"Hotte im Paradies", ein Film von Dominik Graf
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"Hotte im Paradies", ein Film von Dominik Graf
Dominik Graf hat diesen Film für das Fernsehen nach Recherchen und nach dem Drehbuch von Rolf Basedow 2002 gedreht und auf den Hofer Filmtagen vorgestellt. Beide sind zweifellos Kenner und Freunde des Rotlichtmilieus. Erst 2004 hat ARTE den Film erstmalig ausgestrahlt. Seither wird er öfter im Fernsehen gezeigt, zuletzt im ZDF am 11. Oktober 2011. Seit 2010 ist er auch als DVD erhältlich.
Erzählt wird die Geschichte von Hotte (brillant: Mišel Matičević/Misel Maticevic), der als junger Zuhälter in der Charlottenburger Szene Karriere machen will. Seine "Nummer eins" ist Rosa (Birge Schade), die ihn wirklich liebt und für ihn "Strasse macht". Ausserdem hat er Yvonne, die ebenfalls für ihn auf der Strasse anschafft. Für den Anfang ist das ganz gut, aber er braucht mehr. Unglücklicherweise bekommt Yvonne den burn-out und steigt aus. Es gelingt Hotte aber, Jenny (noch brillanter: Nadeshda Brennicke) zu "erwerben", und zwar von einem anderen Zuhälter, dem sie zu selbstbewusst, vulgo verrückt ist. Hotte schafft sich eine Rolex und ein Jaguar-Cabrio auf Kredit an: wenn die wöchentlichen Raten an den Rotlicht-Autohändler ausbleiben, ist der Jaguar gleich wieder weg - Hotte muss nun für regelmässigen Cash Flow sorgen. Jenny, zunächst sehr erfolgreich, wird von russischen Zuhältern gekapert, die Hotte krankenhausreif prügeln, um den Deal über die Bühne zu bringen. Zum weiteren Geschäftsausbau schleppt er die Friseuse Elvira in der Disco ab, verwöhnt sie mit Luxus und Sex, und kriegt sie dahin, für ihn ebenfalls auf dem Strassenstrich anzuschaffen - allerdings wird ihr nach dem ersten Blowjob schlecht, und sie bricht ihre Laufbahn bald ab. Durch Zufall trifft Hotte Jenny wieder, die nun an einen üblen S/M-Club weitergereicht wurde. Als Jenny ihn bittet, sie dort herauszuholen, wird es kritisch: Hotte hat sich in Jenny verliebt und befreit sie, indem er ihren Aufpasser mit Gewalt chloroformiert. Hotte bringt Jenny zum elterlichen Bauernhof auf dem platten Land zurück. Als er nach Berlin zurückkehrt, ereilt ihn die Strafe für den Regelverstoss: die Zuhälterkollegen stecken zuerst das geliebte Jaguar-Cabrio in Brand, dann schiessen sie Hotte in die Brust - der Film endet damit, dass Rosa den wohl sterbenden Hotte im Notarztwagen ins Krankenhaus begleitet.
Dominik Graf ist ein sehr erfahrener, routinierter Regisseur, der eine solche Story lebendig machen und die Szenen fotografieren kann. Die Beobachtungen sind sehr genau, die Frauen (alles Schauspielerinnen) sind als Huren absolut glaubwürdig, die Bilder sind eindringlich und authentisch. Dominik Graf hat in den originalen Clubs und Bordellen um den Stuttgarter Platz in Berlin-Charlottenburg gedreht, oft mit der Cam, um ganz echt dran zu sein. (Es sind die Häuser, um die ich mich früher herum gedrückt habe, aber in die ich mich nicht hineingetraut habe.)
Die neu "eingekaufte" Jenny will nicht mehr auf der Strasse arbeiten - wir sehen, wie Hotte sie im "Bon-bon", einer Tabledance-Bar mit Bordell am Stuttgarter
Platz abgibt. Das "Bon-bon" gibt es, ebenso den Betreiber Steffen Jacob, ein Altmeister der Rotlichtszene, genannt der "Rotlicht-Prinz", der original auftritt und Jenny einweist mit so einem schönen Spruch wie:
"... ihr müsst die Stunde nutzen, solange den Männern bei Eurem Anblick der Schwanz steht!"
Wir sehen Jenny bei der Sexarbeit im Bordellbereich - sehr authentische, schöne Aufnahmen, erotisch, aber überhaupt nicht pornografisch.
