Bau(planungs)recht als Mittel der Prostitutionskontrolle
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RE: Bau(planungs)recht als Mittel der Prostitutionskontrolle
@Ariane @all
ich weis nicht ob ich hier richtig bin. Ich stelle hier aber mal die Aktuelle Information zur Novelle des Baugesetzuches und der Baunutzungsverordnung ein. Zum Punkt Vergnügungsstätten ist zu sagen, daß es sich nach der Rechtssprechung mehrer Oberverwaltungsgerichte dabei nicht um bordellartige etriebe handelt. Die entsprechenden Regelungen in § 34 BauGB ziehlen nach der Geetzesbegründung allein auf Spielhallen ab. Hier sollen trading-down-effekte verhindert werden. Für Bordelle besteht daher noch keine Gefahr:
Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP vom 26. Oktober 2009 sieht vor, den Klimaschutz und die Innenentwicklung im Bauplanungsrecht zu stärken. Des Weiteren soll die Baunutzungsverordnung umfassend geprüft werden. Zur Beschleunigung der Energiewende nach der Reaktorkatastrophe am 11. März 2011 ist der energie- und klimapolitische Teil der Bauplanungsrechtsnovelle vorgezogen worden und bereits am 30. Juli 2011 als Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden vom 22. Juli 2011 (BGBl. I S. 1509) in Kraft getreten. In einem zweiten Teil soll nunmehr die Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden gestärkt und die Baunutzungsverordnung angepasst werden.
Am 4. Juli 2012 hat das Bundeskabinett den von Bundesminister Dr. Peter Ramsauer vorgelegten "Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts" beschlossen. Das förmliche Gesetzgebungsverfahren soll zur Jahreswende abgeschlossen werden.
Die mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Innenentwicklung und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts beabsichtigte Stärkung der Innenentwicklung zielt unter anderem auf eine Reduzierung der Flächeninanspruchnahme ab. Daher soll zukünftig im Baugesetzbuch (BauGB) ausdrücklich geregelt werden, dass die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen soll. Ferner solle der Schutz zentraler Versorgungsbereiche durch eine ausdrückliche Darstellungsmöglichkeit im Flächennutzungsplan gestärkt und die Steuerungsmöglichkeiten der Kommunen im Hinblick auf die Ansiedlung von Vergnügungsstätten präzisiert werden. Der Entwurf enthält auch Regelungen zum vereinfachten Umgang mit verwahrlosten, nicht mehr wirtschaftlich nutzbaren Gebäuden und greift weitere Anliegen mit Bezug zur Innenentwicklung auf.
Gewerbliche Intensivtierhaltungsanlagen sollen im Außenbereich nur privilegiert sein, wenn sie keiner Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterliegen.
Das Gesetzgebungsverfahren wurde durch Expertengespräche und Beteiligung der betroffenen Fachöffentlichkeit vorbereitet, unter anderem durch die ab Sommer 2010 durchgeführten "Berliner Gespräche zum Städtebaurecht". Deren Ergebnisse wurden am 19. November 2010 auf der Festveranstaltung zum 50-jährigen Bestehen des Bundesbaugesetzes / des Baugesetzbuchs vorgestellt (siehe Interne und Externe Links).
Bundesbauminister Dr. Peter Ramsauer hat dem Kabinett heute den zweiten Teil der Reform des Bauplanungsrechts vorgelegt. Nachdem im ersten Teil 2011 Energie- und Klimapolitik Schwerpunkt der Änderungen war, geht es jetzt um die Reduzierung des Flächenverbrauchs und familienfreundliche Städte: die stärkere Regulierung von Spielhallen in Städten und die Erleichterung von Kindertagesstätten in Wohngebieten. Zudem sollen die Kommunen mehr Möglichkeiten erhalten, die Massentierhaltung im Außenbereich planerisch zu regeln - zum Beispiel Intensivtierhaltung.
Spielhallen
Mit dem neuen Baugesetzbuch (BauGB) wird klargestellt, dass das Instrument eines "Bebauungsplanes im vereinfachten Verfahren" ausdrücklich auch zur Steuerung von Vergnügungsstätten genutzt werden kann. Dies erleichtert den Kommunen die gezielte Auseinandersetzung mit diesem wichtigen städtebaulichen Thema.
Ramsauer:
Mit diesem Gesetz bekommen die Kommunen ein Instrument, dem Wildwuchs an Spielhallen Einhalt zu gebieten. In Quartieren, die von Kindern und Jugendlichen stark frequentiert werden, muss es Grenzen geben.
Kindertagesstätten
Kindertagesstätten für die Familien am Ort werden durch entsprechende Änderung der Baunutzungsverordnung (BauNVO) in reinen Wohngebieten künftig grundsätzlich allgemein zulässig.
Ramsauer:
Es kann nicht länger angehen, dass Kindergärten in reinen Wohngebieten nur im Ausnahmefall genehmigt werden können oder Nachbarn gar gerichtlich gegen Kindergärten vorgehen. Kinderlärm ist keine schädliche Umwelteinwirkung, vor der die Bürger mit einem Gesetz geschützt werden müssen.
Landschaftsverbrauch reduzieren
Der Gesetzentwurf zum BauGB sieht vor, dass die städtebauliche Entwicklung künftig vorrangig als Innenentwicklung erfolgen soll. Darüber hinaus wird den Kommunen u.a. die Ausübung ihres gemeindlichen Vorkaufsrechts erleichtert. Zudem soll die Umnutzung von wald- und landwirtschaftlichen Flächen künftig begründet werden.
Ramsauer:
Die Bauleitplanung kann einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung des Landschaftsverbrauchs leisten. Mit den geplanten Änderungen erleichtern wir die Innenentwicklung der Gemeinden und erschweren die Umnutzung wald- und landwirtschaftlicher Flächen.
Das Ziel der Bundesregierung ist es, den Flächenverbrauch auf 30 Hektar pro Tag zu reduzieren. Derzeit liegt er bei rund 77 Hektar pro Tag.
Schutz des Außenbereichs/ Regelung zur Intensivtierhaltung
Ein weiterer Punkt ist die Regelung gewerblicher Tierhaltungsanlagen im Außenbereich: Diese sollen künftig nur noch dann privilegiert zulässig sein, wenn sie unter einer bestimmten Größe liegen und nicht der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterliegen, was von der Dimension eines Betriebes abhängt.
Ramsauer:
Wir geben den Kommunen mehr Möglichkeiten an die Hand, die Ansiedlung großer gewerblicher Tierhaltungsbetriebe zu steuern. Wichtig ist: die bäuerliche Landwirtschaft bleibt davon unberührt.
Der Gesetzentwurf wird in ausgewählten Städten auf seine Praxistauglichkeit geprüft: In Dortmund und Leipzig, Bremerhaven und Landshut, sowie den Kleinstädten Alling, Wittmund und Treuenbrietzen.
Das Gesetzgebungsverfahren soll Ende des Jahres abgeschlossen sein.
http://www.bmvbs.de/SharedDocs/DE/Artik ... l?nn=36756
Kasharius wünscht gute Nacht
ich weis nicht ob ich hier richtig bin. Ich stelle hier aber mal die Aktuelle Information zur Novelle des Baugesetzuches und der Baunutzungsverordnung ein. Zum Punkt Vergnügungsstätten ist zu sagen, daß es sich nach der Rechtssprechung mehrer Oberverwaltungsgerichte dabei nicht um bordellartige etriebe handelt. Die entsprechenden Regelungen in § 34 BauGB ziehlen nach der Geetzesbegründung allein auf Spielhallen ab. Hier sollen trading-down-effekte verhindert werden. Für Bordelle besteht daher noch keine Gefahr:
Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP vom 26. Oktober 2009 sieht vor, den Klimaschutz und die Innenentwicklung im Bauplanungsrecht zu stärken. Des Weiteren soll die Baunutzungsverordnung umfassend geprüft werden. Zur Beschleunigung der Energiewende nach der Reaktorkatastrophe am 11. März 2011 ist der energie- und klimapolitische Teil der Bauplanungsrechtsnovelle vorgezogen worden und bereits am 30. Juli 2011 als Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden vom 22. Juli 2011 (BGBl. I S. 1509) in Kraft getreten. In einem zweiten Teil soll nunmehr die Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden gestärkt und die Baunutzungsverordnung angepasst werden.
Am 4. Juli 2012 hat das Bundeskabinett den von Bundesminister Dr. Peter Ramsauer vorgelegten "Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts" beschlossen. Das förmliche Gesetzgebungsverfahren soll zur Jahreswende abgeschlossen werden.
Die mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Innenentwicklung und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts beabsichtigte Stärkung der Innenentwicklung zielt unter anderem auf eine Reduzierung der Flächeninanspruchnahme ab. Daher soll zukünftig im Baugesetzbuch (BauGB) ausdrücklich geregelt werden, dass die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen soll. Ferner solle der Schutz zentraler Versorgungsbereiche durch eine ausdrückliche Darstellungsmöglichkeit im Flächennutzungsplan gestärkt und die Steuerungsmöglichkeiten der Kommunen im Hinblick auf die Ansiedlung von Vergnügungsstätten präzisiert werden. Der Entwurf enthält auch Regelungen zum vereinfachten Umgang mit verwahrlosten, nicht mehr wirtschaftlich nutzbaren Gebäuden und greift weitere Anliegen mit Bezug zur Innenentwicklung auf.
Gewerbliche Intensivtierhaltungsanlagen sollen im Außenbereich nur privilegiert sein, wenn sie keiner Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterliegen.
Das Gesetzgebungsverfahren wurde durch Expertengespräche und Beteiligung der betroffenen Fachöffentlichkeit vorbereitet, unter anderem durch die ab Sommer 2010 durchgeführten "Berliner Gespräche zum Städtebaurecht". Deren Ergebnisse wurden am 19. November 2010 auf der Festveranstaltung zum 50-jährigen Bestehen des Bundesbaugesetzes / des Baugesetzbuchs vorgestellt (siehe Interne und Externe Links).
Bundesbauminister Dr. Peter Ramsauer hat dem Kabinett heute den zweiten Teil der Reform des Bauplanungsrechts vorgelegt. Nachdem im ersten Teil 2011 Energie- und Klimapolitik Schwerpunkt der Änderungen war, geht es jetzt um die Reduzierung des Flächenverbrauchs und familienfreundliche Städte: die stärkere Regulierung von Spielhallen in Städten und die Erleichterung von Kindertagesstätten in Wohngebieten. Zudem sollen die Kommunen mehr Möglichkeiten erhalten, die Massentierhaltung im Außenbereich planerisch zu regeln - zum Beispiel Intensivtierhaltung.
Spielhallen
Mit dem neuen Baugesetzbuch (BauGB) wird klargestellt, dass das Instrument eines "Bebauungsplanes im vereinfachten Verfahren" ausdrücklich auch zur Steuerung von Vergnügungsstätten genutzt werden kann. Dies erleichtert den Kommunen die gezielte Auseinandersetzung mit diesem wichtigen städtebaulichen Thema.
Ramsauer:
Mit diesem Gesetz bekommen die Kommunen ein Instrument, dem Wildwuchs an Spielhallen Einhalt zu gebieten. In Quartieren, die von Kindern und Jugendlichen stark frequentiert werden, muss es Grenzen geben.
Kindertagesstätten
Kindertagesstätten für die Familien am Ort werden durch entsprechende Änderung der Baunutzungsverordnung (BauNVO) in reinen Wohngebieten künftig grundsätzlich allgemein zulässig.
Ramsauer:
Es kann nicht länger angehen, dass Kindergärten in reinen Wohngebieten nur im Ausnahmefall genehmigt werden können oder Nachbarn gar gerichtlich gegen Kindergärten vorgehen. Kinderlärm ist keine schädliche Umwelteinwirkung, vor der die Bürger mit einem Gesetz geschützt werden müssen.
Landschaftsverbrauch reduzieren
Der Gesetzentwurf zum BauGB sieht vor, dass die städtebauliche Entwicklung künftig vorrangig als Innenentwicklung erfolgen soll. Darüber hinaus wird den Kommunen u.a. die Ausübung ihres gemeindlichen Vorkaufsrechts erleichtert. Zudem soll die Umnutzung von wald- und landwirtschaftlichen Flächen künftig begründet werden.
Ramsauer:
Die Bauleitplanung kann einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung des Landschaftsverbrauchs leisten. Mit den geplanten Änderungen erleichtern wir die Innenentwicklung der Gemeinden und erschweren die Umnutzung wald- und landwirtschaftlicher Flächen.
Das Ziel der Bundesregierung ist es, den Flächenverbrauch auf 30 Hektar pro Tag zu reduzieren. Derzeit liegt er bei rund 77 Hektar pro Tag.
Schutz des Außenbereichs/ Regelung zur Intensivtierhaltung
Ein weiterer Punkt ist die Regelung gewerblicher Tierhaltungsanlagen im Außenbereich: Diese sollen künftig nur noch dann privilegiert zulässig sein, wenn sie unter einer bestimmten Größe liegen und nicht der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterliegen, was von der Dimension eines Betriebes abhängt.
Ramsauer:
Wir geben den Kommunen mehr Möglichkeiten an die Hand, die Ansiedlung großer gewerblicher Tierhaltungsbetriebe zu steuern. Wichtig ist: die bäuerliche Landwirtschaft bleibt davon unberührt.
Der Gesetzentwurf wird in ausgewählten Städten auf seine Praxistauglichkeit geprüft: In Dortmund und Leipzig, Bremerhaven und Landshut, sowie den Kleinstädten Alling, Wittmund und Treuenbrietzen.
Das Gesetzgebungsverfahren soll Ende des Jahres abgeschlossen sein.
http://www.bmvbs.de/SharedDocs/DE/Artik ... l?nn=36756
Kasharius wünscht gute Nacht
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Bordelle wird es im Ostviertel nicht geben
Aachen. Die Elsassstraße als lebendigen Mittelpunkt des Ostviertels fördern - dieses Ziel verfolgt ein Bebauungsplan, der aufgestellt worden ist und sich jetzt in der sogenannten «Offenlage» befindet.
Bürgerinnen und Bürger können die Unterlagen ab kommenden Montag, 5. November, bis einschließlich Montag, 10. Dezember, im Fachbereich Stadtentwicklung und Verkehrsanlagen, Verwaltungsgebäude am Marschiertor, Lagerhausstraße 20, 4. Stock, Zimmer 400, einsehen und Stellungnahmen abgeben. Die Öffnungszeiten sind montags bis donnerstags von 8 bis 12.30 Uhr und von 13.30 bis 16 Uhr, mittwochs bis 17 Uhr und freitags von 8 bis 13 Uhr. Dies ist auch im Internet unter www.aachen.de/bebauungsplaene möglich. Mit dem Bebauungsplan soll der Betrieb weiterer Wettbüros im Abschnitt zwischen Adalbertsteinweg und Elsassplatz verhindert werden. Derzeit befinden sich fünf Wettbüros in der Elsassstraße.
Es ist zu befürchten, dass sich in ihrem Umfeld ein Wandel hin zu «minderwertigen Nutzungen» vollziehen könnte - «trading-down-Effekt» genannt. Auch Sex-Darbietungen und bordellartige Nutzungen werden durch den Bebauungsplan jetzt ausgeschlossen. Das rund 2,1 Hektar große Plangebiet wird als Mischgebiet festgesetzt. Einzelhandel und Gastronomie sollen bessere Ansiedlungsbedingungen vorfinden, der ursprüngliche Quartierscharakter soll damit wieder hergestellt werden
http://www.aachener-zeitung.de/lokales/ ... icht-geben
Aachen. Die Elsassstraße als lebendigen Mittelpunkt des Ostviertels fördern - dieses Ziel verfolgt ein Bebauungsplan, der aufgestellt worden ist und sich jetzt in der sogenannten «Offenlage» befindet.
Bürgerinnen und Bürger können die Unterlagen ab kommenden Montag, 5. November, bis einschließlich Montag, 10. Dezember, im Fachbereich Stadtentwicklung und Verkehrsanlagen, Verwaltungsgebäude am Marschiertor, Lagerhausstraße 20, 4. Stock, Zimmer 400, einsehen und Stellungnahmen abgeben. Die Öffnungszeiten sind montags bis donnerstags von 8 bis 12.30 Uhr und von 13.30 bis 16 Uhr, mittwochs bis 17 Uhr und freitags von 8 bis 13 Uhr. Dies ist auch im Internet unter www.aachen.de/bebauungsplaene möglich. Mit dem Bebauungsplan soll der Betrieb weiterer Wettbüros im Abschnitt zwischen Adalbertsteinweg und Elsassplatz verhindert werden. Derzeit befinden sich fünf Wettbüros in der Elsassstraße.
Es ist zu befürchten, dass sich in ihrem Umfeld ein Wandel hin zu «minderwertigen Nutzungen» vollziehen könnte - «trading-down-Effekt» genannt. Auch Sex-Darbietungen und bordellartige Nutzungen werden durch den Bebauungsplan jetzt ausgeschlossen. Das rund 2,1 Hektar große Plangebiet wird als Mischgebiet festgesetzt. Einzelhandel und Gastronomie sollen bessere Ansiedlungsbedingungen vorfinden, der ursprüngliche Quartierscharakter soll damit wieder hergestellt werden
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RE: Bau(planungs)recht als Mittel der Prostitutionskontrolle
PROSTITUTION IN AUGSBURG
Im Clinch mit der Rotlichtbranche
Die Stadt will keine Konzentration von Bordellen im Lechhauser Gewerbegebiet. Sie stoppt deshalb die ehrgeizigen Pläne eines Betreibers.
Der Betreiber des „Erosgarden“ in Lechhausen will expandieren. Doch die Stadt sieht das nicht gerne.
Von außen ist es eine eher triste Lagerhalle, die einen neuen Anstrich vertragen könnte. Rote Lichterketten und Fenster, die mit Bildern leicht bekleideter Damen verklebt sind, weisen auf die Funktion der Halle hin. Im Inneren hat Chef Werner Schick zwölf Zimmer mit „Barockflair“ eingerichtet. Prostituierte bieten hier ihre Dienste an. Ihre Zimmertüren stehen offen, die Freier können umhergehen und auswählen. Im Milieu bezeichnet man diese Art Bordell als „Laufhaus“. Das kommt an, deshalb will Schick im großen Stil erweitern. Weil die Stadt sich quer stellt, ist der Streit nun ein Fall für die Gerichte.
Bei der Stadt beobachtet man die Entwicklung in der Raiffeisenstraße in Lechhausen mit Sorge. Zwei Bordelle gibt es dort bisher. Direkt neben Werner Schicks Etablissement, dem „Erosgarden“, steht noch ein mehrstöckiges Haus mit Betonfassade, in dem laut Internet über 20 Prostituierte arbeiten. Weil es in der Nähe noch ungenutzte Gewerbehallen gibt, fürchten die Verantwortlichen bei der Stadt eine Ausweitung der Rotlichtszene. „Wir wollen eine Konzentration von Bordellbetrieben vermeiden“, sagt der städtische Baujurist Mark Dominik Hoppe.
Behörde lehnt Bauantrag ab
Die Stadt durchkreuzt damit die ehrgeizigen Erweiterungspläne des Bordellbetreibers. Sein bestehendes Haus wollte er um fünf Zimmer, ein Büro und einen Waschraum erweitern. Den Bauantrag dazu lehnte die Stadt ab. Stattdessen legte der Stadtrat umgehend einen neuen Bebauungsplan und eine Veränderungssperre auf, die weitere Bordellbetriebe in dem Areal verbietet.
Dagegen klagt Schick nun vor dem Verwaltungsgerichtshof in München. Weil er siegessicher war, begann er schon mit dem Bau der neuen Zimmer. Doch ein missgünstiger Konkurrent schwärzte ihn offenbar bei der Polizei an. So flogen die Bauarbeiten auf. Der Bordellboss wehrte sich zwar juristisch gegen den von der Stadt angeordneten Stopp der Arbeiten. Er argumentierte, die Zimmer seien im Rohbauzustand und noch nicht für eine Bordellnutzung geeignet. Doch damit hatte er keinen Erfolg. Wann das Hauptverfahren vor dem Münchner Verwaltungsgerichtshof stattfindet, ist noch offen. Beobachter erwarten, dass der Fall erst im nächsten Jahr verhandelt wird.
Weil Werner Schick aber rasch erweitern will, hat er auch eine Bauanfrage für ein neues, großes Laufhaus mit über 50 Zimmern gestellt – etwas Vergleichbares in dieser Größe gibt es in Augsburg bisher nicht. Es soll auf der anderen Straßenseite entstehen. Dort galt das vom Stadtrat beschlossene Bordellverbot zunächst nicht. Doch die Stadt hat rasch reagiert. Kürzlich wurde auch diese Fläche noch mit in die Sperrzone aufgenommen. Es wirkt wie ein Katz-und-Maus-Spiel.
Werner Schick ist über die Politik der Stadt verärgert. Es sei ein legales Gewerbe, man könne es nicht einfach überall verbieten, meint er. Als klassischer Bordellchef sieht er sich nicht – er mache den Frauen keine Vorgaben, sondern vermiete nur die Zimmer, sagt er. Ein inzwischen übliches Modell. Es verhindert nach Einschätzung von Helmut Sporer, Chef des zuständigen Kommissariats der Kriminalpolizei, aber nicht, dass hinter den Frauen, von denen die allermeisten aus Osteuropa stammen, oft trotzdem Zuhälter oder Banden stehen.
Der Straßenstrich wird verboten, der Sperrbezirk ausgeweitet
Die Stadt verfolgt derzeit einen strikten Kurs. Der Stadtrat hat beschlossen, dass die Straßenprostitution künftig ganz verboten werden soll. Manche erwarten dadurch eine Verlagerung in Wohnungsbordelle und klassische Bordelle. Doch auch dort plant die Stadt neue Einschränkungen. Etwa durch die Ausweitung des Sperrbezirks, der bisher nur für den Stadtkern gilt. Grüne und Linke kritisieren, dass das Thema so nur weggeschoben werde. Die Probleme mit Zuhältern bekomme man auch damit nicht in den Griff.
Der Ordnungsreferent der Stadt, Volker Ullrich (CSU), dagegen argumentiert, die Arbeit auf dem Straßenstrich sei besonders entwürdigend. Und gefährlich: Erst kürzlich stand ein Freier vor Gericht, der eine Prostituierte auf einem Parkplatz in Lechhausen vergewaltigte. Der Mann, verteidigt von Anwalt Michael Weiss, kam gerade noch mit einer Bewährungsstrafe davon. Die Staatsanwaltschaft hält das Urteil für zu milde und will die nächste Instanz anrufen.
http://www.augsburger-allgemeine.de/aug ... 20776.html
Im Clinch mit der Rotlichtbranche
Die Stadt will keine Konzentration von Bordellen im Lechhauser Gewerbegebiet. Sie stoppt deshalb die ehrgeizigen Pläne eines Betreibers.
Der Betreiber des „Erosgarden“ in Lechhausen will expandieren. Doch die Stadt sieht das nicht gerne.
Von außen ist es eine eher triste Lagerhalle, die einen neuen Anstrich vertragen könnte. Rote Lichterketten und Fenster, die mit Bildern leicht bekleideter Damen verklebt sind, weisen auf die Funktion der Halle hin. Im Inneren hat Chef Werner Schick zwölf Zimmer mit „Barockflair“ eingerichtet. Prostituierte bieten hier ihre Dienste an. Ihre Zimmertüren stehen offen, die Freier können umhergehen und auswählen. Im Milieu bezeichnet man diese Art Bordell als „Laufhaus“. Das kommt an, deshalb will Schick im großen Stil erweitern. Weil die Stadt sich quer stellt, ist der Streit nun ein Fall für die Gerichte.
Bei der Stadt beobachtet man die Entwicklung in der Raiffeisenstraße in Lechhausen mit Sorge. Zwei Bordelle gibt es dort bisher. Direkt neben Werner Schicks Etablissement, dem „Erosgarden“, steht noch ein mehrstöckiges Haus mit Betonfassade, in dem laut Internet über 20 Prostituierte arbeiten. Weil es in der Nähe noch ungenutzte Gewerbehallen gibt, fürchten die Verantwortlichen bei der Stadt eine Ausweitung der Rotlichtszene. „Wir wollen eine Konzentration von Bordellbetrieben vermeiden“, sagt der städtische Baujurist Mark Dominik Hoppe.
Behörde lehnt Bauantrag ab
Die Stadt durchkreuzt damit die ehrgeizigen Erweiterungspläne des Bordellbetreibers. Sein bestehendes Haus wollte er um fünf Zimmer, ein Büro und einen Waschraum erweitern. Den Bauantrag dazu lehnte die Stadt ab. Stattdessen legte der Stadtrat umgehend einen neuen Bebauungsplan und eine Veränderungssperre auf, die weitere Bordellbetriebe in dem Areal verbietet.
Dagegen klagt Schick nun vor dem Verwaltungsgerichtshof in München. Weil er siegessicher war, begann er schon mit dem Bau der neuen Zimmer. Doch ein missgünstiger Konkurrent schwärzte ihn offenbar bei der Polizei an. So flogen die Bauarbeiten auf. Der Bordellboss wehrte sich zwar juristisch gegen den von der Stadt angeordneten Stopp der Arbeiten. Er argumentierte, die Zimmer seien im Rohbauzustand und noch nicht für eine Bordellnutzung geeignet. Doch damit hatte er keinen Erfolg. Wann das Hauptverfahren vor dem Münchner Verwaltungsgerichtshof stattfindet, ist noch offen. Beobachter erwarten, dass der Fall erst im nächsten Jahr verhandelt wird.
Weil Werner Schick aber rasch erweitern will, hat er auch eine Bauanfrage für ein neues, großes Laufhaus mit über 50 Zimmern gestellt – etwas Vergleichbares in dieser Größe gibt es in Augsburg bisher nicht. Es soll auf der anderen Straßenseite entstehen. Dort galt das vom Stadtrat beschlossene Bordellverbot zunächst nicht. Doch die Stadt hat rasch reagiert. Kürzlich wurde auch diese Fläche noch mit in die Sperrzone aufgenommen. Es wirkt wie ein Katz-und-Maus-Spiel.
Werner Schick ist über die Politik der Stadt verärgert. Es sei ein legales Gewerbe, man könne es nicht einfach überall verbieten, meint er. Als klassischer Bordellchef sieht er sich nicht – er mache den Frauen keine Vorgaben, sondern vermiete nur die Zimmer, sagt er. Ein inzwischen übliches Modell. Es verhindert nach Einschätzung von Helmut Sporer, Chef des zuständigen Kommissariats der Kriminalpolizei, aber nicht, dass hinter den Frauen, von denen die allermeisten aus Osteuropa stammen, oft trotzdem Zuhälter oder Banden stehen.
Der Straßenstrich wird verboten, der Sperrbezirk ausgeweitet
Die Stadt verfolgt derzeit einen strikten Kurs. Der Stadtrat hat beschlossen, dass die Straßenprostitution künftig ganz verboten werden soll. Manche erwarten dadurch eine Verlagerung in Wohnungsbordelle und klassische Bordelle. Doch auch dort plant die Stadt neue Einschränkungen. Etwa durch die Ausweitung des Sperrbezirks, der bisher nur für den Stadtkern gilt. Grüne und Linke kritisieren, dass das Thema so nur weggeschoben werde. Die Probleme mit Zuhältern bekomme man auch damit nicht in den Griff.
Der Ordnungsreferent der Stadt, Volker Ullrich (CSU), dagegen argumentiert, die Arbeit auf dem Straßenstrich sei besonders entwürdigend. Und gefährlich: Erst kürzlich stand ein Freier vor Gericht, der eine Prostituierte auf einem Parkplatz in Lechhausen vergewaltigte. Der Mann, verteidigt von Anwalt Michael Weiss, kam gerade noch mit einer Bewährungsstrafe davon. Die Staatsanwaltschaft hält das Urteil für zu milde und will die nächste Instanz anrufen.
http://www.augsburger-allgemeine.de/aug ... 20776.html
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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7.11.2012
Baugesuch auf ein Bordell läuft ins Leere
Brambauer. Die Stadt lässt einen Antrag auf die Einrichtung einer FKK-Sauna (quasi eines Bordells) in der früheren Kesting-Villa an der Zechenstraße ins Leere laufen.
Es dauerte in der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses nur Sekunden, bis eine so genannte Veränderungssperre nach dem Baugesetzbuch für das Gebiet in Brambauer beschlossen war und dem Rat als letzte Instanz zur Beschlussfassung empfohlen wurde.
Baugesuch zurückgestellt
Die Stadt musste diese Notbremse ziehen, weil in der alten Fassung des Bebauungsplanes möglicherweise die Genehmigung für ein Bordell hätte erteilt werden müssen. Wenn eine Kommune eine Veränderungssperre erlässt, kann sie erst einmal Anträge dieser Art ablehnen. Das Baudezernat hat dem Antragsteller inzwischen mitgeteilt, dass der Antrag den Planungsabsichten in dem Quartier nicht entspricht und das Baugesuch zurückgestellt wurde.
Mit einer Veränderungssperre kann die Errichtung oder Änderung oder Nutzungsänderung baulicher Anlagen abgelehnt werden. Ebenso auch eine Veränderung, die den Wert von Grundstücken steigert.
Sollte es überwiegend öffentliche Belange geben, kann trotz der Sperre eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden. Den Kommunen wird damit ein wirksames, aber flexibles Instrument an die Hand gegeben, um Fehlentwicklungen zu verhindern. Dies haben Städte in der Vergangenheit auch gern genutzt, um Spielhallen zu verhindern.
Einzelhandel ausschließen
Der Stadtentwicklungsausschuss hatte schon Ende August dieses Jahres beschlossen, den seit dem Jahre 1980 rechtskräftigen Bebauungsplan „Zechenstraße“ zu ändern. Damit soll die städtebauliche Entwicklung zwischen dem Stadtteilzentrum und dem Gewerbegebiet gesichert werden. Dazu gehört unter anderem auch der Ausschluss von Einzelhandelsnutzungen unterhalb von 800 Quadratmeter Verkaufsfläche. Mit dem jüngsten Beschluss wird eine zweite Änderung des Bebauungsplanes gestartet.
http://www.derwesten.de/staedte/luenen/ ... 69877.html
Baugesuch auf ein Bordell läuft ins Leere
Brambauer. Die Stadt lässt einen Antrag auf die Einrichtung einer FKK-Sauna (quasi eines Bordells) in der früheren Kesting-Villa an der Zechenstraße ins Leere laufen.
Es dauerte in der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses nur Sekunden, bis eine so genannte Veränderungssperre nach dem Baugesetzbuch für das Gebiet in Brambauer beschlossen war und dem Rat als letzte Instanz zur Beschlussfassung empfohlen wurde.
Baugesuch zurückgestellt
Die Stadt musste diese Notbremse ziehen, weil in der alten Fassung des Bebauungsplanes möglicherweise die Genehmigung für ein Bordell hätte erteilt werden müssen. Wenn eine Kommune eine Veränderungssperre erlässt, kann sie erst einmal Anträge dieser Art ablehnen. Das Baudezernat hat dem Antragsteller inzwischen mitgeteilt, dass der Antrag den Planungsabsichten in dem Quartier nicht entspricht und das Baugesuch zurückgestellt wurde.
Mit einer Veränderungssperre kann die Errichtung oder Änderung oder Nutzungsänderung baulicher Anlagen abgelehnt werden. Ebenso auch eine Veränderung, die den Wert von Grundstücken steigert.
Sollte es überwiegend öffentliche Belange geben, kann trotz der Sperre eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden. Den Kommunen wird damit ein wirksames, aber flexibles Instrument an die Hand gegeben, um Fehlentwicklungen zu verhindern. Dies haben Städte in der Vergangenheit auch gern genutzt, um Spielhallen zu verhindern.
Einzelhandel ausschließen
Der Stadtentwicklungsausschuss hatte schon Ende August dieses Jahres beschlossen, den seit dem Jahre 1980 rechtskräftigen Bebauungsplan „Zechenstraße“ zu ändern. Damit soll die städtebauliche Entwicklung zwischen dem Stadtteilzentrum und dem Gewerbegebiet gesichert werden. Dazu gehört unter anderem auch der Ausschluss von Einzelhandelsnutzungen unterhalb von 800 Quadratmeter Verkaufsfläche. Mit dem jüngsten Beschluss wird eine zweite Änderung des Bebauungsplanes gestartet.
http://www.derwesten.de/staedte/luenen/ ... 69877.html
I wouldn't say I have super-powers so much as I live in a world where no one seems to be able to do normal things.
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RE: Bau(planungs)recht als Mittel der Prostitutionskontrolle
Hier eine sehr interessante Entscheidung des Verwaltungsgericht Minden vom 23.10.2012 (@Marc,vielleicht könntest Du sie noch etwas nutzerfreundlicher edieren!? DANKE schon jetzt).
Ein Betreiber begehrt den Erlass eines sog. Bauvorbescheides für die Nutzungsänderung eines Gebäudes im Kerngebiet u.a. Zwecks Zimmervermietung an selbstständig tätige Prostituierte. Eigentlich scheitert er an zwischenzeitlich erlassener Veränderungssperre aber bis zum Zeitpunkt des Erlasses hätte ihm Bescheid auch für die prostitutive Einrichtung erteilt werden müssen. Ermutigenderweise liegt die Entscheidung hier voll auf der Linie des Urteils der 19.Kammer des Verwaltungsgericht Berlin vom 6.5.2009 (Prestige-Entscheidung). Deutlich wird dies an den Randziffern 56ff. der Entscheidungsgründe.
Die Klage, eine sog. Fortsetzungsfeststellungsklage dient hier der späteren Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen; hier musste also geklärt werden, ob die Behörde/Gemeinde richtig gehandelt hat (was vom VG verneint wird!,vgl. Rz. 24) Diese Ansprüche hält das Gericht wegen der negativen Berichterstattung und den gegnerischen Anwohnerinitiativen nicht für völlig aussichtslos(vgl. Rz. 30).
Interessanterweise hat das Gericht hier die Berufung nicht zugelassen.
Hier nun die Entscheidung im Wortlaut:
Verwaltungsgericht Minden, 1 K 2109/11
Datum:
23.10.2012
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 2109/11
Tenor:
Es wird festgestellt, dass der Beklagte bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre vom 04.10.2012 verpflichtet war, dem Kläger auf seinen Antrag vom 14.04.2011 einen Bauvorbescheid zu erteilen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Kläger zu 1/2. Die andere Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Beklagte und die Beigeladene als Gesamtschuldner. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten tragen der Beklagte und der Kläger je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Beigeladene und der Kläger je zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2
Der Kläger begehrt einen positiven Bauvorbescheid für die Nutzungsänderung des Gebäudes mit der Lagebezeichnung C. Straße 9 in I. -T. . Die C. Straße, die in diesem Bereich als Landesstraße klassifiziert ist (L 545), verbindet die Nordumgehung der Stadt I1. (B 61/239) mit dem Kernort I. und im weiteren Verlauf mit der Bundesautobahn A 30. Das tägliche Verkehrsaufkommen wird mit 18.000 Fahrzeugen angegeben.
3
Das Vorhabengrundstück liegt an der Südseite der C. Straße westlich der Einmündung C. Fußweg/Untere Wiesenstraße. Bei dem C. Fußweg handelt es sich um eine in beiden Richtungen befahrbare Erschließungsanlage, an deren Westseite vier Wohngrundstücke liegen. Die gegenüberliegende Seite des C. Fußwegs verläuft entlang der rückwärtigen Grenze des Vorhabengrundstücks. In östlicher Richtung schließt sich entlang der C. Straße an das Vorhabengrundstück zunächst eine Nutzung der Hotelgastronomie und danach ein Autohaus an. Westlich der Einmündung C. G.--weg /V. X.-----straße ist die Südseite der C. Straße mit Wohnhäusern bebaut. Die Südseite der Unteren X.-----straße dient der Aufnahme von großflächigen gewerblichen Nutzungen.
4
Am 14.04.2011 beantragte der Kläger die Erteilung eines Bauvorbescheides zur Nutzungsänderung mit folgender Bezeichnung: "Erotik-Markt, Kinolandschaft, Gaststätten-, Bar-, Schankbetrieb, Dauer-Zimmervermietung". Ausweislich der beigefügten Objektbeschreibung vom 01.03.2011 soll im östlich gelegenen zweigeschossigen Gebäudeteil (ehemaliger Reifenhandel) im Erdgeschoß eine "Kinolandschaft" mit drei Kinosälen in einer Kapazität für jeweils 10 bis 12 Kunden entstehen. In dem mittleren - eingeschossigen - Gebäudeteil (ehemalige Discothek, nicht genehmigt) soll ein Erotikmarkt mit Videothek betrieben werden. Der westliche - zweigeschossige - Gebäudeteil ist für die Unterbringung einer Gastwirtschaft mit zwei Gasträumen vorgesehen. Die Wohnung im Obergeschoß mit insgesamt sechs Zimmern soll im Wege der Dauervermietung an selbständig und unabhängig arbeitende Prostituierte vermietet werden. Der Haupteingang ist an der rückwärtigen Gebäudeseite von dem vorhandenen Parkplatz mit etwa 40 Stellplätzen aus vorgesehen. Zur C. Straße ist lediglich ein Notausgang geplant. Die vorgesehenen Öffnungszeiten wurden für die Zeit von Montag bis Samstag mit 10.00 bis 24.00 Uhr (Erotik-Markt) und für die Bereiche Filmvorführung und Gaststätte wie folgt angegeben: Monat bis Donnerstag: 10.00 - 24.00 Uhr, Freitag und Samstag: 10.00 bis 4.00 Uhr und Sonntag von 12.00 bis 20.00 Uhr.
