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SexarbeiterInnen haben viele Pflichten und wenig Rechte - eine Diskussion um Prostitution, Gesellschaft und Politik
Wien - SexarbeiterInnen werden in Österreich diskriminiert: Sie müssen sich bei der Polizei anmelden, sich wöchentlich amtsärztlich untersuchen lassen und Steuern zahlen, haben jedoch keine daraus resultierenden Rechte. Prostitution kann nicht als unselbstständige oder selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt werden. Ausstehende Honorare können nicht vor Gericht eingeklagt werden. Auf diese "Doppelmoral in der Gesellschaft" wurde im Rahmen einer Podiumsdiskussion zur Kampagne "Sexarbeiterinnen haben Lust... auf ihre Rechte" Donnerstag Abend in Wien hingewiesen.
Selbstbestimmung
Dass es bei Prostitution nicht nur um Ausbeutung, sondern viel mehr "um eine grundsätzliche Arbeits- und Frauenfrage, um Selbstbestimmung, um die Anerkennung ihrer Rechte als Frauen und Arbeiterinnen" gehe, betonte Lefö-Koordinatorin Maria Cristina Boidi und setzte hinzu: "Das Stigma Hure trennt in gute und schlechte Frauen und dient als Säule der patriarchalen Ideologie."
Sexarbeit sei per se keine Gewalt gegen Frauen. Die Situation könne sich aufgrund fehlender Anerkennung und fehlender Rechte jedoch verschärfen. Boidi wandte sich in diesem Zusammenhang gegen die Vermischung von Prostitution mit Frauenhandel, denn "Sexarbeit ist Sex in beiderseitigem Einverständnis". Alles andere sei sexuelle Gewalt oder Sklaverei.
Differenzierung
Eine Legalisierung von Prostitution (statt Regulierung) in Österreich bedingt die Eingliederung der Materie in das Arbeitsrecht, die Gewerbeordnung und das Vertragsrecht. Die Ausstattung von Sexarbeit mit allen Rechtsinstrumentarien einer Erwerbsarbeit sah Heide Schmidt vom Institut für eine offene Gesellschaft als selbstverständliche Notwendigkeit an, wollte im Zugang zur Sexarbeit aber doch "mehr differenzieren". Denn viel "Freiwilligkeit" sei unter Anführungszeichen zu setzen, da Prostituierte oft "keine andere Chance" sehen. "Der feministische Zugang des 'sich verkauft Fühlens' ist durchaus ein Aspekt. Die soziale Situation von Prostituierten hat schon damit zu tun, wie mit sexueller Gewalt umgegangen wird. Das ist ein wesentlicher Zusammenhang", so Schmidt weiter.
Der "Doppelboden", dass Prostitution in Österreich nach der Rechtssprechung sittenwidrig ist, aber doch auch steuerpflichtig, muss beseitigt werden, forderte die ehemalige Politikerin. Sie wollte zudem den "gesellschaftspolitischen Aspekt mitdiskutieren, dass Männer, die diese Arbeit in Anspruch nehmen, in einer Position gestärkt werden können, die Frauen in der Gesellschaft in ihrer Selbstbestimmung schaden kann."
Politik
Dass sich seit der Strafrechtsreform der 1970er Jahre nicht mehr viel in Richtung Anerkennung bewegt hat, hielt Birgit Sauer, Professorin am Institut für Politikwissenschaft, fest. Im Gegenteil: "Da viele der Frauen Migrantinnen sind, sind sie zusätzlich vom Fremdenrecht betroffen und in der Arbeit gehindert." In ihrer Studie zur Regulierung von Prostitution ging die Wissenschafterin der Frage nach, wie Sexarbeit gesehen wird: "Als Problem der öffentlichen Sicherheit."
Bis in die 1990er Jahre hinein sei es im dominanten politischen Diskurs keine Frage gewesen, dass Sexarbeit nicht geregelt ist. "Wenn Prostituierte überhaupt im Blick des Diskurses waren, so wurden sie als Opfer gesehen. Von Zuhältern, Menschenhändlern, Zwangsprostitution und ähnlichem war die Rede. Die fehlenden staatlichen Strukturen produzieren jedoch Gewalt - eine irrationale Politik", so Sauer.
Sexarbeit
Stephanie Klee von der Agentur highLights in Berlin erzählte von ihrer Tätigkeit: "Es geht nicht um den Verkauf von Körper oder Seele. Es geht um eine sexuelle Dienstleistung, die bei einem Gespräch beginnen kann - eine vereinbarte Leistung in vereinbarter Zeit für vereinbartes Geld." Es dürfe nicht vergessen werden, dass es um "Lust, Amusement und Zeitvertrieb" gehe, wovor jedoch viele Menschen Angst hätten und deshalb mit der moralischen Keule kommen würden. Jedoch: "Wir Huren haben auch Lust auf unsere Rechte!"
Das Fazit des Prostitutionsgesetzes in Deutschland, das seit dem Jahr 2002 in Kraft ist, sei "mehr Selbstbewusstsein, mehr Kontrolle, eine Flut von Klagen", so Klee. Für den "Deal auf minimalster Ebene" sei nie mit den Beteiligten diskutiert und zudem keine Informationspolitik betrieben worden. "Die unterschiedlichen Behördenvertreter gehen mit dem Gesetz völlig unterschiedlich um. Heute gibt es eine größere Unsicherheit, keine Rechtssicherheit. Wir wissen nicht, was morgen passiert", betonte die Prostitutierte und setzte hinzu: "Etwas Positives hat es: Wir haben erstmals gespürt, dass wir ein klein bisschen Rechte haben, zum Beispiel das Recht auf Lohn."
Entstigmatisierung
Zum Abschluss der viel zu kurzen und gerade erst begonnenen Diskussion wurde am Podium betont, dass sich die Politik der Rechte von SexarbeiterInnen annehmen müsse. Der Stigmatisierung von Prostituierten durch die Gesellschaft gehöre ein Ende gesetzt. Dazu muss auch über Sexualität geredet werden, "müssen wir uns austauschen", forderte Klee. Ähnlich äußerte sich Sauer zum "mit Tabu und Angst besetzten" Thema: "Wir müssen in der öffentlichen Diskussion auch soweit kommen, dass Freier darüber reden können." Und: "Bitte begegnen Sie uns mit Lust", so Klee abschließend.
(Daniela Yeoh)
"Bitte begegnen Sie uns mit Lust"
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