Für Pornographie-Fans ist dieser Film wieder einmal nichts - es geht hier um ein Milieubild, die Psychologie der Sexarbeit und eine (durchaus realistische, durchaus sympathische) Darstellung der Menschen im Milieu.
Der Film versucht, die Psychologie des komplexen Verhältnisses der Zuhälter und ihrer Huren auszuleuchten. Gemeinsam ist ihnen, dass sie aus der "langweiligen Bürgerlichkeit" in ein sprühendes, ungebundenes Leben ausbrechen wollen. Auf Yvonne, die nach ihrem burn-out Kassiererin im Kaufhaus wird, blicken sie mitleidig herab. Die Mädchen wollen Schutz und Geborgenheit, wir sehen, wie Hotte mit seinen drei Partnerinnen im Bett liegt und sie wie ein Löwen- und Löwinnenrudel seine Protektion geniessen.
Die kriminellen Seiten des aufstrebenden Karrieristen Hotte werden nicht verschwiegen. Was wir in dem Film allein sehen, dürfte für sechs Jahre Knast gut sein. Trotzdem: seine Mädchen sind zufrieden mit ihm, und keine ist dort, wo sie ist, aus Zwang. Kein Film also für SOLWODI, die sich zusammen mit den Pornofans auf der Bank der Enttäuschten finden werden.
Das Kernthema des Films: die Figur des Zuhälters, und seine Darstellung kann ich nicht authentisch bewerten. Die Darstellung der weiblichen Sexarbeit finde ich sehr genau beobachtet und authentisch. Ein jedenfalls sehenswerter Film!
Friederike
Erzählt wird die Geschichte von Hotte (brillant: Mišel Matičević/Misel Maticevic), der als junger Zuhälter in der Charlottenburger Szene Karriere machen will. Seine "Nummer eins" ist Rosa (Birge Schade), die ihn wirklich liebt und für ihn "Strasse macht". Ausserdem hat er Yvonne, die ebenfalls für ihn auf der Strasse anschafft. Für den Anfang ist das ganz gut, aber er braucht mehr. Unglücklicherweise bekommt Yvonne den burn-out und steigt aus. Es gelingt Hotte aber, Jenny (noch brillanter: Nadeshda Brennicke) zu "erwerben", und zwar von einem anderen Zuhälter, dem sie zu selbstbewusst, vulgo verrückt ist. Hotte schafft sich eine Rolex und ein Jaguar-Cabrio auf Kredit an: wenn die wöchentlichen Raten an den Rotlicht-Autohändler ausbleiben, ist der Jaguar gleich wieder weg - Hotte muss nun für regelmässigen Cash Flow sorgen. Jenny, zunächst sehr erfolgreich, wird von russischen Zuhältern gekapert, die Hotte krankenhausreif prügeln, um den Deal über die Bühne zu bringen. Zum weiteren Geschäftsausbau schleppt er die Friseuse Elvira in der Disco ab, verwöhnt sie mit Luxus und Sex, und kriegt sie dahin, für ihn ebenfalls auf dem Strassenstrich anzuschaffen - allerdings wird ihr nach dem ersten Blowjob schlecht, und sie bricht ihre Laufbahn bald ab. Durch Zufall trifft Hotte Jenny wieder, die nun an einen üblen S/M-Club weitergereicht wurde. Als Jenny ihn bittet, sie dort herauszuholen, wird es kritisch: Hotte hat sich in Jenny verliebt und befreit sie, indem er ihren Aufpasser mit Gewalt chloroformiert. Hotte bringt Jenny zum elterlichen Bauernhof auf dem platten Land zurück. Als er nach Berlin zurückkehrt, ereilt ihn die Strafe für den Regelverstoss: die Zuhälterkollegen stecken zuerst das geliebte Jaguar-Cabrio in Brand, dann schiessen sie Hotte in die Brust - der Film endet damit, dass Rosa den wohl sterbenden Hotte im Notarztwagen ins Krankenhaus begleitet.
Dominik Graf ist ein sehr erfahrener, routinierter Regisseur, der eine solche Story lebendig machen und die Szenen fotografieren kann. Die Beobachtungen sind sehr genau, die Frauen (alles Schauspielerinnen) sind als Huren absolut glaubwürdig, die Bilder sind eindringlich und authentisch. Dominik Graf hat in den originalen Clubs und Bordellen um den Stuttgarter Platz in Berlin-Charlottenburg gedreht, oft mit der Cam, um ganz echt dran zu sein. (Es sind die Häuser, um die ich mich früher herum gedrückt habe, aber in die ich mich nicht hineingetraut habe.)
