Wolfgang "Wolli" Köhler (1932 - 2017) war eine Figur im Hamburger Kiez als Bordellbetreiber des "Palais d'Amour" auf St. Pauli und "Reeperbahnkönig" (er legte offenbar Wert darauf, kein "Zuhälter" zu sein, sondern ein Betreiber der "gewerblichen Zimmervermietung"). Der bekannte Literat und Schriftsteller Hubert Fichte hat in den 1970er Jahren Interviews mit ihm geführt und sie als CD publiziert. Es geht um das Rotlichtmilieu im Hanburg der 1970er Jahre. Die Interviews werden nun erneut herausgebracht und ein Theater in Hamburg veranstaltet Lesungen mit dem Theatermann Schamoni.
https://fazarchiv.faz.net/faz-portal/do ... 3662863587
https://www.deutschlandfunk.de/schamoni ... n-100.html
Eine besondere Pointe findet sich im Artikel der FAZ: Wolli Köhler wird als !die belesenste Gestalt im Kiez" vorgestellt, der von seiner intensiven Lektüre der Werke von Johann Wolfgang Goethe, Bertolt Brecht, Jean Genet erzählt und vor allem von seinem Lieblingsschriftsteller Marcel Proust. Marcel Proust, der um 11890 - 1920 schrieb, war ein sehr bedeutender, aber nicht leicht zu lesender französischer Schriftsteller, dessen Hauptwerk "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" wohl 4.000 Seiten lang ist, keine Handlung aufweist, aber dafür Sätze in schöner Sprache, die eine ganze Seite ausfüllen können. Im Schulunterricht habe ich eine Probestelle zu lesen bekommen, die berühmte Szene, in der er schildert, welche Gedanken, Assoziationen und Erinnerungen ihn beim Genuss eines bestimmten Teegebäcks, der "Madeleine" durchströmen. Für diese Lektüre muss man sehr viel literarischen Sinn und menschliches Verständnis aufbringen.
Die allgemeine Öffentlichkeit assoziiert die Menschen im Rotlichtmilieu meist mit Unbildung, Dummheit, brutaler Gewalt, Lebensunfähigkeit, Rohheit, Abgestumpftheit, Ausbeutung, Kriminalität, hält sie für Elendsgestalten, wenn nicht gar für Schlimmeres. Ich will nicht sagen, dass es das alles nicht gibt, wie in der übrigen Gesellschaft ja auch. Aber die Wirklichkeit sieht in weitesten Teilen ganz anders aus, man trifft warmherzige, intelligente, kunstsinnige und gebildete Frauen und Männer. Ich kenne eine Hure mit einem Auge und einem Verständnis für Malkunst, das mancher Kunsthistorikerin gut zu Gesicht stehen würde. Und nun stellt sich hier ein Bordellbetreiber vor als Liebhaber und Kenner der Spitzen der Literatur. Schön.
Wolfgang "Wolli" Köhler - ein legendärer Bordellbetreiber
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Re: Wolfgang "Wolli" Köhler - ein legendärer Bordellbetreiber
Es gibt eine Welt abseits der clichées die uns die gängigen Medien so täglich vorgaukeln.
Vielen Dank, friederike, dass Du uns an Wolli erinnerst.
Neben der lang ansässigen Arbeiterbevölkerung war das als tolerant geltende St.Pauli einst Refugium für viele Menschen, die anderswo in der damaligen reaktionären Republik aus politischen, sexuellen oder anderem normabweichenden Verhalten keine Heimat fanden. Hier lebte und arbeitete man nach eigenen Regeln und verständige sich durch eine eigene Sprache. Auf engstem Raum konnte man einer Vielfalt von aussergewöhnlichen Persönlichkeiten begegnen die es anderswo nicht gab. So auch Wolli Indienfahrer. Ein Mensch, der so gar nicht den gängigen Vorstellungen vom Typ eines Bordellbesitzers entsprach. Wolli war mit Domenica Niehoff befreundet. Vor 40 Jahren schenkte er ihr sein Klavier. Wir schoben es aus seiner Wohnung in der Talstrasse bis in die Herbertstrasse. Domenica konnte es zwar nicht spielen, sah aber sehr elegant und professionell aus wenn sie davor sass.
Da sich der link zur FAZ hinter einer Bezahlschranke verbirgt hier zum Ausgleich ein Artikel aus der Welt:
https://www.welt.de/kultur/article17565 ... eller.html
. Foto: Günter Zint - Domenica und Wolli Indienfahrer in der Herbertstrasse 7a
Vielen Dank, friederike, dass Du uns an Wolli erinnerst.
Neben der lang ansässigen Arbeiterbevölkerung war das als tolerant geltende St.Pauli einst Refugium für viele Menschen, die anderswo in der damaligen reaktionären Republik aus politischen, sexuellen oder anderem normabweichenden Verhalten keine Heimat fanden. Hier lebte und arbeitete man nach eigenen Regeln und verständige sich durch eine eigene Sprache. Auf engstem Raum konnte man einer Vielfalt von aussergewöhnlichen Persönlichkeiten begegnen die es anderswo nicht gab. So auch Wolli Indienfahrer. Ein Mensch, der so gar nicht den gängigen Vorstellungen vom Typ eines Bordellbesitzers entsprach. Wolli war mit Domenica Niehoff befreundet. Vor 40 Jahren schenkte er ihr sein Klavier. Wir schoben es aus seiner Wohnung in der Talstrasse bis in die Herbertstrasse. Domenica konnte es zwar nicht spielen, sah aber sehr elegant und professionell aus wenn sie davor sass.
Da sich der link zur FAZ hinter einer Bezahlschranke verbirgt hier zum Ausgleich ein Artikel aus der Welt:
https://www.welt.de/kultur/article17565 ... eller.html
. Foto: Günter Zint - Domenica und Wolli Indienfahrer in der Herbertstrasse 7a
Welches Problem auch immer in der Gesellschaft besteht-
der Staat weiss eine völlig irre Problemlösung die niemandem nützt, aber Arbeitsplätze im Beamtenapparat schafft. H.S.
der Staat weiss eine völlig irre Problemlösung die niemandem nützt, aber Arbeitsplätze im Beamtenapparat schafft. H.S.