"Das Paradies liegt nicht auf der Straße"
Joana Adesuwa Reiterer
Die Menschenrechtsaktivistin Joana Adesuwa Reiterer über die Situation von Zwangsprostituierten, die aus Nigeria nach Europa kommen, das Geschäft der Schlepper – und über die Asylproblematik an sich.
"Wiener Zeitung": Frau Reiterer, Sie haben für Ihr Engagement gegen den Menschenhandel bereits einige Preise erhalten. Was treibt Sie bei Ihrer Arbeit an?
Joana Adesuwa Reiterer: Zu Beginn war es die Motivation, über den Menschenhandel in Österreich und in Nigeria aufzuklären. Denn die Leute in Nigeria haben keine Vorstellung davon, wie das Leben im Westen wirklich ist. Die Hollywood-Filme zum Beispiel transportieren ein falsches Bild. Viele Menschen in Nigeria glauben, in Europa sei das Paradies auf Erden. Das stimmt in gewisser Weise ja auch, aber das Paradies liegt nicht auf der Straße. Ich erkläre ihnen immer wieder, dass man auch viel dafür tun muss, und dass ich selbst viel arbeite, manchmal bis zwei Uhr in der Nacht, und um sechs Uhr früh stehe ich schon wieder auf.
Wie kann man Nigeria direkt helfen? Das Land ist offenbar hochgradig korrupt und liegt trotz Ölreichtum wirtschaftlich am Boden.
Es gibt natürlich enorme "Human Ressources", aber die Armut, die Korruption, die Diskriminierung der Frauen und Kinder sind enorm – das ist sehr deprimierend! Und das Geld, das der Westen dem Land zur Hilfe schickt, kommt leider nicht den Armen zugute. Denn die Spender achten nicht darauf, wohin das Geld geht. Dem Land fehlen Infrastruktur und Nachhaltigkeit: Die westlichen Firmen, die sich dort ansiedeln, bringen ihre eigenen Leute mit, und die Nigerianer wandern aus.
Sie selbst sind auf eher abenteuerliche Weise ausgewandert und 2003 nach Österreich gekommen, und zwar durch einen getarnten Menschenhändler, der Ihr damaliger Ehemann war. Sie haben das in Ihrer Autobiographie "Die Wassergöttin" ausführlich beschrieben. Und in dem Buch "Die Ware Frau", an dem Sie mitgearbeitet haben, erfährt man viel über Menschenhandel und Zwangsprostitution. Möchten Sie mit Ihrem Engagement und dem Verein EXIT, den Sie gegründet haben, Frauen vor einem Schicksal wie dem Ihren bewahren?
Ja, das ist jetzt der Fall. Aber am Anfang war es vielmehr die Wut, das zu thematisieren. Denn es schmerzt mich, dass sich Frauen nicht weiterentwickeln. Man schätzt, dass es in Europa 500.000 Zwangsprostituierte gibt, davon stammen 100.000 aus Nigeria. Allein in Italien leben rund 40.000 Frauen aus Nigeria. Ich werde zu vielen Veranstaltungen eingeladen. Menschenhandel in Nigeria ist zu einem gesellschaftlichen Thema geworden, doch leider noch nicht in der Politik. Niemand würde sein Leben lang Zwangsprostitution machen; die Schlepper holen regelmäßig Frauen aus ihren eigenen Herkunftsländern. Dabei greifen sie auf Familienkontakte zurück, ja sie holen sogar Frauen aus ihrer Verwandtschaft.
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Was wir unter Erfolg verstehen, ist oft etwas anderes, als das, was die Frauen selbst darunter verstehen, nämlich totale Unabhängigkeit.
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Viele Frauen kooperieren aus Angst nicht mit den Behörden. Es gibt übrigens auch viele Freier, die den Frauen helfen wollen und sich bei uns melden.
Die Freier rufen bei EXIT an?
Ja, oder sie läuten an der Tür. Deshalb ist unser Büro umgezogen. (Anmerkung v. Zwerg: Interessante Taktik...) Wir können jedenfalls nur etwas tun, wenn die Frauen die Wahrheit sagen. Das erste Gespräch mit einer betroffenen Frau führe ich immer selbst, und nach 20 bis 30 Minuten weiß ich meistens, dass sie mit einem Menschenhändler nach Österreich gekommen ist. Oft geben das die Frauen nicht zu, doch je mehr sie lügen, umso unglaubwürdiger werden sie vor den Behörden.
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( Das Telefon von Joana A. Reiterer läutet. ) Entschuldigung, das ist meine Mutter. ( Joana A. Reiterer telefoniert kurz. ) Meine Mutter kommt nächste Woche aus Nigeria. Bei all den Schwierigkeiten, die wir hatten, damit sie nach Wien kommen kann, wäre es mit Schleppern billiger gewesen! Deshalb haben die ja auch eine so enorme Nachfrage, denn niemand will auf regulärem Weg um ein Visum ansuchen, weil die Bestimmungen verdammt streng und undurchschaubar sind.
Das Ganze (meines Erachtens auch demaskierende) Interview ist hier: http://www.wienerzeitung.at/default.asp ... cob=553437 nachzulesen
Für mich stellt sich die Frage, warum Joana Reiterer von Zwangsprostitution spricht, wenn sie dann einige Absätze weiter im Zusammenhang mit dem Telefonat mir ihrer Mutter selbst sagt " Bei all den Schwierigkeiten, die wir hatten, damit sie nach Wien kommen kann, wäre es mit Schleppern billiger gewesen! Deshalb haben die ja auch eine so enorme Nachfrage, denn niemand will auf regulärem Weg um ein Visum ansuchen, weil die Bestimmungen verdammt streng und undurchschaubar sind."
Meines Erachtens geht es darum, dass bestimmten Personengruppen (MigrantInnen und auch SexarbeiterInnen) von Behörden Schwierigkeiten gemacht werden - und es deshalb zu Grauzonen kommt, die der Staat erst ermöglicht hat! Deswegen ist aber nicht jede SW eine gezwungene SW - und die Zahl von 500 000 für Europa kann nicht stimmen, wenn man die Anzeigen und Verurteilungen zum Vergleich heranzieht. Ein Mythos, um die eigene Tätigkeit erklären zu können
christain
Interview mit Joana Adesuwa Reiterer
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