Die neu "eingekaufte" Jenny will nicht mehr auf der Strasse arbeiten - wir sehen, wie Hotte sie im "Bon-bon", einer Tabledance-Bar mit Bordell am Stuttgarter
Platz abgibt. Das "Bon-bon" gibt es, ebenso den Betreiber Steffen Jacob, ein Altmeister der Rotlichtszene, genannt der "Rotlicht-Prinz", der original auftritt und Jenny einweist mit so einem schönen Spruch wie:
"... ihr müsst die Stunde nutzen, solange den Männern bei Eurem Anblick der Schwanz steht!"
Wir sehen Jenny bei der Sexarbeit im Bordellbereich - sehr authentische, schöne Aufnahmen, erotisch, aber überhaupt nicht pornografisch.
Für Pornographie-Fans ist dieser Film wieder einmal nichts - es geht hier um ein Milieubild, die Psychologie der Sexarbeit und eine (durchaus realistische, durchaus sympathische) Darstellung der Menschen im Milieu.
Der Film versucht, die Psychologie des komplexen Verhältnisses der Zuhälter und ihrer Huren auszuleuchten. Gemeinsam ist ihnen, dass sie aus der "langweiligen Bürgerlichkeit" in ein sprühendes, ungebundenes Leben ausbrechen wollen. Auf Yvonne, die nach ihrem burn-out Kassiererin im Kaufhaus wird, blicken sie mitleidig herab. Die Mädchen wollen Schutz und Geborgenheit, wir sehen, wie Hotte mit seinen drei Partnerinnen im Bett liegt und sie wie ein Löwen- und Löwinnenrudel seine Protektion geniessen.
Die kriminellen Seiten des aufstrebenden Karrieristen Hotte werden nicht verschwiegen. Was wir in dem Film allein sehen, dürfte für sechs Jahre Knast gut sein. Trotzdem: seine Mädchen sind zufrieden mit ihm, und keine ist dort, wo sie ist, aus Zwang. Kein Film also für SOLWODI, die sich zusammen mit den Pornofans auf der Bank der Enttäuschten finden werden.
Das Kernthema des Films: die Figur des Zuhälters, und seine Darstellung kann ich nicht authentisch bewerten. Die Darstellung der weiblichen Sexarbeit finde ich sehr genau beobachtet und authentisch. Ein jedenfalls sehenswerter Film!
Friederike
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Liebe Friederike,
herzlichen Dank für die beeindruckende Rezension des Films von Dominik Graf (dem Sohn des bekannten, inzwischen verstorbenen Schauspielers Robert Graf). Ich habe diesen Film schon vor einiger Zeit bei der Erstausstrahlung gesehen und war, wie von allen Graf - Filmen, tief bewegt. Obwohl er kein Dokumentarfilm sein soll, scheint er sich doch an der Lebenswirklichkeit der Berliner Rotlicht-Szene genau zu orientieren.
Du hast geschrieben:"Was wir in dem Film allein sehen, dürfte für sechs Jahre Knast gut sein. Trotzdem: seine Mädchen sind zufrieden mit ihm, und keine ist dort, wo sie ist, aus Zwang".
Dazu fällt mir eine Passage aus einem Interview mit einem Berliner Polizeibeamten ein, das Elisabeth von Dücker veröffentlicht hat: "Dass es Frauen gibt, die wirklich Männer ansprechen und sagen: kannst du nicht das und das für mich machen, dafür gebe ich dir Geld. Also, das gibt es ja auch umgedreht. Und dass die dann stolz sind. Dass sie sagen: Ich arbeite gut. Ich bin eine gute Prostituierte, denn ich staffiere den gut aus. Dabei aber nicht so richtig merken, dass sie eigentlich nicht wirklich auf ihre Kosten kommen. Weder emotional, noch finanziell. Es ist für mich ein Phänomen, dass so was möglich ist". (sexarbeit - eine welt für sich; edition Freitag o.O.2008, S. 304)
Liebe Grüße, rainman
herzlichen Dank für die beeindruckende Rezension des Films von Dominik Graf (dem Sohn des bekannten, inzwischen verstorbenen Schauspielers Robert Graf). Ich habe diesen Film schon vor einiger Zeit bei der Erstausstrahlung gesehen und war, wie von allen Graf - Filmen, tief bewegt. Obwohl er kein Dokumentarfilm sein soll, scheint er sich doch an der Lebenswirklichkeit der Berliner Rotlicht-Szene genau zu orientieren.
