Frauenhandel (Standard)

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ms9
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Frauenhandel (Standard)

Beitrag von ms9 »

Quelle: Standard


Das Geschäft mit der Ware Mensch
Der Traum von Europa endet für viele Frauen im Bordell - Zwei Millionen Menschen werden jährlich Opfer von Händlern

Sexuelle Ausbeutung ist die sichtbarste Form des profitablen Geschäfts Menschen handel. An sich sind die Opfer vom UN-Protokoll geschützt - das Protokoll wird aber kaum umgesetzt. Opfer werden oft wie Täter behandelt und sofort abgeschoben. Von Eva Linsinger



Kinder in Kakaoplantagen an der Elfenbeinküste. Männer auf Baustellen in Westeuropa. Frauen in illegalen Textilfabriken. Männer in Diamantenminen Afrikas. Kinder als Kameljockeys in arabischen Staaten. Menschenhandel hat viele Gesichter, das häufigste ist aber jung, weiblich - und im Sexbusiness zu finden.

Rund zwei Millionen Menschen, so schätzt die UN, werden jährlich verschleppt. Die Angaben über die Zahlen schwanken je nach Organisation - und sind, naturgemäß beim illegalen Business Menschenhandel, überaus vage.

Verschleppt werden vor allem Frauen

Schon klarer sind die Hotspots und die Routen des Menschenhandels: Verschleppt werden vor allem Frauen aus Osteuropa, Afrika und Asien - in die Zielregionen Westeuropa, USA und Naher Osten. Das Schicksal der Verschleppten differiert nach Zielregion: In Afrika müssen Opfer von Menschenhandel als Arbeitssklaven arbeiten, in der EU und den USA vor allem im Sexbusiness, analysiert die UN-Behörde gegen Menschenhandel (siehe Grafik).

Das schmutzige Geschäft mit der Ware Mensch ist hochprofitabel: Irena Omelaniuk von der Weltbank beziffert die Gewinne für Händler mit jährlich 15 Milliarden Dollar. Was aber dagegen tun? Wie Opfer schützen und Händler bekämpfen? Darüber wurde diese Woche auf einer Konferenz in Haifa, Israel, diskutiert.

Kunden Diplomaten

Ein Teilaspekt des Frauenhandels wäre vergleichsweise leicht zu bekämpfen, ist die Finnin Elisabeth Rehn überzeugt. Die Ex-UNO-Beauftragte für Bosnien resümiert bitter: "Ich habe den Satz, dass Männer ihre Bedürfnisse haben, zu oft von internationalen Organisationen gehört. Überall dort, wo es internationale Missionen gibt, steigt der Menschenhandel an. Die Kunden sind Diplomaten, Peacekeepers und internationale Hilfskräfte. Im Kosovo etwa gibt es so viele Bordelle, dass man sie kaum zählen kann."

Die UN hat seit einigen Jahren strenge Regeln: Wenn Mitarbeiter zu Prostituierten gehen, müssen sie nach Hause fliegen. Nun hat auch die Nato diese Null-Toleranz-Politik übernommen. Rehn begrüßt das - fordert aber weitere Schritte: "Alle internationalen Organisationen sollen nachziehen. Zweitens sollen die Regeln so verschärft werden, dass Bordellbesucher auf keine anderen Missionen mehr geschickt werden." Auch Männern außerhalb internationaler Organisationen den Besuch bei Prostituierten zu verbieten, das bringe wenig - dränge das Sexbusiness nur in den Untergrund und mache es noch schwerer kontrollierbar, sind sich alle Experten einig.

Wenig Schutz für Opfer

Ein Weg im Kampf gegen Menschenhandel ist, mit Opfern zu kooperieren und so an Händler heranzukommen. Derzeit werden Opfer oft wie Täter behandelt und prompt als illegale Einwanderer abgeschoben. "Wir müssen die Opfer schützen - und auch ihre Familien. Denn oft bedrohen die Händler die Familien", erzählt Theodora Suter von der "Organisation für Migration", die 126 Projekte gegen Menschenhandel betreut. An sich gibt es seit 2000 ein UN-Protokoll, das Opfer von Menschenhandel unter besonderen Schutz stellt. Unterschrieben haben es 117 Staaten, mit der Umsetzung hapere es aber, beklagt Suter.

Für besonders wichtig hält sie, dass Opfer nicht sofort abgeschoben werden: "Eine zumindest vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung würde die Aussagen von Opfern und damit die Verurteilung von Tätern erleichtern."

Österreichs Frauenministerin Maria Rauch-Kallat, die bei der Konferenz in Israel die Arbeitsgruppe gegen Menschenhandel leitete, spricht sich dafür aus, den Schutz für Opfer zu verbessern: "Wir müssen sie vor Verfolgung schützen und psychologische und gesundheitliche Hilfe anbieten." Von der Idee, Opfern automatisch Aufenthaltsbewilligungen zu geben, hält sie aber wenig: "Das wäre wohl teils auch eine Einladung." (DER STANDARD, Printausgabe 29.09.2005)