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In einer Stellungnahme vom 14.06.2011 verweigerte die Beigeladene das gemeindliche Einvernehmen gem. § 36 Abs. 2 BauGB unter Hinweis auf eine von ihrem Prozessbevollmächtigten erstellte gutachterliche Stellungnahme.
6
Nach Anhörung lehnte der Beklagte die Bauvoranfrage durch Bescheid vom 10.08.2011 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt: Das Bauvorhaben sei in dem als Mischgebiet im Sinne von § 6 BauNVO einzustufenden Bereich bauplanungsrechtlich unzulässig. Zwar sei der als Erotik-Markt vorgesehene Betriebsteil, in dem nach der Betriebsbeschreibung erotische Artikel angeboten werden sollen, für sich genommen als Einzelhandelsbetrieb mit einer Fläche von etwa 100 qm zulässig. Das gelte jedoch nicht für den als Kinolandschaft vorgesehenen Bereich, in dem auf drei Säle verteilt bei einer Gesamtfläche von 160 qm von 10 bis 12 Besuchern je Einheit ausgegangen werde. Die Nutzung der ehemaligen Wohnung im Obergeschoß zur Ausübung der Prostitution sei nicht genehmigungsfähig, weil es sich um ein sogenanntes Wohnungsbordell bzw. um eine bordellartige Einrichtung handle, die als ein das Wohnen wesentlich störendes Gewerbe anzusehen sei. Da das Vorhaben als "Komplettangebot des Erotik-Gewerbes" beschrieben worden sei, müssten die einzelnen Betriebsbestandteile als Gesamtangebot berücksichtigt werden. Danach handle es sich um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte, die in einem Mischgebiet nicht zulässig sei.
7
Der Kläger hat am 12.09.2011 Klage erhoben, mit der er die Verpflichtung zur Erteilung des baurechtlichen Vorbescheides begehrt. Er trägt zur Begründung vor: Durch die Anordnung des Parkplatzes und des Eingangs von der Rückseite aus sei sichergestellt, dass die vorhandene Wohnnutzung nicht unzumutbar gestört werde. Der angrenzende Hotelbetrieb sei durch eine Mauer und einen davor liegenden Parkplatz abgegrenzt. Aus Diskretionsgründen sei ein durchgehender Sichtzaun zum C. G.--weg geplant, der die dort vorhandenen vier Wohnhäuser von dem Vorhabengelände komplett abschirme. Eine Störung der Nachbarn - etwa durch potentielle Kunden des Erotik-Betriebs oder der Prostituierten sei dadurch ausgeschlossen. Hinsichtlich der Prostitutionsausübung gehe der angefochtene Bescheid von unzutreffenden Maßstäben aus. Unabhängig von der Bezeichnung als bordellartiger Betrieb oder der Wohnungsprostitution sei das Vorhaben mischgebietsverträglich, weil es die Wohnnutzung nicht wesentlich störe. Die in früherer Zeit mit der Prostitutionsausübung verbundenen Begleiterscheinungen seien heutzutage bei dauerhaft an unabhängig arbeitende Prostituierte vermieteten Räumlichkeiten nicht mehr festzustellen.
8
In seiner Sitzung vom 10.09.2012 hat der Gemeindeentwicklungsausschuss der Beigeladenen beschlossen, den Bebauungsplan Nr. Su 4 "Gewerbegebiet an der Unteren X.-----straße " zu ändern. Zu den Grundstücken, die in den Geltungsbereich des Bebauungsplans einbezogen werden sollen, gehört auch das Vorhabengrundstück C. Straße 9. Zur Begründung ist in dem zu Grunde liegenden Gutachten unter der Überschrift "Planungsziel" ausgeführt:
9
Die Gemeinde I. beabsichtigt, das bislang unbeplante Dreieck zwischen Stadtgrenze, C. Straße und C. G.--weg in das Gewerbegebiet an der Unteren X.-----straße planerisch zu integrieren und als Gewerbegebiet auszuweisen. Gleichzeitig sollen im gesamten neuen Plangebiet zum einen jegliche Arten von Vergnügungsstätten, zum anderen aber auch Spielhallen sowie auch sexuelle Bedürfnisse orientierte Einrichtungen wie Sex-Shops, Peep-Shows, Striptease-Shows, etc. und Einrichtungen, die der Prostitutionsausübung dienen, ausgeschlossen werden, auch wenn sie aufgrund geringer Größe möglicherweise noch nicht als Vergnügungsstätten zu qualifizieren sind. Dies dient einer geordneten städtebaulichen Entwicklung des Gewerbestandorts "V. X.-----straße " und der Sicherung einer angemessenen Nutzungsstruktur an der südlichen Ortseinfahrt vor dem Hintergrund einer unmittelbar bevorstehenden baulich-gestalterischen und funktionalen Aufwertung im Zuge des letzten Bauabschnittes der Umgestaltung der Ortsdurchfahrt C. Straße."
10
In seiner Sitzung vom 04.10.2012 hat der Rat der Beigeladenen den Erlass einer Veränderungssperre beschlossen. Die Veröffentlichung des Bebauungsplanänderungsbeschlusses und die Bekanntmachung der Veränderungssperre sind durch Aushang an der Bekanntmachungstafel in dem Zeitraum vom 08.10.2012 bis zum 16.10.2012 erfolgt.
11
Der Kläger beantragt,
12
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 10.08.2011 zu verpflichten, dem Kläger den begehrten Vorbescheid für die beantragte Nutzungsänderung des Gebäudes C. Straße 9 in I. zu erteilen,
13
hilfsweise festzustellen, dass der Beklagte bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre verpflichtet war, dem Kläger einen positiven Vorbescheid für die beantragte Nutzungsänderung des Gebäudes C. Straße 9 in I. zu erteilen.
14
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
15
die Klage abzuweisen.
16
Die Beigeladene trägt ergänzend vor, die für unterschiedliche Nutzungen vorgesehenen Betriebsbestandteile seien als Einheit zu sehen, da sie über einen gemeinsamen Haupteingang zu erreichen seien. Der gesamte Betrieb sei deshalb als Vergnügungsstätte zu qualifizieren, die schon wegen der geplanten Kinolandschaft als kerngebietstypisch zu bezeichnen sei. Die Ausübung der Prostitution in den Räumen des Obergeschosses sei eine das Wohnen störende und deshalb im Mischgebiet unzulässige Tätigkeit.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
18
Entscheidungsgründe:
19
Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag als Verpflichtungsbegehren gem. § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
20
Dem Kläger steht der begehrte positive Bauvorbescheid nicht zu, weil der Verwirklichung des Änderungsvorhabens die vom Rat der Beigeladenen am 04.10.2012 beschlossene Veränderungssperre entgegensteht (§ 14 Abs. 1 BauGB). Gegen die formelle Wirksamkeit der Satzung, mit der die Veränderungssperre beschlossen worden ist, bestehen keine Bedenken. Insbesondere ist die Bekanntmachung durch Aushang an der Bekanntmachungstafel nicht zu beanstanden, da die beigeladene Gemeinde deutlich weniger als 35.000 Einwohner aufweist.
21
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.06.2012 - 2 A 2630/10 -.
22
Auch in materiell rechtlicher Hinsicht hält die Veränderungssperre einer Prüfung stand. Der gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 BauGB erforderliche Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans liegt vor. Der Gemeindeentwicklungsausschuss der Beigeladenen hat als zuständiges Organ in seiner Sitzung am 10.09.2012 die erste Änderung und Erweiterung des Bebauungsplanes Nr. Su 4 "Gewerbegebiet an der Unteren X.-----straße " beschlossen. Der Aufstellungsbeschluss ist zeitgleich mit der Veränderungssperre durch Aushang an der Bekanntmachungstafel in dem Zeitraum vom 08.10.2012 bis zum 16.10.2012 bekannt gemacht worden. Eine hinreichend konkrete Planungsabsicht ergibt sich aus dem im Tatbestand wiedergegebenen Planungsziel. Danach soll das bisher nicht überplante Dreieck zwischen Stadtgrenze, C. Straße und C. G.--weg , in das Gewerbegebiet an der Unteren X.-----straße eingebunden und als Gewerbegebiet ausgewiesen werden mit der Maßgabe, dass Vergnügungsstätten und auf sexuelle Bedürfnisse orientierte Einrichtungen ausgeschlossen werden. Ein hinreichend konkretes Planungsziel ist dadurch gegeben.
23
Der Hilfsantrag, mit dem der Kläger die Feststellung begehrt, dass der Beklagte bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre verpflichtet war, dem Kläger einen Vorbescheid für die beantragte Nutzungsänderung des Gebäudes C. Straße 9 in I. zu erteilen, ist zulässig und begründet.
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Die Rechtsgrundlage für die begehrte Feststellung ergibt sich aus einer analogen Anwendung der in § 113 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 5 VwGO getroffenen Regelungen. Danach kann der Kläger nach Erledigung seines Verpflichtungsbegehrens durch Inkrafttreten der Veränderungssperre die begehrte Feststellung verlangen. Da sich das streitige Rechtsverhältnis erst erledigt hat, nachdem mit Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage primärer Rechtsschutz begehrt worden ist, ist der Kläger in Anlehnung an die Regelung in § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO berechtigt, das Klageverfahren mit dem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns fortzusetzen, um sich auf diese Weise die bisherigen Ergebnisse des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für den nachfolgenden Schadensersatzprozess vor dem Zivilgericht nutzbar zu machen.
25
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 03.05.2010 - 7 A 2115/08 -
26
Dem Fortsetzungsfeststellungsbegehren fehlt auch nicht das notwendige Feststellungsinteresse, weil ein Ersatzanspruch in Ermangelung einer rechtswidrigen Amtshandlung oder Maßnahme offensichtlich nicht gegeben wäre. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag ist nur dann zu verneinen, wenn die Klage vor den Zivilgerichten offensichtlich aussichtslos ist. Dafür muss ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar sein, dass der behauptete zivilrechtliche Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt besteht. An die Qualifizierung der Aussichtslosigkeit sind hohe Anforderungen zu stellen, weil es letztlich Sache der Zivilgerichte ist, diesbezügliche Rechtsfragen zu beantworten.
27
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.10.2004 - 4 B 76/04 -
28
Unter diesem Gesichtspunkt mag durchaus zweifelhaft erscheinen, ob der geltend zu machende Schaden kausal bzw. zurechenbar auf ein Verhalten des Beklagten oder der Beigeladenen zurückgeführt werden kann. Insofern könnte der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens greifen. Es liegt nicht fern, dass die Beigeladene im Falle der Erteilung eines positiven Vorbescheides durch den Beklagten zeitnah vor Erteilung einer Baugenehmigung die nunmehr in Kraft gesetzte Veränderungssperre beschlossen hätte.
29
Vgl. BGH, Beschluss vom 19.03.2008 - III ZR 49/07 -; OVG NRW, Beschluss vom 01.09.2011 - 2 A 1335/10 -
30
Anders als in den Fällen der rückwirkenden Heilung formeller Satzungsmängel verbleiben hier aber Zweifel, welchen Verlauf das Verfahren genommen hätte. Insbesondere ist nicht mit der notwendigen Sicherheit abzuschätzen, welche Bedeutung die Medienberichterstattung und die Vorstöße einer Anliegerinitiative für die Einleitung des Verfahrens auf Erlass einer Veränderungssperre hatten. Dies schließt die Annahme aus, ein Ersatzanspruch bestehe mangels zurechenbarer rechtswidriger Amtshandlung offensichtlich nicht. Die Klärung ist den zuständigen Zivilgerichten vorbehalten.
31
Das Fortsetzungsfeststellungsbegehren ist auch begründet.
32
Rechtsgrundlage für die begehrte Entscheidung ist § 71 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW. Danach kann vor Einreichung des Bauantrags zu Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid beantragt werden. Er ist zu erteilen, wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen (§ 71 Abs. 2, 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW). Der Kläger hat am 14.04.2011 die Erteilung eines Bauvorbescheides zur Nutzungsänderung mit der Bezeichnung "Erotik-Markt, Kinolandschaft, Gaststätten-, Bar-, Schankbetrieb, Dauer-Zimmervermietung" beantragt. Nach der beigefügten Objektbeschreibung vom 01.03.2011 sowie den beigefügten Bauzeichnungen war das Vorhaben bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre planungsrechtlich zulässig.
33
Die Nutzungsänderung ist nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 6 BauNVO zu beurteilen ist, da sie in einem Bereich verwirklicht werden soll, der nicht überplant ist und der nach der maßgeblichen Umgebungsbebauung die Merkmale eines Mischgebiets erfüllt. In den Blick zu nehmen ist dabei die Bebauung auf der Südseite der C. Straße, die auf Grund ihrer Verkehrsbelastung als Landesstraße von dem nördlich angrenzenden Bereich deutlich getrennt ist. Die nähere Umgebung des Vorhabengrundstücks wird geprägt durch das östlich angrenzende Hotelgrundstück sowie das anschließende Autohaus, die auf der gegenüberliegenden Seite des C. Fußwegs bestehende Bebauung mit vier Wohnhäusern, die südlich der Unteren X.-----straße bestehende großflächige gewerbliche Nutzung und die nördlich der Unteren X.-----straße vorhandene Wohnnutzung. Damit dient das Gebiet dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören (§ 6 Abs. 1 BauNVO), mit der Folge, dass kerngebietstypische Vergnügungsstätten unzulässig, andere Vergnügungsstätten in den Teilen des Gebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt werden, allgemein zulässig sind (§ 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO) und sie außerhalb der durch gewerbliche Nutzungen geprägten Gebietsteile (§ 6 Abs. 3 BauNVO) ausnahmsweise zugelassen werden können.
34
Bei dem streitbefangenen Vorhaben handelt es sich nicht um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte. Die beschriebenen Einzelnutzungen - Erotik-Fachmarkt, Kinoräume, Gasträume, Prostitutionsausübung im Obergeschoss - fallen für sich genommen nicht unter dem Begriff der Vergnügungsstätte. Dieser ist in der Baunutzungsverordnung als Nutzungsart in verschiedenen Baugebieten genannt, aber nicht definiert. Die Aufzählung belegt, dass es sich um einen eigenständigen Nutzungstyp handelt, der von anderen Gewerbebetrieben zu unterscheiden ist. Dabei führt eine am Wortsinn ausgerichtete Auslegung nicht weiter, weil der Begriff "Vergnügen" zu unscharf ist. Eine hinreichende Klärung lässt sich nur auf der Grundlage einer historischen Auslegung gewinnen. Bereits die ursprüngliche Fassung der Baunutzungsverordnung von 1962 enthielt den Begriff der Vergnügungsstätte. Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BauNVO der insoweit unverändert gebliebenen Fassung waren Vergnügungsstätten nur in Kerngebieten zulässig. Der Grund für eine eigenständige Regelung dieser Art von Gewerbebetrieben lag in den damit typischerweise verbundenen städtebaulich relevanten Folgewirkungen wie Lärmbelästigungen, eines erhöhten Zu- und Abgangsverkehrs sowie einer Beeinträchtigung des Stadt- und Straßenbildes sowie der Gebietsqualität (sog. Trading-down-Effekt).
35
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 04.09.2008 - 4 BN 9/08 -
36
Unter Trading-down-Effekt wird die Entwertung einer Gebietsstruktur durch die Ansiedlung von Vergnügungsstätten und Rotlicht-Angeboten verstanden. Er entsteht durch die Konkurrenz zwischen Betrieben mit typischerweise geringem Investitionsbedarf und vergleichsweiser hoher Ertragsstärke (z. B. Spielhallen) und Betrieben mit deutlich höherem Investitionsbedarf und geringerer Ertragsstärke. Der Wettbewerb zwischen Konkurrenten mit unterschiedlicher wirtschaftlicher Potenz führt tendenziell zu einer Erhöhung der Immobilienpreise und damit zu einer Verdrängung von Gewerbebranchen mit schwächerer Finanzkraft.
37
Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.05.2005 - 8 C 10053/05. OVG -
38
Unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung werden von dem Begriff der Vergnügungsstätte unstreitig Diskotheken, Spielhallen, Nachtlokale und Varietés erfasst, während Einrichtungen für sportliche und kulturelle Zwecke nicht dazu zählen. Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution werden überwiegend als Gewerbebetriebe eigener Art und nicht als Vergnügungsstätten angesehen.
39
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.06.1995 - 4 B 137/95 -; VG Berlin, Urteil vom 06.05.2009 - 19 A 91.07 -
40
Demgegenüber stellen sog. Swinger-Clubs nach nahezu einheitlich vertretener Auffassung Vergnügungsstätten dar, weil hier in Abgrenzung zu den prostitutiven Einrichtungen das Gemeinschaftserlebnis im Vordergrund steht.
41
Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.11.2006 - 3 S 2377/06 - m. w. N.
42
Unter Zugrundelegung dieser Erkenntnisse können im vorliegenden Fall die Nutzungen als Erotik-Fachmarkt, als Gaststätte und zur Vermietung an Prostituierte nicht als vergnügungsstättentypisch angesehen werden. In Betracht kommt insofern allenfalls der für die Einrichtung von Kinoräumen vorgesehene Bereich, der in den Bauvorlagen als "Kinolandschaft" bezeichnet wird. Der Beklagte und die Beigeladene sind insoweit unter Hinweis auf eine Entscheidung des Verwaltungsgericht Arnsberg,
43
Urteil vom 17.06.2008 - 4 K 1364/07 -
44
der Auffassung, insoweit liege eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte vor. Dabei bleibt allerdings unberücksichtigt, dass dieser Einschätzung die Auffassung zu Grunde liegt, eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte sei bereits dann gegeben, wenn der für den großflächigen Einzelhandel geltende Grenzwert von 800 qm Verkaufsfläche überschritten sei.
45
So VG Arnsberg, Urteil vom 17.06.2008 - 4 K 1364/07 - juris, Rnr. 69
46
Dieser Maßstab erscheint nach Auffassung des erkennenden Gerichts ebenso wenig geeignet, wie die Zugrundelegung der für Spielhallen geltenden Grenze von 100 qm. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind als typisch für Kerngebiete diejenigen Vergnügungsstätten anzusehen, die als zentrale Dienstleistungsbetriebe auf dem Unterhaltungssektor einen größeren Einzugsbereich haben und für ein größeres und allgemeines Publikum erreichbar sein sollen.
47
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.02.1986 - 4 C 31.83 -; Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 23.98 -
48
Diese Grenze wird unstreitig überschritten bei Großkinos - insbesondere sog. Multiplex-Kinos. Darunter wird ein Kinokomplex mit mehreren unterschiedlich dimensionierten Sälen verstanden, die eine Sitzplatzkapazität zwischen 400 und 3000 aufweisen und über ergänzende gastronomische und andere dienstleistungsbezogene Nutzungen verfügen.
49
Bay.VGH, Beschluss vom 21.12.2001 - 15 ZS 01.2570 -; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11 Aufl. 2008, § 7, Rnr. 7.71 ff.
50
Demgegenüber erstreckt sich die im vorliegenden Fall vorgesehene "Kinolandschaft" ausweislich der vorgelegten Antragsunterlagen auf drei Räume mit den Ausmaßen von 40 qm, 30 qm und 12,5 qm, die nach der Betriebsbeschreibung für die Aufnahme von 10 bis 12 Kunden je Einheit vorgesehen sind. Diese relativ geringe Besucherzahl, die im Hinblick auf die Verbreitung des Internetzugangs einer realistischen Markteinschätzung entsprechen dürfte, schließt es nach Auffassung des erkennenden Gerichts aus, die Einrichtung im Hinblick auf ihre Ausstattung mit Kinoräumen als kerngebietstypische Vergnügungsstätte anzusehen.
51
Eine abweichende Bewertung ergibt sich auch nicht aus der Erkenntnis, dass das Vorhaben als Einheit zur Genehmigung gestellt worden ist. Bedenken gegen diesen Ansatz ergeben sich schon daraus, dass auf der weit überwiegenden Fläche (Erotik-Markt, Gasträume, Prostitution im Obergeschoss) keine vergnügungsstättentypischen Aktivitäten vorgesehen sind. Deshalb ist auch nicht eingängig, weshalb die Gesamtbetrachtung aller Räumlichkeiten die Annahme einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte rechtfertigen soll. Insbesondere kann nicht unterstellt werden, die unterschiedlichen Aktivitäten verstärkten sich bezüglich ihres Störpotentials dahingehend gegenseitig, dass sie das Ausmaß einer für einen größeren Einzugsbereich vorgesehenen Einrichtung erreichen. Vielmehr können die Nutzungsmöglichkeiten unabhängig voneinander wahrgenommen werden, wobei sie auch auf unterschiedliche Kundenwünsche zugeschnitten sind. Anders als bei sog. Swinger-Clubs handelt es sich nicht um eine Nutzung, bei der das Gemeinschaftserlebnis im Vordergrund steht.
52
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit scheitert auch nicht an der vorgesehenen Prostitutionsausübung. Zwar wird die Prostitutionsausübung in Mischgebieten auch in der Form der gewerblichen Zimmervermietung an unabhängig arbeitende Prostituierte herkömmlich als mit dem Wohnen unvereinbar angesehen.
53
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17.09.2009 - 7 A 2511/08 -; Beschluss vom 09.02.2010 - 10 A 471/09 -.
54
Zur Begründung werden zumeist die sog. milieubedingten Begleiterscheinungen aufgeführt, die vor allem aus der Schutzbedürftigkeit Minderjähriger, den unvermeidbaren Kontakten der Hausbewohner mit Prostituierten und deren Kunden, dem Klingeln von Kunden an falschen Wohnungstüren, den Äußerungen unzufriedener oder alkoholisierter Kunden bis zu gewalttätigen Begleiterscheinungen der Rotlichtszene hergeleitet werden.
55
Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.11.2005 - 10 S 3.05 -; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.01.2004 - 8 B 11983/03 -
56
Andererseits ist anerkannt, dass sich in neuerer Zeit auch Formen der Prostitutionsausübung herausgebildet haben, die nicht zwangsläufig eine das Wohnen wesentlich störende Nutzung darstellen. Das wird insbesondere bei der sog. Wohnungsprostitution in Betracht gezogen.
57
Vgl. VG Berlin, Urteil vom 06.05.2009 - 19 A 91.07 -
58
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die in diesem Zusammenhang an sich gebotene typisierende Betrachtungsweise zumindest teilweise von einer überkommenen Einordnung ausgeht. Das Verwaltungsgericht Berlin hat insofern überzeugend dargelegt, dass eine derartige von einer sozialethischen Bewertung bestimmte Betrachtungsweise trotz Änderung der tatsächlichen Verhältnisse immer noch Platz greift. Obwohl es im öffentlichen Baurecht allein darauf ankomme, ob die vorgesehene Nutzung bodenrechtliche Spannungen verursache, würden sittliche Erwägungen durch die "Hintertür" eingeführt werden, beispielsweise in dem das Störpotential überhöht eingeschätzt oder das ungestörte Wohnen im Sinne eines "Unbehelligtbleibens von sittlichen Anmaßungen" mit baurechtlich unzulässigen Anforderungen befrachtet werde.
59
Die Vielfalt der Betriebsformen sexueller Dienstleistungen steht einer starren Typisierung entgegen. So wie es auch in anderen Bereichen baulicher Nutzung Betriebsformen gibt, die unterschiedliche Störpotentiale aufweisen (z. B. Speditionen), ist auch hier eine Einschränkung der typisierenden Betrachtungsweise geboten. In derartigen Fällen sind die konkreten Verhältnisse des Betriebs zu Grunde zu legen, auch wenn die Nutzung zu einer Branche gehört, bei der eine typisierende Einstufung hinsichtlich des Störungsgrades grundsätzlich gerechtfertigt ist.
60
Vgl. VG Berlin, Urteil vom 06.05.2009 - 19 A 91.07 -
61
So verhält es sich nach Auffassung des erkennenden Gerichts, wenn - wie hier - die Prostitutionsausübung durch Dauervermietung von Räumen an selbständig und unabhängig arbeitende Prostituierte unter einem Dach mit einem Erotik-Markt nebst Kino- und Gasträumen verbunden wird. Durch die Kombination mit entsprechend gemischtem Publikum wird eine einseitige Prägung der Nutzung im Sinne einer bordellartigen Einrichtung vermieden. Gleichzeitig lässt die Beschränkung auf eine Dauervermietung an selbständig und unabhängig arbeitende Prostituierte die Erwartung zu, dass dieses Gewerbe innerhalb der Grenzen des Prostitutionsgesetzes ausgeübt wird und dadurch einer negativen sozialethischen Bewertung nicht zugänglich ist.
62
Vgl. VG Berlin, Urteil vom 06.05.2009 - 19 A 91.07 - m. w. N.
63
Unter diesem Gesichtspunkt kann auch nicht ohne weiteres von einem Trading-down-Effekt ausgegangen werden. Vielmehr wird der Betreiber der Gesamtanlage im eigenen wirtschaftlichen Interesse darauf achten, dass die Nutzer der übrigen Betriebsteile (Sexshop, Kino, Gastronomie) durch die Prostitutionsausübung nicht verdrängt werden.
64
Bei der danach gebotenen Gesamtschau ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass das Vorhaben des Klägers mit der Wohnnutzung der näheren Umgebung vereinbar ist. Hier ist es so, dass die Kunden und Besucher gezielt zu dem Haupteingang auf der Rückseite des Gebäudes geleitet werden. Eine Belästigung der Nachbarn durch einen entsprechenden Suchverkehr ist - anders als bei einer eher versteckt stattfindenden Prostitutionsausübung - praktisch auszuschließen, weil sofort erkennbar ist, wo der Haupteingang zu finden ist. Es ist auch nicht zu erwarten, dass außerhalb des Gebäudes eine irgendwie geartete Anbahnung zwischen den Prostituierten und ihren Kunden stattfinden wird. Ein Zugangsverkehr zum Betriebsgrundstück ist vom C. G.--weg aus, an dem die Wohnhäuser liegen, nicht möglich. Vielmehr sind sämtliche Besucher darauf verwiesen, die Zufahrt und den Zugang von der östlichen Seite aus entlang der Hotelzufahrt zu nehmen. Insofern ist bei lebensnaher Betrachtungsweise davon auszugehen, dass die Kunden ihre Fahrzeuge auf dem rückwärtigen, durch einen Sichtschutz vom C. G.--weg abgetrennten Betriebsparkplatz abstellen und von dort ohne weiteres das Gebäude betreten. Der voraussehbare Zu- und Abgangsverkehr unterscheidet sich insoweit nicht von den üblichen Angeboten durch Sexshops und dergleichen, die in Mischgebieten anzutreffen sind. Bei der beabsichtigten Dauervermietung an unabhängig arbeitende Prostituierte kann auch nicht ohne weiteres unterstellt werden, hier werde in Wahrheit eine Einrichtung der Prostitution mit kriminellen Begleiterscheinungen vorbereitet.
65
Der begehrten Feststellung steht auch nicht entgegen, dass noch ungeklärt ist, ob die Nutzung der Anlage bzw. des Parkplatzes zu einer unzumutbaren Lärmbelästigung der Anlieger führt. Soweit der Kläger in der Betriebsbeschreibung Öffnungszeiten bis 24.00 Uhr (Erotik-Markt) bzw. bis 4.00 Uhr an Freitagen und Samstagen angegeben hat, fehlt es bisher an einer gutachterlichen Stellungnahme zu der Frage, ob die einschlägigen Grenzwerte eingehalten werden können. Die Immissionsschutzabteilung im Hause des Beklagten hat unter dem 27.04.2011 ausgeführt, aus der Sicht des Immissionsschutzes bestünden gegen das beantragte Vorhaben keine Bedenken. Hinsichtlich des geplanten Gaststätten-, Bar- und Schankbetriebs sei für die Beurteilung des Immissionsschutzes die örtliche Ordnungsbehörde zuständig. Der Beklagte hat daraufhin sowohl in der Anhörung als auch in dem angefochtenen Ablehnungsbescheid darauf hingewiesen, dass nicht nachgewiesen sei, ob die zulässigen Lärmwerte bei den vorgegebenen Öffnungszeiten eingehalten würden. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass die Öffnungszeiten noch keiner abschließenden Prüfung zugeführt worden sind, weil der Beklagte das Vorhaben bereits unter dem Gesichtspunkt der bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte für nicht genehmigungsfähig hielt. Dieser Gesichtspunkt wäre nach den Grundsätzen des sog. "stecken gebliebenen" Genehmigungsverfahrens im Rahmen einer Verpflichtung zur Neubescheidung zu berücksichtigen gewesen.
66
Vgl. dazu: OVG NRW, Urteil vom 15.06.2012 - 2 A 2630/10 -, juris Rnr. 133 ff.
67
Für den Erfolg des Feststellungsbegehrens reicht es aus, dass dem begehrten Vorbescheid keine rechtlichen Hindernisse entgegen standen, die nicht durch eine Nebenbestimmung ausräumbar waren.
68
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO ist hier nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht einschlägig. Nach Inkrafttreten der Veränderungssperre hatte der Kläger die Wahl, ob er deren Wirksamkeit mit dem Hauptantrag zur Entscheidung des Gerichts stellt oder ob er die Hauptsache für erledigt erklärt und sich nur auf die mit dem Hilfsantrag verfolgte Feststellung beschränkt. Da beide Begehren sich auf unterschiedliche Zeiträume beziehen,
69
vgl. OVG NRW, Urteil vom 03.05.2010 - 7 A 2115/08 -,
70
liegen abweichende Streitgegenstände vor, denen in wirtschaftlicher Hinsicht etwa gleiches Gewicht zukommt.
71
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 711 ZPO.
72
Rechtsmittelbelehrung:
73
Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Minden (Königswall 8, 32423 Minden oder Postfach 32 40, 32389 Minden) schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen - ERVVO VG/FG - vom 01.12.2010 (GV. NRW. S. 647) beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
74
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der ERVVO VG/FG einzureichen.
75
Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_m ... 21023.html
Kasharius grüßt
Ein Betreiber begehrt den Erlass eines sog. Bauvorbescheides für die Nutzungsänderung eines Gebäudes im Kerngebiet u.a. Zwecks Zimmervermietung an selbstständig tätige Prostituierte. Eigentlich scheitert er an zwischenzeitlich erlassener Veränderungssperre aber bis zum Zeitpunkt des Erlasses hätte ihm Bescheid auch für die prostitutive Einrichtung erteilt werden müssen. Ermutigenderweise liegt die Entscheidung hier voll auf der Linie des Urteils der 19.Kammer des Verwaltungsgericht Berlin vom 6.5.2009 (Prestige-Entscheidung). Deutlich wird dies an den Randziffern 56ff. der Entscheidungsgründe.
Die Klage, eine sog. Fortsetzungsfeststellungsklage dient hier der späteren Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen; hier musste also geklärt werden, ob die Behörde/Gemeinde richtig gehandelt hat (was vom VG verneint wird!,vgl. Rz. 24) Diese Ansprüche hält das Gericht wegen der negativen Berichterstattung und den gegnerischen Anwohnerinitiativen nicht für völlig aussichtslos(vgl. Rz. 30).
Interessanterweise hat das Gericht hier die Berufung nicht zugelassen.
Hier nun die Entscheidung im Wortlaut:
Verwaltungsgericht Minden, 1 K 2109/11
Datum:
23.10.2012
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 2109/11
Tenor:
Es wird festgestellt, dass der Beklagte bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre vom 04.10.2012 verpflichtet war, dem Kläger auf seinen Antrag vom 14.04.2011 einen Bauvorbescheid zu erteilen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Kläger zu 1/2. Die andere Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Beklagte und die Beigeladene als Gesamtschuldner. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten tragen der Beklagte und der Kläger je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Beigeladene und der Kläger je zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2
Der Kläger begehrt einen positiven Bauvorbescheid für die Nutzungsänderung des Gebäudes mit der Lagebezeichnung C. Straße 9 in I. -T. . Die C. Straße, die in diesem Bereich als Landesstraße klassifiziert ist (L 545), verbindet die Nordumgehung der Stadt I1. (B 61/239) mit dem Kernort I. und im weiteren Verlauf mit der Bundesautobahn A 30. Das tägliche Verkehrsaufkommen wird mit 18.000 Fahrzeugen angegeben.
3
Das Vorhabengrundstück liegt an der Südseite der C. Straße westlich der Einmündung C. Fußweg/Untere Wiesenstraße. Bei dem C. Fußweg handelt es sich um eine in beiden Richtungen befahrbare Erschließungsanlage, an deren Westseite vier Wohngrundstücke liegen. Die gegenüberliegende Seite des C. Fußwegs verläuft entlang der rückwärtigen Grenze des Vorhabengrundstücks. In östlicher Richtung schließt sich entlang der C. Straße an das Vorhabengrundstück zunächst eine Nutzung der Hotelgastronomie und danach ein Autohaus an. Westlich der Einmündung C. G.--weg /V. X.-----straße ist die Südseite der C. Straße mit Wohnhäusern bebaut. Die Südseite der Unteren X.-----straße dient der Aufnahme von großflächigen gewerblichen Nutzungen.
4
Am 14.04.2011 beantragte der Kläger die Erteilung eines Bauvorbescheides zur Nutzungsänderung mit folgender Bezeichnung: "Erotik-Markt, Kinolandschaft, Gaststätten-, Bar-, Schankbetrieb, Dauer-Zimmervermietung". Ausweislich der beigefügten Objektbeschreibung vom 01.03.2011 soll im östlich gelegenen zweigeschossigen Gebäudeteil (ehemaliger Reifenhandel) im Erdgeschoß eine "Kinolandschaft" mit drei Kinosälen in einer Kapazität für jeweils 10 bis 12 Kunden entstehen. In dem mittleren - eingeschossigen - Gebäudeteil (ehemalige Discothek, nicht genehmigt) soll ein Erotikmarkt mit Videothek betrieben werden. Der westliche - zweigeschossige - Gebäudeteil ist für die Unterbringung einer Gastwirtschaft mit zwei Gasträumen vorgesehen. Die Wohnung im Obergeschoß mit insgesamt sechs Zimmern soll im Wege der Dauervermietung an selbständig und unabhängig arbeitende Prostituierte vermietet werden. Der Haupteingang ist an der rückwärtigen Gebäudeseite von dem vorhandenen Parkplatz mit etwa 40 Stellplätzen aus vorgesehen. Zur C. Straße ist lediglich ein Notausgang geplant. Die vorgesehenen Öffnungszeiten wurden für die Zeit von Montag bis Samstag mit 10.00 bis 24.00 Uhr (Erotik-Markt) und für die Bereiche Filmvorführung und Gaststätte wie folgt angegeben: Monat bis Donnerstag: 10.00 - 24.00 Uhr, Freitag und Samstag: 10.00 bis 4.00 Uhr und Sonntag von 12.00 bis 20.00 Uhr.
5
In einer Stellungnahme vom 14.06.2011 verweigerte die Beigeladene das gemeindliche Einvernehmen gem. § 36 Abs. 2 BauGB unter Hinweis auf eine von ihrem Prozessbevollmächtigten erstellte gutachterliche Stellungnahme.
6
Nach Anhörung lehnte der Beklagte die Bauvoranfrage durch Bescheid vom 10.08.2011 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt: Das Bauvorhaben sei in dem als Mischgebiet im Sinne von § 6 BauNVO einzustufenden Bereich bauplanungsrechtlich unzulässig. Zwar sei der als Erotik-Markt vorgesehene Betriebsteil, in dem nach der Betriebsbeschreibung erotische Artikel angeboten werden sollen, für sich genommen als Einzelhandelsbetrieb mit einer Fläche von etwa 100 qm zulässig. Das gelte jedoch nicht für den als Kinolandschaft vorgesehenen Bereich, in dem auf drei Säle verteilt bei einer Gesamtfläche von 160 qm von 10 bis 12 Besuchern je Einheit ausgegangen werde. Die Nutzung der ehemaligen Wohnung im Obergeschoß zur Ausübung der Prostitution sei nicht genehmigungsfähig, weil es sich um ein sogenanntes Wohnungsbordell bzw. um eine bordellartige Einrichtung handle, die als ein das Wohnen wesentlich störendes Gewerbe anzusehen sei. Da das Vorhaben als "Komplettangebot des Erotik-Gewerbes" beschrieben worden sei, müssten die einzelnen Betriebsbestandteile als Gesamtangebot berücksichtigt werden. Danach handle es sich um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte, die in einem Mischgebiet nicht zulässig sei.