Du hast geschrieben:"Was wir in dem Film allein sehen, dürfte für sechs Jahre Knast gut sein. Trotzdem: seine Mädchen sind zufrieden mit ihm, und keine ist dort, wo sie ist, aus Zwang".
Dazu fällt mir eine Passage aus einem Interview mit einem Berliner Polizeibeamten ein, das Elisabeth von Dücker veröffentlicht hat: "Dass es Frauen gibt, die wirklich Männer ansprechen und sagen: kannst du nicht das und das für mich machen, dafür gebe ich dir Geld. Also, das gibt es ja auch umgedreht. Und dass die dann stolz sind. Dass sie sagen: Ich arbeite gut. Ich bin eine gute Prostituierte, denn ich staffiere den gut aus. Dabei aber nicht so richtig merken, dass sie eigentlich nicht wirklich auf ihre Kosten kommen. Weder emotional, noch finanziell. Es ist für mich ein Phänomen, dass so was möglich ist". (sexarbeit - eine welt für sich; edition Freitag o.O.2008, S. 304)
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Dann ersetzt noch den "Zuhälter" durch Mann/Lebensabschnittsgefährte. Dann passts noch besser.annainga hat geschrieben:
weil es die verhältnisse umdreht. oft verdient der mann das geld und staffiert seine ehefrau aus, hier ist es andersherum. die sexarbeiterin verdient das geld und staffiert ihren zuhälter aus.
Zuletzt geändert von ehemaliger_User am 05.12.2011, 20:17, insgesamt 1-mal geändert.
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Hallo annainga,
absolut korrekt und nachvollziehbar, was Du oben geschrieben hast. Für den Fall eines "umgedrehten Verhältnisses" bin sogar ich ein gutes Beispiel (meine ich jedenfalls). Ich werde mich auch hüten, einer SW das Recht auf einen "Lebensabschnittsgefährten" (ehemaliger_User s.o.) abzusprechen. Auf einer meiner berüchtigten Exkursionen hatte ich sogar einmal Gelegenheit, den Lebensgefährten einer SW persönlich kennenzulernen; ein absolut honoriger Mann!
Das Phänomen aber, das uns armen Außenstehenden oft Mund und Nase offenstehen lässt und das "mit gutbürgerlichen Maßstäben kaum nachvollziehbar (ist)"(v. Dücker, a.a.O.), liegt auf einer anderen Ebene. Um das klarzustellen, muss ich mit meinem Zitat im Beitrag 2 noch ein wenig auf derselben Seite zurückspringen. Dort steht zu lesen: "Sie gibt das ganze Geld ab, weil er für eine gemeinsame Zukunft, zum Beispiel eine Kneipe auf Mallorca, spart. Die Frauen scheinen ihre Ausbeutung nicht wahrzunehmen. ... Da sind die Frauen bemüht, alles Erdenkliche zu tun, um möglicherweise von der Drittfrau zur Erstfrau aufzusteigen. Und wenn sie Erstfrau sind, alles zu tun, damit sie nicht wieder Zweitfrau werden. Und der deklariert die auch so. Und damit können Frauen leben, das findet statt an der Straße - regelmäßig." (v. Dücker, a.a.O.).
Kann mir mal jemand erklären, warum Sexarbeiterinnen es oftmals nicht merken, wenn sie nach Strich und Faden über den Tisch gezogen werden?
Liebe Grüße, rainman
absolut korrekt und nachvollziehbar, was Du oben geschrieben hast. Für den Fall eines "umgedrehten Verhältnisses" bin sogar ich ein gutes Beispiel (meine ich jedenfalls). Ich werde mich auch hüten, einer SW das Recht auf einen "Lebensabschnittsgefährten" (ehemaliger_User s.o.) abzusprechen. Auf einer meiner berüchtigten Exkursionen hatte ich sogar einmal Gelegenheit, den Lebensgefährten einer SW persönlich kennenzulernen; ein absolut honoriger Mann!
