zu einer Prostituierten geht, lernt er nicht, wie er eine Frau verführt, wie er sie befriedigt“, erklärt Kajsa Ekis Ekman den Teufelskreis.

Das schwedische Gesetz genießt in der schwedischen Bevölkerung große Zustimmung. Während Jungen in Schweden also mit dem Gefühl aufwachsen, dass für Sex zu bezahlen nicht nur falsch, sondern auch verboten ist, gilt bei uns der Gang ins Bordell bei vielen Männern als Kavaliersdelikt, der Kiez in Hamburg mit der Herbertstraße, wo die Nutten in den Fenstern sitzen, sogar als kultig.

Dabei ist es weiterhin eine Minderheit der Männer, die diese Dienste überhaupt in Anspruch nimmt. In Deutschland ist es jeder Vierte, in Schweden jeder Zwölfte.

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Damit diese Zahlen allerdings noch mehr sinken, ist Aufklärung besonders wichtig. „Eine durchschnittliche Prostituierte hat acht- bis zehnmal Sex pro Tag. Die Folgen für Psyche und Körper sind dramatisch. Die Mehrheit wurde körperlich misshandelt und trägt teils bleibende Verletzungen davon, posttraumatische Störungen sind keine Seltenheit.“

Auch folgender Fakt zeigt, dass Anschaffen kein Job wie jeder andere ist: Ekman: „Laut einer US-amerikanischen Studie aus dem Jahr 2004 ist für Prostituierte die Wahrscheinlichkeit, ermordet zu werden, 18-mal höher als für andere Frauen.“

Flatrate-Bordelle und Menschenwürde sind kaum vereinbar

Laut einer Studie aus dem Jahr 2003 wurden 71 Prozent misshandelt, 89 Prozent der Prostituierten wollten aussteigen. Besonders erschreckend ist die Situation in Bordellen mit Sex-Flatrates und auf dem Straßenstrich. Auch wenn es in Essen beispielsweise sogenannte „Verrichtungsboxen“ für den Sex im Freien gibt – die Preise und „Arbeitsbedingungen“ sind kaum zu ertragen. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ zitiert in seiner aktuellen Ausgabe die Prostituierte Alia: „Es gibt keine Prostitution ohne Zwang und Not. Es gibt hier eine, die macht es sogar für einen Big Mac.“


„Wo bleibt die Menschenwürde?“, fragt Ekman angesichts solchen Elends. „In Schweden haben wir eine Menge Sex, aber wir brauchen dafür keine Verrichtungsboxen auf Parkplätzen.“

Die Schwedin ist der Meinung, dass neben den Freiern sowieso nur eine Gruppe von Prostitution profitiert: die organisierte Kriminalität. „Es wird nie genug Frauen geben, die sich freiwillig verkaufen. Dank Prostitution floriert der Menschenhandel. Das muss aufhören.“

Im Jahr 2005 wurden zumindest die Gesetze, die Zwangsprostitution und Frauenhandel betreffen, deutlich verschärft. Allein schärfere Gesetze seien aber nicht die Lösung aller Probleme, findet Ekman. „Man braucht außerdem soziale Maßnahmen. In Schweden haben wir drei Zentren, wo diese Frauen Hilfe bekommen, bei der Suche nach einer Wohnung, einem Job oder einer Weiterbildung. Sogar ihre Schulden können bezahlt werden. Doch so etwas braucht staatlichen Rückhalt und Förderung.“

Kajsa Ekis Ekman schreibt gerade an einem neuen Buch. Es handelt nicht vom Milieu, sondern von der Eurokrise: „Prostitution ist ein wirklich bedrückendes Thema. Man wird mit so viel Elend konfrontiert. Aber trotzdem will ich mich weiterhin engagieren.“


www.bild.de/news/inland/prostituierte/k ... .bild.html
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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Fakten und Infos über Prostitution

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

Ich sag es jetzt mal mit Loriot:


"Sagen Sie jetzt nichts!"

Kasharius grüßt und schweigt

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Re: Die Hetze geht weiter: Bild:Die Debatte um Prostitutions

Beitrag von ehemaliger_User »

„Wenn man eine Prostituierte vor die Wahl stellen würde: Nimm das Geld und geh oder nimm das Geld und habe noch Sex mit dem Mann. Dann würde keine freiwillig den Sex wählen.“
Die Journalistin hat wirklich keine Ahnung.
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Emma-Gutversteckt
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RE: Die Hetze geht weiter: Bild:Die Debatte um Prostitutions

Beitrag von Emma-Gutversteckt »

Es gibt nur 1000 Prostituierte in Schweden???