7
Der Kläger hat am 12.09.2011 Klage erhoben, mit der er die Verpflichtung zur Erteilung des baurechtlichen Vorbescheides begehrt. Er trägt zur Begründung vor: Durch die Anordnung des Parkplatzes und des Eingangs von der Rückseite aus sei sichergestellt, dass die vorhandene Wohnnutzung nicht unzumutbar gestört werde. Der angrenzende Hotelbetrieb sei durch eine Mauer und einen davor liegenden Parkplatz abgegrenzt. Aus Diskretionsgründen sei ein durchgehender Sichtzaun zum C. G.--weg geplant, der die dort vorhandenen vier Wohnhäuser von dem Vorhabengelände komplett abschirme. Eine Störung der Nachbarn - etwa durch potentielle Kunden des Erotik-Betriebs oder der Prostituierten sei dadurch ausgeschlossen. Hinsichtlich der Prostitutionsausübung gehe der angefochtene Bescheid von unzutreffenden Maßstäben aus. Unabhängig von der Bezeichnung als bordellartiger Betrieb oder der Wohnungsprostitution sei das Vorhaben mischgebietsverträglich, weil es die Wohnnutzung nicht wesentlich störe. Die in früherer Zeit mit der Prostitutionsausübung verbundenen Begleiterscheinungen seien heutzutage bei dauerhaft an unabhängig arbeitende Prostituierte vermieteten Räumlichkeiten nicht mehr festzustellen.
8
In seiner Sitzung vom 10.09.2012 hat der Gemeindeentwicklungsausschuss der Beigeladenen beschlossen, den Bebauungsplan Nr. Su 4 "Gewerbegebiet an der Unteren X.-----straße " zu ändern. Zu den Grundstücken, die in den Geltungsbereich des Bebauungsplans einbezogen werden sollen, gehört auch das Vorhabengrundstück C. Straße 9. Zur Begründung ist in dem zu Grunde liegenden Gutachten unter der Überschrift "Planungsziel" ausgeführt:
9
Die Gemeinde I. beabsichtigt, das bislang unbeplante Dreieck zwischen Stadtgrenze, C. Straße und C. G.--weg in das Gewerbegebiet an der Unteren X.-----straße planerisch zu integrieren und als Gewerbegebiet auszuweisen. Gleichzeitig sollen im gesamten neuen Plangebiet zum einen jegliche Arten von Vergnügungsstätten, zum anderen aber auch Spielhallen sowie auch sexuelle Bedürfnisse orientierte Einrichtungen wie Sex-Shops, Peep-Shows, Striptease-Shows, etc. und Einrichtungen, die der Prostitutionsausübung dienen, ausgeschlossen werden, auch wenn sie aufgrund geringer Größe möglicherweise noch nicht als Vergnügungsstätten zu qualifizieren sind. Dies dient einer geordneten städtebaulichen Entwicklung des Gewerbestandorts "V. X.-----straße " und der Sicherung einer angemessenen Nutzungsstruktur an der südlichen Ortseinfahrt vor dem Hintergrund einer unmittelbar bevorstehenden baulich-gestalterischen und funktionalen Aufwertung im Zuge des letzten Bauabschnittes der Umgestaltung der Ortsdurchfahrt C. Straße."
10
In seiner Sitzung vom 04.10.2012 hat der Rat der Beigeladenen den Erlass einer Veränderungssperre beschlossen. Die Veröffentlichung des Bebauungsplanänderungsbeschlusses und die Bekanntmachung der Veränderungssperre sind durch Aushang an der Bekanntmachungstafel in dem Zeitraum vom 08.10.2012 bis zum 16.10.2012 erfolgt.
11
Der Kläger beantragt,
12
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 10.08.2011 zu verpflichten, dem Kläger den begehrten Vorbescheid für die beantragte Nutzungsänderung des Gebäudes C. Straße 9 in I. zu erteilen,
13
hilfsweise festzustellen, dass der Beklagte bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre verpflichtet war, dem Kläger einen positiven Vorbescheid für die beantragte Nutzungsänderung des Gebäudes C. Straße 9 in I. zu erteilen.
14
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
15
die Klage abzuweisen.
16
Die Beigeladene trägt ergänzend vor, die für unterschiedliche Nutzungen vorgesehenen Betriebsbestandteile seien als Einheit zu sehen, da sie über einen gemeinsamen Haupteingang zu erreichen seien. Der gesamte Betrieb sei deshalb als Vergnügungsstätte zu qualifizieren, die schon wegen der geplanten Kinolandschaft als kerngebietstypisch zu bezeichnen sei. Die Ausübung der Prostitution in den Räumen des Obergeschosses sei eine das Wohnen störende und deshalb im Mischgebiet unzulässige Tätigkeit.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
18
Entscheidungsgründe:
19
Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag als Verpflichtungsbegehren gem. § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
20
Dem Kläger steht der begehrte positive Bauvorbescheid nicht zu, weil der Verwirklichung des Änderungsvorhabens die vom Rat der Beigeladenen am 04.10.2012 beschlossene Veränderungssperre entgegensteht (§ 14 Abs. 1 BauGB). Gegen die formelle Wirksamkeit der Satzung, mit der die Veränderungssperre beschlossen worden ist, bestehen keine Bedenken. Insbesondere ist die Bekanntmachung durch Aushang an der Bekanntmachungstafel nicht zu beanstanden, da die beigeladene Gemeinde deutlich weniger als 35.000 Einwohner aufweist.
21
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.06.2012 - 2 A 2630/10 -.
22
Auch in materiell rechtlicher Hinsicht hält die Veränderungssperre einer Prüfung stand. Der gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 BauGB erforderliche Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans liegt vor. Der Gemeindeentwicklungsausschuss der Beigeladenen hat als zuständiges Organ in seiner Sitzung am 10.09.2012 die erste Änderung und Erweiterung des Bebauungsplanes Nr. Su 4 "Gewerbegebiet an der Unteren X.-----straße " beschlossen. Der Aufstellungsbeschluss ist zeitgleich mit der Veränderungssperre durch Aushang an der Bekanntmachungstafel in dem Zeitraum vom 08.10.2012 bis zum 16.10.2012 bekannt gemacht worden. Eine hinreichend konkrete Planungsabsicht ergibt sich aus dem im Tatbestand wiedergegebenen Planungsziel. Danach soll das bisher nicht überplante Dreieck zwischen Stadtgrenze, C. Straße und C. G.--weg , in das Gewerbegebiet an der Unteren X.-----straße eingebunden und als Gewerbegebiet ausgewiesen werden mit der Maßgabe, dass Vergnügungsstätten und auf sexuelle Bedürfnisse orientierte Einrichtungen ausgeschlossen werden. Ein hinreichend konkretes Planungsziel ist dadurch gegeben.
23
Der Hilfsantrag, mit dem der Kläger die Feststellung begehrt, dass der Beklagte bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre verpflichtet war, dem Kläger einen Vorbescheid für die beantragte Nutzungsänderung des Gebäudes C. Straße 9 in I. zu erteilen, ist zulässig und begründet.
24
Die Rechtsgrundlage für die begehrte Feststellung ergibt sich aus einer analogen Anwendung der in § 113 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 5 VwGO getroffenen Regelungen. Danach kann der Kläger nach Erledigung seines Verpflichtungsbegehrens durch Inkrafttreten der Veränderungssperre die begehrte Feststellung verlangen. Da sich das streitige Rechtsverhältnis erst erledigt hat, nachdem mit Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage primärer Rechtsschutz begehrt worden ist, ist der Kläger in Anlehnung an die Regelung in § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO berechtigt, das Klageverfahren mit dem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns fortzusetzen, um sich auf diese Weise die bisherigen Ergebnisse des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für den nachfolgenden Schadensersatzprozess vor dem Zivilgericht nutzbar zu machen.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 03.05.2010 - 7 A 2115/08 -
26
Dem Fortsetzungsfeststellungsbegehren fehlt auch nicht das notwendige Feststellungsinteresse, weil ein Ersatzanspruch in Ermangelung einer rechtswidrigen Amtshandlung oder Maßnahme offensichtlich nicht gegeben wäre. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag ist nur dann zu verneinen, wenn die Klage vor den Zivilgerichten offensichtlich aussichtslos ist. Dafür muss ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar sein, dass der behauptete zivilrechtliche Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt besteht. An die Qualifizierung der Aussichtslosigkeit sind hohe Anforderungen zu stellen, weil es letztlich Sache der Zivilgerichte ist, diesbezügliche Rechtsfragen zu beantworten.
27
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.10.2004 - 4 B 76/04 -
28
Unter diesem Gesichtspunkt mag durchaus zweifelhaft erscheinen, ob der geltend zu machende Schaden kausal bzw. zurechenbar auf ein Verhalten des Beklagten oder der Beigeladenen zurückgeführt werden kann. Insofern könnte der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens greifen. Es liegt nicht fern, dass die Beigeladene im Falle der Erteilung eines positiven Vorbescheides durch den Beklagten zeitnah vor Erteilung einer Baugenehmigung die nunmehr in Kraft gesetzte Veränderungssperre beschlossen hätte.
29
Vgl. BGH, Beschluss vom 19.03.2008 - III ZR 49/07 -; OVG NRW, Beschluss vom 01.09.2011 - 2 A 1335/10 -
30
Anders als in den Fällen der rückwirkenden Heilung formeller Satzungsmängel verbleiben hier aber Zweifel, welchen Verlauf das Verfahren genommen hätte. Insbesondere ist nicht mit der notwendigen Sicherheit abzuschätzen, welche Bedeutung die Medienberichterstattung und die Vorstöße einer Anliegerinitiative für die Einleitung des Verfahrens auf Erlass einer Veränderungssperre hatten. Dies schließt die Annahme aus, ein Ersatzanspruch bestehe mangels zurechenbarer rechtswidriger Amtshandlung offensichtlich nicht. Die Klärung ist den zuständigen Zivilgerichten vorbehalten.
31
Das Fortsetzungsfeststellungsbegehren ist auch begründet.
32
Rechtsgrundlage für die begehrte Entscheidung ist § 71 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW. Danach kann vor Einreichung des Bauantrags zu Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid beantragt werden. Er ist zu erteilen, wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen (§ 71 Abs. 2, 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW). Der Kläger hat am 14.04.2011 die Erteilung eines Bauvorbescheides zur Nutzungsänderung mit der Bezeichnung "Erotik-Markt, Kinolandschaft, Gaststätten-, Bar-, Schankbetrieb, Dauer-Zimmervermietung" beantragt. Nach der beigefügten Objektbeschreibung vom 01.03.2011 sowie den beigefügten Bauzeichnungen war das Vorhaben bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre planungsrechtlich zulässig.
33
Die Nutzungsänderung ist nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 6 BauNVO zu beurteilen ist, da sie in einem Bereich verwirklicht werden soll, der nicht überplant ist und der nach der maßgeblichen Umgebungsbebauung die Merkmale eines Mischgebiets erfüllt. In den Blick zu nehmen ist dabei die Bebauung auf der Südseite der C. Straße, die auf Grund ihrer Verkehrsbelastung als Landesstraße von dem nördlich angrenzenden Bereich deutlich getrennt ist. Die nähere Umgebung des Vorhabengrundstücks wird geprägt durch das östlich angrenzende Hotelgrundstück sowie das anschließende Autohaus, die auf der gegenüberliegenden Seite des C. Fußwegs bestehende Bebauung mit vier Wohnhäusern, die südlich der Unteren X.-----straße bestehende großflächige gewerbliche Nutzung und die nördlich der Unteren X.-----straße vorhandene Wohnnutzung. Damit dient das Gebiet dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören (§ 6 Abs. 1 BauNVO), mit der Folge, dass kerngebietstypische Vergnügungsstätten unzulässig, andere Vergnügungsstätten in den Teilen des Gebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt werden, allgemein zulässig sind (§ 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO) und sie außerhalb der durch gewerbliche Nutzungen geprägten Gebietsteile (§ 6 Abs. 3 BauNVO) ausnahmsweise zugelassen werden können.
34
Bei dem streitbefangenen Vorhaben handelt es sich nicht um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte. Die beschriebenen Einzelnutzungen - Erotik-Fachmarkt, Kinoräume, Gasträume, Prostitutionsausübung im Obergeschoss - fallen für sich genommen nicht unter dem Begriff der Vergnügungsstätte. Dieser ist in der Baunutzungsverordnung als Nutzungsart in verschiedenen Baugebieten genannt, aber nicht definiert. Die Aufzählung belegt, dass es sich um einen eigenständigen Nutzungstyp handelt, der von anderen Gewerbebetrieben zu unterscheiden ist. Dabei führt eine am Wortsinn ausgerichtete Auslegung nicht weiter, weil der Begriff "Vergnügen" zu unscharf ist. Eine hinreichende Klärung lässt sich nur auf der Grundlage einer historischen Auslegung gewinnen. Bereits die ursprüngliche Fassung der Baunutzungsverordnung von 1962 enthielt den Begriff der Vergnügungsstätte. Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BauNVO der insoweit unverändert gebliebenen Fassung waren Vergnügungsstätten nur in Kerngebieten zulässig. Der Grund für eine eigenständige Regelung dieser Art von Gewerbebetrieben lag in den damit typischerweise verbundenen städtebaulich relevanten Folgewirkungen wie Lärmbelästigungen, eines erhöhten Zu- und Abgangsverkehrs sowie einer Beeinträchtigung des Stadt- und Straßenbildes sowie der Gebietsqualität (sog. Trading-down-Effekt).
35
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 04.09.2008 - 4 BN 9/08 -
36
Unter Trading-down-Effekt wird die Entwertung einer Gebietsstruktur durch die Ansiedlung von Vergnügungsstätten und Rotlicht-Angeboten verstanden. Er entsteht durch die Konkurrenz zwischen Betrieben mit typischerweise geringem Investitionsbedarf und vergleichsweiser hoher Ertragsstärke (z. B. Spielhallen) und Betrieben mit deutlich höherem Investitionsbedarf und geringerer Ertragsstärke. Der Wettbewerb zwischen Konkurrenten mit unterschiedlicher wirtschaftlicher Potenz führt tendenziell zu einer Erhöhung der Immobilienpreise und damit zu einer Verdrängung von Gewerbebranchen mit schwächerer Finanzkraft.
37
Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.05.2005 - 8 C 10053/05. OVG -
38
Unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung werden von dem Begriff der Vergnügungsstätte unstreitig Diskotheken, Spielhallen, Nachtlokale und Varietés erfasst, während Einrichtungen für sportliche und kulturelle Zwecke nicht dazu zählen. Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution werden überwiegend als Gewerbebetriebe eigener Art und nicht als Vergnügungsstätten angesehen.
39
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.06.1995 - 4 B 137/95 -; VG Berlin, Urteil vom 06.05.2009 - 19 A 91.07 -
40
Demgegenüber stellen sog. Swinger-Clubs nach nahezu einheitlich vertretener Auffassung Vergnügungsstätten dar, weil hier in Abgrenzung zu den prostitutiven Einrichtungen das Gemeinschaftserlebnis im Vordergrund steht.
41
Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.11.2006 - 3 S 2377/06 - m. w. N.
42
Unter Zugrundelegung dieser Erkenntnisse können im vorliegenden Fall die Nutzungen als Erotik-Fachmarkt, als Gaststätte und zur Vermietung an Prostituierte nicht als vergnügungsstättentypisch angesehen werden. In Betracht kommt insofern allenfalls der für die Einrichtung von Kinoräumen vorgesehene Bereich, der in den Bauvorlagen als "Kinolandschaft" bezeichnet wird. Der Beklagte und die Beigeladene sind insoweit unter Hinweis auf eine Entscheidung des Verwaltungsgericht Arnsberg,
43
Urteil vom 17.06.2008 - 4 K 1364/07 -
44
der Auffassung, insoweit liege eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte vor. Dabei bleibt allerdings unberücksichtigt, dass dieser Einschätzung die Auffassung zu Grunde liegt, eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte sei bereits dann gegeben, wenn der für den großflächigen Einzelhandel geltende Grenzwert von 800 qm Verkaufsfläche überschritten sei.
45
So VG Arnsberg, Urteil vom 17.06.2008 - 4 K 1364/07 - juris, Rnr. 69
46
Dieser Maßstab erscheint nach Auffassung des erkennenden Gerichts ebenso wenig geeignet, wie die Zugrundelegung der für Spielhallen geltenden Grenze von 100 qm. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind als typisch für Kerngebiete diejenigen Vergnügungsstätten anzusehen, die als zentrale Dienstleistungsbetriebe auf dem Unterhaltungssektor einen größeren Einzugsbereich haben und für ein größeres und allgemeines Publikum erreichbar sein sollen.
47
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.02.1986 - 4 C 31.83 -; Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 23.98 -
48
Diese Grenze wird unstreitig überschritten bei Großkinos - insbesondere sog. Multiplex-Kinos. Darunter wird ein Kinokomplex mit mehreren unterschiedlich dimensionierten Sälen verstanden, die eine Sitzplatzkapazität zwischen 400 und 3000 aufweisen und über ergänzende gastronomische und andere dienstleistungsbezogene Nutzungen verfügen.
49
Bay.VGH, Beschluss vom 21.12.2001 - 15 ZS 01.2570 -; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11 Aufl. 2008, § 7, Rnr. 7.71 ff.
50
Demgegenüber erstreckt sich die im vorliegenden Fall vorgesehene "Kinolandschaft" ausweislich der vorgelegten Antragsunterlagen auf drei Räume mit den Ausmaßen von 40 qm, 30 qm und 12,5 qm, die nach der Betriebsbeschreibung für die Aufnahme von 10 bis 12 Kunden je Einheit vorgesehen sind. Diese relativ geringe Besucherzahl, die im Hinblick auf die Verbreitung des Internetzugangs einer realistischen Markteinschätzung entsprechen dürfte, schließt es nach Auffassung des erkennenden Gerichts aus, die Einrichtung im Hinblick auf ihre Ausstattung mit Kinoräumen als kerngebietstypische Vergnügungsstätte anzusehen.
51
Eine abweichende Bewertung ergibt sich auch nicht aus der Erkenntnis, dass das Vorhaben als Einheit zur Genehmigung gestellt worden ist. Bedenken gegen diesen Ansatz ergeben sich schon daraus, dass auf der weit überwiegenden Fläche (Erotik-Markt, Gasträume, Prostitution im Obergeschoss) keine vergnügungsstättentypischen Aktivitäten vorgesehen sind. Deshalb ist auch nicht eingängig, weshalb die Gesamtbetrachtung aller Räumlichkeiten die Annahme einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte rechtfertigen soll. Insbesondere kann nicht unterstellt werden, die unterschiedlichen Aktivitäten verstärkten sich bezüglich ihres Störpotentials dahingehend gegenseitig, dass sie das Ausmaß einer für einen größeren Einzugsbereich vorgesehenen Einrichtung erreichen. Vielmehr können die Nutzungsmöglichkeiten unabhängig voneinander wahrgenommen werden, wobei sie auch auf unterschiedliche Kundenwünsche zugeschnitten sind. Anders als bei sog. Swinger-Clubs handelt es sich nicht um eine Nutzung, bei der das Gemeinschaftserlebnis im Vordergrund steht.
52
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit scheitert auch nicht an der vorgesehenen Prostitutionsausübung. Zwar wird die Prostitutionsausübung in Mischgebieten auch in der Form der gewerblichen Zimmervermietung an unabhängig arbeitende Prostituierte herkömmlich als mit dem Wohnen unvereinbar angesehen.
53
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17.09.2009 - 7 A 2511/08 -; Beschluss vom 09.02.2010 - 10 A 471/09 -.
54
Zur Begründung werden zumeist die sog. milieubedingten Begleiterscheinungen aufgeführt, die vor allem aus der Schutzbedürftigkeit Minderjähriger, den unvermeidbaren Kontakten der Hausbewohner mit Prostituierten und deren Kunden, dem Klingeln von Kunden an falschen Wohnungstüren, den Äußerungen unzufriedener oder alkoholisierter Kunden bis zu gewalttätigen Begleiterscheinungen der Rotlichtszene hergeleitet werden.
55
Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.11.2005 - 10 S 3.05 -; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15.01.2004 - 8 B 11983/03 -
56
Andererseits ist anerkannt, dass sich in neuerer Zeit auch Formen der Prostitutionsausübung herausgebildet haben, die nicht zwangsläufig eine das Wohnen wesentlich störende Nutzung darstellen. Das wird insbesondere bei der sog. Wohnungsprostitution in Betracht gezogen.
57
Vgl. VG Berlin, Urteil vom 06.05.2009 - 19 A 91.07 -
58
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die in diesem Zusammenhang an sich gebotene typisierende Betrachtungsweise zumindest teilweise von einer überkommenen Einordnung ausgeht. Das Verwaltungsgericht Berlin hat insofern überzeugend dargelegt, dass eine derartige von einer sozialethischen Bewertung bestimmte Betrachtungsweise trotz Änderung der tatsächlichen Verhältnisse immer noch Platz greift. Obwohl es im öffentlichen Baurecht allein darauf ankomme, ob die vorgesehene Nutzung bodenrechtliche Spannungen verursache, würden sittliche Erwägungen durch die "Hintertür" eingeführt werden, beispielsweise in dem das Störpotential überhöht eingeschätzt oder das ungestörte Wohnen im Sinne eines "Unbehelligtbleibens von sittlichen Anmaßungen" mit baurechtlich unzulässigen Anforderungen befrachtet werde.
59
Die Vielfalt der Betriebsformen sexueller Dienstleistungen steht einer starren Typisierung entgegen. So wie es auch in anderen Bereichen baulicher Nutzung Betriebsformen gibt, die unterschiedliche Störpotentiale aufweisen (z. B. Speditionen), ist auch hier eine Einschränkung der typisierenden Betrachtungsweise geboten. In derartigen Fällen sind die konkreten Verhältnisse des Betriebs zu Grunde zu legen, auch wenn die Nutzung zu einer Branche gehört, bei der eine typisierende Einstufung hinsichtlich des Störungsgrades grundsätzlich gerechtfertigt ist.
60
Vgl. VG Berlin, Urteil vom 06.05.2009 - 19 A 91.07 -
61
So verhält es sich nach Auffassung des erkennenden Gerichts, wenn - wie hier - die Prostitutionsausübung durch Dauervermietung von Räumen an selbständig und unabhängig arbeitende Prostituierte unter einem Dach mit einem Erotik-Markt nebst Kino- und Gasträumen verbunden wird. Durch die Kombination mit entsprechend gemischtem Publikum wird eine einseitige Prägung der Nutzung im Sinne einer bordellartigen Einrichtung vermieden. Gleichzeitig lässt die Beschränkung auf eine Dauervermietung an selbständig und unabhängig arbeitende Prostituierte die Erwartung zu, dass dieses Gewerbe innerhalb der Grenzen des Prostitutionsgesetzes ausgeübt wird und dadurch einer negativen sozialethischen Bewertung nicht zugänglich ist.
62
Vgl. VG Berlin, Urteil vom 06.05.2009 - 19 A 91.07 - m. w. N.
63
Unter diesem Gesichtspunkt kann auch nicht ohne weiteres von einem Trading-down-Effekt ausgegangen werden. Vielmehr wird der Betreiber der Gesamtanlage im eigenen wirtschaftlichen Interesse darauf achten, dass die Nutzer der übrigen Betriebsteile (Sexshop, Kino, Gastronomie) durch die Prostitutionsausübung nicht verdrängt werden.
64
Bei der danach gebotenen Gesamtschau ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass das Vorhaben des Klägers mit der Wohnnutzung der näheren Umgebung vereinbar ist. Hier ist es so, dass die Kunden und Besucher gezielt zu dem Haupteingang auf der Rückseite des Gebäudes geleitet werden. Eine Belästigung der Nachbarn durch einen entsprechenden Suchverkehr ist - anders als bei einer eher versteckt stattfindenden Prostitutionsausübung - praktisch auszuschließen, weil sofort erkennbar ist, wo der Haupteingang zu finden ist. Es ist auch nicht zu erwarten, dass außerhalb des Gebäudes eine irgendwie geartete Anbahnung zwischen den Prostituierten und ihren Kunden stattfinden wird. Ein Zugangsverkehr zum Betriebsgrundstück ist vom C. G.--weg aus, an dem die Wohnhäuser liegen, nicht möglich. Vielmehr sind sämtliche Besucher darauf verwiesen, die Zufahrt und den Zugang von der östlichen Seite aus entlang der Hotelzufahrt zu nehmen. Insofern ist bei lebensnaher Betrachtungsweise davon auszugehen, dass die Kunden ihre Fahrzeuge auf dem rückwärtigen, durch einen Sichtschutz vom C. G.--weg abgetrennten Betriebsparkplatz abstellen und von dort ohne weiteres das Gebäude betreten. Der voraussehbare Zu- und Abgangsverkehr unterscheidet sich insoweit nicht von den üblichen Angeboten durch Sexshops und dergleichen, die in Mischgebieten anzutreffen sind. Bei der beabsichtigten Dauervermietung an unabhängig arbeitende Prostituierte kann auch nicht ohne weiteres unterstellt werden, hier werde in Wahrheit eine Einrichtung der Prostitution mit kriminellen Begleiterscheinungen vorbereitet.
65
Der begehrten Feststellung steht auch nicht entgegen, dass noch ungeklärt ist, ob die Nutzung der Anlage bzw. des Parkplatzes zu einer unzumutbaren Lärmbelästigung der Anlieger führt. Soweit der Kläger in der Betriebsbeschreibung Öffnungszeiten bis 24.00 Uhr (Erotik-Markt) bzw. bis 4.00 Uhr an Freitagen und Samstagen angegeben hat, fehlt es bisher an einer gutachterlichen Stellungnahme zu der Frage, ob die einschlägigen Grenzwerte eingehalten werden können. Die Immissionsschutzabteilung im Hause des Beklagten hat unter dem 27.04.2011 ausgeführt, aus der Sicht des Immissionsschutzes bestünden gegen das beantragte Vorhaben keine Bedenken. Hinsichtlich des geplanten Gaststätten-, Bar- und Schankbetriebs sei für die Beurteilung des Immissionsschutzes die örtliche Ordnungsbehörde zuständig. Der Beklagte hat daraufhin sowohl in der Anhörung als auch in dem angefochtenen Ablehnungsbescheid darauf hingewiesen, dass nicht nachgewiesen sei, ob die zulässigen Lärmwerte bei den vorgegebenen Öffnungszeiten eingehalten würden. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass die Öffnungszeiten noch keiner abschließenden Prüfung zugeführt worden sind, weil der Beklagte das Vorhaben bereits unter dem Gesichtspunkt der bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte für nicht genehmigungsfähig hielt. Dieser Gesichtspunkt wäre nach den Grundsätzen des sog. "stecken gebliebenen" Genehmigungsverfahrens im Rahmen einer Verpflichtung zur Neubescheidung zu berücksichtigen gewesen.
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Vgl. dazu: OVG NRW, Urteil vom 15.06.2012 - 2 A 2630/10 -, juris Rnr. 133 ff.
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Für den Erfolg des Feststellungsbegehrens reicht es aus, dass dem begehrten Vorbescheid keine rechtlichen Hindernisse entgegen standen, die nicht durch eine Nebenbestimmung ausräumbar waren.
68
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO ist hier nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht einschlägig. Nach Inkrafttreten der Veränderungssperre hatte der Kläger die Wahl, ob er deren Wirksamkeit mit dem Hauptantrag zur Entscheidung des Gerichts stellt oder ob er die Hauptsache für erledigt erklärt und sich nur auf die mit dem Hilfsantrag verfolgte Feststellung beschränkt. Da beide Begehren sich auf unterschiedliche Zeiträume beziehen,
69
vgl. OVG NRW, Urteil vom 03.05.2010 - 7 A 2115/08 -,
70
liegen abweichende Streitgegenstände vor, denen in wirtschaftlicher Hinsicht etwa gleiches Gewicht zukommt.
71
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 711 ZPO.
72
Rechtsmittelbelehrung:
73
Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Minden (Königswall 8, 32423 Minden oder Postfach 32 40, 32389 Minden) schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen - ERVVO VG/FG - vom 01.12.2010 (GV. NRW. S. 647) beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
74
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der ERVVO VG/FG einzureichen.
75
Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_m ... 21023.html
Kasharius grüßt
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Der Grund ist kein tatsächlicher sondern ein rechtlicher. Die Gründe nach denen die Berufung zuzulassen wäre ergeben sich aus folgenden Vorschriften:
§ 124a Verwaltungsgerichtsordnung (Auszug)
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.
§ 124 Verwaltungsgerichtordnung (Auszug)
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Gegen die Nichtzulassung kann der Betroffene binnen eines Monats ab Zugang der Entscheidung einen Antrag auf Zulassung der Berufung zu stellen; der Antrag ist innerhalb von zwei Monaten ab Zugang der Entscheidung zu begründen. Das Oberverwaltungsgericht prüft dann, ob das Verwaltungsgericht die Berufung im Sinne der Regelungen in § 124 Abs. 2 VwGO zu Recht nicht zugelassen hat. In den meiten Fällen wird die entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgericht vom OVG bestätigt. Im Laufe der Zeit hat sich eine umfassende Spruchpraxis zum Vorliegen der einzelnen Voraussetzungen entwickelt die dann durchgeprüft wird.
Soweit von mir
Kasharius grüßt herzlich
§ 124a Verwaltungsgerichtsordnung (Auszug)
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.
§ 124 Verwaltungsgerichtordnung (Auszug)
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Gegen die Nichtzulassung kann der Betroffene binnen eines Monats ab Zugang der Entscheidung einen Antrag auf Zulassung der Berufung zu stellen; der Antrag ist innerhalb von zwei Monaten ab Zugang der Entscheidung zu begründen. Das Oberverwaltungsgericht prüft dann, ob das Verwaltungsgericht die Berufung im Sinne der Regelungen in § 124 Abs. 2 VwGO zu Recht nicht zugelassen hat. In den meiten Fällen wird die entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgericht vom OVG bestätigt. Im Laufe der Zeit hat sich eine umfassende Spruchpraxis zum Vorliegen der einzelnen Voraussetzungen entwickelt die dann durchgeprüft wird.
Soweit von mir
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RE: Bau(planungs)recht als Mittel der Prostitutionskontrolle
Und hier mal wieder eine "ermutigende"
Entscheidung aus dem schönen Bayern.
Ein Betreiber wendet sich vergebens gegen eine beantragte Nutzungsänderung zum Btrieb eines Wohnungsbordells. Die Entscheidung dedr Behörde wurde für sofort vollziehbar erklärt d.h. Widerspruch und Klage haben keine aufschiebende Wirkung (vgl. § 80 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung). Daher wurde hier im Rahmen eines sog. § 80 Abs. 5 VwGO-Verfahrens entschieden. Die Vorschrift lautet:
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 bis 3 ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
Das Gericht weißt hier die Beschwerde gegen die als Beschluss ergangene Entscheidung der ersten Instanz zurück und weist darauf hin, daß das Vorhaben, da in einem Mischgebiet liegend, auch nicht genehmigungsfähig wäre.
Hier jetzt der Wortlaut der Entscheidung:
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München 2. Senat, Beschluss vom 17.10.2012, 2 CS 12.1835
§ 80 Abs 3 VwGO, § 80 Abs 5 VwGO, § 146 VwGO, Art 76 S 2 BauO BY
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers nach § 146 Abs. 1 VwGO hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben. Der Verwaltungsgerichtshof sieht nach einer in Eilverfahren wie diesem angemessenen summarischen Prüfung (vgl. BVerfG vom 24.2.2009 NVwZ 2009, 581) im Ergebnis keine Notwendigkeit für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der von dem Antragsteller erhobenen Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. Juli 2012 (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Anfechtungsklage wird aller Voraussicht nach erfolglos bleiben, weil der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist.
2
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO und ist nicht zu beanstanden. Der Sofortvollzug ist regelmäßig dann gerechtfertigt, wenn die Voraussetzung in einer Nutzungsuntersagung aller Voraussicht nach vorliegen. Es besteht ein öffentliches Interesse daran, dass die Genehmigungspflicht beachtet wird (vgl. BayVGH vom 7.7.2005 Az. 25 CS 05.1192 – juris; vom 16.5.2008 Az. 9 AS 07.3222 – juris; vom 2.11.2011 Az. 2 CS 11.1558 - juris). Die Antragsgegnerin hat mit Bescheid vom 18. Juli 2012 hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass nur durch die Anordnung des Sofortvollzugs der Anreiz, Nutzungsänderungen ohne baurechtliche Genehmigung auszuführen, vermieden werden kann. Gleichzeitig ging sie auch auf die möglicherweise fehlende Genehmigungsfähigkeit der derzeit ausgeübten Nutzung ein und begründete dies damit, dass sämtliche Unterformen der Prostitution in dem festgesetzten Mischgebiet in der N... Straße nicht genehmigungsfähig seien. Zudem verwies sie auch darauf, dass nur so der sonst so besorgende Anreiz vermieden werden könne, Nutzungsänderungen ohne baurechtliche Genehmigung auszuführen, und sich dadurch wirtschaftliche Vorteile gegenüber rechtstreuen Bürgern zu verschaffen, die dies entsprechend der gesetzlichen Regelung erst nach Erhalt der erforderlichen Genehmigung tun. Damit ist ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug einzelfallbezogen dargelegt. Eine darüber hinausgehende Begründung des Sofortvollzugs wäre nur dann erforderlich, wenn die Behörde den illegalen Zustand mit Wissen und Wollen über einen längeren Zeitraum geduldet hätte (vgl. BayVGH vom 2.11.2011 a.a.O.; Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand: März 2011, Art. 76 RdNr. 349), was hier aber nicht der Fall ist (s.u.). Insofern geht der Hinweis des Antragstellers, dass keine ordnungsrechtlich oder sicherheitsrechtlich relevanten Vorfälle im Umfeld des Anwesens N... Straße ... aufgetreten seien und weder Gefahr in Verzug noch ein sonstiges dringendes öffentliches Interesse am Sofortvollzug bestünde, fehl.
3
Soweit der Antragsteller auf die Entscheidung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Februar 1998 Az. 14 CS 88.00004 BayVBl 1989, 117 hingewiesen hat, kann daraus für die vorliegende Fallgestaltung nichts abgeleitet werden. Nach dieser Entscheidung darf eine Verwaltungsbehörde zur Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts nicht lediglich auf die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels in der Hauptsache abstellen. Wie dargelegt, hat die Antragsgegnerin dies im vorliegenden Fall jedoch nicht getan.
4
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Nutzungsuntersagung in der Regel gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen des Art. 76 Satz 2 BayBO vorliegen (vgl. BayVGH vom 5.10.2010 Az. 1 CS 10.1793 – juris m.w.N.; vom 2.11.2011 a.a.O.). Etwas anderes gilt u. a. nur dann, wenn der illegale Zustand von der Bauaufsichtsbehörde bereits über einen längeren Zeitraum mit deren Wissen und Wollen geduldet wird (vgl. BayVGH vom 21.10.1987 Az. 26 CS 87.01677 - juris; OVG Lüneburg vom 14.09.1984 Az. 6 B 77/84 - juris; Decker in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: März 2011, Art. 76 RdNr. 349 m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor.
5
Der Antragsteller trägt vor, dass in Absprache mit den Baubehörden seit 2005/2006 die Nutzung eines Teils der Räumlichkeiten des Anwesens N... Straße ... in Bamberg zum Zweck der Prostitution im weitesten Sinn erfolgt sei. Dies wird jedoch vom Antragsteller nicht näher belegt und von der Antragsgegnerin bestritten. Aus den dem Senat vorliegenden Akten ergibt sich nicht, dass die Antragsgegnerin keine Einwendungen gegen die Nutzung der Wohnung zum Zweck der Prostitution gehabt hätte. Gegen ein schutzwürdiges Vertrauen des Antragstellers spricht auch die von der Antragsgegnerin aufgestellte konträre Bauleitplanung. Für den fraglichen Bereich der N... Straße gilt der einfache Bebauungsplan „Einschränkung städtebaulich bedenklicher Nutzungen (Gast- und Vergnügungsstätten)“ vom 27. März 1998. Nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Antragsgegnerin wurde zum Zeitpunkt der Planaufstellung im Anwesen N... Straße ... eine Vergnügungsstätte (Nachtlokal) als Bestandsnutzung im Plan eingetragen. Diese Nutzung wurde im Erdgeschoss festgestellt. Daraus lässt sich zum einen schlussfolgern, dass weitere städtebaulich bedenkliche Nutzungen in diesem Anwesen der Antragsgegnerin nicht bekannt waren, und zum anderen spricht dies gegen ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in den dauerhaften Erhalt des baurechtlich illegalen Zustands.