Das Phänomen aber, das uns armen Außenstehenden oft Mund und Nase offenstehen lässt und das "mit gutbürgerlichen Maßstäben kaum nachvollziehbar (ist)"(v. Dücker, a.a.O.), liegt auf einer anderen Ebene. Um das klarzustellen, muss ich mit meinem Zitat im Beitrag 2 noch ein wenig auf derselben Seite zurückspringen. Dort steht zu lesen: "Sie gibt das ganze Geld ab, weil er für eine gemeinsame Zukunft, zum Beispiel eine Kneipe auf Mallorca, spart. Die Frauen scheinen ihre Ausbeutung nicht wahrzunehmen. ... Da sind die Frauen bemüht, alles Erdenkliche zu tun, um möglicherweise von der Drittfrau zur Erstfrau aufzusteigen. Und wenn sie Erstfrau sind, alles zu tun, damit sie nicht wieder Zweitfrau werden. Und der deklariert die auch so. Und damit können Frauen leben, das findet statt an der Straße - regelmäßig." (v. Dücker, a.a.O.).
Kann mir mal jemand erklären, warum Sexarbeiterinnen es oftmals nicht merken, wenn sie nach Strich und Faden über den Tisch gezogen werden?
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RE: "Hotte im Paradies", ein Film von Dominik Graf
danke @ehemaliger_User, besser hätte ich nicht antworten können.
@rainman, den "gutbürgerlichen außenstehenden" nehme ich dir nicht ab.
sexarbeiterinnen machen keine anderen dinge als andere menschen. ich verstehe auch einige menschen nicht. manche davon sind kolleginnen, manche sind kunden, manche sind aus anderen bereichen.
deine aussagen stellen sexarbeiterinnen als "ungewöhnlich, unverstehbar" dar. das gilt nicht mehr und nicht weniger als für andere menschen.
@rainman, den "gutbürgerlichen außenstehenden" nehme ich dir nicht ab.
sexarbeiterinnen machen keine anderen dinge als andere menschen. ich verstehe auch einige menschen nicht. manche davon sind kolleginnen, manche sind kunden, manche sind aus anderen bereichen.
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Hallo annainga,
ich habe lange darüber nachdenken müssen, warum Du mir den "gutbürgerlichen Außenstehenden" nicht abnimmst. Das Zitat ist zwar nicht ganz zutreffend, aber sinngemäß stimmt das schon. Ich kann aber nichts dafür, dass mein Lebensschicksal, in dem Sexbizz so gut wie überhaupt keine Rolle gespielt hat, mich in die Situation gebracht hat, in der ich gewesen bin, bis dann ein absonderlicher Zufall das Blatt gewendet hat. Ich meine, ich hätte Dir einmal vor langer langer Zeit bei einer anderen Gelegenheit mitgeteilt, aus welcher Ecke genau ich komme.
Inzwischen glaube ich aber gelernt zu haben, was Sexarbeit ist, nämlich zuallererst Arbeit. Und mit den Personen, die diese Arbeit tun, habe ich nicht die geringsten Probleme. Auch mit den Lebenspartnern, die - fiskalisch gesprochen - in einer Zugewinngemeinschaft am Leben der SW teilhaben, habe ich keinerlei Probleme. In dem Film von D. Graf, um den es hier geht, kommt aber eine kleine Szene vor, in der eine SW versucht, das ihr von einem Kunden zugesteckte Trinkgeld verschwinden zu lassen. Leider misslingt dieser Versuch und eine Geste des Lebenspartners genügt, um es in seinen Besitz wandern zu lassen. Und unter der Voraussetzung, dass so etwas nicht nur im besagten Film, sondern auch in der Realität vorkommt, muss ich sagen: damit habe ich Probleme.
Liebe Grüße
rainman
ich habe lange darüber nachdenken müssen, warum Du mir den "gutbürgerlichen Außenstehenden" nicht abnimmst. Das Zitat ist zwar nicht ganz zutreffend, aber sinngemäß stimmt das schon. Ich kann aber nichts dafür, dass mein Lebensschicksal, in dem Sexbizz so gut wie überhaupt keine Rolle gespielt hat, mich in die Situation gebracht hat, in der ich gewesen bin, bis dann ein absonderlicher Zufall das Blatt gewendet hat. Ich meine, ich hätte Dir einmal vor langer langer Zeit bei einer anderen Gelegenheit mitgeteilt, aus welcher Ecke genau ich komme.