Da sagt das Internet aber ganz andere Sachen! Allein in dem Portal "cityoflove" (den Link setze ich mal nicht, weil ich nicht genau weiß, ob das okay ist) gibt es (heute) 1019 Anzeigen für Schweden. Wenn man nun bedenkt, dass nicht jede Frau dort inseriert und die ganzen kleineren Portale berücksichtigt, dann könnte man durchaus auf die Idee kommen, dass Frau Ekman einen Haufen Sch**** erzählt. Das einzige, was es in Schweden nicht mehr gibt (bzw. so gut wie gar nicht mehr) sind Bordelle, wie wir sie hier haben. Auffällig ist auch, dass die Preise dort im Durchschnitt wesentlich höher sind als bei uns. Und mir kann nun wirklich keiner erzählen, dass all diese Frauen noch einen richtigen Job haben, weil sie von der Prostitution nicht leben können. Also ist Schweden wohl offensichtlich voll mit "Losern", wie Frau Ekman die Männer so nett bezeichnet.

(So langsam regt mich das ganze Thema echt auf!)

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

@Emma-Gutversteckt

so l a n g s a m regt dich das Thema auf ...? :002 :002

Kasharius schweigt wieder und grüßt nur

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Emma-Gutversteckt
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Beitrag von Emma-Gutversteckt »

Ja, eigentlich wollte ich mich bei derlei Diskussionen komplett raushalten, aber das ganze Thema wird mittlerweile so dermaßen blöde ausgeschlachtet, dass ich unmöglich noch die Klappe halten kann... :-)

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Marc of Frankfurt
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Gegenaufklärung

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Nochmal der Kommentar von Laura zu ihrem Buch


Response from Dr. Laura Agustin, Schweden:
"Radical feminist pleasure in sex worker misfortunes: not a pretty picture"


www.lauraAgustin.com/sex-worker-movemen ... amentalist



Kajsa Ekis Ekman
schwedische Literaturwissenschaftlerin
Buch 2010 »Varat och varan. Prostitution, surrogatsmödraskap och den delade människan«
(Ware und Sein. Prostitution, Leihmutterschaft und der geteilte Mensch http://ssy.org.uk/2010/09/prostitution- ... tatus-quo/ )
http://kajsaekisekman.blogspot.de

2011 http://jungle-world.com/artikel/2011/22/43318.html

11.06.2012 Ekman Interview in Appelscha TV2
Kernargument: "Because there is money, there is inequality."
www.youtube.com/watch?v=scOlrYokdJM

Dagegen die Analysen bei den Sammelthemen:
Geld www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=5319
Ökonomie www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=2288





Bild


Antwort auf ein Feministisches Pamphlet aus Norwegen:


:006 NEU
Deutsch: www.bit.ly/prostitutions-debatte

English: www.bit.ly/prostitutiondebate
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 31.05.2013, 11:47, insgesamt 6-mal geändert.

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Beitrag von Tilopa »

Die Kommentare unter dem Artikel sind zwar mehrheitlich nicht unbedingt niveauvoll, aber sie zeigen sehr deutlich, dass totalitäre Demagoginnen bei der Bild-Leserschaft absolut nicht Punkten können. Zusätzlich lesen die Befürworter_innen des schwedischen Modells wahrscheinlich auch einfach keine "Bild", weshalb das Forum von dieser Minderheit deutlich weniger stark terrorisiert wird, als die Foren z.B. von "Zeit", "Freitag" und "Spiegel".
Und zuletzt ist den offenbar überwiegend männlichen Lesern, die dort gerade haufenweise ablehnende Kommentare posten, vielleicht auch einfach schmerzlich klar, dass Männer aus der Arbeiterklasse und unteren Mittelschicht unter einer Freier-Kriminalisierung erheblich mehr zu leiden hätten, als Oberschicht-Männer, denen ohnehin deutlich mehr Möglichkeiten zur Verfügung stehen, Sex durch verdeckte Transaktionen zu kaufen. Ich finde diesen Sachverhalt durchaus nicht unwichtig, besonders, weil die "Abolitionist_innen" ja oftmals versuchen, ihre totalitäre Ideologie auch noch als "links" zu verkaufen.

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Tilopa
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Beitrag von Tilopa »

Jetzt bei Bild.de als Titelthema:
"Vorbild Schweden - Soll Prostitution verboten werden?"

Neben Chantal Louis und mehreren "95%-Polizisten" werden auch Felicitas Schirow und Juanita Henning zitiert.

http://www.bild.de/news/inland/prostitu ... .bild.html