6
3. Der Antragsteller ist der Auffassung, es überzeuge nicht, den rechtstreuen Bürger davor schützen zu müssen, dass rechtswidrig handelnde Bürger aus ihrem rechtswidrigen Tun Nutzungen ziehen könnten. Jedoch besteht unabhängig von der subjektiven Kenntnis eines einzelnen Bürgers von der Genehmigungssituation die Gefahr, dass die illegale Nutzung Vorbildwirkung hat. Insbesondere der Umstand, dass die Antragsgegnerin zeitgleich gegen eine Vielzahl von baurechtlich illegalen Nutzungen von Prostitution vorgegangen ist und Auslöser die Anzeige des Betreibers eines genehmigten Bordellbetriebs war, zeigt, dass die Gefahr der Vorbildwirkung und der Verfestigung baurechtswidriger Zustände gerade im vorliegenden Fall besteht.
7
4. Soweit der Antragsteller in seinen Schriftsätzen darauf Bezug nimmt, dass die Antragsgegnerin es unterlasse, gegen ein „Strandcafé“ vorzugehen, kann daraus keine Ermessensreduzierung bei der Antragsgegnerin abgeleitet werden. Das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) verbietet es vor allem, das Gesetz nur in einzelnen Fällen durchzusetzen und gegen andere vergleichbare baurechtswidrige Nutzungen ohne sachlichen Grund nicht einzuschreiten. Die Antragsgegnerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es diesbezüglich bereits am erforderlichen Vergleichspaar fehlt, und sich der Antragsteller nicht auf jedwede ungenehmigte Nutzung im Stadtgebiet berufen kann. Der Betrieb einer Schankwirtschaft am Flussufer ist von der Art der Nutzung nicht mit der Ausübung der Prostitution vergleichbar.
8
5. Der Antragsteller macht im Schriftsatz vom 5. Oktober 2012 schließlich geltend, dass im Anwesen N... Straße ... kein Bordell betrieben werde. Jedoch hat er bereits im Schriftsatz vom 27. August 2012 zugestanden, dass zumindest eine Nutzung „zum Zwecke der Prostitution im weitesten Sinne“ erfolge. Diese ist nicht genehmigt und wäre wohl in dem festgesetzten Mischgebiet nicht zulässig.
9
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, § 47 GKG.
http://www.gesetze-bayern.de/jportal/po ... focuspoint
Kasharius grüßt und ist zugleich für heute raus...

Ein Betreiber wendet sich vergebens gegen eine beantragte Nutzungsänderung zum Btrieb eines Wohnungsbordells. Die Entscheidung dedr Behörde wurde für sofort vollziehbar erklärt d.h. Widerspruch und Klage haben keine aufschiebende Wirkung (vgl. § 80 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung). Daher wurde hier im Rahmen eines sog. § 80 Abs. 5 VwGO-Verfahrens entschieden. Die Vorschrift lautet:
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 bis 3 ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
Das Gericht weißt hier die Beschwerde gegen die als Beschluss ergangene Entscheidung der ersten Instanz zurück und weist darauf hin, daß das Vorhaben, da in einem Mischgebiet liegend, auch nicht genehmigungsfähig wäre.
Hier jetzt der Wortlaut der Entscheidung:
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München 2. Senat, Beschluss vom 17.10.2012, 2 CS 12.1835
§ 80 Abs 3 VwGO, § 80 Abs 5 VwGO, § 146 VwGO, Art 76 S 2 BauO BY
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers nach § 146 Abs. 1 VwGO hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben. Der Verwaltungsgerichtshof sieht nach einer in Eilverfahren wie diesem angemessenen summarischen Prüfung (vgl. BVerfG vom 24.2.2009 NVwZ 2009, 581) im Ergebnis keine Notwendigkeit für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der von dem Antragsteller erhobenen Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. Juli 2012 (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Anfechtungsklage wird aller Voraussicht nach erfolglos bleiben, weil der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist.
2
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO und ist nicht zu beanstanden. Der Sofortvollzug ist regelmäßig dann gerechtfertigt, wenn die Voraussetzung in einer Nutzungsuntersagung aller Voraussicht nach vorliegen. Es besteht ein öffentliches Interesse daran, dass die Genehmigungspflicht beachtet wird (vgl. BayVGH vom 7.7.2005 Az. 25 CS 05.1192 – juris; vom 16.5.2008 Az. 9 AS 07.3222 – juris; vom 2.11.2011 Az. 2 CS 11.1558 - juris). Die Antragsgegnerin hat mit Bescheid vom 18. Juli 2012 hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass nur durch die Anordnung des Sofortvollzugs der Anreiz, Nutzungsänderungen ohne baurechtliche Genehmigung auszuführen, vermieden werden kann. Gleichzeitig ging sie auch auf die möglicherweise fehlende Genehmigungsfähigkeit der derzeit ausgeübten Nutzung ein und begründete dies damit, dass sämtliche Unterformen der Prostitution in dem festgesetzten Mischgebiet in der N... Straße nicht genehmigungsfähig seien. Zudem verwies sie auch darauf, dass nur so der sonst so besorgende Anreiz vermieden werden könne, Nutzungsänderungen ohne baurechtliche Genehmigung auszuführen, und sich dadurch wirtschaftliche Vorteile gegenüber rechtstreuen Bürgern zu verschaffen, die dies entsprechend der gesetzlichen Regelung erst nach Erhalt der erforderlichen Genehmigung tun. Damit ist ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug einzelfallbezogen dargelegt. Eine darüber hinausgehende Begründung des Sofortvollzugs wäre nur dann erforderlich, wenn die Behörde den illegalen Zustand mit Wissen und Wollen über einen längeren Zeitraum geduldet hätte (vgl. BayVGH vom 2.11.2011 a.a.O.; Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand: März 2011, Art. 76 RdNr. 349), was hier aber nicht der Fall ist (s.u.). Insofern geht der Hinweis des Antragstellers, dass keine ordnungsrechtlich oder sicherheitsrechtlich relevanten Vorfälle im Umfeld des Anwesens N... Straße ... aufgetreten seien und weder Gefahr in Verzug noch ein sonstiges dringendes öffentliches Interesse am Sofortvollzug bestünde, fehl.
3
Soweit der Antragsteller auf die Entscheidung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Februar 1998 Az. 14 CS 88.00004 BayVBl 1989, 117 hingewiesen hat, kann daraus für die vorliegende Fallgestaltung nichts abgeleitet werden. Nach dieser Entscheidung darf eine Verwaltungsbehörde zur Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts nicht lediglich auf die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels in der Hauptsache abstellen. Wie dargelegt, hat die Antragsgegnerin dies im vorliegenden Fall jedoch nicht getan.
4
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Nutzungsuntersagung in der Regel gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen des Art. 76 Satz 2 BayBO vorliegen (vgl. BayVGH vom 5.10.2010 Az. 1 CS 10.1793 – juris m.w.N.; vom 2.11.2011 a.a.O.). Etwas anderes gilt u. a. nur dann, wenn der illegale Zustand von der Bauaufsichtsbehörde bereits über einen längeren Zeitraum mit deren Wissen und Wollen geduldet wird (vgl. BayVGH vom 21.10.1987 Az. 26 CS 87.01677 - juris; OVG Lüneburg vom 14.09.1984 Az. 6 B 77/84 - juris; Decker in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: März 2011, Art. 76 RdNr. 349 m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor.
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Der Antragsteller trägt vor, dass in Absprache mit den Baubehörden seit 2005/2006 die Nutzung eines Teils der Räumlichkeiten des Anwesens N... Straße ... in Bamberg zum Zweck der Prostitution im weitesten Sinn erfolgt sei. Dies wird jedoch vom Antragsteller nicht näher belegt und von der Antragsgegnerin bestritten. Aus den dem Senat vorliegenden Akten ergibt sich nicht, dass die Antragsgegnerin keine Einwendungen gegen die Nutzung der Wohnung zum Zweck der Prostitution gehabt hätte. Gegen ein schutzwürdiges Vertrauen des Antragstellers spricht auch die von der Antragsgegnerin aufgestellte konträre Bauleitplanung. Für den fraglichen Bereich der N... Straße gilt der einfache Bebauungsplan „Einschränkung städtebaulich bedenklicher Nutzungen (Gast- und Vergnügungsstätten)“ vom 27. März 1998. Nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Antragsgegnerin wurde zum Zeitpunkt der Planaufstellung im Anwesen N... Straße ... eine Vergnügungsstätte (Nachtlokal) als Bestandsnutzung im Plan eingetragen. Diese Nutzung wurde im Erdgeschoss festgestellt. Daraus lässt sich zum einen schlussfolgern, dass weitere städtebaulich bedenkliche Nutzungen in diesem Anwesen der Antragsgegnerin nicht bekannt waren, und zum anderen spricht dies gegen ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in den dauerhaften Erhalt des baurechtlich illegalen Zustands.
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3. Der Antragsteller ist der Auffassung, es überzeuge nicht, den rechtstreuen Bürger davor schützen zu müssen, dass rechtswidrig handelnde Bürger aus ihrem rechtswidrigen Tun Nutzungen ziehen könnten. Jedoch besteht unabhängig von der subjektiven Kenntnis eines einzelnen Bürgers von der Genehmigungssituation die Gefahr, dass die illegale Nutzung Vorbildwirkung hat. Insbesondere der Umstand, dass die Antragsgegnerin zeitgleich gegen eine Vielzahl von baurechtlich illegalen Nutzungen von Prostitution vorgegangen ist und Auslöser die Anzeige des Betreibers eines genehmigten Bordellbetriebs war, zeigt, dass die Gefahr der Vorbildwirkung und der Verfestigung baurechtswidriger Zustände gerade im vorliegenden Fall besteht.
7
4. Soweit der Antragsteller in seinen Schriftsätzen darauf Bezug nimmt, dass die Antragsgegnerin es unterlasse, gegen ein „Strandcafé“ vorzugehen, kann daraus keine Ermessensreduzierung bei der Antragsgegnerin abgeleitet werden. Das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) verbietet es vor allem, das Gesetz nur in einzelnen Fällen durchzusetzen und gegen andere vergleichbare baurechtswidrige Nutzungen ohne sachlichen Grund nicht einzuschreiten. Die Antragsgegnerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es diesbezüglich bereits am erforderlichen Vergleichspaar fehlt, und sich der Antragsteller nicht auf jedwede ungenehmigte Nutzung im Stadtgebiet berufen kann. Der Betrieb einer Schankwirtschaft am Flussufer ist von der Art der Nutzung nicht mit der Ausübung der Prostitution vergleichbar.
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5. Der Antragsteller macht im Schriftsatz vom 5. Oktober 2012 schließlich geltend, dass im Anwesen N... Straße ... kein Bordell betrieben werde. Jedoch hat er bereits im Schriftsatz vom 27. August 2012 zugestanden, dass zumindest eine Nutzung „zum Zwecke der Prostitution im weitesten Sinne“ erfolge. Diese ist nicht genehmigt und wäre wohl in dem festgesetzten Mischgebiet nicht zulässig.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, § 47 GKG.
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RE: Bau(planungs)recht als Mittel der Prostitutionskontrolle
Stadt: Kampf gegen illegale Bordelle dauert oft Jahre
Die Polizei spricht von „Grauzone“: In manchen Sex-Adressen in der Stadt ist der Übergang zwischen legaler Wohnungsprostitution und einem Bordell fließend.
Stuttgart - Tut die Stadt zu wenig gegen illegale Sex-Betriebe? Kirsten Rickes sagt Nein. „Der Vorwurf der Untätigkeit ist nicht richtig“, sagt die Leiterin des Baurechtsamts. Der Kampf sei allerdings „oft mühsam“ und dauere, mit allen Fristen und Gerichtsterminen, teilweise „jahrelang “.
Auch Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) sieht das ihm unterstellte Baurechtsamt in der Offensive: „Seit einigen Jahren verschlimmert sich die Situation in Stuttgart vor allem im Bereich der Straßenprostitution erheblich, mit neuen Tätern und neuen Opfern, vor allem aus Osteuropa“, sagt Hahn. In diesem Kontext müsse auch „jeder illegale Bordellbetreiber damit rechnen, dass wir gegen ihn tätig werden.“
Mit ihren Statements reagieren Hahn und Rickes auf die Vorwürfe von zwei Bordellunternehmer aus dem Leonhardsviertel. In einem Schreiben an OB Fritz Kuhn (Grüne) und die Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat hatten die Betreiber der Stadt vorgeworfen, die verwaltungsrechtlich mögliche Eindämmung nicht genehmigter Prostitutionsbetriebe „seit Jahrzehnten unterlassen“ zu haben. Nur wenige Rotlichtadressen – zu denen auch ihre drei Bordelle zählten – seien schon vor 1985 betrieben worden und würden daher Bestandsschutz genießen, argumentieren die Betreiber. Tatsächlich gebe es aber derzeit in der Innenstadt 150 weitere Adressen, wo Sex gegen Geld verkauft werde – ohne dass die Stadt einschreite.
Bis heute keine rechtskräftigen Urteile
„Bei vielen solcher Betriebe laufen Anhörungen oder bereits mehrfache Nutzungsuntersagungen“, wendet Rickes ein. Das bedeute allerdings nur in Ausnahmefällen die sofortige Schließung eines Betriebs. „Die Betreiber solcher Etablissements verdienen mehr Geld, indem sie die Geschäfte einfach weiterlaufen lassen, als dass sie durch unsere Zwangsgelder verlieren“, fasst Rickes ein gängiges Geschäftsmodell der Sex-Branche zusammen. Bei Monatsmieten für ein Bordell von 3000 bis 60.000 Euro schrecken auch höhere Strafen nur bedingt ab.
In zwei Häusern in der Leonhardsstraße l hat die Polizei zum Beispiel schon 1998 beziehungsweise 2000/2002 erstmals Prostituierte angetroffen. Trotzdem dauerte es bis Sommer 2012, ehe die Stadt die Prozesse gegen den Hauseigentümer vor dem Verwaltungsgericht gewinnen konnte. Rechtskräftig sind die Urteile bis heute nicht. Auch auf dem zivilrechtlichen Weg dauert es nachweislich Jahre, ehe die Stadt ein Haus schließen kann, sofern sich Eigentümer oder Betreiber nur hartnäckig genug wehren.
Kritik an Grauzone
Im Bereich der Wohnungsprostitution, wo in Stuttgart derzeit 113 Adressen der Polizei bekannt sind, sei es für ihr Amt noch schwieriger, Einblicke zu bekommen, sagt Rickes: „Da ist bereits die Recherche schwierig.“ In ihrem Brief an OB Kuhn haben die zwei Bordellbetreiber eine lange Liste mit Adressen aufgeführt, wo es ihrer Ansicht nach illegale Bordelle gibt, getarnt als legale Wohnungsprostitution. Ein ähnliches Bild zeichnet die Polizei. „Wir gehen davon aus, dass von den 113 Adressen der Wohnungsprostitution, die uns bekannt sind, 95 Prozent rechtlich unzulässig sind“, sagt Wolfgang Hohmann, Leiter des Fachdiensts Prostitution bei der Stuttgarter Polizei. Illegal deshalb, weil es sich nicht um Privatwohnungen handelt, in denen einzelne Prostituierte dauerhaft arbeiten, sondern um Häuser, die nicht selten über alle Etagen hinweg als professionelles Bordell betrieben werden.
„Mit dieser Grauzone lebt die Stadt bereits viele Jahre“, kritisiert Hohmann. Aus seiner Sicht ist bei der Frage, wie die Prostitution künftig geregelt wird, ein „Neustart“ nötig, an dem sich alle relevanten Behörden und die Polizei beteiligen. Bürgermeister Hahn sieht auch die Politik gefordert: In zwei oder drei Jahren werde der neue Bebauungsplan für die Stadtmitte verabschiedet. Dann müssten die Stadträte eindeutig entscheiden, wie viel Prostitution dort künftig zulässig ist. „Diese Uhr tickt“, sagt Hahn.
http://www.stuttgarter-nachrichten.de/i ... 2a8a1.html
Die Polizei spricht von „Grauzone“: In manchen Sex-Adressen in der Stadt ist der Übergang zwischen legaler Wohnungsprostitution und einem Bordell fließend.
Stuttgart - Tut die Stadt zu wenig gegen illegale Sex-Betriebe? Kirsten Rickes sagt Nein. „Der Vorwurf der Untätigkeit ist nicht richtig“, sagt die Leiterin des Baurechtsamts. Der Kampf sei allerdings „oft mühsam“ und dauere, mit allen Fristen und Gerichtsterminen, teilweise „jahrelang “.
Auch Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) sieht das ihm unterstellte Baurechtsamt in der Offensive: „Seit einigen Jahren verschlimmert sich die Situation in Stuttgart vor allem im Bereich der Straßenprostitution erheblich, mit neuen Tätern und neuen Opfern, vor allem aus Osteuropa“, sagt Hahn. In diesem Kontext müsse auch „jeder illegale Bordellbetreiber damit rechnen, dass wir gegen ihn tätig werden.“
Mit ihren Statements reagieren Hahn und Rickes auf die Vorwürfe von zwei Bordellunternehmer aus dem Leonhardsviertel. In einem Schreiben an OB Fritz Kuhn (Grüne) und die Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat hatten die Betreiber der Stadt vorgeworfen, die verwaltungsrechtlich mögliche Eindämmung nicht genehmigter Prostitutionsbetriebe „seit Jahrzehnten unterlassen“ zu haben. Nur wenige Rotlichtadressen – zu denen auch ihre drei Bordelle zählten – seien schon vor 1985 betrieben worden und würden daher Bestandsschutz genießen, argumentieren die Betreiber. Tatsächlich gebe es aber derzeit in der Innenstadt 150 weitere Adressen, wo Sex gegen Geld verkauft werde – ohne dass die Stadt einschreite.
Bis heute keine rechtskräftigen Urteile
„Bei vielen solcher Betriebe laufen Anhörungen oder bereits mehrfache Nutzungsuntersagungen“, wendet Rickes ein. Das bedeute allerdings nur in Ausnahmefällen die sofortige Schließung eines Betriebs. „Die Betreiber solcher Etablissements verdienen mehr Geld, indem sie die Geschäfte einfach weiterlaufen lassen, als dass sie durch unsere Zwangsgelder verlieren“, fasst Rickes ein gängiges Geschäftsmodell der Sex-Branche zusammen. Bei Monatsmieten für ein Bordell von 3000 bis 60.000 Euro schrecken auch höhere Strafen nur bedingt ab.
In zwei Häusern in der Leonhardsstraße l hat die Polizei zum Beispiel schon 1998 beziehungsweise 2000/2002 erstmals Prostituierte angetroffen. Trotzdem dauerte es bis Sommer 2012, ehe die Stadt die Prozesse gegen den Hauseigentümer vor dem Verwaltungsgericht gewinnen konnte. Rechtskräftig sind die Urteile bis heute nicht. Auch auf dem zivilrechtlichen Weg dauert es nachweislich Jahre, ehe die Stadt ein Haus schließen kann, sofern sich Eigentümer oder Betreiber nur hartnäckig genug wehren.
Kritik an Grauzone
Im Bereich der Wohnungsprostitution, wo in Stuttgart derzeit 113 Adressen der Polizei bekannt sind, sei es für ihr Amt noch schwieriger, Einblicke zu bekommen, sagt Rickes: „Da ist bereits die Recherche schwierig.“ In ihrem Brief an OB Kuhn haben die zwei Bordellbetreiber eine lange Liste mit Adressen aufgeführt, wo es ihrer Ansicht nach illegale Bordelle gibt, getarnt als legale Wohnungsprostitution. Ein ähnliches Bild zeichnet die Polizei. „Wir gehen davon aus, dass von den 113 Adressen der Wohnungsprostitution, die uns bekannt sind, 95 Prozent rechtlich unzulässig sind“, sagt Wolfgang Hohmann, Leiter des Fachdiensts Prostitution bei der Stuttgarter Polizei. Illegal deshalb, weil es sich nicht um Privatwohnungen handelt, in denen einzelne Prostituierte dauerhaft arbeiten, sondern um Häuser, die nicht selten über alle Etagen hinweg als professionelles Bordell betrieben werden.
„Mit dieser Grauzone lebt die Stadt bereits viele Jahre“, kritisiert Hohmann. Aus seiner Sicht ist bei der Frage, wie die Prostitution künftig geregelt wird, ein „Neustart“ nötig, an dem sich alle relevanten Behörden und die Polizei beteiligen. Bürgermeister Hahn sieht auch die Politik gefordert: In zwei oder drei Jahren werde der neue Bebauungsplan für die Stadtmitte verabschiedet. Dann müssten die Stadträte eindeutig entscheiden, wie viel Prostitution dort künftig zulässig ist. „Diese Uhr tickt“, sagt Hahn.
http://www.stuttgarter-nachrichten.de/i ... 2a8a1.html
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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Fakten und Infos über Prostitution
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RE: Bau(planungs)recht als Mittel der Prostitutionskontrolle
Eine auch nicht uninteressante Entscheidung von Mitte letzten Jahres aus Rheinland-Pfalz.
Die Antragstellerin wollte einen erotischen Massagesalon eröffnen und begehrte mit Ihrem Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Nutzungsuntersagung der zuständigen Behörde; diese wurde nach § 80 Abs. 2 für sofort vollziehbar erklärt.
Die Antragstellerin blieb leider Erfolglos. Die prostitutionsähnliche (!?) Massage sei in einem Wohngebiet ausgeschlossen. Das Gericht wendet hier die schon bekannte typisierende Betrachtungsweise an und untersucht nicht den konkreten Einzelfall.
Hier nun die Entscheidung im Wortlaut:
Verwaltungsgericht Neustadt/Wstr.
Beschluss vom 04.07.2012 - Az.: 3 L 571/12.NW
Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstrasse
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
der A.,
- Antragstellerin -
gegen
die Stadt Ludwigshafen am Rhein, vertreten durch die Oberbürgermeisterin, Rathausplatz 20, 67059 Ludwigshafen,
- Antragsgegnerin -
wegen Nutzungsänderung
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund der Beratung vom 4. Juli 2012, an der teilgenommen haben
Vizepräsidentin des Verwaltungsgerichts Seiler-Dürr
Richterin am Verwaltungsgericht Meyer
Richter am Verwaltungsgericht Kintz
beschlossen:
Die Anträge werden abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 6 035,16- € festgesetzt.
Gründe
Die Anträge der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes können keinen Erfolg haben.
Die gestellten Anträge, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Juni 2012 (1.) sowie den Kostenfestsetzungsbescheid vom 21. Juni 2012 (2.) im Rahmen eines Eilverfahrens aufzuheben, bedürfen einer Auslegung nach § 88 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –.
Die Antragstellerin hat zwar ausdrücklich die Aufhebung der genannten Bescheide im Ganzen beantragt. Ihrer Antragsbegründung ist aber zu entnehmen, dass sie sich in diesem Eilverfahren gegen die unter Nr. 2 des Bescheids vom 20. Juni 2012 ausgesprochene Nutzungsuntersagung und den Kostenfestsetzungsbescheid vom 21. Juni 2012 wehren will. Eine Aufhebung dieser Bescheide kann sie nicht mit Erfolg im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO erreichen. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Wenn durch eine einstweilige Anordnung aber die Hauptsache teilweise vorweggenommen würde, kommt sie nur in Betracht, wenn es für die Antragstellerin schlechthin unzumutbar ist, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung muss also für die Antragstellerin besonders dringlich sein. Von einer solchen besonderen Dringlichkeit ist nur dann auszugehen, wenn der Antragstellerin schwerwiegende Nachteile (z. B. Existenzbedrohung) drohen würden, die ihr nicht zuzumuten sind. Allein die Aufhebung der Ablehnung der Baugenehmigung, der Nutzungsuntersagung und des Kostenfestsetzungsbescheids stellt sich aber nicht als in diesem Sinne dringlich dar.
1. Der Antrag der Antragstellerin auf Aufhebung des Bescheids vom 20. Juni 2012 ist mit Rücksicht auf die Antragsbegründung dahingehend auszulegen, dass die Antragstellerin begehrt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 25. Juni 2012 (Eingangsbestätigung der Antragsgegnerin vom 2. Juli 2012) gegen die Nr. 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 20. Juni 2012 gemäß
§ 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen. Dieser zulässige Antrag ist aber unbegründet.
Im vorliegenden Fall ergibt die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche und gebotene überschlägige Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die ergangene Nutzungsuntersagungsverfügung offensichtlich rechtmäßig ist, so dass dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung dieser Verfügung der Vorrang vor dem Wunsch der Antragstellerin gebührt, einstweilen noch vom Vollzug verschont zu bleiben.
Die Antragsgegnerin kann nach § 81 Landesbauordnung für Rheinland-Pfalz – LBauO – unter anderem die Nutzung von baulichen Anlagen, die gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Nutzungsänderung verstoßen, untersagen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Diese Voraussetzungen für eine Nutzungsuntersagung liegen hier vor.
Die Nutzung der Wohnung der Antragstellerin in dem Wohngebäude B…straße als nichtmedizinischer Massagesalon, die im Verhältnis zur genehmigten Wohnnutzung eine Nutzungsänderung darstellt, ist bauaufsichtlich nicht genehmigt. Denn mit Nr. 1 des angefochtenen Bescheids vom 20. Juni 2012 hat die Antragsgegnerin den Bauantrag der Antragstellerin auf Genehmigung eines nichtmedizinischen Massagesalons abgelehnt, nachdem der ursprünglich gestellt gewesene Antrag auf Genehmigung eines SM-Studios zurückgenommen worden war. Die mittlerweile auch aufgenommene Nutzung verstößt damit gegen die formell-rechtliche Vorschrift des § 61 LBauO über den Genehmigungsvorbehalt, was in aller Regel zum Erlass einer Nutzungsuntersagung nach § 81 Satz 1 LBauO berechtigt (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 9. Februar 2007 – 8 B 10019/07 –, juris, Rn. 10). Denn diese Nutzungsänderung ist nicht nach § 62 Abs. 2 Nr. 5 a) LBauO ausnahmsweise genehmigungsfrei, weil für die gewerbliche Nutzung von Räumen andere baurechtliche Anforderungen als für die Nutzung zu Wohnzwecken gelten.
Die Antragsgegnerin hat das ihr damit eröffnete Ermessen zum Erlass einer Verfügung, gegen die gewerbliche Nutzung der Wohnung der Antragstellerin vorzugehen, in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Es sind keine Ermessensfehler erkennbar.
Vorliegend ist aber zudem zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin die Nutzungsuntersagungsverfügung vom 20. Juni 2012 nicht allein mit der formellen Illegalität der Nutzung begründet, sondern auch auf die materielle Baurechtswidrigkeit abgestellt hat. Insoweit kommt es bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung ebenfalls auf die materielle Rechtslage an (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 1. September 2003 – 8 B 11389/03.OVG –).
Die hier zur Genehmigung gestellte, aber bereits am 15. Mai 2012 aufgenommene (siehe Ergebnis der Überprüfung der Wohnung durch Bedienstete der Antragsgegnerin am 5. Juni 2012) Nutzung der Räume zu Zwecken der nichtmedizinischen Massage steht nicht mit dem materiellen Baurecht, und zwar dem Bauplanungsrecht in Einklang. Sie ist nicht offensichtlich baugenehmigungsfähig, weil es sich zumindest um eine prostitutionsähnliche Nutzung der Räumlichkeiten handelt, die in einem allgemeinen Wohngebiet unzulässig ist.
Bei der von der Antragstellerin zur Genehmigung gestellten und mittlerweile aufgenommenen Nutzung der Wohnung als nichtmedizinischer Massagesalon namens A. und aufgrund der Ermittlungen der Antragsgegnerin im Internet zu dem Betrieb A. handelt es sich, wenn nicht sogar schon um Prostitution, so aber jedenfalls um eine prostitutionsähnliche Nutzung, d. h. in Anlehnung an die Legaldefinition des § 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten – ProstG – um die Vornahme sexueller Dienstleistungen unter Einbeziehung des eigenen Körpers zur Befriedigung sexueller Bedürfnisse anderer gegen Entgelt. „Handelsware” ist nicht die Person selbst, auch nicht ihr Körper, sondern eine Dienstleistung (VG Berlin, Urteil vom 1. Dezember 2000
– 35 A 570/99 –, NJW 2001, 983 [986]).
Die Qualifizierung als Prostitution, zumindest aber als prostitutionsähnliches Gewerbe trifft auf den hier betriebenen Massagesalon unabhängig von dem ihm gegebenen und auf der Hausklingel stehenden Namen zu, weil die angebotenen „erotischen Ganzkörper-Entspannungsmassagen“ auch der geschlechtlichen Erregung und Befriedigung dienen. Dies folgt aus der in der Internetanzeige am
15. Mai 2012 unter anderem angebotenen „sinnliche(n) und erotische(n) Tantra-Massage“. Denn zur Tantramassage wird auf der Internetseite www........ unter anderem ausgeführt: „Der Intimbereich wird bei der Tantramassage auf harmonische und natürliche Art ebenso einbezogen. Ein genitaler oder oraler Geschlechtsverkehr findet nicht statt. Bei der Tantramassage wird die orgasmische Energie des Klienten von Beginn an geweckt, erhalten und in den ganzen Körper gebracht.“ Weiter heißt es auf dieser Internetseite unter dem Oberbegriff „Ganzheitlichkeit“: „Jede Folge davon, sei es Atem, Stimme oder Bewegung, sei es Ejakulation oder aufsteigende Erschütterung, Tränen…bis hin zur lustvoll-mystischen Erfahrung oder einfach nur ein schlichter Orgasmus – alles ist willkommen und in Ordnung.“ Somit kann bereits aufgrund dieser Beschreibung der Tantramassagen kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass in der im Eigentum der Antragstellerin stehenden und von dieser vermieteten Wohnung zumindest ein prostitutionsähnliches Gewerbe im Sinne des § 1 ProstG unter der Bezeichnung nichtmedizinischer Massagesalon ausgeübt wird. Ungeachtet der den eigentlichen Betriebscharakter verschleiernden Bezeichnung als nichtmedizinischer Massagesalon folgt dies des Weiteren aus der spezifischen Form der hierfür betriebenen Internetwerbung, bei der eine leicht bekleidete Frau in entsprechender Pose im Kontext mit Werbung für sexuelle Dienstleistungen anderer Anbieter ihre Dienstleistungen (z.B. eine Body to Body-Massage, eine Intim-Massage und eine Nuru-Massage) anbietet und dabei ihre körperlichen Vorzüge anpreist.
Die Antragsgegnerin hat die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit dieser zumindest prostitutionsähnlichen Nutzung der Eigentumswohnung der Antragstellerin zu Recht verneint. Das Gebäude B.straße liegt nach ihren Feststellungen in einem nach § 34 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) i. V. m. § 4 Baunutzungsverordnung (BauNVO) zu beurteilenden faktischen allgemeinen Wohngebiet. Dieser Charakterisierung der näheren Umgebung ist die Antragstellerin nicht entgegengetreten. Das Gericht hat somit keine Veranlassung an der Richtigkeit der vorgenommenen Einstufung des Baugebiets als allgemeines Wohngebiet zu zweifeln.
Die jedenfalls prostitutionsähnliche Nutzung der Eigentumswohnung der Antragstellerin ist als gewerbliche Tätigkeit in Wohngebieten aber weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Januar 2004 – 8 B 11983/03.OVG –; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Juli 2002 – 5 S 149/01 –, juris), weil sie mit Störungen einhergeht, die mit dem Charakter eines Baugebiets als allgemeines Wohngebiet nicht vereinbar sind. Im allgemeinen Wohngebiet soll in erster Linie störungsfreies Wohnen gewährleistet sein. In einer solchen Umgebung besteht schon generell die Gefahr, dass durch eine gewerbliche Nutzung, insbesondere in der Form der Ausübung der Prostitution oder eines prostitutionsähnlichen Gewerbes, bodenrechtlich beachtliche Spannungen begründet werden (BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 1997 – 4 B 8/97 – NVwZ-RR 1998, 540 ff.). Dies folgt aus der prinzipiellen Unvereinbarkeit mit den dem bauplanungsrechtlichen Begriff des Wohnens und des Wohngebietes zugrunde liegenden städtebaulichen Ordnungszielen. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung gehen von der Nutzung zu Prostitutions- oder prostitutionsähnlichen Zwecken Beeinträchtigungen der Wohnruhe aus, die die Grenzen der Gebietsverträglichkeit überschreiten. Erfahrungen der Bauaufsicht in vergleichbaren Wohnlagen belegen, dass es dort nicht selten zu Belästigungen kommt, die das Wohnumfeld erheblich beeinträchtigen und zu Spannungen führen. Ob und inwieweit die hier in Rede stehende Nutzung konkrete Störungen der Wohnruhe verursacht, ist dabei unerheblich (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, a.a. O.). Da die Nutzung der Wohnung der Antragstellerin in dem Wohngebäude B..straße somit formell und materiell baurechtswidrig ist, ist die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Nutzungsuntersagung nicht zu beanstanden.
Gegen die Zwangsmittelandrohung werden keine substantiierten Einwände erhoben und Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Androhung des unmittelbaren Zwangs bestehen nicht, insbesondere ist im Falle einer aktuellen gewerblichen Vermietung eine Berufung auf das Wohnraumkündigungsschutzrecht verwehrt, da Mietzweck (siehe § 26 des auszugsweise vorgelegten Mietvertrages) die gewerbliche Nutzung der Räumlichkeiten ist (zum Kündigungsschutz vgl. OLG Köln, Beschluss vom 17. Januar 1996 – 11 W 86/95 –, juris). Es erübrigen sich daher hier weitere Ausführungen.
2. Der Antrag auf Aufhebung des Kostenfestsetzungsbescheids vom 21. Juni 2012 kann gemäß § 88 VwGO nur dahin ausgelegt werden, die aufschiebende Wirkung des gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anzuordnen, weil dem Widerspruch gegen eine Kostenanforderung nach
§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt.
Die Zulässigkeit eines solchen Antrags setzt aber nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO voraus, dass zuvor bei der Behörde ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt wurde. Da die Antragstellerin einen solchen Antrag bei der Antragsgegnerin nicht gestellt hat, ist ihr bei Gericht gestellter Antrag bereits unzulässig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 GKG.
Bei der Bemessung des Streitwertes ist das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin an der Vermietung der Wohnung zu gewerblichen Zwecken zu berücksichtigen. Mangels Angaben der Antragstellerin zu dem drohenden finanziellen Verlust durch die Anordnung des Sofortvollzugs der Nutzungsuntersagungsverfügungen legt das Gericht der Streitwertfestsetzung für das vorläufige Rechtsschutzbegehren einen Nutzwert von 1 000,- € pro Monat zu Grunde. Unter der Annahme einer voraussichtlichen Dauer des Widerspruchsverfahrens von sechs Monaten ergibt sich ein möglicher Mietausfall für die Wohnung in Höhe von
6 000,- €. Von einer Reduzierung dieses Wertes sieht das Gericht ab, da die Antragstellerin Mieteinnahmen für den genannten Zeitraum tatsächlich nicht erzielen kann. Zu addieren war ein Viertel der mit Bescheid vom 21. Juni 2012 in Höhe von 140,63 € festgesetzten Gebühren.
Rechtsmittelbelehrung….
gez. Seiler-Dürr
gez. Meyer
gez. Kintz
http://www3.mjv.rlp.de/rechtspr/Display ... 4966DCF3B6}
Wohlgemerkt: Diese Entscheidung nimmt Bezug auf die Rechtssprechung des OVG Rheinland-Pfalz. Sie ist vor der Entscheidung des Hessischen VGH ergangen und behandelt Fragen des Bauplanungsrechtes. Es ging nicht um die Auslegung einer Sperrgebietsverordnung.
Der Streitwert dient der Berechnung der Gerichtskosten und der anwaltlichen Vergütung.
Kasharius grüßt
Die Antragstellerin wollte einen erotischen Massagesalon eröffnen und begehrte mit Ihrem Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Nutzungsuntersagung der zuständigen Behörde; diese wurde nach § 80 Abs. 2 für sofort vollziehbar erklärt.
Die Antragstellerin blieb leider Erfolglos. Die prostitutionsähnliche (!?) Massage sei in einem Wohngebiet ausgeschlossen. Das Gericht wendet hier die schon bekannte typisierende Betrachtungsweise an und untersucht nicht den konkreten Einzelfall.
Hier nun die Entscheidung im Wortlaut:
Verwaltungsgericht Neustadt/Wstr.