Inzwischen glaube ich aber gelernt zu haben, was Sexarbeit ist, nämlich zuallererst Arbeit. Und mit den Personen, die diese Arbeit tun, habe ich nicht die geringsten Probleme. Auch mit den Lebenspartnern, die - fiskalisch gesprochen - in einer Zugewinngemeinschaft am Leben der SW teilhaben, habe ich keinerlei Probleme. In dem Film von D. Graf, um den es hier geht, kommt aber eine kleine Szene vor, in der eine SW versucht, das ihr von einem Kunden zugesteckte Trinkgeld verschwinden zu lassen. Leider misslingt dieser Versuch und eine Geste des Lebenspartners genügt, um es in seinen Besitz wandern zu lassen. Und unter der Voraussetzung, dass so etwas nicht nur im besagten Film, sondern auch in der Realität vorkommt, muss ich sagen: damit habe ich Probleme.
Liebe Grüße
rainman
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Betreffend der Frage, warum Frau einen Zuhälter benötigt habe ich über die Jahre etwas meine Meinung geändert.
Natürlich bin ich nach wie vor der Meinung, dass niemand einen Zuhälter mit all den stereotypen und oft negativen Auswüchsen benötigt, aber mein Verständnis gegenüber Frauen, welche sich für ein Leben mit einem Zuhälter entscheiden ist toleranter geworden.
Vor ca. 20 Jahren war ich zutiefst geschockt als ich von einer, wie ich glaubte, ganz fitten und selbstständigen Frau mitbekam, dass Sie sich damit brüstete jetzt die Frau eines einflussreichen Kieztypen zu sein. Es wurden von Ihr Argumente vorgetragen, dass Sie aus dem normalem Leben ausgestiegen sei und nur noch im Milieu leben würde, wo andere Regeln und Gesetze gelten würden als in der übrigen Gesellschaft. Somit würden Partnerschaften zu Milieufremden Partnern nicht mehr funktionieren und die Partnerschaft zu einem auf dem Kiez geachteten und respektiertem Partner würden Ihr mehr Verständnis, Freiheit und Schutz bieten so zu leben und arbeiten wie Sie es sich vorstellte.
Mit dieser Aussage konnte ich lange Zeit überhaupt nicht umgehen und habe wirklich an der Zurechnungsfähigkeit dieser Frau gezweifelt.
Über die Jahre habe ich aber meine eigenen persönlichen Erfahrungen gemacht. Irgendwann konnte ich mein Doppelleben nicht mehr absolut aufrecht erhalten und habe mich guten Freunden anvertraut und mir damals vorgenommen nur noch neuen Freundschaften eine Chance zu geben, wenn sie auch ohne Doppelleben gut funktionieren.
Die Folge war, dass diverse Freundschaften und Beziehungen keinen dauerhaften Bestand hatten und die Sehnsucht immer größer wurde lieber mit Leuten befreundet zu sein die auch Erfahrungen im Sexbiz haben.
Somit fand bei mir persönlich eine vergleichbare Entwicklung statt, die mich vor Jahren bei dieser Kiezfrau so entsetzt hatte.
Ich bin nur gelegentlich als Callboy aktiv und habe meinen "seriösen" Hauptjob und das entsprechende Umfeld, aber heute kann ich mir vorstellen, dass wenn man Fulltime auf dem Hamburger Kiez lebt und arbeitet wie diese Frau von der ich berichtete und somit vielleicht wirklich alle sozialen Kontakte sich auf das Milieu beschränken, die Hoffnung auf eine Partnerschaft zu einem in der "normalen Gesellschaft" lebendem Partner schmerzlich aufgegeben wurde, und man genervt ist von grenzüberschreitenden Kunden, sonderbarem Geschäftspraktiken von Vermietern, Machtspielen von Staatsrepräsentanten, etc., dass man irgendwann zu dem Punkt kommt und bereit ist Geld in die Hand zu nehmen und es in Zuneigung, Unterstützung und vermeidlichen Schutz zu investieren.
Natürlich ist das eine etwas provokante Darstellung, aber wie bereits oben erwähnt ist meine Toleranz gewachsen auch so eine Einstellung zu akzeptieren.
Damit akzeptiere ich trotzdem keine Ausbeutung, Gewalt, etc. sondern toleriere nur die Sehnsucht nach Zuneigung, Unterstützung und vermeidlichen Schutz und die Bereitschaft dafür auch zu zahlen.
Natürlich bin ich nach wie vor der Meinung, dass niemand einen Zuhälter mit all den stereotypen und oft negativen Auswüchsen benötigt, aber mein Verständnis gegenüber Frauen, welche sich für ein Leben mit einem Zuhälter entscheiden ist toleranter geworden.