Beschluss vom 04.07.2012 - Az.: 3 L 571/12.NW
Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstrasse
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
der A.,
- Antragstellerin -
gegen
die Stadt Ludwigshafen am Rhein, vertreten durch die Oberbürgermeisterin, Rathausplatz 20, 67059 Ludwigshafen,
- Antragsgegnerin -
wegen Nutzungsänderung
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund der Beratung vom 4. Juli 2012, an der teilgenommen haben
Vizepräsidentin des Verwaltungsgerichts Seiler-Dürr
Richterin am Verwaltungsgericht Meyer
Richter am Verwaltungsgericht Kintz
beschlossen:
Die Anträge werden abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 6 035,16- € festgesetzt.
Gründe
Die Anträge der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes können keinen Erfolg haben.
Die gestellten Anträge, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. Juni 2012 (1.) sowie den Kostenfestsetzungsbescheid vom 21. Juni 2012 (2.) im Rahmen eines Eilverfahrens aufzuheben, bedürfen einer Auslegung nach § 88 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –.
Die Antragstellerin hat zwar ausdrücklich die Aufhebung der genannten Bescheide im Ganzen beantragt. Ihrer Antragsbegründung ist aber zu entnehmen, dass sie sich in diesem Eilverfahren gegen die unter Nr. 2 des Bescheids vom 20. Juni 2012 ausgesprochene Nutzungsuntersagung und den Kostenfestsetzungsbescheid vom 21. Juni 2012 wehren will. Eine Aufhebung dieser Bescheide kann sie nicht mit Erfolg im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO erreichen. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Wenn durch eine einstweilige Anordnung aber die Hauptsache teilweise vorweggenommen würde, kommt sie nur in Betracht, wenn es für die Antragstellerin schlechthin unzumutbar ist, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung muss also für die Antragstellerin besonders dringlich sein. Von einer solchen besonderen Dringlichkeit ist nur dann auszugehen, wenn der Antragstellerin schwerwiegende Nachteile (z. B. Existenzbedrohung) drohen würden, die ihr nicht zuzumuten sind. Allein die Aufhebung der Ablehnung der Baugenehmigung, der Nutzungsuntersagung und des Kostenfestsetzungsbescheids stellt sich aber nicht als in diesem Sinne dringlich dar.
1. Der Antrag der Antragstellerin auf Aufhebung des Bescheids vom 20. Juni 2012 ist mit Rücksicht auf die Antragsbegründung dahingehend auszulegen, dass die Antragstellerin begehrt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 25. Juni 2012 (Eingangsbestätigung der Antragsgegnerin vom 2. Juli 2012) gegen die Nr. 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 20. Juni 2012 gemäß
§ 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen. Dieser zulässige Antrag ist aber unbegründet.
Im vorliegenden Fall ergibt die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche und gebotene überschlägige Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die ergangene Nutzungsuntersagungsverfügung offensichtlich rechtmäßig ist, so dass dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung dieser Verfügung der Vorrang vor dem Wunsch der Antragstellerin gebührt, einstweilen noch vom Vollzug verschont zu bleiben.
Die Antragsgegnerin kann nach § 81 Landesbauordnung für Rheinland-Pfalz – LBauO – unter anderem die Nutzung von baulichen Anlagen, die gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Nutzungsänderung verstoßen, untersagen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Diese Voraussetzungen für eine Nutzungsuntersagung liegen hier vor.
Die Nutzung der Wohnung der Antragstellerin in dem Wohngebäude B…straße als nichtmedizinischer Massagesalon, die im Verhältnis zur genehmigten Wohnnutzung eine Nutzungsänderung darstellt, ist bauaufsichtlich nicht genehmigt. Denn mit Nr. 1 des angefochtenen Bescheids vom 20. Juni 2012 hat die Antragsgegnerin den Bauantrag der Antragstellerin auf Genehmigung eines nichtmedizinischen Massagesalons abgelehnt, nachdem der ursprünglich gestellt gewesene Antrag auf Genehmigung eines SM-Studios zurückgenommen worden war. Die mittlerweile auch aufgenommene Nutzung verstößt damit gegen die formell-rechtliche Vorschrift des § 61 LBauO über den Genehmigungsvorbehalt, was in aller Regel zum Erlass einer Nutzungsuntersagung nach § 81 Satz 1 LBauO berechtigt (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 9. Februar 2007 – 8 B 10019/07 –, juris, Rn. 10). Denn diese Nutzungsänderung ist nicht nach § 62 Abs. 2 Nr. 5 a) LBauO ausnahmsweise genehmigungsfrei, weil für die gewerbliche Nutzung von Räumen andere baurechtliche Anforderungen als für die Nutzung zu Wohnzwecken gelten.
Die Antragsgegnerin hat das ihr damit eröffnete Ermessen zum Erlass einer Verfügung, gegen die gewerbliche Nutzung der Wohnung der Antragstellerin vorzugehen, in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Es sind keine Ermessensfehler erkennbar.
Vorliegend ist aber zudem zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin die Nutzungsuntersagungsverfügung vom 20. Juni 2012 nicht allein mit der formellen Illegalität der Nutzung begründet, sondern auch auf die materielle Baurechtswidrigkeit abgestellt hat. Insoweit kommt es bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung ebenfalls auf die materielle Rechtslage an (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 1. September 2003 – 8 B 11389/03.OVG –).
Die hier zur Genehmigung gestellte, aber bereits am 15. Mai 2012 aufgenommene (siehe Ergebnis der Überprüfung der Wohnung durch Bedienstete der Antragsgegnerin am 5. Juni 2012) Nutzung der Räume zu Zwecken der nichtmedizinischen Massage steht nicht mit dem materiellen Baurecht, und zwar dem Bauplanungsrecht in Einklang. Sie ist nicht offensichtlich baugenehmigungsfähig, weil es sich zumindest um eine prostitutionsähnliche Nutzung der Räumlichkeiten handelt, die in einem allgemeinen Wohngebiet unzulässig ist.
Bei der von der Antragstellerin zur Genehmigung gestellten und mittlerweile aufgenommenen Nutzung der Wohnung als nichtmedizinischer Massagesalon namens A. und aufgrund der Ermittlungen der Antragsgegnerin im Internet zu dem Betrieb A. handelt es sich, wenn nicht sogar schon um Prostitution, so aber jedenfalls um eine prostitutionsähnliche Nutzung, d. h. in Anlehnung an die Legaldefinition des § 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten – ProstG – um die Vornahme sexueller Dienstleistungen unter Einbeziehung des eigenen Körpers zur Befriedigung sexueller Bedürfnisse anderer gegen Entgelt. „Handelsware” ist nicht die Person selbst, auch nicht ihr Körper, sondern eine Dienstleistung (VG Berlin, Urteil vom 1. Dezember 2000
– 35 A 570/99 –, NJW 2001, 983 [986]).
Die Qualifizierung als Prostitution, zumindest aber als prostitutionsähnliches Gewerbe trifft auf den hier betriebenen Massagesalon unabhängig von dem ihm gegebenen und auf der Hausklingel stehenden Namen zu, weil die angebotenen „erotischen Ganzkörper-Entspannungsmassagen“ auch der geschlechtlichen Erregung und Befriedigung dienen. Dies folgt aus der in der Internetanzeige am
15. Mai 2012 unter anderem angebotenen „sinnliche(n) und erotische(n) Tantra-Massage“. Denn zur Tantramassage wird auf der Internetseite www........ unter anderem ausgeführt: „Der Intimbereich wird bei der Tantramassage auf harmonische und natürliche Art ebenso einbezogen. Ein genitaler oder oraler Geschlechtsverkehr findet nicht statt. Bei der Tantramassage wird die orgasmische Energie des Klienten von Beginn an geweckt, erhalten und in den ganzen Körper gebracht.“ Weiter heißt es auf dieser Internetseite unter dem Oberbegriff „Ganzheitlichkeit“: „Jede Folge davon, sei es Atem, Stimme oder Bewegung, sei es Ejakulation oder aufsteigende Erschütterung, Tränen…bis hin zur lustvoll-mystischen Erfahrung oder einfach nur ein schlichter Orgasmus – alles ist willkommen und in Ordnung.“ Somit kann bereits aufgrund dieser Beschreibung der Tantramassagen kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass in der im Eigentum der Antragstellerin stehenden und von dieser vermieteten Wohnung zumindest ein prostitutionsähnliches Gewerbe im Sinne des § 1 ProstG unter der Bezeichnung nichtmedizinischer Massagesalon ausgeübt wird. Ungeachtet der den eigentlichen Betriebscharakter verschleiernden Bezeichnung als nichtmedizinischer Massagesalon folgt dies des Weiteren aus der spezifischen Form der hierfür betriebenen Internetwerbung, bei der eine leicht bekleidete Frau in entsprechender Pose im Kontext mit Werbung für sexuelle Dienstleistungen anderer Anbieter ihre Dienstleistungen (z.B. eine Body to Body-Massage, eine Intim-Massage und eine Nuru-Massage) anbietet und dabei ihre körperlichen Vorzüge anpreist.
Die Antragsgegnerin hat die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit dieser zumindest prostitutionsähnlichen Nutzung der Eigentumswohnung der Antragstellerin zu Recht verneint. Das Gebäude B.straße liegt nach ihren Feststellungen in einem nach § 34 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) i. V. m. § 4 Baunutzungsverordnung (BauNVO) zu beurteilenden faktischen allgemeinen Wohngebiet. Dieser Charakterisierung der näheren Umgebung ist die Antragstellerin nicht entgegengetreten. Das Gericht hat somit keine Veranlassung an der Richtigkeit der vorgenommenen Einstufung des Baugebiets als allgemeines Wohngebiet zu zweifeln.
Die jedenfalls prostitutionsähnliche Nutzung der Eigentumswohnung der Antragstellerin ist als gewerbliche Tätigkeit in Wohngebieten aber weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Januar 2004 – 8 B 11983/03.OVG –; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Juli 2002 – 5 S 149/01 –, juris), weil sie mit Störungen einhergeht, die mit dem Charakter eines Baugebiets als allgemeines Wohngebiet nicht vereinbar sind. Im allgemeinen Wohngebiet soll in erster Linie störungsfreies Wohnen gewährleistet sein. In einer solchen Umgebung besteht schon generell die Gefahr, dass durch eine gewerbliche Nutzung, insbesondere in der Form der Ausübung der Prostitution oder eines prostitutionsähnlichen Gewerbes, bodenrechtlich beachtliche Spannungen begründet werden (BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 1997 – 4 B 8/97 – NVwZ-RR 1998, 540 ff.). Dies folgt aus der prinzipiellen Unvereinbarkeit mit den dem bauplanungsrechtlichen Begriff des Wohnens und des Wohngebietes zugrunde liegenden städtebaulichen Ordnungszielen. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung gehen von der Nutzung zu Prostitutions- oder prostitutionsähnlichen Zwecken Beeinträchtigungen der Wohnruhe aus, die die Grenzen der Gebietsverträglichkeit überschreiten. Erfahrungen der Bauaufsicht in vergleichbaren Wohnlagen belegen, dass es dort nicht selten zu Belästigungen kommt, die das Wohnumfeld erheblich beeinträchtigen und zu Spannungen führen. Ob und inwieweit die hier in Rede stehende Nutzung konkrete Störungen der Wohnruhe verursacht, ist dabei unerheblich (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, a.a. O.). Da die Nutzung der Wohnung der Antragstellerin in dem Wohngebäude B..straße somit formell und materiell baurechtswidrig ist, ist die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Nutzungsuntersagung nicht zu beanstanden.
Gegen die Zwangsmittelandrohung werden keine substantiierten Einwände erhoben und Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Androhung des unmittelbaren Zwangs bestehen nicht, insbesondere ist im Falle einer aktuellen gewerblichen Vermietung eine Berufung auf das Wohnraumkündigungsschutzrecht verwehrt, da Mietzweck (siehe § 26 des auszugsweise vorgelegten Mietvertrages) die gewerbliche Nutzung der Räumlichkeiten ist (zum Kündigungsschutz vgl. OLG Köln, Beschluss vom 17. Januar 1996 – 11 W 86/95 –, juris). Es erübrigen sich daher hier weitere Ausführungen.
2. Der Antrag auf Aufhebung des Kostenfestsetzungsbescheids vom 21. Juni 2012 kann gemäß § 88 VwGO nur dahin ausgelegt werden, die aufschiebende Wirkung des gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anzuordnen, weil dem Widerspruch gegen eine Kostenanforderung nach
§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt.
Die Zulässigkeit eines solchen Antrags setzt aber nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO voraus, dass zuvor bei der Behörde ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt wurde. Da die Antragstellerin einen solchen Antrag bei der Antragsgegnerin nicht gestellt hat, ist ihr bei Gericht gestellter Antrag bereits unzulässig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 GKG.
Bei der Bemessung des Streitwertes ist das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin an der Vermietung der Wohnung zu gewerblichen Zwecken zu berücksichtigen. Mangels Angaben der Antragstellerin zu dem drohenden finanziellen Verlust durch die Anordnung des Sofortvollzugs der Nutzungsuntersagungsverfügungen legt das Gericht der Streitwertfestsetzung für das vorläufige Rechtsschutzbegehren einen Nutzwert von 1 000,- € pro Monat zu Grunde. Unter der Annahme einer voraussichtlichen Dauer des Widerspruchsverfahrens von sechs Monaten ergibt sich ein möglicher Mietausfall für die Wohnung in Höhe von
6 000,- €. Von einer Reduzierung dieses Wertes sieht das Gericht ab, da die Antragstellerin Mieteinnahmen für den genannten Zeitraum tatsächlich nicht erzielen kann. Zu addieren war ein Viertel der mit Bescheid vom 21. Juni 2012 in Höhe von 140,63 € festgesetzten Gebühren.
Rechtsmittelbelehrung….
gez. Seiler-Dürr
gez. Meyer
gez. Kintz
http://www3.mjv.rlp.de/rechtspr/Display ... 4966DCF3B6}
Wohlgemerkt: Diese Entscheidung nimmt Bezug auf die Rechtssprechung des OVG Rheinland-Pfalz. Sie ist vor der Entscheidung des Hessischen VGH ergangen und behandelt Fragen des Bauplanungsrechtes. Es ging nicht um die Auslegung einer Sperrgebietsverordnung.
Der Streitwert dient der Berechnung der Gerichtskosten und der anwaltlichen Vergütung.
Kasharius grüßt
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RE: Bau(planungs)recht als Mittel der Prostitutionskontrolle
Ein Urteil aus Freiburg:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_re ... =25&anz=32
G Freiburg Urteil vom 8.11.2012, 4 K 912/12
Nutzungsuntersagung wegen Fehlens der Baugenehmigung - Bestandsschutz bezieht sich auf das Gebäude in seinem Bestand, nicht auf eine geänderte Nutzung eines Gebäudes
Leitsätze
1. Ein die endgültige Nutzungsuntersagung rechtfertigender Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne von § 65 Satz 2 LBO liegt bereits im Fehlen der nach §§ 49 ff. LBO erforderlichen Baugenehmigung (entgegen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.01.1996 - 8 S 2964/95 -, VBlBW 1996, 300; Urteil vom 12.09.1984 - 3 S 1607/84 -, BauR 1985, 537; Urteil vom 22.09.1989 - 5 S 3086/88 -, BWVPr 1990, 113).
2. Bestandsschutz kann eine bauliche Anlage nur in ihrer durch die Nutzung bestimmten Funktion genießen. Er ist somit auf die Sicherung des durch die Eigentumsausübung Geschaffenen bezogen und damit auf das Gebäude in seinem Bestand, nicht auf eine geänderte Nutzung eines Gebäudes (vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.09.2002 - 4 B 52.02 -, BauR 2003, 1021).
3. Zum Begriff der Terminwohnung/bordellartiger Betrieb.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen eine Nutzungsuntersagungsverfügung mit Zwangsgeldandrohung.
2
Der Kläger ist Eigentümer des Anwesens ... in Freiburg. Das Anwesen ist an die ... Immobilienverwaltung UG mit Sitz in ... vermietet, die dort in zwei Wohnungen im Obergeschoss jeweils drei Zimmer an Prostituierte zum Zwecke der Ausübung der Prostitution vermietet hat.
3
Das Grundstück des Klägers liegt im Geltungsbereich des im Jahr 1975 in Kraft getretenen Bebauungsplans „Landwasser-Mitte II“, Nr. 5-43c, der Beklagten, der für das Grundstück die Festsetzung Gewerbegebiet trifft. Der Bebauungsplan wurde im Jahr 1992 geändert. Unter Nr. II Abs. 4 der textlichen Festsetzungen ist bestimmt, dass Vergnügungsstätten im Gewerbegebiet ausgeschlossen sind. Im Zuge der Entwicklung eines „Vergnügungsstättenkonzepts“ beschloss der Gemeinderat der Beklagten am 13.04.2005 die Aufstellung eines Bebauungsplans zur Änderung des Bebauungsplans „Landwasser-Mitte II“; er wurde am 30.04.2005 im Amtsblatt der Beklagten öffentlich bekannt gemacht. Die Offenlage fand in der Zeit vom 09.05.2005 bis zum 10.06.2005 statt, der daraufhin vom Gemeinderat der Beklagten gefasste Satzungsbeschluss datiert vom 04.10.2005. Die damit beschlossene Zweite Änderung des Bebauungsplans wurde am 23.11.2005 vom Oberbürgermeister der Beklagten ausgefertigt und trat mit ihrer Bekanntmachung am 26.11.2005 in Kraft. In den textlichen Festsetzungen dieses Bebauungsplans ist bestimmt:
4
„Unzulässig sind Einrichtungen wie Animierlokale, Nachtbars und vergleichbare Einrichtungen mit Striptease und Filmvorführung, Sex-Kinos, Geschäfte mit Einrichtungen zur Vorführung von Sex- und Pornofilmen, erotische Sauna- und Massagebetriebe, sonstige Vergnügungsstätten, Bordelle und bordellartige Betriebe sowie Terminwohnungen, Eros-Center und vergleichbare Dirnenunterkünfte, Einzelhandelsgeschäfte mit überwiegendem Sex- und Erotiksortiment, Swingerclubs sowie sonstige sexbezogene Vergnügungsstätten.“
5
Die Begründung des Bebauungsplans führt zu der nämlichen Festsetzung aus (dort S. 1 und 2):
6
„Im Bereich des o.g. Plangebiets soll der Beschluss des Gemeinderates zur planungsrechtlichen Steuerung von Bordellen usw. (Bordellkonzeption) umgesetzt werden.
7
Auf den kleinparzellierten gewerblichen Bauflächen zwischen der Elsässer Straße und der Böcklerstraße sind kleinere Betriebe aus den Bereichen Handwerk, Handel und Dienstleistungen angesiedelt.
8
Durch den Ausschluss der genannten Betriebe soll den mit diesen Betrieben verbundenen Auswirkungen auf das direkte Umfeld (Wegzug von ansässigen Gewerbebetrieben, Belästigungen von Nachbarn, Milieuveränderungen) und den damit verbundenen städtebaulichen Missständen entgegengewirkt werden.
9
Um diese Entwicklung zu verhindern, soll für den Gesamtbereich der gewerblichen Bauflächen im Plangebiet auf der Grundlage der Entscheidung der Stadt Freiburg zur planerischen Behandlung von Bordellen der Ausschluss folgender Nutzungen erfolgen:
10
„Einrichtungen wie Animierlokale, Nachtbars und vergleichbare Einrichtungen mit Striptease und Filmvorführung, Sex-Kinos, Geschäfte mit Einrichtungen zur Vorführung von Sex- und Pornofilmen, erotische Sauna- und Massagebetriebe, Bordelle und bordellartige Betriebe sowie Terminwohnungen, Eros-Center und vergleichbare Dimenunterkünfte, Einzelhandelsgeschäfte mit überwiegendem Sex- und Erotiksortiment, Swingerclubs sowie sonstige sexbezogene Vergnügungsstätten.“
11
Ferner ist dem Bebauungsplan in „Umsetzung der Konzeption zur planungsrechtlichen Behandlung von Bordellen im Stadtgebiet“ eine „Allgemeine Begründung zur städtebaulichen Konzeption“ beigefügt. Darin heißt es - soweit hier maßgeblich -:
12
Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am 25.09.2001 einen Beschluss zur bauleitplanerischen Behandlung der Prostitution in der Stadt Freiburg gemäß Drucksache G 01181 gefasst. Der Gemeinderat hatte zunächst beschlossen, nur an folgenden Standorten bordellartige Betriebe grundsätzlich zuzulassen:
13
- Tullastraße 79 (mit einer maßvollen Erweiterung)
- Wiesentalstraße 15
- im Rahmen der baulichen Entwicklung des Bereichs "Westlich Heinrich-von-Stephan-Straße", Plan - Nr. 4 - 63
14
Ferner hat der Gemeinderat zur Kenntnis genommen, dass gegen sogenannte Terminwohnungen in Freiburg baurechtlich nicht eingeschritten wird, wenn von diesen keine städtebaulichen Spannungen ausgehen. Ausgangspunkt für die Entscheidung des Gemeinderates zur planerischen Behandlung von Bordellen usw. war, dass es immer wieder zu konkreten Anfragen von Bordellbetreibern/Investoren für derartige Einrichtungen innerhalb des Stadtgebietes gekommen ist, die rein zufällig im Stadtgebiet verteilt waren. Die Stadt Freiburg hat aber wegen der mit diesen Betrieben verbundenen Auswirkungen auf das direkte Umfeld (Wegzug von ansässigen Gewerbebetrieben, Belästigungen von Nachbarn, Milieuveränderungen) und den damit verbundenen städtebaulichen Missständen ein großes Interesse an einer Steuerung der Ansiedlung derartiger Betriebe.
15
Für das Grundstück ... existiert eine an den Kläger gerichtete, vom 10.01.1990 datierende Baugenehmigung zur Errichtung eines Betriebs- und Wohngebäudes zur Nutzung als Fahrradwerkstatt mit Verkaufs-, Ausstellungs- und Lagerräumen sowie zwei Wohneinheiten für die in § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO genannten Personen (Aufsichts- und Bereitschaftspersonen, Betriebsinhaber und Betriebsleiter).
16
Nach einem auf den 25.03.2005 datierten Mietvertrag vermietete der Kläger die zwei Wohnungen in der ersten Etage mit jeweils 100 m2 zum Zwecke der Nutzung für „erotische Zwecke (Bordell/Escort/Terminwohnungen)“ und den Keller mit einer Fläche von 300 m2 bei noch nicht absehbarer Nutzung („erotische Dienstleistungen nicht ausgeschlossen“) an ... Einen Bauantrag stellten weder der Kläger noch dessen Mieter. Auch auf andere Weise wurde die Beklagte über die Nutzungsabsichten des Klägers nicht informiert.
17
Erst am 14.03.2008 wurde der Beklagten aufgrund eines anonymen Hinweises bekannt, dass in dem Anwesen unter der Bezeichnung „... ...“ an einzelnen Tagen „Veranstaltungen mit sexuellem Hintergrund (SM-Partys, Workshops, Stammtische, etc.)“ stattfänden. Polizeiliche Erkenntnisse ergaben sodann, dass in dem Anwesen auch der Prostitution nachgegangen werde und dort eine thailändische Massagepraxis ansässig sei. Eine am 26.07.2008 im Unter- und Erdgeschoss des Anwesens erfolgte Durchsuchung der Polizei ergab, dass dort regelmäßig Veranstaltungen stattfinden, in deren Verlauf sexuelle Handlungen vorgenommen werden. Nachdem der Beklagten weitere einschlägige Veranstaltungen bekannt geworden waren, hörte sie den Kläger mit Schreiben vom 10.02.2009 zur beabsichtigten Nutzungsuntersagung an. Statt seiner machte der damalige Mieter des Klägers, ..., mit Schriftsatz vom 03.03.2009 geltend, er habe das Objekt im Jahr 2008 an Dritte untervermietet mit der Auflage, dort eine Terminwohnung zu betreiben und nach außen nicht negativ in Erscheinung zu treten. Mittlerweile sei das ganze Haus zu einem „rießen Bordell“ geworden, in den Büroraum sei ein ...L-Bett mit Whirlpool und Sauna eingebaut worden, es werde mit Anzeigen in der Zeitung geworben und es seien in dem Haus bis zu zehn Frauen tätig. Der seinerzeit mit dem Kläger abgeschlossene Mietvertrag sei um ein Jahr vordatiert worden, um baurechtlich auf der sicheren Seite zu sein.
18
Bei einer Hausdurchsuchung am 19.01.2011 stellte die Polizei fest, dass die beiden Wohnungen im 1. Obergeschoss zwar unter verschiedenen Namen (seinerzeit „... ...“ und „...“) betrieben werden, dass aber eine einheitliche bordellartige Nutzung in Rede stehe. Zum Zeitpunkt der Durchsuchung hielten sich in beiden Wohnungen jeweils zwei Prostituierte auf, die in dem Anwesen ... gemeldet waren und jeweils erst kurze Zeit in Freiburg waren. Die Betreiberin beider Wohnungen, ..., ist seit dem 15.06.2005 mit Hauptwohnung in der ... gemeldet, die Empfangsdame für beide Wohnungen, ..., seit dem 15.01.2009.
19
Mit Schreiben vom 14.01.2011 wurden der Kläger und sein Mieter, ..., sowie die Betreiberin, ..., von der Beklagten zum Erlass einer Nutzungsuntersagung angehört.
20
Mit Bescheid vom 21.02.2011 untersagte die Beklagte dem Kläger die Nutzung des Anwesens ... (Flst.Nr. ...) als bordellartiger Betrieb und zur Ausübung der Prostitution (Nr. 1). Dem Kläger wurde aufgegeben, den bestehenden Mietvertrag mit seinem Mieter innerhalb von drei Wochen nach Bestandskraft der Untersagungsverfügung nach den Vorschriften des BGB ordentlich zu kündigen bzw. eine Änderungskündigung zugunsten einer genehmigungsfähigen Nutzung auszusprechen und darüber einen Nachweis beim Baurechtsamt zu erbringen (Nr. 2). Weiter wurde verfügt, künftig den Abschluss von Mietverträgen zur Ermöglichung der Prostitution zu unterlassen (Nr. 3). Dem Kläger wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,-- EUR für den Fall angedroht, dass er Verfügung Nr. 2 innerhalb der dort genannten Fristen nicht nachkomme (Nr. 4). Zur Begründung führte die Beklagte aus, die derzeitige Nutzung des Grundstücks des Klägers zum Zwecke der Ausübung von Prostitution sei nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt, namentlich gölten für die prostitutive Nutzung weitergehende Anforderungen als für die genehmigte Nutzung. Die derzeit ausgeübte Nutzung widerspreche auch materiellem Baurecht, da der maßgebliche Bebauungsplan u.a. Bordelle, bordellartige Betriebe und Terminwohnungen in dem Gewerbegebiet ausschließe. Eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans komme nicht in Betracht.
21
Mit weiteren Bescheiden vom gleichen Tage untersagte die Beklagte die Nutzung des Anwesens als bordellartiger Betrieb und zur Ausübung der Prostitution auch gegenüber Herrn ... und der Betreiberin, Frau ... Mit Bescheid vom 23.02.2012 lehnte die Beklagte zudem einen am 26.07.2011 von der ... Immobilienverwaltung UG - diese ist seit dem 01.01.2010 Mieterin des Anwesens - gestellten Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für eine „Nutzungsänderungen von zwei OG-Wohnungen (im Bestand ohne bauliche Veränderungen) in Terminwohnungen mit je drei operativen Zimmern“ ab. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch ist noch nicht entschieden.
22
Der Kläger legte gegen den Bescheid der Beklagten Widerspruch ein, den das Regierungspräsidium Freiburg mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2012, dem Kläger zugestellt am 12.04.2012, zurückwies
23
Der Kläger hat am 11.05.2012 bei dem Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben. Er macht geltend, die beiden verfahrensgegenständlichen Wohnungen würden seit Mai 2005 bordellähnlich als Terminwohnungen („...“, „...“) genutzt. Es seien dort jeweils drei Zimmer an Prostituierte vermietet. Die Nutzungsuntersagungsverfügung sei wegen Unbestimmtheit rechtswidrig, da eine Nutzung des gesamten Anwesens zum Zwecke der Prostitution weder praktiziert worden noch beabsichtigt sei. Der Bescheid sei deshalb - wegen der offensichtlichen Fehlerhaftigkeit - sogar insgesamt nichtig. Eine vorbeugende Nutzungsuntersagung komme ohnehin nicht in Betracht. Im Übrigen sei die Nutzungsänderung genehmigungsfrei, denn es gölten keine weitergehenden Anforderungen als für die Nutzung als Betriebsleiterwohnung. Auch eine materielle Illegalität des Vorhabens liege nicht vor. Die ausgeübte Nutzung stehe mit materiellem Baurecht im Einklang, da das Bordellkonzept der Beklagten reine Makulatur sei. Das Konzept der Beklagten lasse bereits die städtebaulich erforderlich Bearbeitungs- und Erforschungstiefe vermissen. Zum einen gehe es erkennbar am bestehenden Bedarf vorbei, zum anderen habe sich die Beklagte bei der Festlegung auf drei Standorte erkennbar von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Sie sei beispielsweise sachwidrig davon ausgegangen, dass es sich bei Terminwohnungen um Vergnügungsstätten handele und habe nicht zwischen Bedarf und Möglichkeiten abgewogen. Gemessen an einer Einwohnerzahl in Stadtkreis Freiburg und Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald von 640.000 Menschen und angesichts der touristisch attraktiven Gegend mit vielen Gästeübernachtungen sei die Ausweisung von nur drei Bordellstandorten, von denen lediglich zwei genutzt werden könnten, als Verstoß gegen das Erforderlichkeitsgebot des § 1 Abs. 3 BauGB anzusehen. Bezogen auf einen Umkreis von 65 km nur zwei Standorte für die prostitutive Nutzung zuzulassen, sei als Negativplanung zu klassifizieren, zumal das von der Beklagten als „Konzept“ bezeichnete „Papier einer interfraktionellen Arbeitsgruppe des Gemeinderates“ wissenschaftlich nicht fundiert und unhaltbar sei. Zudem liege ein Verstoß gegen § 1 Abs. 9 BauNVO vor, da die Beklagte alle sexuell-orientierten Nutzungsarten miteinander gleichgesetzt habe und hierbei die Vergnügungsstätten mit den Gewerbebetrieben vermischt habe. Die nach § 1 Abs. 9 BauNVO erforderlichen „besonderen städtebaulichen Gründe“ habe die Beklagte nicht benannt; solche seien auch nicht ersichtlich. Bei den im Streit stehenden Wohnungen handele es sich im Übrigen um jedenfalls zu duldende Terminwohnungen, die sich dadurch auszeichneten, dass mindestens eine der dort arbeitenden Frauen die Wohnungen auch angemietet habe. Städtebauliche Spannungen gingen von den beiden Wohnungen nicht aus. Nachbarbeschwerden habe es erst gegeben, als die Beklagte die Betreiberin zur Antragstellung im Baugenehmigungsverfahren aufgefordert habe. Schließlich sei die Ermessensausübung fehlerhaft. Die Beklagte hätte berücksichtigen müssen, dass sie von den Terminwohnungen jahrelang Kenntnis gehabt und die Nutzung geduldet habe. Zur Störerauswahl sei im Übrigen nichts vorgetragen worden.
24
Der Kläger beantragt,
25
den Bescheid der Beklagten vom 21.02.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 10.04.2012 aufzuheben.
26
Die Beklagte beantragt,
27
die Klage abzuweisen.
28
Sie führt - im Einzelnen näher begründet - aus, die Nutzung der beiden Wohnungen im Obergeschoss sei nicht durch die Baugenehmigung zur Errichtung und Nutzung von Betriebsleiterwohnungen für die Betriebsinhaber einer Zweiradwerkstatt gedeckt und daher formell baurechtswidrig. Sie sei auch materiell baurechtswidrig, da sie gegen den Bebauungsplan Landwasser-Mitte-II verstoße. Dieser Bebauungsplan sei nicht wegen eines Verstoßes gegen das Erforderlichkeitsgebot unwirksam, da der Gemeinderat der Beklagten mit diesem Bebauungsplan ein positives städtebauliches Konzept umgesetzt habe. Der prostitutiven Nutzung sei in Freiburg in Vollziehung des sog. Bordellkonzepts substanziell Raum verschafft worden; an der tatsächlichen Nachfrage nach Prostituierten müsse sich die Beklagte bei ihrer Bauleitplanung nicht orientieren. Im Übrigen werde das Bordellkonzept derzeit überarbeitet. Bei dem Vorhaben auf dem Grundstück des Klägers handele es sich auch um einen bordellartigen Betrieb, denn dort gingen mehrere - mindestens vier - Prostituierte mit jeweils relativ geringer Aufenthaltszeit ihrer Tätigkeit als Prostituierte nach. Hingegen zeichne sich die Wohnungsprostitution, gegen die die Beklagte nur bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen einschreite, dadurch aus, dass die Prostituierte dort wohne und arbeite und ihre Tätigkeit über einen längeren Zeitraum hin ausübe. Dies sei angesichts der vorliegenden Meldedaten der im Anwesen des Klägers tätigen Prostituierten hier nicht der Fall. Auf Bestandsschutz könne sich der Kläger nicht berufen. Zum einen habe der damalige Mieter des Klägers, ..., seinerzeit behauptet, der Mietvertrag sei um ein Jahr vordatiert worden, sodass davon auszugehen sei, die bordellartige Nutzung sei erst nach Inkrafttreten der Zweiten Änderung des Bebauungsplans Landwasser-Mitte-II aufgenommen worden. Zum anderen sei für die Annahme eines Bestandsschutzes auch deshalb kein Raum, weil die Beklagte, hätte sich der Kläger ordnungsgemäß verhalten und seinerzeit die Genehmigung der Nutzungsänderung beantragt, das Vorhaben nach § 15 BauGB zurückgestellt hätte. Die Störerauswahl sei ermessensfehlerfrei erfolgt, sonstige Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ausübung des Ermessens bestünden nicht.
29
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (ein Heft), die Akten zum Bebauungsplan Landwasser-Mitte-II (ein Heft), jene zum Vergnügungsstättenkonzept (ein Heft) und die des Regierungspräsidiums Freiburg (ein Heft) Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Nutzungsuntersagungsverfügung der Beklagten vom 21.02.2011 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 10.04.2012 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
31
1. Soweit der Kläger die formelle Rechtswidrigkeit der Nutzungsuntersagungsverfügung mit der Begründung behauptet, diese sei nicht hinreichend bestimmt, teilt die erkennende Kammer seine Einschätzung nicht. Denn die von ihm insoweit thematisierte Frage, ob sich die Nutzungsuntersagungsverfügung aus Rechtsgründen auch auf die Nutzung des Erd- und Untergeschosses beziehen darf, ist keine Frage der Bestimmtheit der Verfügung, sondern eine solche ihrer materiellen Rechtmäßigkeit. An der Bestimmtheit der Verfügung können insoweit keine Zweifel bestehen. Für den Kläger als Adressat des Bescheids ist klar und unzweifelhaft erkennbar, welche Nutzungen in seinem Anwesen er zu unterlassen hat, welches Handlungsgebot ihm also auferlegt wird. Damit ist dem Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 LVwVfG hinreichend Rechnung getragen.
32
2. Die Nutzungsuntersagung findet ihre gesetzliche Grundlage in § 65 Satz 2 LBO. Danach kann die Baurechtsbehörde die Nutzung von Anlagen untersagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagung ist der Schluss der mündlichen Verhandlung. Denn bei der Nutzungsuntersagung nach § 65 Satz 2 LBO handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist daher mangels anderweitiger fachgesetzlicher Vorgaben jedenfalls insoweit auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen, als es um die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 65 Satz 2 LBO geht. Diese liegen vor: Die Nutzung des Anwesens ... in Freiburg als bordellartiger Betrieb steht im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften.
33
a) Die erkennende Kammer versteht § 65 Satz 2 LBO - entgegen der ständigen Rechtsprechung der Baurechtssenate des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (vgl. nur Beschluss vom 22.01.1996 - 8 S 2964/95 -, VBlBW 1996, 300; Urteil vom 12.09.1984 - 3 S 1607/84 -, BauR 1985, 537; Urteil vom 22.09.1989 - 5 S 3086/88 -, BWVPr 1990, 113; zustimmend Dürr, VBlBW 1989, 361 <368>) - dahingehend, dass ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne von § 65 Satz 2 LBO, der den Erlass einer Nutzungsuntersagung rechtfertigen kann, bereits im Fehlen der nach §§ 49 ff. LBO erforderlichen Baugenehmigung besteht (so zur textgleichen Vorschrift des § 80 Satz 2 SächsBauO: Sächsisches OVG, Beschluss vom 02.05.2011 - 1 B 30/11 -, juris RdNr. 6 mwN; zu Art. 76 Satz 2 BayBO: Bayerischer VGH, Beschluss vom 05.07.2004 - 15 CS 04.58 -, BayVBl. 2005, 117; zu § 61 BauO NRW: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 06.07.2009 - 10 B 617/09 -, BauR 2009, 1719, vom 12.07.2007- 7 E 664/07 -, BRS 71 Nr. 187, und vom 20.09.2010 - 7 B 985/10 -, BauR 2011, 240; zu § 73 Abs. 3 BbgBauO: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.05.2012 - OVG 10 S 42.11 -, juris RdNr. 6 mwN; zu § 79 Satz 2 Berliner Bauordnung: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.10.2011 - OVG 2 S 76.11 -, juris RdNr. 6; zu § 81 LBO RPf.: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.05.1996 - 8 A 11880/85.OVG -, juris RdNr. 19; Beschluss vom 14.04.2011 - 8 B 10278/11 -, NVwZ-RR 2011, 635; zu § 89 NdsBauO: OVG Niedersachsen, Beschluss vom 14.09.1984 - 6 B 77/84 -, BRS 42 Nr. 226; Beschluss vom 30.03.2010 - 1 ME 54/10 -, juris RdNr. 10; zu § 72 HessBauO: Hessischer VGH, Beschluss vom 19.09.2006 - 3 TG 2161/06 -, juris RdNr. 7; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 02.10.1996 - 1 L 356/95 -, juris RdNr. 25; OVG Hamburg, Beschluss vom 10.06.2005 - 2 Bs 144/05 -, juris RdNr. 21; OVG Bremen, Beschluss vom 04.08.1989 - 1 B 65/89 -, juris; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 09.03.2004 - 3 M 224/03 -, juris RdNr. 8; Beschluss vom 03.12.2008 - 3 M 153/08 -, juris RdNr. 5; OVG Thüringen, Beschluss vom 04.11.1993 - 1 B 113/92 -, ThürVBl. 1994, 111; Urteil vom 11.12.1997 - 1 KO 674/95 -, juris RdNr. 41; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 02.07.2012 - 2 A 446/11 -, juris RdNr. 15; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.08.2004 - 2 M 262/04 -, juris RdNr. 8; aus der Literatur: Decker, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Kommentar, Stand: Februar 2012, Art. 76 RdNr 284; Reichel/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, 2004, Kap. 15 RdNr. 222; Sauter, LBO Baden-Württemberg, Stand Juli 2011, § 65 RdNrn. 99 ff.; Decker, BayVBl. 2011, 517 <525>; Stühler, VBlBW 2008, 433).
34
Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg findet im Wortlaut des § 65 Satz 2 LBO keine Stütze und ist auch unter Berücksichtigung sonstiger Auslegungsregeln nicht geboten. Nach dem Wortlaut des § 65 Satz 2 LBO reicht für eine Nutzungsuntersagung ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften aus. Ein solcher liegt auch vor, wenn ein von Gesetzes wegen genehmigungspflichtiges Vorhaben ohne die erforderliche Baugenehmigung verwirklicht und die Nutzung an den zuständigen Behörden vorbei ins Werk gesetzt wird; dann bereits wird die Anlage im Sinne von § 65 Satz 2 LBO im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften - nämlich ohne die erforderliche Baugenehmigung - genutzt. Die Tatbestandsseite der nämlichen Vorschrift erfordert somit keinen zusätzlichen Blick auf die materielle Rechtslage, namentlich kann die Frage der Genehmigungsfähigkeit der Nutzungsänderung im Angesicht der formellen Baurechtswidrigkeit auf dieser Ebene der Norm unentschieden bleiben. Die systematische Auslegung stützt diese Auffassung. Im Unterschied zu den - tatbestandlichen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.06.2003 - 3 S 2436/02 -, VBlBW 2004, 263) - Voraussetzungen der Beseitigungsanordnung nach § 65 Satz 1 LBO erfordert der Tatbestand des § 65 Satz 2 LBO gerade nicht, dass „nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können“. Auch Gesichtspunkte des Bestandsschutzes - in den Fällen des § 65 Satz 1 LBO wegen der normativen Anknüpfung an den Zeitpunkt der Errichtung der Anlage bereits auf der Tatbestandsseite zu prüfen - können bei der Nutzungsuntersagung allenfalls im Rahmen der Ermessensausübung von Bedeutung sein. Denn im Unterschied zu § 65 Satz 1 LBO („im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet“) lässt § 65 Satz 2 LBO („werden…genutzt“) eine aktuell baurechtswidrige Nutzung und damit eine nur formell baurechtswidrige Nutzung ausreichen.
35
Auch Sinn und Zweck des § 65 Satz 2 LBO lassen ein solches - enges - Verständnis des Normtextes als vorzugswürdig erscheinen. Indem § 2 Abs. 12 LBO die Nutzungsänderung der Errichtung einer baulichen Anlage gleichstellt und indem § 49 Abs. 1 LBO die Nutzungsänderung grundsätzlich - mit den Einschränkungen des § 50 Abs. 2 LBO - für genehmigungspflichtig erklärt, weist das Regelungsregime der verfahrensrechtlichen Vorschriften der Landesbauordnung die Prüfung der Genehmigungsfähigkeit einer genehmigungspflichtigen Nutzung dem Baugenehmigungsverfahren zu. Dort soll - unter Berücksichtigung der nach der LBOVVO erforderlichen Bauvorlagen - in einem überschaubaren Zeitraum (§ 54 Abs. 5 LBO) unter Beteiligung der Gemeinde und der Nachbarn (§ 55 LBO) untersucht werden, ob die zur Genehmigung gestellte Nutzungsänderung genehmigungsfähig ist. Diese Zuordnung des Gesetzgebers zu einem Regelungsregime der Präventivkontrolle ist bei der Auslegung des § 65 Satz 2 LBO zu berücksichtigen. Eine genehmigungsbedürftige bauliche Nutzung darf daher im Blick auf die „Tatbestandsseite“ des § 65 Satz 2 LBO bereits wegen formeller Baurechtswidrigkeit untersagt werden. So verstanden verschafft die Nutzungsuntersagung der gesetzlich vorgeschriebenen Präventivkontrolle Geltung und verhindert, dass der rechtsuntreue Bürger Nutzungsvorteile gegenüber denjenigen Bauherrn erhält, die das Genehmigungsverfahren betreiben.
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Art. 14 Abs. 1 GG fordert ein abweichendes Verständnis des § 65 Satz 2 LBO nicht. Denn das Eigentum des Grundrechtsträgers - zu dem das bloße Vermögen ohnehin nicht rechnet - wird durch Inhalts- und Schrankenbestimmungen einfachrechtlich ausgestaltet. Indem der Landesgesetzgeber die Genehmigungspflichtigkeit einer Nutzungsänderung statuiert, gestaltet er auch den Inhalt und die Schranken des Eigentums aus. Es ist somit im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG unproblematisch, wenn der Betroffene ohne Verlust an „Bausubstanz“ - und damit anders als bei der Beseitigungsanordnung (vgl. hierzu auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.07.1991 - 3 S 1777/91 -, juris RdNr. 3) - lediglich hinter die formellen Schranken des Baurechts zurückgedrängt und gezwungen wird, seine Interessen auf dem vorgeschriebenen Weg - Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung - zu verfolgen (so zum Nutzungsaufnahmeverbot nach § 47 LBO zutreffend: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.06.2010 - 8 S 708/10 -, juris RdNr. 6). Insbesondere folgt aus Art. 14 Abs. 1 GG kein voraussetzungsloses Recht auf allgemeine Baufreiheit. Gewährleistet ist lediglich das Recht, sein Grundstück nach den geltenden Bauvorschriften zu bebauen (vgl. hierzu Berkemann, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 14 RdNr. 381 mwN). Dass der Landesgesetzgeber den Baubeginn von einem Genehmigungserfordernis abhängig gemacht hat, ist mit Art. 14 Abs. 1 GG ohne Weiteres vereinbar. Soweit der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg für die Richtigkeit der gegenteiligen Auffassung bemerkt, diese sei „mit Rücksicht auf den durch Art. 14 GG gewährleisteten Bestandsschutz“ gefordert (so z.B. Beschluss vom 22.01.1996 - 8 S 2964/95 -, VBlBW 1996, 300), ist dies schon deshalb nicht überzeugend, weil Bestandsschutz nach zutreffender Auffassung grundsätzlich nach Maßgabe des einfachen Rechts gewährleistet wird (stRspr., vgl. nur BVerwG, Urteil vom 12.03.1998 - 4 C 10.97-, BVerwGE 106, 228; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.09.2012 - 3 S 2236/11 -, juris RdNr. 19; vgl. dazu auch näher unten). Soweit der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in dem genannten Beschluss vom 22.01.1996 (a.a.O.) die Auffassung vertritt, im Hinblick auf die bloße Ordnungsfunktion der Baugenehmigung wäre eine nur auf formelle Verstöße gestützte Nutzungsuntersagung ebenso wenig mit Art. 14 GG zu vereinbaren wie eine Abbruchsanordnung, wird nicht nur ein unzutreffendes Verständnis der Wirkungen einer Baugenehmigung zugrunde gelegt (vgl. dazu etwa Sauter, LBO, § 58 RdNrn. 4 ff.), sondern zugleich übersehen, dass - zum einen - Art. 14 Abs. 1 GG zu dieser Frage keine Aussage trifft und dass - zum anderen - die Differenzierung zwischen Abbruchsanordnung und Nutzungsuntersagung im Normtext des § 65 LBO eindeutig angelegt ist.
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Dass die Tatbestandsseite des § 65 Satz 2 LBO die materielle Baurechtswidrigkeit nicht in den Blick nimmt, wird letztlich auch daran ersichtlich, dass der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in gefestigter Rechtsprechung selbst davon ausgeht. Eine genehmigungsbedürftige bauliche Nutzung, deren Genehmigungsfähigkeit nicht ohne weiteres, sondern erst aufgrund weiterer Ermittlungen festgestellt werden kann, darf nämlich auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf der Grundlage des § 65 Satz 2 LBO wegen formeller Baurechtswidrigkeit vorläufig bis zur endgültigen Klärung der Zulässigkeit der Nutzung im Baugenehmigungsverfahren untersagt werden (vgl. Beschluss vom 29.07.1991 - 3 S 1777/91 -, juris RdNr. 3; Urteil vom 22.09.1989 - 5 S 3086/88 -, NVwZ 1990, 480; Beschluss vom 01.02.2007 - 8 S 2606/06 -, VBlBW 2007, 226). § 65 Satz 2 LBO ist aber kein „relativer Tatbestand“. Versteht man die Vorschrift - unzutreffend - so, dass ihre Voraussetzungen erst gegeben sind, wenn die aufgenommene Nutzung seit ihrer Aufnahme auch materiell baurechtswidrig ist, kann auf dieses Tatbestandsmerkmal nicht für eine andere Fallgruppe verzichtet werden. Insoweit vermag die vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vorgenommene Relativierung bzw. Negierung von (vermeintlichen) Tatbestandsmerkmalen des § 65 Satz 2 LBO in den Fällen der vorläufigen Nutzungsuntersagung dogmatisch schon deshalb nicht zu überzeugen, weil sie in Konflikt mit der eigenen Auffassung zu den Tatbestandsmerkmalen des § 65 Satz 2 LBO gerät.
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Nach alldem ist die erkennende Kammer - im Einklang mit der Rechtsprechung aller anderen Oberverwaltungsgerichte - der Überzeugung, dass der Tatbestand des § 65 Satz 2 LBO bereits dann erfüllt ist, wenn für eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung die erforderliche Baugenehmigung nicht erteilt ist.
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b) Die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung (dort S. 7 bis 9) zutreffend und mit überzeugender Begründung dargelegt, dass und warum im vorliegenden Fall eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung in Rede steht, insbesondere die derzeit ausgeübte Nutzung nicht von der Baugenehmigung zur Errichtung einer Zweiradwerkstatt mit Betriebsleiterwohnung gedeckt ist und auch keine verfahrensfreie Nutzungsänderung im Sinne des § 50 Abs. 2 LBO in Rede steht. Auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten nimmt die erkennende Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug, zumal sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers dieser Sichtweise in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich angeschlossen hat. Auch die Betreiberin des bordellartigen Betriebs im ersten Obergeschoss des Anwesens des Klägers scheint sich diese Auffassung zu eigen gemacht zu haben, hat sie doch zwischenzeitlich einen mit einer Nutzungsänderung begründeten Bauantrag gestellt, ohne dass in diesem bauliche Veränderungen vorgesehen wären.
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3. Die Nutzungsuntersagungsverfügung ist verhältnismäßig und ermessensfehlerfrei verfügt worden. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermessensbetätigung der Beklagten kann offen bleiben, ob an der tradierten Auffassung der Maßgeblichkeit der letzten Behördenentscheidung (vgl. nur VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.07.2002 - 5 S 149/01 -, GewArch 2003, 496; Beschluss vom 30.09.1993 - 14 S 1946/93 -, juris RdNr. 3) festzuhalten ist oder ob - wofür in Ansehung der prozessrechtlichen Vorschrift des § 114 Satz 2 VwGO und im Blick auf den Charakter als Dauerverwaltungsakt aus der Sicht der erkennenden Kammer einiges spricht - die Beklagte auch insoweit verpflichtet ist, ihren Verwaltungsakt „gleichsam unter Kontrolle zu halten“ (so auch Decker, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Art. 76 RdNr. 291; ebenso zur Anfechtung von Ermessensausweisungen: BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 -, BVerwGE 130, 20). Denn die angefochtene Verfügung ist in Bezug auf die Ermessensausübung zu allen Zeitpunkten nicht zu beanstanden.
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Die untersagte Nutzung erweist sich nicht als derzeit offensichtlich genehmigungsfähig (dazu nachfolgend a) und genießt keinen Bestandsschutz (b). Die Verfügung ist ermessensfehlerfrei auch gegenüber dem Kläger als Eigentümer ausgesprochen worden (c); aus der von der Beklagten hinsichtlich der Wohnungsprostitution ausgeübten Verwaltungspraxis kann der Kläger unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes keine Rechte herleiten (d). Auch sonst ist die Nutzungsuntersagungsverfügung frei von im Hinblick auf § 114 Satz 1 VwGO erheblichen Ermessensfehlern (e).
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a) Die ausgeübte und von der Beklagten untersagte Nutzung erweist sich nicht als offensichtlich genehmigungsfähig, da sie den Festsetzungen im Bebauungsplan „Landwasser-Mitte II“ vom 26.11.2005 widerspricht und somit nach § 30 BauGB in Verbindung mit den textlichen Festsetzungen des nämlichen Bebauungsplans nicht zugelassen werden kann. Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass dieser Bebauungsplan unwirksam sein könnte, bestehen nicht.
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aa) Die textliche Festsetzung in dem Bebauungsplan „Landwasser-Mitte II“ vom 04.10.2005
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„Unzulässig sind Einrichtungen wie Animierlokale, Nachtbars und vergleichbare Einrichtungen mit Striptease und Filmvorführung, Sex-Kinos, Geschäfte mit Einrichtungen zur Vorführung von Sex- und Pornofilmen, erotische Sauna- und Massagebetriebe, sonstige Vergnügungsstätten, Bordelle und bordellartige Betriebe sowie Terminwohnungen, Eros-Center und vergleichbare Dirnenunterkünfte, Einzelhandelsgeschäfte mit überwiegendem Sex- und Erotiksortiment, Swingerclubs sowie sonstige sexbezogene Vergnügungsstätten.“
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findet ihre Rechtsgrundlage in § 1 Abs. 9 BauNVO. Hiernach kann im Bebauungsplan bei Anwendung des § 1 Abs. 5 bis 8 BauNVO festgesetzt werden, dass u.a. bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen unzulässig sind, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen. Prostitutionsbetriebe stellen eine bestimmte Art von Gewerbebetrieben dar, die einer Branchendifferenzierung grundsätzlich zugänglich sind (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.05.2005 - 8 C 10053/05 -, BRS 69 Nr. 35; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. 2008, § 8 RdNr. 18.4). Besondere städtebauliche Gründe für ihren Ausschluss aus dem hier in Rede stehenden Gewerbegebiet hat die Beklagte in der Begründung der Bebauungsplanänderung sowie in ihrer Klageerwiderung (dort S. 16) angeführt. Indem die Beklagte auf die kleinräumige gewerbliche Struktur des bestehenden Gewerbegebiets abhebt und diese - gleichsam „klassische“ - Struktur des Gewerbegebiets vor Milieuveränderungen geschützt werden soll, macht sie besondere städtebauliche Gründe im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO geltend, die den Ausschluss von „sexbezogenen Nutzungen“ zu rechtfertigen geeignet sind. Dies gilt auch und gerade unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich um ein sehr kleines Gewerbegebiet handelt, das an Wohn- und Mischbauflächen angrenzt. Die erkennende Kammer vermag in Ansehung dieser Begründung nicht festzustellen, dass § 1 Abs. 9 BauNVO die im Streit stehende textliche Festsetzung nicht zu rechtfertigen vermag.
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bb) Der Bebauungsplan „Landwasser-Mitte II“ verstößt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht gegen das Erforderlichkeitsgebot des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. In der von der erkennenden Kammer geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB nur solche Bebauungspläne sind, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind. Davon ist u.a. auszugehen, wenn eine positive Zielsetzung nur vorgeschoben wird, um eine in Wahrheit auf bloße Verhinderung gerichtete Planung zu verdecken (vgl. statt vieler: BVerwG, Beschluss vom 11.05.1999 - 4 BN 15.99 -, NVwZ 1999, 1338). Ein solcher Fall ist nicht schon dann gegeben, wenn der Hauptzweck der Festsetzungen in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen besteht. Festsetzungen in einem Bebauungsplan sind nur dann als „Negativplanung“ unzulässig, wenn sie nicht dem planerischen Willen der Gemeinde entsprechen, sondern nur vorgeschoben sind, um eine andere Nutzung zu verhindern (BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990 - 4 NB 8.90 -, NVwZ 1991, 875).
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Gemessen daran vermag die erkennende Kammer einen Verstoß gegen das Erforderlichkeitsgebot nicht festzustellen. Mit der im Streit stehenden textlichen Festsetzung wollte der Gemeinderat der Beklagten den Beschluss des Gemeinderates zur planungsrechtlichen Steuerung von Bordellen umsetzen. Der Gemeinderat ist in Bezug auf das Plangebiet des Bebauungsplans „Landwasser-Mitte II“ zu dem Ergebnis gelangt, dass unter Berücksichtigung des im Jahr 2005 vorhandenen genehmigten Bestandes („kleinparzellierte gewerbliche Bauflächen zwischen der ... Straße und der ..., Ansiedlung von kleineren Betrieben aus den Bereichen Handwerk, Handel und Dienstleistungen“) eine prostitutive Nutzung dort wegen der damit „verbundenen Auswirkungen auf das direkte Umfeld (Wegzug von ansässigen Gewerbebetrieben, Belästigungen von Nachbarn, Milieuveränderungen) und den damit verbundenen städtebaulichen Missständen“ nicht zulässig sein soll. Der Gemeinderat hat damit eine positive städtebauliche Begründung gegeben, die den Anforderungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB Rechnung trägt (vgl. zum Trading-Down-Effekt auch BVerwG, Beschluss vom 21.12.1992 - 4 B 182.92 -, BRS 55 Nr. 42; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 03.03.2005 - 3 S 1524/00 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.10.2001 - 10 A 2288/00 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.05.2005, a.a.O.). Zugleich hat er bei der städtebaulichen Umsetzung seines Beschlusses über die planungsrechtliche Steuerung von Bordellen der prostitutiven Nutzung in anderen Bereichen des Stadtgebiets substanziell Raum verschafft. Insbesondere hat der Gemeinderat die planungsrechtlichen Grundlagen für die Verwirklichung einer gewerblichen Nutzung an drei Bordellstandorten geschaffen und - in Bezug auf die Abschätzung der Bedarfssituation in Freiburg - weitere in den Jahren 2001/2003 vorhandene Einrichtungen berücksichtigt. Mehr ist von Rechts wegen im Hinblick auf § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht veranlasst. Der Kläger irrt, wenn er davon ausgeht, die Zulassung prostitutiver Nutzungen im Gemeindegebiet der Beklagten müsse sich an der Nachfrage innerhalb des Stadtkreises - oder gar der diesen umgebenden Region - orientieren. Die vom Kläger mittels Statistiken über die Inanspruchnahme prostitutiver Dienstleistungen geforderte weitgehende Gleichsetzung der Bebauungsplanung mit einer „Nachfragebefriedigungsplanung“ ist verfehlt und wird ersichtlich durch das Baugesetzbuch nicht gefordert. Welche Umstände bei der Bauleitplanung einer Gemeinde zu berücksichtigen sind, erhellt vielmehr § 1 Abs. 6 BauGB. Dass das Bedürfnis nach der Inanspruchnahme prostitutiver Dienstleistungen mit einem besonderen Gewicht in die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB einzustellen wäre, ergibt sich weder aus § 1 Abs. 6 BauGB noch aus sonstigen Vorschriften des Baugesetzbuchs. Im Gegenteil können „sexbezogene Nutzungen“ mit den in § 1 Abs. 6 BauGB genannten Belangen möglicherweise eher in Konflikt geraten, als es bei sonstigen gewerblichen Nutzungen der Fall ist. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es - rechtlich freilich auf der Ebene der Abwägungsentscheidung angesiedelt -, den Gemeinden bei der bauplanungsrechtlichen Steuerung der Prostitution die Freiheit einzuräumen, derartige - mit einer Vielzahl von Belangen des § 1 Abs. 6 BauGB regelhaft konfligierenden - Nutzungen restriktiver zu behandeln als sonstige, weniger konfliktträchtige gewerbliche Nutzungen.
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In Umsetzung des Beschlusses des Gemeinderats der Beklagten über die planungsrechtliche Steuerung von Bordellen hat er für die Bordellnutzung an drei Standorten planerisch substanziell Raum geschaffen. Hierbei war der Gemeinderat nicht aus Rechtsgründen gehindert zugrundezulegen, dass gegen städtebaulich weniger relevante Formen prostitutiver Nutzung seitens der Verwaltung nur eingeschritten wird, wenn von diesen städtebauliche Spannungen ausgehen. Zwar erscheint es - darauf hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen - nicht von vornherein frei von rechtlichen Bedenken, wenn ein planerisches Konzept (auch) auf dem Vorhandensein illegaler Nutzungen gründet. Die von der interfraktionellen Arbeitsgruppe des Gemeinderats über die Polizeidirektion erhobenen 27 bis 30 Terminwohnungen mit etwa 80 Prostituierten (Bl. 67 und 211 der Akten des Bauverwaltungsamts) wurden (und werden teilweise auch heute noch) ohne die erforderliche Baugenehmigung für Zwecke der Prostitution genutzt. Aus Rechtsgründen ist die Berücksichtigung des zu diesem Zeitpunkt tatsächlich vorhandenen Bestandes jedoch nicht zu beanstanden. Denn jedenfalls bei der erstmaligen konzeptionellen Steuerung prostitutiver Nutzung erweist es sich im Hinblick auf § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB als hinnehmbar, bei der Einschätzung des Angebots und der Nachfrage auch solche Nutzungen zu berücksichtigen, die schon einige Zeit verwirklicht sind, gegen die aber seitens der Verwaltung nicht sofort und nur bei Hinzukommen weiterer Umstände (städtebauliche Spannungen) eingeschritten wird. Zum einen hat die Beklagte dargelegt, dass sie seinerzeit personell nicht in der Lage war, sämtliche der im Stadtgebiet baurechtswidrig verwirklichten Bordellnutzungen aufzugreifen und zu untersagen. Zum anderen erweist sich ein effektives Vorgehen gegen Terminwohnungen wegen der „Flüchtigkeit“ prostitutiver Nutzung und wegen ihrer - gegenüber sonstigem Gewerbe - großen Mobilität als besonders aufwändig. Denn der Nutzungsuntersagung an dem einen Standort folgt häufig die (wiederum illegale) Nutzungsaufnahme am nächsten Standort und dies, ohne dass die neue Nutzung dort sogleich wahrnehmbar wird, geschweige denn die jeweiligen Betreiber sich an den Bestimmungen des formellen Baurechts orientieren (zutr. Stühler, VBlBW 2008, 433). Ein nachhaltiges Einschreiten gegen diese Art der ungenehmigten gewerblichen Nutzung ist deshalb besonders aufwändig und selten von dauerhaftem Erfolg. Aus diesem Grunde hält es die erkennende Kammer im Hinblick auf § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB für zulässig, dass der Gemeinderat bei der erstmaligen Erarbeitung eines Bordellkonzepts im Hinblick auf das im Stadtgebiet vorhandene Angebot - und daher mit Blick auf die Anzahl zusätzlich erforderlicher Bordellstandorte - zur Kenntnis genommen hat, dass die Verwaltung gegen baurechtswidrig genutzte Terminwohnungen nur bei Hinzukommen weiterer Umstände einschreitet. Dies berücksichtigend erscheint es im Blick auf das Verbot der Verhinderungsplanung nicht zu beanstanden, dass der Gemeinderat der Beklagten seinerzeit mit drei Standorten nur eine relativ geringe Anzahl an Bordellen und bordellartigen Betrieben ausgewiesen hat. Die Bordellkonzeption des Gemeinderats konnte dem entsprechend taugliche Grundlage für die Umsetzung im Wege der Bauleitplanung sein.
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Zwar hat sich nach Erlass des Bebauungsplans gezeigt, dass von den drei zulässigen Standorten im Stadtgebiet der Standort „Westlich Heinrich-von-Stephan-Straße, Plan - Nr. 4-63“ nicht verwirklicht werden konnte. Dies begründet jedoch keinen Verstoß gegen das Erforderlichkeitsgebot des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Denn in den Jahren 2003/2005 war es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass dieser Standort dauerhaft nicht wird verwirklicht werden können. Nachträgliche Entwicklungen begründen indes keinen Verstoß gegen § 1 Abs. 3 BauGB, sondern können allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Funktionslosigkeit von Bebauungsplänen relevant werden. Davon kann hier indes keine Rede sein; sie wird vom Kläger auch nicht eingewandt.
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cc) Auch für einen im Hinblick auf die Planerhaltungsvorschriften beachtlichen Abwägungsfehler ist nichts ersichtlich. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in seiner Klagebegründung (dort S. 25) und in der mündlichen Verhandlung zutreffend darauf hingewiesen, dass die von ihm behaupteten Fehler im Abwägungsvorgang unbeachtlich geworden sind. Für die erkennende Kammer sind auch beachtliche Fehler im Abwägungsergebnis nicht ersichtlich.
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dd) Erweist sich der Bebauungsplan der Beklagten somit als wirksam, kann nicht davon ausgegangen werden, die untersagte Nutzung sei offensichtlich genehmigungsfähig, zumal eine Befreiung von der maßgeblichen textlichen Festsetzung schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil im Sinne des § 31 Abs. 2 BauGB Grundzüge der Planung berührt sind.
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b) Der Kläger kann sich auch nicht auf einen Bestandsschutz der untersagten Nutzung berufen. Der insoweit materiell beweispflichtige Kläger macht geltend, die ergangene Nutzungsuntersagungsverfügung sei rechtswidrig, weil die Nutzung der Wohnung als Terminwohnung bzw. bordellartiger Betrieb von Mai bis November 2005 und damit für einen namhaften Zeitraum mit dem materiellen Baurecht in Einklang gestanden habe. Insoweit ist zwischen den Beteiligten bereits in tatsächlicher Hinsicht streitig, ob die nunmehr untersagte Nutzung bereits im Mai 2005 aufgenommen (und der entsprechende Mietvertrag am 25.03.2005 geschlossen) wurde oder ob der Kläger den von ihm mit ... geschlossenen Mietvertrag um ein Jahr vordatiert hatte. In diesem Sinne hat sich Letztgenannter in einem Schreiben an die Beklagte vom 03.03.2009 (Bl. 151 d.A.) eingelassen, während er in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erklärt hat, er habe mit dieser Falschaussage die Beklagte zum baurechtlichen Einschreiten gegen die damaligen Untermieter bewegen wollen. Der vorliegende Rechtsstreit gibt indes keinen Anlass, dieser Frage in tatsächlicher Hinsicht weiter nachzugehen. Denn selbst wenn man von einer Nutzungsaufnahme im Mai 2005 ausgehen wollte, wofür die vom Kläger vorgelegten Anlagen K 31 und K 32 sprechen dürften, könnte sich der Kläger nicht auf einen Bestandsschutz der nunmehr untersagten Nutzung berufen.
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aa) Im Ansatz zu Recht geht der Kläger allerdings davon aus, dass die Nutzung als bordellartiger Betrieb in seinem Anwesen ... vor Inkrafttreten der Zweiten Änderung des Bebauungsplans Landwasser-Mitte II am 26.11.2005 genehmigungsfähig gewesen sein könnte. Denn der seinerzeit maßgebliche Bebauungsplan Landwasser-Mitte II setzte in der Fassung seiner Ersten Änderung vom 04.02.1992 - wie heute - ein Gewerbegebiet fest, in dem seinerzeit allerdings (lediglich) die Zulässigkeit von Vergnügungsstätten ausgeschlossen war. Die bloße Nutzung von Wohnraum zur Prostitution, sei es als Wohnungsprostitution, Terminwohnung oder bordellartiger Betrieb, stellt jedoch keine Vergnügungsstätte dar (vgl. näher VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.03.2012 - 5 S 3239/11 -, NVwZ-RR 2012, 431 mwN; Urteil der Kammer vom 24.10.2000 - 4 K 1178/99 -, NVwZ 2001, 1442; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 103. Lieferung <2012>, § 6 BauNVO RdNr. 42, Fickert/Fieseler, a.a.O., § 4a RdNr. 23.7). Dass die Beklagte mit dem Ausschluss von Vergnügungsstätten seinerzeit - möglicherweise vor dem Hintergrund der Rechtsprechung und Literatur zu früheren Fassungen der Baunutzungsverordnung (vgl. die Nachweise bei Fickert/Fieseler, a.a.O., § 4a RdNr. 23.7) - auch die hier im Streit stehende Nutzung ausschließen wollte, mag sein. Mit dem planerischen Ausschluss (nur) von Vergnügungsstätten ist dies indes objektiv nicht gelungen. Die beiden Wohnungen im ersten Obergeschoss des klägerischen Anwesens wurden unstreitig nur als Terminwohnungen bzw. als bordellartiger Betrieb genutzt. Insoweit lag jedenfalls im Rechtssinne keine Vergnügungsstätte vor, sodass die textliche Festsetzung der Ersten Änderung des Bebauungsplans Landwasser-Mitte II dem Kläger nicht entgegen gehalten werden konnte. Ob im Zeitraum von Mai bis November 2005 im Keller des Anwesens ein SM-Studio unterhalten wurde, das unter den Begriff der „Vergnügungsstätte“ zu subsumieren wäre, kann dahinstehen, denn daraus ergäbe sich nicht die materielle Illegalität der gesamten Nutzung. Auf Grund der räumlichen Zäsur - Nutzung des ersten Obergeschosses als Terminwohnungen einerseits und des Kellers als SM-Studio andererseits - ist die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Nutzungen differenziert zu beurteilen.
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bb) Gleichwohl ist dem Kläger eine Berufung auf (passiven) Bestandsschutz aus Rechtsgründen verwehrt. Dieser lässt sich - bezogen auf die streitgegenständliche Nutzung - weder aus Art. 14 Abs. 1 GG (1) noch aus einfachrechtlichen Bestimmungen ableiten (2).
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(1) Der Kläger kann sich zunächst nicht auf einen verfassungsunmittelbaren Bestandsschutz der Nutzung des ersten Obergeschosses seines Anwesens als Terminwohnung berufen. Das Rechtsinstitut des baurechtlichen Bestandsschutzes wurde vom Bundesverwaltungsgericht als verfassungsunmittelbare Anspruchsgrundlage entwickelt, um den Eigentümern bestimmter baulicher Anlagen die Möglichkeit zu gewähren, diese weiter zu nutzen oder gegebenenfalls sogar zu erweitern, obgleich die rechtlichen Rahmenbedingungen sich zwischenzeitlich zum Nachteil des Eigentümers geändert haben. Begrifflich treffend lässt sich der von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelte Bestandsschutz in seiner passiven Ausgestaltung als „Bestandsnutzungsschutz“ (Bahnsen, Der Bestandsschutz im öffentlichen Baurecht, 2011, S. 38) beschreiben. Dementsprechend sichert der passive Bestandsschutz das Recht des Eigentümers einer baulichen Anlage diese, so wie sie ausgeführt ist, zu nutzen, auch wenn neuere baurechtliche Vorschriften diesem Vorhaben nunmehr entgegen stehen (Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 RdNr. 84). Der „Istzustand“ einer baulichen Anlage wird somit vor Anpassungsverlangen aufgrund geänderter Rechtslage, Beseitigungsanordnungen und Nutzungsuntersagungen von Seiten der Behörde geschützt. Wegen der Normgeprägtheit des Eigentumsgrundrechts gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmen sich Grund, Reichweite und Inhalt eines Bestandsschutzes von ausgeübten Nutzungen in der Konsequenz der Nassauskiesungsentscheidung (BVerfG, Beschluss vom 15.07.1981 - 1 BvL 77/78 -, BVerfGE 58, 300) nach neuerer und zutreffender Auffassung jedoch grundsätzlich nach dem einfachen Recht (stRspr., vgl. nur BVerwG, Urteil vom 12.03.1998 - 4 C 10.97 -, BVerwGE 106, 228; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.09.2012 - 3 S 2236/11 -, juris RdNr. 19). Da der Gesetzgeber gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des Eigentums festlegt, gibt es - abgesehen von der vom Gesetzgeber zu beachtenden Institutsgarantie - keinen verfassungsunmittelbaren Gehalt des Eigentums. Nur solche Befugnisse, die einem Eigentümer durch die Gesamtheit der (verfassungsmäßigen) Gesetze zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen sind, werden demnach von seinem Eigentumsgrundrecht geschützt. Auch die Baufreiheit, die vom Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts umfasst wird, ist daher nur nach Maßgabe des einfachen Rechts gewährleistet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.06.1973 - 1 BvL 39/69 u.a. -, BVerfGE 35, 263 <276>; BVerwG, Urteil vom 12.03.1998, a.a.O.; Berkemann, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 14 RdNr. 381). Verfassungsrechtlichen Schutz genießt eine Eigentumsposition im Bereich des Baurechts somit nur im Rahmen der mit ihr zulässigerweise verbundenen, gesetzlich definierten Befugnisse (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.10.1996 - 1 BvL 44/92 u.a. -, BVerfGE 95, 64 <82>; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 RdNr. 40). Für verfassungsunmittelbaren Bestandsschutz der Nutzung als Terminwohnung ist somit kein Raum.
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(2) Der Kläger kann den Bestandsschutz der untersagten Nutzung auch nicht aus dem einfachen Recht ableiten. Auf die Bestandskraft einer Baugenehmigung und deren Legalisierungswirkung kann er sich nicht berufen, da die Nutzung des Anwesens als Zweiradwerkstatt und die diesem zugeordnete Nutzung des ersten Obergeschosses als Betriebsinhaberwohnungen endgültig aufgegeben wurde. Denn von der Bestandskraft der Baugenehmigung gedeckt ist nur die nach Art und Umfang unveränderte Nutzung (vgl. BVerwG, Urteile vom 23.02.1979 - 4 C 86.76 - und vom 23.01.1981 - 4 C 83.77 -, Buchholz 406.16 Eigentumsschutz Nrn. 13 und 23). Bestandsschutzfähig ist somit nur der Anspruch des dinglich Berechtigten einer durch Genehmigung legalisierten oder (bzw. und) während eines Mindestzeitraums materiell rechtmäßigen baulichen Substanz in ihrer von der Genehmigung bzw. Genehmigungsfähigkeit umfassten konkreten Nutzung, sich gegen spätere nachteilige Rechtsänderungen durchzusetzen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.04.2009 - 10 B 186/09 -, BauR 2009, 1436). Bezugspunkt für den Bestandsschutz gegenüber Rechtsänderungen ist also stets eine bauliche Anlage in ihrer jeweiligen Nutzung, nicht aber, wie der Kläger meint, die Bausubstanz als solche unabhängig von etwaigen Nutzungsänderungen. Im Hinblick auf Bestands- oder Nutzungsänderungen kann eine bauliche Anlage daher keinen Bestandsschutz genießen (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.11.1974 - 4 C 32.71 -, BVerwGE 47, 185, und vom 24.10.1980 - 4 C 81.77 -, BVerwGE 61, 112; Beschluss vom 09.09.2002 - 4 B 52.02 -, BauR 2003, 1021; Urteil vom 18.05.1990 - 4 C 49.89 -, NVwZ 1991, 264; Sauter, LBO, § 65 RdNr. 14d). Bauliche Substanz und Nutzung unterliegen folglich nicht unabhängig voneinander unterschiedlichen rechtlichen Regelungen. Bestandsschutz genießt die bauliche Anlage in ihrer durch die Nutzung bestimmten Funktion (BVerwG, Beschluss vom 09.09.2002, a.a.O.; Schulte/Reichel, Handbuch Bauordnungsrecht, 2004, Kap. 15 RdNrn. 110 ff.); er ist also auf die Sicherung des durch die Eigentumsausübung Geschaffenen bezogen und damit auf das Gebäude in seinem Bestand, nicht auf eine geänderte Nutzung eines Gebäudes. Zum sonach geschützten Bestand gehört (nur) die funktionsgerechte Nutzung, der die bauliche Anlage nach der für sie erteilten Baugenehmigung zu dienen bestimmt ist (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.09.1991 - 11 A 1178/89 -, NVwZ-RR 1992, 531; Beschluss vom 15.04.2009, a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.05.2012 - OVG 10 S 42.11 -, juris RdNr. 8; VG Hamburg, Beschluss vom 01.02.2010 - 11 E 3492/09 -, juris RdNr. 27 mwN; VG Augsburg, Urteil vom 31.05.2012 - Au 5 K 11.1025 -, juris). Diese Bewertung geht von dem zutreffenden rechtlichen Ansatz aus, dass der aus der Bestandskraft der Baugenehmigung abgeleitete einfachrechtliche Bestandsschutz nur die Fortführung einer legal ausgeübten Nutzung deckt, nicht aber den Übergang auf eine andere Nutzung, die bodenrechtlich relevant ist und deshalb die Genehmigungsfrage neu aufwirft. In einem solchen Fall muss die neue Nutzung in einem Baugenehmigungsverfahren geprüft werden (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.05.2012, a.a.O.).