Vor ca. 20 Jahren war ich zutiefst geschockt als ich von einer, wie ich glaubte, ganz fitten und selbstständigen Frau mitbekam, dass Sie sich damit brüstete jetzt die Frau eines einflussreichen Kieztypen zu sein. Es wurden von Ihr Argumente vorgetragen, dass Sie aus dem normalem Leben ausgestiegen sei und nur noch im Milieu leben würde, wo andere Regeln und Gesetze gelten würden als in der übrigen Gesellschaft. Somit würden Partnerschaften zu Milieufremden Partnern nicht mehr funktionieren und die Partnerschaft zu einem auf dem Kiez geachteten und respektiertem Partner würden Ihr mehr Verständnis, Freiheit und Schutz bieten so zu leben und arbeiten wie Sie es sich vorstellte.
Mit dieser Aussage konnte ich lange Zeit überhaupt nicht umgehen und habe wirklich an der Zurechnungsfähigkeit dieser Frau gezweifelt.
Über die Jahre habe ich aber meine eigenen persönlichen Erfahrungen gemacht. Irgendwann konnte ich mein Doppelleben nicht mehr absolut aufrecht erhalten und habe mich guten Freunden anvertraut und mir damals vorgenommen nur noch neuen Freundschaften eine Chance zu geben, wenn sie auch ohne Doppelleben gut funktionieren.
Die Folge war, dass diverse Freundschaften und Beziehungen keinen dauerhaften Bestand hatten und die Sehnsucht immer größer wurde lieber mit Leuten befreundet zu sein die auch Erfahrungen im Sexbiz haben.
Somit fand bei mir persönlich eine vergleichbare Entwicklung statt, die mich vor Jahren bei dieser Kiezfrau so entsetzt hatte.
Ich bin nur gelegentlich als Callboy aktiv und habe meinen "seriösen" Hauptjob und das entsprechende Umfeld, aber heute kann ich mir vorstellen, dass wenn man Fulltime auf dem Hamburger Kiez lebt und arbeitet wie diese Frau von der ich berichtete und somit vielleicht wirklich alle sozialen Kontakte sich auf das Milieu beschränken, die Hoffnung auf eine Partnerschaft zu einem in der "normalen Gesellschaft" lebendem Partner schmerzlich aufgegeben wurde, und man genervt ist von grenzüberschreitenden Kunden, sonderbarem Geschäftspraktiken von Vermietern, Machtspielen von Staatsrepräsentanten, etc., dass man irgendwann zu dem Punkt kommt und bereit ist Geld in die Hand zu nehmen und es in Zuneigung, Unterstützung und vermeidlichen Schutz zu investieren.
Natürlich ist das eine etwas provokante Darstellung, aber wie bereits oben erwähnt ist meine Toleranz gewachsen auch so eine Einstellung zu akzeptieren.
Damit akzeptiere ich trotzdem keine Ausbeutung, Gewalt, etc. sondern toleriere nur die Sehnsucht nach Zuneigung, Unterstützung und vermeidlichen Schutz und die Bereitschaft dafür auch zu zahlen.
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RE: "Hotte im Paradies", ein Film von Dominik Graf
Lieber René,
auch ich meine, dass man hier differenzieren muss. Inzwischen habe ich von "Beschützern" erfahren, die durchaus fair mit den Frauen umgehen und eine angemessene Leistung für das Geld bieten, das sie erhalten. Dazu gehört manchmal auch eine emotionale Schutzschale für die Frauen. Aber es gibt eben auch die anderen, die eben ausbeuten, Gewalt & Zwang anwenden, von den Menschenhändlern ganz zu schweigen.
Friederike
auch ich meine, dass man hier differenzieren muss. Inzwischen habe ich von "Beschützern" erfahren, die durchaus fair mit den Frauen umgehen und eine angemessene Leistung für das Geld bieten, das sie erhalten. Dazu gehört manchmal auch eine emotionale Schutzschale für die Frauen. Aber es gibt eben auch die anderen, die eben ausbeuten, Gewalt & Zwang anwenden, von den Menschenhändlern ganz zu schweigen.
Friederike
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EinsFestival 11.5.2013 um 22 Uhr
11.05.2013 um 22.00 auf Einsfestival
Wiederholung um 01:25
http://www.einsfestival.de/film_serie/h ... radies.jsp
Wiederholung um 01:25
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