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Dies berücksichtigend hat sich der Bestandsschutz für das auf dem Grundstück des Klägers errichtete Gebäude mit der endgültigen Aufgabe der Nutzung als Zweiradwerkstatt mit Betriebsleiterwohnungen erledigt. Durch die Aufnahme einer neuen, nicht von der erteilten Baugenehmigung gedeckten Nutzung zu prostitutiven Zwecken hat der Kläger zu erkennen gegeben, dass er von der genehmigten Nutzung dauerhaft keinen Gebrauch mehr machen will (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 25.03.1988 - 4 C 21.85 -, BauR 1988, 569 <571>). Der tatsächliche Beginn einer anderen Nutzung, die außerhalb der Variationsbreite der bisherigen Nutzungsart liegt und die erkennbar nicht nur vorübergehend ausgeübt werden soll, unterbricht den Zusammenhang und lässt den Bestandsschutz, der lediglich die Fortsetzung der bisherigen, einmal rechtmäßig ausgeübten Nutzung gewährleisten soll, entfallen. Bauliche Substanz und bauliche Nutzung fallen seit der Aufnahme der prostitutiven Nutzung dauerhaft auseinander, die ihrerseits nicht isoliert - gleichsam unabhängig vom genehmigt errichteten Bestand - bestandsschutzfähig ist.
58
Auch sonst lässt sich dem einfachen Recht kein Rechtsposition des Klägers auf (passiven) Bestandsschutz der Nutzung als Terminwohnung entnehmen. Dabei kann offen bleiben, ob - wozu die erkennende Kammer neigt - die Schutzwirkungen des Bestandsschutzes voraussetzen, dass Errichtung und Nutzung einer genehmigungspflichtigen baulichen Anlage von einer Baugenehmigung gedeckt sein müssen (so BVerfG, Beschluss vom 15.12.1995 - 1 BvR 1713/92 -, NVwZ-RR 1996, 483; BVerwG, Beschluss vom 18.07.1997 - 4 B 116.97 -, NVwZ-RR 1998, 357 <358>; Bayerischer VGH, Beschluss vom 28.03.2007 - 1 CS 06.3006 -, BRS 71 Nr. 193; Decker, BayVBl. 2011, 517 <521>; Uschkereit, BauR 2010, 718 <720>; Reichel/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, 2004, Kap. 15 RdNr. 223; Decker, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Kommentar, Stand Februar 2012, Art. 76 RdNrn. 118, 284; vgl. aber auch BVerfG, Beschluss vom 24.07.2000 - 1 BvR 151/99 -, NVwZ 2001, 424; BVerwG, Beschluss vom 05.06.2007 - 4 B 20.07 -, BauR 2007, 1697; Dürr, VBlBW 2000, 457, 459; Weidemann/Krappel, NVwZ 2009, 1207). Denn dem einfachen Recht lässt sich keine Bestimmung entnehmen, die fordern würde, dass eine ohne Kenntnis der Baugenehmigungsbehörde aufgenommene Nutzung - selbst wenn diese einige Monate materiell genehmigungsfähig gewesen sein sollte - für die Zukunft unbeanstandet zu bleiben hat. Die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 LBO liegen - wie auch der Kläger einräumt - nicht vor, denn es handelte sich bei dem Übergang von einer Zweiradwerkstatt mit der Nebennutzung einer Betriebsinhaberwohnung zu der Hauptnutzung als bordellartiger Betrieb/Termin-wohnung nicht um eine innerhalb der Nutzungsbandbreite der erteilten Baugenehmigung liegende Nutzungsänderung. Dass § 65 Satz 2 LBO - anders als § 65 Satz 1 LBO - keinen Nutzungsbestandsschutz gewährt, wird bereits daran ersichtlich, dass diese Vorschrift („werden… genutzt“) nur die derzeitige Nutzung in den Blick nimmt. Zudem ist - hierauf hat das Regierungspräsidium Freiburg zu Recht und mit zutreffender Begründung hingewiesen - für ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in den Fortbestand einer illegalen Nutzung jedenfalls dann kein Raum, wenn § 15 BauGB die Zurückstellung eines Baugesuches ermöglicht hätte. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob es sich bei dieser Vorschrift um eine solche des formellen oder des materiellen Baurechts handelt (so bereits BVerwG, Urteil vom 22.01.1971 - IV C 62.66 -, NJW 1971, 1624). So liegt der Fall hier. Hätte sich der Kläger oder sein damaliger Mieter rechtmäßig verhalten und vor Nutzungsaufnahme die Erteilung einer Baugenehmigung zur Nutzungsänderung in einen bordellartigen Betrieb bei der Beklagten beantragt, wäre es dieser im Hinblick auf den am 13.04.2005 gefassten und am 30.04.2005 bekannt gemachten Aufstellungsbeschluss möglich gewesen, das Vorhaben gemäß § 15 Abs. 1 BauGB zurückzustellen. Damit ist für die Annahme eines Bestandsschutzes auch mangels objektiver Schutzbedürftigkeit kein Raum.
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cc) Abgesehen davon vermag die erkennende Kammer auch in tatsächlicher Hinsicht nicht festzustellen, dass die wohl im Mai 2005 aufgenommene Nutzung als Terminwohnung seinerzeit für einen namhaften Zeitraum materiell baurechtmäßig gewesen ist. Denn der insoweit materiell beweispflichtige Kläger trägt unwidersprochen vor, dass die Nutzung der Wohnungen im ersten Obergeschoss nicht nur gewerblichen Zwecken (Prostitution) gedient hat, sondern zugleich der Wohnnutzung einiger der dort auch mit Erstwohnsitz gemeldeten Prostituierten. Insoweit ist in der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber geklärt, dass „gewerbliche Betriebe, die mit einer Wohnnutzung verbunden sind, wie ein Bordell, in dem die Dirnen auch wohnen, in Gewerbe- und Industriegebieten nicht zulässig“ sind (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 25.11.1983 - 4 C 21.83 -, BVerwGE 68, 213). Im Übrigen hat der Kläger weder Art und Umfang der Umbauarbeiten im Zeitraum März bis Mai 2005 dargelegt noch ist ersichtlich, dass die seinerzeit offenbar aufgenommene Nutzung als Escort-Service und als Terminwohnung auch mit § 15 BauNVO an dem konkreten Standort vereinbar gewesen ist.
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c) Die Verfügung ist ermessensfehlerfrei auch gegenüber dem Kläger als Eigentümer ausgesprochen worden. Neben ihm als Eigentümer des Anwesens hat die Beklagte auch die (damalige) Betreiberin und den vormaligen Mieter des Klägers, ..., mit einer Untersagungsverfügung belegt. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Insbesondere hat die Beklagte in ihrer Klageerwiderung (dort S. 21 und 22) mit zutreffender Begründung dargelegt, dass sie sich auch daran orientieren darf, welcher Störer die Gefahr möglichst effektiv und dauerhaft beseitigen kann. Dies ist - woran die erkennende Kammer keinen Zweifel hat - der Kläger als Eigentümer des Anwesens. Gerade das hiesige Nutzungskonzept macht im Übrigen anschaulich, dass der Eigentümer mit einer gewissen Regelhaftigkeit auch zur Nutzungsuntersagung herangezogen werden sollte. Denn der wiederholte Betreiberwechsel sowie das hier - wie auch sonst - gepflegte Konzept ständiger Weiter- und Untervermietung der Räumlichkeiten zeigt deutlich, dass das Verwaltungsverfahren verlässlich häufig nur mit dem Grundstückseigentümer geführt werden kann.
61
d) Die Beklagte war schließlich auch nicht verpflichtet, die prostitutive Nutzung im Anwesen des Klägers zu dulden. Der Kläger macht insoweit unter Berufung auf die Bordell- und Vergnügungsstättenkonzeption der Beklagten geltend, die in seinem Anwesen verwirklichte Nutzung entspreche der von Terminwohnungen. Nach der nämlichen Konzeption der Beklagten (vgl. GR-Drucks. 01/181) würden Terminwohnungen im Stadtgebiet der Beklagten aber grundsätzlich geduldet, es sei denn deren Nutzung habe städtebauliche Spannungen zufolge. In der Tat dürfte die im Anwesen des Klägers ausgeübte gewerbliche Nutzung sowohl unter den Begriff des bordellartigen Betriebs als auch unter jenen der Terminwohnung fallen. Unter bordellartigen Betrieben werden von der Anzahl der Prostituierten her kleinere Einrichtungen der Prostitution verstanden (z.B. Erotik-Massagesalons, erotische Modelwohnungen, Sauna-Clubs, FKK-Clubs), zu denen auch sog. Wohnungsbordelle und Terminwohnungen mit ein bis maximal vier Prostituierten rechnen, die dort ihrem Gewerbe nachgehen, ohne dort zu wohnen und allenfalls dort einige Nächte verbringen (vgl. hierzu und zum Folgenden Stühler, BauR 2010, 1013 <1026>). Hinter dem Begriff einer „Terminwohnung“ verbirgt sich dabei das Geschäftskonzept, dass die Prostituierten für eine gewisse Zeitspanne in einer bestimmten Wohnung arbeiten, um dann nach einem festgelegten Rotationsprinzip, häufig einer oder mehrerer Wochen in die nächste Wohnung weiterzuziehen. Dies ist hier der Fall.
62
Soweit der Kläger eine Duldung der beiden in seinem Anwesen verwirklichten Terminwohnungen begehrt, weil nach dem sog. der Bordellkonzept der Beklagten die Terminwohnungen im Stadtgebiet grundsätzlich geduldet würden, verfängt seine Argumentation nicht. Die Beklagte hat schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung für die erkennende Kammer nachvollziehbar vorgetragen, dass sie seit Schaffung einer zusätzlichen Planstelle zu Beginn des Jahres 2011 gegen neu aufgenommene Nutzungen als Terminwohnungen und gegen Einrichtungen mit einer größeren Anzahl an Plätzen vorgeht, gegen ältere - im Jahr 2001 bereits vorhandene - Einrichtungen aber erst nach und nach einschreitet. Dieses - der erkennenden Kammer aus mehreren anderen Verfahren bekannte und auch in der Praxis verwirklichte - Handlungskonzept ist im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die Beklagte aus Rechtsgründen nicht gehindert, ihr früher auf Nichteinschreiten gegen damals vorhandene Terminwohnungen angelegtes Handlungskonzept im Zuge der Erarbeitung einer neuen Bordellkonzeption fortzuentwickeln und nunmehr gegen seit langen Jahren baurechtswidrig genutzte Terminwohnungen oder seither neu hinzugekommene Etablissements vorzugehen.
63
Das Anwesen des Klägers wird durch bestimmungsgemäß sechs (derzeit vier, zeitweise - so der damalige Mieter ... - auch „bis zu zehn“) gleichzeitig anwesende Prostituierte genutzt. Bereits im Blick auf die Größe des dort verwirklichten bordellartigen Betriebs erscheint es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Beklagte gegen diese Terminwohnungen in einem einzelnen Anwesen, in denen regelmäßig mehr als vier Prostituierte ihrer Tätigkeit nachgehen, vorgeht, während sie gegen weniger massive Erscheinungsformen der prostitutiven Nutzung (insbesondere Wohnungsprostitution) nur bei städtebaulichen Spannungen einschreitet. Im Übrigen sind aber im vorliegenden Fall städtebauliche Spannungen auch deutlich zutage getreten, was nicht zuletzt an der Viel
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_re ... =25&anz=32
G Freiburg Urteil vom 8.11.2012, 4 K 912/12
Nutzungsuntersagung wegen Fehlens der Baugenehmigung - Bestandsschutz bezieht sich auf das Gebäude in seinem Bestand, nicht auf eine geänderte Nutzung eines Gebäudes
Leitsätze
1. Ein die endgültige Nutzungsuntersagung rechtfertigender Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne von § 65 Satz 2 LBO liegt bereits im Fehlen der nach §§ 49 ff. LBO erforderlichen Baugenehmigung (entgegen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.01.1996 - 8 S 2964/95 -, VBlBW 1996, 300; Urteil vom 12.09.1984 - 3 S 1607/84 -, BauR 1985, 537; Urteil vom 22.09.1989 - 5 S 3086/88 -, BWVPr 1990, 113).
2. Bestandsschutz kann eine bauliche Anlage nur in ihrer durch die Nutzung bestimmten Funktion genießen. Er ist somit auf die Sicherung des durch die Eigentumsausübung Geschaffenen bezogen und damit auf das Gebäude in seinem Bestand, nicht auf eine geänderte Nutzung eines Gebäudes (vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.09.2002 - 4 B 52.02 -, BauR 2003, 1021).
3. Zum Begriff der Terminwohnung/bordellartiger Betrieb.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen eine Nutzungsuntersagungsverfügung mit Zwangsgeldandrohung.
2
Der Kläger ist Eigentümer des Anwesens ... in Freiburg. Das Anwesen ist an die ... Immobilienverwaltung UG mit Sitz in ... vermietet, die dort in zwei Wohnungen im Obergeschoss jeweils drei Zimmer an Prostituierte zum Zwecke der Ausübung der Prostitution vermietet hat.
3
Das Grundstück des Klägers liegt im Geltungsbereich des im Jahr 1975 in Kraft getretenen Bebauungsplans „Landwasser-Mitte II“, Nr. 5-43c, der Beklagten, der für das Grundstück die Festsetzung Gewerbegebiet trifft. Der Bebauungsplan wurde im Jahr 1992 geändert. Unter Nr. II Abs. 4 der textlichen Festsetzungen ist bestimmt, dass Vergnügungsstätten im Gewerbegebiet ausgeschlossen sind. Im Zuge der Entwicklung eines „Vergnügungsstättenkonzepts“ beschloss der Gemeinderat der Beklagten am 13.04.2005 die Aufstellung eines Bebauungsplans zur Änderung des Bebauungsplans „Landwasser-Mitte II“; er wurde am 30.04.2005 im Amtsblatt der Beklagten öffentlich bekannt gemacht. Die Offenlage fand in der Zeit vom 09.05.2005 bis zum 10.06.2005 statt, der daraufhin vom Gemeinderat der Beklagten gefasste Satzungsbeschluss datiert vom 04.10.2005. Die damit beschlossene Zweite Änderung des Bebauungsplans wurde am 23.11.2005 vom Oberbürgermeister der Beklagten ausgefertigt und trat mit ihrer Bekanntmachung am 26.11.2005 in Kraft. In den textlichen Festsetzungen dieses Bebauungsplans ist bestimmt:
4
„Unzulässig sind Einrichtungen wie Animierlokale, Nachtbars und vergleichbare Einrichtungen mit Striptease und Filmvorführung, Sex-Kinos, Geschäfte mit Einrichtungen zur Vorführung von Sex- und Pornofilmen, erotische Sauna- und Massagebetriebe, sonstige Vergnügungsstätten, Bordelle und bordellartige Betriebe sowie Terminwohnungen, Eros-Center und vergleichbare Dirnenunterkünfte, Einzelhandelsgeschäfte mit überwiegendem Sex- und Erotiksortiment, Swingerclubs sowie sonstige sexbezogene Vergnügungsstätten.“
5
Die Begründung des Bebauungsplans führt zu der nämlichen Festsetzung aus (dort S. 1 und 2):
6
„Im Bereich des o.g. Plangebiets soll der Beschluss des Gemeinderates zur planungsrechtlichen Steuerung von Bordellen usw. (Bordellkonzeption) umgesetzt werden.
7
Auf den kleinparzellierten gewerblichen Bauflächen zwischen der Elsässer Straße und der Böcklerstraße sind kleinere Betriebe aus den Bereichen Handwerk, Handel und Dienstleistungen angesiedelt.
8
Durch den Ausschluss der genannten Betriebe soll den mit diesen Betrieben verbundenen Auswirkungen auf das direkte Umfeld (Wegzug von ansässigen Gewerbebetrieben, Belästigungen von Nachbarn, Milieuveränderungen) und den damit verbundenen städtebaulichen Missständen entgegengewirkt werden.
9
Um diese Entwicklung zu verhindern, soll für den Gesamtbereich der gewerblichen Bauflächen im Plangebiet auf der Grundlage der Entscheidung der Stadt Freiburg zur planerischen Behandlung von Bordellen der Ausschluss folgender Nutzungen erfolgen:
10
„Einrichtungen wie Animierlokale, Nachtbars und vergleichbare Einrichtungen mit Striptease und Filmvorführung, Sex-Kinos, Geschäfte mit Einrichtungen zur Vorführung von Sex- und Pornofilmen, erotische Sauna- und Massagebetriebe, Bordelle und bordellartige Betriebe sowie Terminwohnungen, Eros-Center und vergleichbare Dimenunterkünfte, Einzelhandelsgeschäfte mit überwiegendem Sex- und Erotiksortiment, Swingerclubs sowie sonstige sexbezogene Vergnügungsstätten.“
11
Ferner ist dem Bebauungsplan in „Umsetzung der Konzeption zur planungsrechtlichen Behandlung von Bordellen im Stadtgebiet“ eine „Allgemeine Begründung zur städtebaulichen Konzeption“ beigefügt. Darin heißt es - soweit hier maßgeblich -:
12
Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am 25.09.2001 einen Beschluss zur bauleitplanerischen Behandlung der Prostitution in der Stadt Freiburg gemäß Drucksache G 01181 gefasst. Der Gemeinderat hatte zunächst beschlossen, nur an folgenden Standorten bordellartige Betriebe grundsätzlich zuzulassen:
13
- Tullastraße 79 (mit einer maßvollen Erweiterung)
- Wiesentalstraße 15
- im Rahmen der baulichen Entwicklung des Bereichs "Westlich Heinrich-von-Stephan-Straße", Plan - Nr. 4 - 63
14
Ferner hat der Gemeinderat zur Kenntnis genommen, dass gegen sogenannte Terminwohnungen in Freiburg baurechtlich nicht eingeschritten wird, wenn von diesen keine städtebaulichen Spannungen ausgehen. Ausgangspunkt für die Entscheidung des Gemeinderates zur planerischen Behandlung von Bordellen usw. war, dass es immer wieder zu konkreten Anfragen von Bordellbetreibern/Investoren für derartige Einrichtungen innerhalb des Stadtgebietes gekommen ist, die rein zufällig im Stadtgebiet verteilt waren. Die Stadt Freiburg hat aber wegen der mit diesen Betrieben verbundenen Auswirkungen auf das direkte Umfeld (Wegzug von ansässigen Gewerbebetrieben, Belästigungen von Nachbarn, Milieuveränderungen) und den damit verbundenen städtebaulichen Missständen ein großes Interesse an einer Steuerung der Ansiedlung derartiger Betriebe.
15
Für das Grundstück ... existiert eine an den Kläger gerichtete, vom 10.01.1990 datierende Baugenehmigung zur Errichtung eines Betriebs- und Wohngebäudes zur Nutzung als Fahrradwerkstatt mit Verkaufs-, Ausstellungs- und Lagerräumen sowie zwei Wohneinheiten für die in § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO genannten Personen (Aufsichts- und Bereitschaftspersonen, Betriebsinhaber und Betriebsleiter).
16
Nach einem auf den 25.03.2005 datierten Mietvertrag vermietete der Kläger die zwei Wohnungen in der ersten Etage mit jeweils 100 m2 zum Zwecke der Nutzung für „erotische Zwecke (Bordell/Escort/Terminwohnungen)“ und den Keller mit einer Fläche von 300 m2 bei noch nicht absehbarer Nutzung („erotische Dienstleistungen nicht ausgeschlossen“) an ... Einen Bauantrag stellten weder der Kläger noch dessen Mieter. Auch auf andere Weise wurde die Beklagte über die Nutzungsabsichten des Klägers nicht informiert.
17
Erst am 14.03.2008 wurde der Beklagten aufgrund eines anonymen Hinweises bekannt, dass in dem Anwesen unter der Bezeichnung „... ...“ an einzelnen Tagen „Veranstaltungen mit sexuellem Hintergrund (SM-Partys, Workshops, Stammtische, etc.)“ stattfänden. Polizeiliche Erkenntnisse ergaben sodann, dass in dem Anwesen auch der Prostitution nachgegangen werde und dort eine thailändische Massagepraxis ansässig sei. Eine am 26.07.2008 im Unter- und Erdgeschoss des Anwesens erfolgte Durchsuchung der Polizei ergab, dass dort regelmäßig Veranstaltungen stattfinden, in deren Verlauf sexuelle Handlungen vorgenommen werden. Nachdem der Beklagten weitere einschlägige Veranstaltungen bekannt geworden waren, hörte sie den Kläger mit Schreiben vom 10.02.2009 zur beabsichtigten Nutzungsuntersagung an. Statt seiner machte der damalige Mieter des Klägers, ..., mit Schriftsatz vom 03.03.2009 geltend, er habe das Objekt im Jahr 2008 an Dritte untervermietet mit der Auflage, dort eine Terminwohnung zu betreiben und nach außen nicht negativ in Erscheinung zu treten. Mittlerweile sei das ganze Haus zu einem „rießen Bordell“ geworden, in den Büroraum sei ein ...L-Bett mit Whirlpool und Sauna eingebaut worden, es werde mit Anzeigen in der Zeitung geworben und es seien in dem Haus bis zu zehn Frauen tätig. Der seinerzeit mit dem Kläger abgeschlossene Mietvertrag sei um ein Jahr vordatiert worden, um baurechtlich auf der sicheren Seite zu sein.
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Bei einer Hausdurchsuchung am 19.01.2011 stellte die Polizei fest, dass die beiden Wohnungen im 1. Obergeschoss zwar unter verschiedenen Namen (seinerzeit „... ...“ und „...“) betrieben werden, dass aber eine einheitliche bordellartige Nutzung in Rede stehe. Zum Zeitpunkt der Durchsuchung hielten sich in beiden Wohnungen jeweils zwei Prostituierte auf, die in dem Anwesen ... gemeldet waren und jeweils erst kurze Zeit in Freiburg waren. Die Betreiberin beider Wohnungen, ..., ist seit dem 15.06.2005 mit Hauptwohnung in der ... gemeldet, die Empfangsdame für beide Wohnungen, ..., seit dem 15.01.2009.
19
Mit Schreiben vom 14.01.2011 wurden der Kläger und sein Mieter, ..., sowie die Betreiberin, ..., von der Beklagten zum Erlass einer Nutzungsuntersagung angehört.
20
Mit Bescheid vom 21.02.2011 untersagte die Beklagte dem Kläger die Nutzung des Anwesens ... (Flst.Nr. ...) als bordellartiger Betrieb und zur Ausübung der Prostitution (Nr. 1). Dem Kläger wurde aufgegeben, den bestehenden Mietvertrag mit seinem Mieter innerhalb von drei Wochen nach Bestandskraft der Untersagungsverfügung nach den Vorschriften des BGB ordentlich zu kündigen bzw. eine Änderungskündigung zugunsten einer genehmigungsfähigen Nutzung auszusprechen und darüber einen Nachweis beim Baurechtsamt zu erbringen (Nr. 2). Weiter wurde verfügt, künftig den Abschluss von Mietverträgen zur Ermöglichung der Prostitution zu unterlassen (Nr. 3). Dem Kläger wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,-- EUR für den Fall angedroht, dass er Verfügung Nr. 2 innerhalb der dort genannten Fristen nicht nachkomme (Nr. 4). Zur Begründung führte die Beklagte aus, die derzeitige Nutzung des Grundstücks des Klägers zum Zwecke der Ausübung von Prostitution sei nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt, namentlich gölten für die prostitutive Nutzung weitergehende Anforderungen als für die genehmigte Nutzung. Die derzeit ausgeübte Nutzung widerspreche auch materiellem Baurecht, da der maßgebliche Bebauungsplan u.a. Bordelle, bordellartige Betriebe und Terminwohnungen in dem Gewerbegebiet ausschließe. Eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans komme nicht in Betracht.
21
Mit weiteren Bescheiden vom gleichen Tage untersagte die Beklagte die Nutzung des Anwesens als bordellartiger Betrieb und zur Ausübung der Prostitution auch gegenüber Herrn ... und der Betreiberin, Frau ... Mit Bescheid vom 23.02.2012 lehnte die Beklagte zudem einen am 26.07.2011 von der ... Immobilienverwaltung UG - diese ist seit dem 01.01.2010 Mieterin des Anwesens - gestellten Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für eine „Nutzungsänderungen von zwei OG-Wohnungen (im Bestand ohne bauliche Veränderungen) in Terminwohnungen mit je drei operativen Zimmern“ ab. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch ist noch nicht entschieden.
22
Der Kläger legte gegen den Bescheid der Beklagten Widerspruch ein, den das Regierungspräsidium Freiburg mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2012, dem Kläger zugestellt am 12.04.2012, zurückwies
23
Der Kläger hat am 11.05.2012 bei dem Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben. Er macht geltend, die beiden verfahrensgegenständlichen Wohnungen würden seit Mai 2005 bordellähnlich als Terminwohnungen („...“, „...“) genutzt. Es seien dort jeweils drei Zimmer an Prostituierte vermietet. Die Nutzungsuntersagungsverfügung sei wegen Unbestimmtheit rechtswidrig, da eine Nutzung des gesamten Anwesens zum Zwecke der Prostitution weder praktiziert worden noch beabsichtigt sei. Der Bescheid sei deshalb - wegen der offensichtlichen Fehlerhaftigkeit - sogar insgesamt nichtig. Eine vorbeugende Nutzungsuntersagung komme ohnehin nicht in Betracht. Im Übrigen sei die Nutzungsänderung genehmigungsfrei, denn es gölten keine weitergehenden Anforderungen als für die Nutzung als Betriebsleiterwohnung. Auch eine materielle Illegalität des Vorhabens liege nicht vor. Die ausgeübte Nutzung stehe mit materiellem Baurecht im Einklang, da das Bordellkonzept der Beklagten reine Makulatur sei. Das Konzept der Beklagten lasse bereits die städtebaulich erforderlich Bearbeitungs- und Erforschungstiefe vermissen. Zum einen gehe es erkennbar am bestehenden Bedarf vorbei, zum anderen habe sich die Beklagte bei der Festlegung auf drei Standorte erkennbar von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Sie sei beispielsweise sachwidrig davon ausgegangen, dass es sich bei Terminwohnungen um Vergnügungsstätten handele und habe nicht zwischen Bedarf und Möglichkeiten abgewogen. Gemessen an einer Einwohnerzahl in Stadtkreis Freiburg und Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald von 640.000 Menschen und angesichts der touristisch attraktiven Gegend mit vielen Gästeübernachtungen sei die Ausweisung von nur drei Bordellstandorten, von denen lediglich zwei genutzt werden könnten, als Verstoß gegen das Erforderlichkeitsgebot des § 1 Abs. 3 BauGB anzusehen. Bezogen auf einen Umkreis von 65 km nur zwei Standorte für die prostitutive Nutzung zuzulassen, sei als Negativplanung zu klassifizieren, zumal das von der Beklagten als „Konzept“ bezeichnete „Papier einer interfraktionellen Arbeitsgruppe des Gemeinderates“ wissenschaftlich nicht fundiert und unhaltbar sei. Zudem liege ein Verstoß gegen § 1 Abs. 9 BauNVO vor, da die Beklagte alle sexuell-orientierten Nutzungsarten miteinander gleichgesetzt habe und hierbei die Vergnügungsstätten mit den Gewerbebetrieben vermischt habe. Die nach § 1 Abs. 9 BauNVO erforderlichen „besonderen städtebaulichen Gründe“ habe die Beklagte nicht benannt; solche seien auch nicht ersichtlich. Bei den im Streit stehenden Wohnungen handele es sich im Übrigen um jedenfalls zu duldende Terminwohnungen, die sich dadurch auszeichneten, dass mindestens eine der dort arbeitenden Frauen die Wohnungen auch angemietet habe. Städtebauliche Spannungen gingen von den beiden Wohnungen nicht aus. Nachbarbeschwerden habe es erst gegeben, als die Beklagte die Betreiberin zur Antragstellung im Baugenehmigungsverfahren aufgefordert habe. Schließlich sei die Ermessensausübung fehlerhaft. Die Beklagte hätte berücksichtigen müssen, dass sie von den Terminwohnungen jahrelang Kenntnis gehabt und die Nutzung geduldet habe. Zur Störerauswahl sei im Übrigen nichts vorgetragen worden.
24
Der Kläger beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 21.02.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 10.04.2012 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
28
Sie führt - im Einzelnen näher begründet - aus, die Nutzung der beiden Wohnungen im Obergeschoss sei nicht durch die Baugenehmigung zur Errichtung und Nutzung von Betriebsleiterwohnungen für die Betriebsinhaber einer Zweiradwerkstatt gedeckt und daher formell baurechtswidrig. Sie sei auch materiell baurechtswidrig, da sie gegen den Bebauungsplan Landwasser-Mitte-II verstoße. Dieser Bebauungsplan sei nicht wegen eines Verstoßes gegen das Erforderlichkeitsgebot unwirksam, da der Gemeinderat der Beklagten mit diesem Bebauungsplan ein positives städtebauliches Konzept umgesetzt habe. Der prostitutiven Nutzung sei in Freiburg in Vollziehung des sog. Bordellkonzepts substanziell Raum verschafft worden; an der tatsächlichen Nachfrage nach Prostituierten müsse sich die Beklagte bei ihrer Bauleitplanung nicht orientieren. Im Übrigen werde das Bordellkonzept derzeit überarbeitet. Bei dem Vorhaben auf dem Grundstück des Klägers handele es sich auch um einen bordellartigen Betrieb, denn dort gingen mehrere - mindestens vier - Prostituierte mit jeweils relativ geringer Aufenthaltszeit ihrer Tätigkeit als Prostituierte nach. Hingegen zeichne sich die Wohnungsprostitution, gegen die die Beklagte nur bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen einschreite, dadurch aus, dass die Prostituierte dort wohne und arbeite und ihre Tätigkeit über einen längeren Zeitraum hin ausübe. Dies sei angesichts der vorliegenden Meldedaten der im Anwesen des Klägers tätigen Prostituierten hier nicht der Fall. Auf Bestandsschutz könne sich der Kläger nicht berufen. Zum einen habe der damalige Mieter des Klägers, ..., seinerzeit behauptet, der Mietvertrag sei um ein Jahr vordatiert worden, sodass davon auszugehen sei, die bordellartige Nutzung sei erst nach Inkrafttreten der Zweiten Änderung des Bebauungsplans Landwasser-Mitte-II aufgenommen worden. Zum anderen sei für die Annahme eines Bestandsschutzes auch deshalb kein Raum, weil die Beklagte, hätte sich der Kläger ordnungsgemäß verhalten und seinerzeit die Genehmigung der Nutzungsänderung beantragt, das Vorhaben nach § 15 BauGB zurückgestellt hätte. Die Störerauswahl sei ermessensfehlerfrei erfolgt, sonstige Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ausübung des Ermessens bestünden nicht.
29
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (ein Heft), die Akten zum Bebauungsplan Landwasser-Mitte-II (ein Heft), jene zum Vergnügungsstättenkonzept (ein Heft) und die des Regierungspräsidiums Freiburg (ein Heft) Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Nutzungsuntersagungsverfügung der Beklagten vom 21.02.2011 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 10.04.2012 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Soweit der Kläger die formelle Rechtswidrigkeit der Nutzungsuntersagungsverfügung mit der Begründung behauptet, diese sei nicht hinreichend bestimmt, teilt die erkennende Kammer seine Einschätzung nicht. Denn die von ihm insoweit thematisierte Frage, ob sich die Nutzungsuntersagungsverfügung aus Rechtsgründen auch auf die Nutzung des Erd- und Untergeschosses beziehen darf, ist keine Frage der Bestimmtheit der Verfügung, sondern eine solche ihrer materiellen Rechtmäßigkeit. An der Bestimmtheit der Verfügung können insoweit keine Zweifel bestehen. Für den Kläger als Adressat des Bescheids ist klar und unzweifelhaft erkennbar, welche Nutzungen in seinem Anwesen er zu unterlassen hat, welches Handlungsgebot ihm also auferlegt wird. Damit ist dem Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 LVwVfG hinreichend Rechnung getragen.
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2. Die Nutzungsuntersagung findet ihre gesetzliche Grundlage in § 65 Satz 2 LBO. Danach kann die Baurechtsbehörde die Nutzung von Anlagen untersagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagung ist der Schluss der mündlichen Verhandlung. Denn bei der Nutzungsuntersagung nach § 65 Satz 2 LBO handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist daher mangels anderweitiger fachgesetzlicher Vorgaben jedenfalls insoweit auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen, als es um die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 65 Satz 2 LBO geht. Diese liegen vor: Die Nutzung des Anwesens ... in Freiburg als bordellartiger Betrieb steht im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften.
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a) Die erkennende Kammer versteht § 65 Satz 2 LBO - entgegen der ständigen Rechtsprechung der Baurechtssenate des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (vgl. nur Beschluss vom 22.01.1996 - 8 S 2964/95 -, VBlBW 1996, 300; Urteil vom 12.09.1984 - 3 S 1607/84 -, BauR 1985, 537; Urteil vom 22.09.1989 - 5 S 3086/88 -, BWVPr 1990, 113; zustimmend Dürr, VBlBW 1989, 361 <368>) - dahingehend, dass ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne von § 65 Satz 2 LBO, der den Erlass einer Nutzungsuntersagung rechtfertigen kann, bereits im Fehlen der nach §§ 49 ff. LBO erforderlichen Baugenehmigung besteht (so zur textgleichen Vorschrift des § 80 Satz 2 SächsBauO: Sächsisches OVG, Beschluss vom 02.05.2011 - 1 B 30/11 -, juris RdNr. 6 mwN; zu Art. 76 Satz 2 BayBO: Bayerischer VGH, Beschluss vom 05.07.2004 - 15 CS 04.58 -, BayVBl. 2005, 117; zu § 61 BauO NRW: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 06.07.2009 - 10 B 617/09 -, BauR 2009, 1719, vom 12.07.2007- 7 E 664/07 -, BRS 71 Nr. 187, und vom 20.09.2010 - 7 B 985/10 -, BauR 2011, 240; zu § 73 Abs. 3 BbgBauO: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.05.2012 - OVG 10 S 42.11 -, juris RdNr. 6 mwN; zu § 79 Satz 2 Berliner Bauordnung: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.10.2011 - OVG 2 S 76.11 -, juris RdNr. 6; zu § 81 LBO RPf.: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.05.1996 - 8 A 11880/85.OVG -, juris RdNr. 19; Beschluss vom 14.04.2011 - 8 B 10278/11 -, NVwZ-RR 2011, 635; zu § 89 NdsBauO: OVG Niedersachsen, Beschluss vom 14.09.1984 - 6 B 77/84 -, BRS 42 Nr. 226; Beschluss vom 30.03.2010 - 1 ME 54/10 -, juris RdNr. 10; zu § 72 HessBauO: Hessischer VGH, Beschluss vom 19.09.2006 - 3 TG 2161/06 -, juris RdNr. 7; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 02.10.1996 - 1 L 356/95 -, juris RdNr. 25; OVG Hamburg, Beschluss vom 10.06.2005 - 2 Bs 144/05 -, juris RdNr. 21; OVG Bremen, Beschluss vom 04.08.1989 - 1 B 65/89 -, juris; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 09.03.2004 - 3 M 224/03 -, juris RdNr. 8; Beschluss vom 03.12.2008 - 3 M 153/08 -, juris RdNr. 5; OVG Thüringen, Beschluss vom 04.11.1993 - 1 B 113/92 -, ThürVBl. 1994, 111; Urteil vom 11.12.1997 - 1 KO 674/95 -, juris RdNr. 41; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 02.07.2012 - 2 A 446/11 -, juris RdNr. 15; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.08.2004 - 2 M 262/04 -, juris RdNr. 8; aus der Literatur: Decker, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Kommentar, Stand: Februar 2012, Art. 76 RdNr 284; Reichel/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, 2004, Kap. 15 RdNr. 222; Sauter, LBO Baden-Württemberg, Stand Juli 2011, § 65 RdNrn. 99 ff.; Decker, BayVBl. 2011, 517 <525>; Stühler, VBlBW 2008, 433).
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Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg findet im Wortlaut des § 65 Satz 2 LBO keine Stütze und ist auch unter Berücksichtigung sonstiger Auslegungsregeln nicht geboten. Nach dem Wortlaut des § 65 Satz 2 LBO reicht für eine Nutzungsuntersagung ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften aus. Ein solcher liegt auch vor, wenn ein von Gesetzes wegen genehmigungspflichtiges Vorhaben ohne die erforderliche Baugenehmigung verwirklicht und die Nutzung an den zuständigen Behörden vorbei ins Werk gesetzt wird; dann bereits wird die Anlage im Sinne von § 65 Satz 2 LBO im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften - nämlich ohne die erforderliche Baugenehmigung - genutzt. Die Tatbestandsseite der nämlichen Vorschrift erfordert somit keinen zusätzlichen Blick auf die materielle Rechtslage, namentlich kann die Frage der Genehmigungsfähigkeit der Nutzungsänderung im Angesicht der formellen Baurechtswidrigkeit auf dieser Ebene der Norm unentschieden bleiben. Die systematische Auslegung stützt diese Auffassung. Im Unterschied zu den - tatbestandlichen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.06.2003 - 3 S 2436/02 -, VBlBW 2004, 263) - Voraussetzungen der Beseitigungsanordnung nach § 65 Satz 1 LBO erfordert der Tatbestand des § 65 Satz 2 LBO gerade nicht, dass „nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können“. Auch Gesichtspunkte des Bestandsschutzes - in den Fällen des § 65 Satz 1 LBO wegen der normativen Anknüpfung an den Zeitpunkt der Errichtung der Anlage bereits auf der Tatbestandsseite zu prüfen - können bei der Nutzungsuntersagung allenfalls im Rahmen der Ermessensausübung von Bedeutung sein. Denn im Unterschied zu § 65 Satz 1 LBO („im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet“) lässt § 65 Satz 2 LBO („werden…genutzt“) eine aktuell baurechtswidrige Nutzung und damit eine nur formell baurechtswidrige Nutzung ausreichen.
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Auch Sinn und Zweck des § 65 Satz 2 LBO lassen ein solches - enges - Verständnis des Normtextes als vorzugswürdig erscheinen. Indem § 2 Abs. 12 LBO die Nutzungsänderung der Errichtung einer baulichen Anlage gleichstellt und indem § 49 Abs. 1 LBO die Nutzungsänderung grundsätzlich - mit den Einschränkungen des § 50 Abs. 2 LBO - für genehmigungspflichtig erklärt, weist das Regelungsregime der verfahrensrechtlichen Vorschriften der Landesbauordnung die Prüfung der Genehmigungsfähigkeit einer genehmigungspflichtigen Nutzung dem Baugenehmigungsverfahren zu. Dort soll - unter Berücksichtigung der nach der LBOVVO erforderlichen Bauvorlagen - in einem überschaubaren Zeitraum (§ 54 Abs. 5 LBO) unter Beteiligung der Gemeinde und der Nachbarn (§ 55 LBO) untersucht werden, ob die zur Genehmigung gestellte Nutzungsänderung genehmigungsfähig ist. Diese Zuordnung des Gesetzgebers zu einem Regelungsregime der Präventivkontrolle ist bei der Auslegung des § 65 Satz 2 LBO zu berücksichtigen. Eine genehmigungsbedürftige bauliche Nutzung darf daher im Blick auf die „Tatbestandsseite“ des § 65 Satz 2 LBO bereits wegen formeller Baurechtswidrigkeit untersagt werden. So verstanden verschafft die Nutzungsuntersagung der gesetzlich vorgeschriebenen Präventivkontrolle Geltung und verhindert, dass der rechtsuntreue Bürger Nutzungsvorteile gegenüber denjenigen Bauherrn erhält, die das Genehmigungsverfahren betreiben.
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Art. 14 Abs. 1 GG fordert ein abweichendes Verständnis des § 65 Satz 2 LBO nicht. Denn das Eigentum des Grundrechtsträgers - zu dem das bloße Vermögen ohnehin nicht rechnet - wird durch Inhalts- und Schrankenbestimmungen einfachrechtlich ausgestaltet. Indem der Landesgesetzgeber die Genehmigungspflichtigkeit einer Nutzungsänderung statuiert, gestaltet er auch den Inhalt und die Schranken des Eigentums aus. Es ist somit im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG unproblematisch, wenn der Betroffene ohne Verlust an „Bausubstanz“ - und damit anders als bei der Beseitigungsanordnung (vgl. hierzu auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.07.1991 - 3 S 1777/91 -, juris RdNr. 3) - lediglich hinter die formellen Schranken des Baurechts zurückgedrängt und gezwungen wird, seine Interessen auf dem vorgeschriebenen Weg - Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung - zu verfolgen (so zum Nutzungsaufnahmeverbot nach § 47 LBO zutreffend: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.06.2010 - 8 S 708/10 -, juris RdNr. 6). Insbesondere folgt aus Art. 14 Abs. 1 GG kein voraussetzungsloses Recht auf allgemeine Baufreiheit. Gewährleistet ist lediglich das Recht, sein Grundstück nach den geltenden Bauvorschriften zu bebauen (vgl. hierzu Berkemann, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 14 RdNr. 381 mwN). Dass der Landesgesetzgeber den Baubeginn von einem Genehmigungserfordernis abhängig gemacht hat, ist mit Art. 14 Abs. 1 GG ohne Weiteres vereinbar. Soweit der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg für die Richtigkeit der gegenteiligen Auffassung bemerkt, diese sei „mit Rücksicht auf den durch Art. 14 GG gewährleisteten Bestandsschutz“ gefordert (so z.B. Beschluss vom 22.01.1996 - 8 S 2964/95 -, VBlBW 1996, 300), ist dies schon deshalb nicht überzeugend, weil Bestandsschutz nach zutreffender Auffassung grundsätzlich nach Maßgabe des einfachen Rechts gewährleistet wird (stRspr., vgl. nur BVerwG, Urteil vom 12.03.1998 - 4 C 10.97-, BVerwGE 106, 228; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.09.2012 - 3 S 2236/11 -, juris RdNr. 19; vgl. dazu auch näher unten). Soweit der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in dem genannten Beschluss vom 22.01.1996 (a.a.O.) die Auffassung vertritt, im Hinblick auf die bloße Ordnungsfunktion der Baugenehmigung wäre eine nur auf formelle Verstöße gestützte Nutzungsuntersagung ebenso wenig mit Art. 14 GG zu vereinbaren wie eine Abbruchsanordnung, wird nicht nur ein unzutreffendes Verständnis der Wirkungen einer Baugenehmigung zugrunde gelegt (vgl. dazu etwa Sauter, LBO, § 58 RdNrn. 4 ff.), sondern zugleich übersehen, dass - zum einen - Art. 14 Abs. 1 GG zu dieser Frage keine Aussage trifft und dass - zum anderen - die Differenzierung zwischen Abbruchsanordnung und Nutzungsuntersagung im Normtext des § 65 LBO eindeutig angelegt ist.
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Dass die Tatbestandsseite des § 65 Satz 2 LBO die materielle Baurechtswidrigkeit nicht in den Blick nimmt, wird letztlich auch daran ersichtlich, dass der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in gefestigter Rechtsprechung selbst davon ausgeht. Eine genehmigungsbedürftige bauliche Nutzung, deren Genehmigungsfähigkeit nicht ohne weiteres, sondern erst aufgrund weiterer Ermittlungen festgestellt werden kann, darf nämlich auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf der Grundlage des § 65 Satz 2 LBO wegen formeller Baurechtswidrigkeit vorläufig bis zur endgültigen Klärung der Zulässigkeit der Nutzung im Baugenehmigungsverfahren untersagt werden (vgl. Beschluss vom 29.07.1991 - 3 S 1777/91 -, juris RdNr. 3; Urteil vom 22.09.1989 - 5 S 3086/88 -, NVwZ 1990, 480; Beschluss vom 01.02.2007 - 8 S 2606/06 -, VBlBW 2007, 226). § 65 Satz 2 LBO ist aber kein „relativer Tatbestand“. Versteht man die Vorschrift - unzutreffend - so, dass ihre Voraussetzungen erst gegeben sind, wenn die aufgenommene Nutzung seit ihrer Aufnahme auch materiell baurechtswidrig ist, kann auf dieses Tatbestandsmerkmal nicht für eine andere Fallgruppe verzichtet werden. Insoweit vermag die vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vorgenommene Relativierung bzw. Negierung von (vermeintlichen) Tatbestandsmerkmalen des § 65 Satz 2 LBO in den Fällen der vorläufigen Nutzungsuntersagung dogmatisch schon deshalb nicht zu überzeugen, weil sie in Konflikt mit der eigenen Auffassung zu den Tatbestandsmerkmalen des § 65 Satz 2 LBO gerät.
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Nach alldem ist die erkennende Kammer - im Einklang mit der Rechtsprechung aller anderen Oberverwaltungsgerichte - der Überzeugung, dass der Tatbestand des § 65 Satz 2 LBO bereits dann erfüllt ist, wenn für eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung die erforderliche Baugenehmigung nicht erteilt ist.
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b) Die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung (dort S. 7 bis 9) zutreffend und mit überzeugender Begründung dargelegt, dass und warum im vorliegenden Fall eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung in Rede steht, insbesondere die derzeit ausgeübte Nutzung nicht von der Baugenehmigung zur Errichtung einer Zweiradwerkstatt mit Betriebsleiterwohnung gedeckt ist und auch keine verfahrensfreie Nutzungsänderung im Sinne des § 50 Abs. 2 LBO in Rede steht. Auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten nimmt die erkennende Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug, zumal sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers dieser Sichtweise in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich angeschlossen hat. Auch die Betreiberin des bordellartigen Betriebs im ersten Obergeschoss des Anwesens des Klägers scheint sich diese Auffassung zu eigen gemacht zu haben, hat sie doch zwischenzeitlich einen mit einer Nutzungsänderung begründeten Bauantrag gestellt, ohne dass in diesem bauliche Veränderungen vorgesehen wären.
40
3. Die Nutzungsuntersagungsverfügung ist verhältnismäßig und ermessensfehlerfrei verfügt worden. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermessensbetätigung der Beklagten kann offen bleiben, ob an der tradierten Auffassung der Maßgeblichkeit der letzten Behördenentscheidung (vgl. nur VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.07.2002 - 5 S 149/01 -, GewArch 2003, 496; Beschluss vom 30.09.1993 - 14 S 1946/93 -, juris RdNr. 3) festzuhalten ist oder ob - wofür in Ansehung der prozessrechtlichen Vorschrift des § 114 Satz 2 VwGO und im Blick auf den Charakter als Dauerverwaltungsakt aus der Sicht der erkennenden Kammer einiges spricht - die Beklagte auch insoweit verpflichtet ist, ihren Verwaltungsakt „gleichsam unter Kontrolle zu halten“ (so auch Decker, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Art. 76 RdNr. 291; ebenso zur Anfechtung von Ermessensausweisungen: BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 -, BVerwGE 130, 20). Denn die angefochtene Verfügung ist in Bezug auf die Ermessensausübung zu allen Zeitpunkten nicht zu beanstanden.
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Die untersagte Nutzung erweist sich nicht als derzeit offensichtlich genehmigungsfähig (dazu nachfolgend a) und genießt keinen Bestandsschutz (b). Die Verfügung ist ermessensfehlerfrei auch gegenüber dem Kläger als Eigentümer ausgesprochen worden (c); aus der von der Beklagten hinsichtlich der Wohnungsprostitution ausgeübten Verwaltungspraxis kann der Kläger unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes keine Rechte herleiten (d). Auch sonst ist die Nutzungsuntersagungsverfügung frei von im Hinblick auf § 114 Satz 1 VwGO erheblichen Ermessensfehlern (e).
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a) Die ausgeübte und von der Beklagten untersagte Nutzung erweist sich nicht als offensichtlich genehmigungsfähig, da sie den Festsetzungen im Bebauungsplan „Landwasser-Mitte II“ vom 26.11.2005 widerspricht und somit nach § 30 BauGB in Verbindung mit den textlichen Festsetzungen des nämlichen Bebauungsplans nicht zugelassen werden kann. Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass dieser Bebauungsplan unwirksam sein könnte, bestehen nicht.
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aa) Die textliche Festsetzung in dem Bebauungsplan „Landwasser-Mitte II“ vom 04.10.2005
44
„Unzulässig sind Einrichtungen wie Animierlokale, Nachtbars und vergleichbare Einrichtungen mit Striptease und Filmvorführung, Sex-Kinos, Geschäfte mit Einrichtungen zur Vorführung von Sex- und Pornofilmen, erotische Sauna- und Massagebetriebe, sonstige Vergnügungsstätten, Bordelle und bordellartige Betriebe sowie Terminwohnungen, Eros-Center und vergleichbare Dirnenunterkünfte, Einzelhandelsgeschäfte mit überwiegendem Sex- und Erotiksortiment, Swingerclubs sowie sonstige sexbezogene Vergnügungsstätten.“
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findet ihre Rechtsgrundlage in § 1 Abs. 9 BauNVO. Hiernach kann im Bebauungsplan bei Anwendung des § 1 Abs. 5 bis 8 BauNVO festgesetzt werden, dass u.a. bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen unzulässig sind, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen. Prostitutionsbetriebe stellen eine bestimmte Art von Gewerbebetrieben dar, die einer Branchendifferenzierung grundsätzlich zugänglich sind (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.05.2005 - 8 C 10053/05 -, BRS 69 Nr. 35; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. 2008, § 8 RdNr. 18.4). Besondere städtebauliche Gründe für ihren Ausschluss aus dem hier in Rede stehenden Gewerbegebiet hat die Beklagte in der Begründung der Bebauungsplanänderung sowie in ihrer Klageerwiderung (dort S. 16) angeführt. Indem die Beklagte auf die kleinräumige gewerbliche Struktur des bestehenden Gewerbegebiets abhebt und diese - gleichsam „klassische“ - Struktur des Gewerbegebiets vor Milieuveränderungen geschützt werden soll, macht sie besondere städtebauliche Gründe im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO geltend, die den Ausschluss von „sexbezogenen Nutzungen“ zu rechtfertigen geeignet sind. Dies gilt auch und gerade unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich um ein sehr kleines Gewerbegebiet handelt, das an Wohn- und Mischbauflächen angrenzt. Die erkennende Kammer vermag in Ansehung dieser Begründung nicht festzustellen, dass § 1 Abs. 9 BauNVO die im Streit stehende textliche Festsetzung nicht zu rechtfertigen vermag.
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bb) Der Bebauungsplan „Landwasser-Mitte II“ verstößt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht gegen das Erforderlichkeitsgebot des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. In der von der erkennenden Kammer geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB nur solche Bebauungspläne sind, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind. Davon ist u.a. auszugehen, wenn eine positive Zielsetzung nur vorgeschoben wird, um eine in Wahrheit auf bloße Verhinderung gerichtete Planung zu verdecken (vgl. statt vieler: BVerwG, Beschluss vom 11.05.1999 - 4 BN 15.99 -, NVwZ 1999, 1338). Ein solcher Fall ist nicht schon dann gegeben, wenn der Hauptzweck der Festsetzungen in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen besteht. Festsetzungen in einem Bebauungsplan sind nur dann als „Negativplanung“ unzulässig, wenn sie nicht dem planerischen Willen der Gemeinde entsprechen, sondern nur vorgeschoben sind, um eine andere Nutzung zu verhindern (BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990 - 4 NB 8.90 -, NVwZ 1991, 875).
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Gemessen daran vermag die erkennende Kammer einen Verstoß gegen das Erforderlichkeitsgebot nicht festzustellen. Mit der im Streit stehenden textlichen Festsetzung wollte der Gemeinderat der Beklagten den Beschluss des Gemeinderates zur planungsrechtlichen Steuerung von Bordellen umsetzen. Der Gemeinderat ist in Bezug auf das Plangebiet des Bebauungsplans „Landwasser-Mitte II“ zu dem Ergebnis gelangt, dass unter Berücksichtigung des im Jahr 2005 vorhandenen genehmigten Bestandes („kleinparzellierte gewerbliche Bauflächen zwischen der ... Straße und der ..., Ansiedlung von kleineren Betrieben aus den Bereichen Handwerk, Handel und Dienstleistungen“) eine prostitutive Nutzung dort wegen der damit „verbundenen Auswirkungen auf das direkte Umfeld (Wegzug von ansässigen Gewerbebetrieben, Belästigungen von Nachbarn, Milieuveränderungen) und den damit verbundenen städtebaulichen Missständen“ nicht zulässig sein soll. Der Gemeinderat hat damit eine positive städtebauliche Begründung gegeben, die den Anforderungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB Rechnung trägt (vgl. zum Trading-Down-Effekt auch BVerwG, Beschluss vom 21.12.1992 - 4 B 182.92 -, BRS 55 Nr. 42; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 03.03.2005 - 3 S 1524/00 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.10.2001 - 10 A 2288/00 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.05.2005, a.a.O.). Zugleich hat er bei der städtebaulichen Umsetzung seines Beschlusses über die planungsrechtliche Steuerung von Bordellen der prostitutiven Nutzung in anderen Bereichen des Stadtgebiets substanziell Raum verschafft. Insbesondere hat der Gemeinderat die planungsrechtlichen Grundlagen für die Verwirklichung einer gewerblichen Nutzung an drei Bordellstandorten geschaffen und - in Bezug auf die Abschätzung der Bedarfssituation in Freiburg - weitere in den Jahren 2001/2003 vorhandene Einrichtungen berücksichtigt. Mehr ist von Rechts wegen im Hinblick auf § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht veranlasst. Der Kläger irrt, wenn er davon ausgeht, die Zulassung prostitutiver Nutzungen im Gemeindegebiet der Beklagten müsse sich an der Nachfrage innerhalb des Stadtkreises - oder gar der diesen umgebenden Region - orientieren. Die vom Kläger mittels Statistiken über die Inanspruchnahme prostitutiver Dienstleistungen geforderte weitgehende Gleichsetzung der Bebauungsplanung mit einer „Nachfragebefriedigungsplanung“ ist verfehlt und wird ersichtlich durch das Baugesetzbuch nicht gefordert. Welche Umstände bei der Bauleitplanung einer Gemeinde zu berücksichtigen sind, erhellt vielmehr § 1 Abs. 6 BauGB. Dass das Bedürfnis nach der Inanspruchnahme prostitutiver Dienstleistungen mit einem besonderen Gewicht in die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB einzustellen wäre, ergibt sich weder aus § 1 Abs. 6 BauGB noch aus sonstigen Vorschriften des Baugesetzbuchs. Im Gegenteil können „sexbezogene Nutzungen“ mit den in § 1 Abs. 6 BauGB genannten Belangen möglicherweise eher in Konflikt geraten, als es bei sonstigen gewerblichen Nutzungen der Fall ist. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es - rechtlich freilich auf der Ebene der Abwägungsentscheidung angesiedelt -, den Gemeinden bei der bauplanungsrechtlichen Steuerung der Prostitution die Freiheit einzuräumen, derartige - mit einer Vielzahl von Belangen des § 1 Abs. 6 BauGB regelhaft konfligierenden - Nutzungen restriktiver zu behandeln als sonstige, weniger konfliktträchtige gewerbliche Nutzungen.
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In Umsetzung des Beschlusses des Gemeinderats der Beklagten über die planungsrechtliche Steuerung von Bordellen hat er für die Bordellnutzung an drei Standorten planerisch substanziell Raum geschaffen. Hierbei war der Gemeinderat nicht aus Rechtsgründen gehindert zugrundezulegen, dass gegen städtebaulich weniger relevante Formen prostitutiver Nutzung seitens der Verwaltung nur eingeschritten wird, wenn von diesen städtebauliche Spannungen ausgehen. Zwar erscheint es - darauf hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen - nicht von vornherein frei von rechtlichen Bedenken, wenn ein planerisches Konzept (auch) auf dem Vorhandensein illegaler Nutzungen gründet. Die von der interfraktionellen Arbeitsgruppe des Gemeinderats über die Polizeidirektion erhobenen 27 bis 30 Terminwohnungen mit etwa 80 Prostituierten (Bl. 67 und 211 der Akten des Bauverwaltungsamts) wurden (und werden teilweise auch heute noch) ohne die erforderliche Baugenehmigung für Zwecke der Prostitution genutzt. Aus Rechtsgründen ist die Berücksichtigung des zu diesem Zeitpunkt tatsächlich vorhandenen Bestandes jedoch nicht zu beanstanden. Denn jedenfalls bei der erstmaligen konzeptionellen Steuerung prostitutiver Nutzung erweist es sich im Hinblick auf § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB als hinnehmbar, bei der Einschätzung des Angebots und der Nachfrage auch solche Nutzungen zu berücksichtigen, die schon einige Zeit verwirklicht sind, gegen die aber seitens der Verwaltung nicht sofort und nur bei Hinzukommen weiterer Umstände (städtebauliche Spannungen) eingeschritten wird. Zum einen hat die Beklagte dargelegt, dass sie seinerzeit personell nicht in der Lage war, sämtliche der im Stadtgebiet baurechtswidrig verwirklichten Bordellnutzungen aufzugreifen und zu untersagen. Zum anderen erweist sich ein effektives Vorgehen gegen Terminwohnungen wegen der „Flüchtigkeit“ prostitutiver Nutzung und wegen ihrer - gegenüber sonstigem Gewerbe - großen Mobilität als besonders aufwändig. Denn der Nutzungsuntersagung an dem einen Standort folgt häufig die (wiederum illegale) Nutzungsaufnahme am nächsten Standort und dies, ohne dass die neue Nutzung dort sogleich wahrnehmbar wird, geschweige denn die jeweiligen Betreiber sich an den Bestimmungen des formellen Baurechts orientieren (zutr. Stühler, VBlBW 2008, 433). Ein nachhaltiges Einschreiten gegen diese Art der ungenehmigten gewerblichen Nutzung ist deshalb besonders aufwändig und selten von dauerhaftem Erfolg. Aus diesem Grunde hält es die erkennende Kammer im Hinblick auf § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB für zulässig, dass der Gemeinderat bei der erstmaligen Erarbeitung eines Bordellkonzepts im Hinblick auf das im Stadtgebiet vorhandene Angebot - und daher mit Blick auf die Anzahl zusätzlich erforderlicher Bordellstandorte - zur Kenntnis genommen hat, dass die Verwaltung gegen baurechtswidrig genutzte Terminwohnungen nur bei Hinzukommen weiterer Umstände einschreitet. Dies berücksichtigend erscheint es im Blick auf das Verbot der Verhinderungsplanung nicht zu beanstanden, dass der Gemeinderat der Beklagten seinerzeit mit drei Standorten nur eine relativ geringe Anzahl an Bordellen und bordellartigen Betrieben ausgewiesen hat. Die Bordellkonzeption des Gemeinderats konnte dem entsprechend taugliche Grundlage für die Umsetzung im Wege der Bauleitplanung sein.
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Zwar hat sich nach Erlass des Bebauungsplans gezeigt, dass von den drei zulässigen Standorten im Stadtgebiet der Standort „Westlich Heinrich-von-Stephan-Straße, Plan - Nr. 4-63“ nicht verwirklicht werden konnte. Dies begründet jedoch keinen Verstoß gegen das Erforderlichkeitsgebot des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Denn in den Jahren 2003/2005 war es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass dieser Standort dauerhaft nicht wird verwirklicht werden können. Nachträgliche Entwicklungen begründen indes keinen Verstoß gegen § 1 Abs. 3 BauGB, sondern können allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Funktionslosigkeit von Bebauungsplänen relevant werden. Davon kann hier indes keine Rede sein; sie wird vom Kläger auch nicht eingewandt.
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cc) Auch für einen im Hinblick auf die Planerhaltungsvorschriften beachtlichen Abwägungsfehler ist nichts ersichtlich. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in seiner Klagebegründung (dort S. 25) und in der mündlichen Verhandlung zutreffend darauf hingewiesen, dass die von ihm behaupteten Fehler im Abwägungsvorgang unbeachtlich geworden sind. Für die erkennende Kammer sind auch beachtliche Fehler im Abwägungsergebnis nicht ersichtlich.
51
dd) Erweist sich der Bebauungsplan der Beklagten somit als wirksam, kann nicht davon ausgegangen werden, die untersagte Nutzung sei offensichtlich genehmigungsfähig, zumal eine Befreiung von der maßgeblichen textlichen Festsetzung schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil im Sinne des § 31 Abs. 2 BauGB Grundzüge der Planung berührt sind.
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b) Der Kläger kann sich auch nicht auf einen Bestandsschutz der untersagten Nutzung berufen. Der insoweit materiell beweispflichtige Kläger macht geltend, die ergangene Nutzungsuntersagungsverfügung sei rechtswidrig, weil die Nutzung der Wohnung als Terminwohnung bzw. bordellartiger Betrieb von Mai bis November 2005 und damit für einen namhaften Zeitraum mit dem materiellen Baurecht in Einklang gestanden habe. Insoweit ist zwischen den Beteiligten bereits in tatsächlicher Hinsicht streitig, ob die nunmehr untersagte Nutzung bereits im Mai 2005 aufgenommen (und der entsprechende Mietvertrag am 25.03.2005 geschlossen) wurde oder ob der Kläger den von ihm mit ... geschlossenen Mietvertrag um ein Jahr vordatiert hatte. In diesem Sinne hat sich Letztgenannter in einem Schreiben an die Beklagte vom 03.03.2009 (Bl. 151 d.A.) eingelassen, während er in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erklärt hat, er habe mit dieser Falschaussage die Beklagte zum baurechtlichen Einschreiten gegen die damaligen Untermieter bewegen wollen. Der vorliegende Rechtsstreit gibt indes keinen Anlass, dieser Frage in tatsächlicher Hinsicht weiter nachzugehen. Denn selbst wenn man von einer Nutzungsaufnahme im Mai 2005 ausgehen wollte, wofür die vom Kläger vorgelegten Anlagen K 31 und K 32 sprechen dürften, könnte sich der Kläger nicht auf einen Bestandsschutz der nunmehr untersagten Nutzung berufen.
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aa) Im Ansatz zu Recht geht der Kläger allerdings davon aus, dass die Nutzung als bordellartiger Betrieb in seinem Anwesen ... vor Inkrafttreten der Zweiten Änderung des Bebauungsplans Landwasser-Mitte II am 26.11.2005 genehmigungsfähig gewesen sein könnte. Denn der seinerzeit maßgebliche Bebauungsplan Landwasser-Mitte II setzte in der Fassung seiner Ersten Änderung vom 04.02.1992 - wie heute - ein Gewerbegebiet fest, in dem seinerzeit allerdings (lediglich) die Zulässigkeit von Vergnügungsstätten ausgeschlossen war. Die bloße Nutzung von Wohnraum zur Prostitution, sei es als Wohnungsprostitution, Terminwohnung oder bordellartiger Betrieb, stellt jedoch keine Vergnügungsstätte dar (vgl. näher VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.03.2012 - 5 S 3239/11 -, NVwZ-RR 2012, 431 mwN; Urteil der Kammer vom 24.10.2000 - 4 K 1178/99 -, NVwZ 2001, 1442; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 103. Lieferung <2012>, § 6 BauNVO RdNr. 42, Fickert/Fieseler, a.a.O., § 4a RdNr. 23.7). Dass die Beklagte mit dem Ausschluss von Vergnügungsstätten seinerzeit - möglicherweise vor dem Hintergrund der Rechtsprechung und Literatur zu früheren Fassungen der Baunutzungsverordnung (vgl. die Nachweise bei Fickert/Fieseler, a.a.O., § 4a RdNr. 23.7) - auch die hier im Streit stehende Nutzung ausschließen wollte, mag sein. Mit dem planerischen Ausschluss (nur) von Vergnügungsstätten ist dies indes objektiv nicht gelungen. Die beiden Wohnungen im ersten Obergeschoss des klägerischen Anwesens wurden unstreitig nur als Terminwohnungen bzw. als bordellartiger Betrieb genutzt. Insoweit lag jedenfalls im Rechtssinne keine Vergnügungsstätte vor, sodass die textliche Festsetzung der Ersten Änderung des Bebauungsplans Landwasser-Mitte II dem Kläger nicht entgegen gehalten werden konnte. Ob im Zeitraum von Mai bis November 2005 im Keller des Anwesens ein SM-Studio unterhalten wurde, das unter den Begriff der „Vergnügungsstätte“ zu subsumieren wäre, kann dahinstehen, denn daraus ergäbe sich nicht die materielle Illegalität der gesamten Nutzung. Auf Grund der räumlichen Zäsur - Nutzung des ersten Obergeschosses als Terminwohnungen einerseits und des Kellers als SM-Studio andererseits - ist die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Nutzungen differenziert zu beurteilen.
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bb) Gleichwohl ist dem Kläger eine Berufung auf (passiven) Bestandsschutz aus Rechtsgründen verwehrt. Dieser lässt sich - bezogen auf die streitgegenständliche Nutzung - weder aus Art. 14 Abs. 1 GG (1) noch aus einfachrechtlichen Bestimmungen ableiten (2).
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(1) Der Kläger kann sich zunächst nicht auf einen verfassungsunmittelbaren Bestandsschutz der Nutzung des ersten Obergeschosses seines Anwesens als Terminwohnung berufen. Das Rechtsinstitut des baurechtlichen Bestandsschutzes wurde vom Bundesverwaltungsgericht als verfassungsunmittelbare Anspruchsgrundlage entwickelt, um den Eigentümern bestimmter baulicher Anlagen die Möglichkeit zu gewähren, diese weiter zu nutzen oder gegebenenfalls sogar zu erweitern, obgleich die rechtlichen Rahmenbedingungen sich zwischenzeitlich zum Nachteil des Eigentümers geändert haben. Begrifflich treffend lässt sich der von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelte Bestandsschutz in seiner passiven Ausgestaltung als „Bestandsnutzungsschutz“ (Bahnsen, Der Bestandsschutz im öffentlichen Baurecht, 2011, S. 38) beschreiben. Dementsprechend sichert der passive Bestandsschutz das Recht des Eigentümers einer baulichen Anlage diese, so wie sie ausgeführt ist, zu nutzen, auch wenn neuere baurechtliche Vorschriften diesem Vorhaben nunmehr entgegen stehen (Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 RdNr. 84). Der „Istzustand“ einer baulichen Anlage wird somit vor Anpassungsverlangen aufgrund geänderter Rechtslage, Beseitigungsanordnungen und Nutzungsuntersagungen von Seiten der Behörde geschützt. Wegen der Normgeprägtheit des Eigentumsgrundrechts gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmen sich Grund, Reichweite und Inhalt eines Bestandsschutzes von ausgeübten Nutzungen in der Konsequenz der Nassauskiesungsentscheidung (BVerfG, Beschluss vom 15.07.1981 - 1 BvL 77/78 -, BVerfGE 58, 300) nach neuerer und zutreffender Auffassung jedoch grundsätzlich nach dem einfachen Recht (stRspr., vgl. nur BVerwG, Urteil vom 12.03.1998 - 4 C 10.97 -, BVerwGE 106, 228; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.09.2012 - 3 S 2236/11 -, juris RdNr. 19). Da der Gesetzgeber gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des Eigentums festlegt, gibt es - abgesehen von der vom Gesetzgeber zu beachtenden Institutsgarantie - keinen verfassungsunmittelbaren Gehalt des Eigentums. Nur solche Befugnisse, die einem Eigentümer durch die Gesamtheit der (verfassungsmäßigen) Gesetze zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen sind, werden demnach von seinem Eigentumsgrundrecht geschützt. Auch die Baufreiheit, die vom Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts umfasst wird, ist daher nur nach Maßgabe des einfachen Rechts gewährleistet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.06.1973 - 1 BvL 39/69 u.a. -, BVerfGE 35, 263 <276>; BVerwG, Urteil vom 12.03.1998, a.a.O.; Berkemann, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 14 RdNr. 381). Verfassungsrechtlichen Schutz genießt eine Eigentumsposition im Bereich des Baurechts somit nur im Rahmen der mit ihr zulässigerweise verbundenen, gesetzlich definierten Befugnisse (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.10.1996 - 1 BvL 44/92 u.a. -, BVerfGE 95, 64 <82>; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 RdNr. 40). Für verfassungsunmittelbaren Bestandsschutz der Nutzung als Terminwohnung ist somit kein Raum.
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(2) Der Kläger kann den Bestandsschutz der untersagten Nutzung auch nicht aus dem einfachen Recht ableiten. Auf die Bestandskraft einer Baugenehmigung und deren Legalisierungswirkung kann er sich nicht berufen, da die Nutzung des Anwesens als Zweiradwerkstatt und die diesem zugeordnete Nutzung des ersten Obergeschosses als Betriebsinhaberwohnungen endgültig aufgegeben wurde. Denn von der Bestandskraft der Baugenehmigung gedeckt ist nur die nach Art und Umfang unveränderte Nutzung (vgl. BVerwG, Urteile vom 23.02.1979 - 4 C 86.76 - und vom 23.01.1981 - 4 C 83.77 -, Buchholz 406.16 Eigentumsschutz Nrn. 13 und 23). Bestandsschutzfähig ist somit nur der Anspruch des dinglich Berechtigten einer durch Genehmigung legalisierten oder (bzw. und) während eines Mindestzeitraums materiell rechtmäßigen baulichen Substanz in ihrer von der Genehmigung bzw. Genehmigungsfähigkeit umfassten konkreten Nutzung, sich gegen spätere nachteilige Rechtsänderungen durchzusetzen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.04.2009 - 10 B 186/09 -, BauR 2009, 1436). Bezugspunkt für den Bestandsschutz gegenüber Rechtsänderungen ist also stets eine bauliche Anlage in ihrer jeweiligen Nutzung, nicht aber, wie der Kläger meint, die Bausubstanz als solche unabhängig von etwaigen Nutzungsänderungen. Im Hinblick auf Bestands- oder Nutzungsänderungen kann eine bauliche Anlage daher keinen Bestandsschutz genießen (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.11.1974 - 4 C 32.71 -, BVerwGE 47, 185, und vom 24.10.1980 - 4 C 81.77 -, BVerwGE 61, 112; Beschluss vom 09.09.2002 - 4 B 52.02 -, BauR 2003, 1021; Urteil vom 18.05.1990 - 4 C 49.89 -, NVwZ 1991, 264; Sauter, LBO, § 65 RdNr. 14d). Bauliche Substanz und Nutzung unterliegen folglich nicht unabhängig voneinander unterschiedlichen rechtlichen Regelungen. Bestandsschutz genießt die bauliche Anlage in ihrer durch die Nutzung bestimmten Funktion (BVerwG, Beschluss vom 09.09.2002, a.a.O.; Schulte/Reichel, Handbuch Bauordnungsrecht, 2004, Kap. 15 RdNrn. 110 ff.); er ist also auf die Sicherung des durch die Eigentumsausübung Geschaffenen bezogen und damit auf das Gebäude in seinem Bestand, nicht auf eine geänderte Nutzung eines Gebäudes. Zum sonach geschützten Bestand gehört (nur) die funktionsgerechte Nutzung, der die bauliche Anlage nach der für sie erteilten Baugenehmigung zu dienen bestimmt ist (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.09.1991 - 11 A 1178/89 -, NVwZ-RR 1992, 531; Beschluss vom 15.04.2009, a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.05.2012 - OVG 10 S 42.11 -, juris RdNr. 8; VG Hamburg, Beschluss vom 01.02.2010 - 11 E 3492/09 -, juris RdNr. 27 mwN; VG Augsburg, Urteil vom 31.05.2012 - Au 5 K 11.1025 -, juris). Diese Bewertung geht von dem zutreffenden rechtlichen Ansatz aus, dass der aus der Bestandskraft der Baugenehmigung abgeleitete einfachrechtliche Bestandsschutz nur die Fortführung einer legal ausgeübten Nutzung deckt, nicht aber den Übergang auf eine andere Nutzung, die bodenrechtlich relevant ist und deshalb die Genehmigungsfrage neu aufwirft. In einem solchen Fall muss die neue Nutzung in einem Baugenehmigungsverfahren geprüft werden (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.05.2012, a.a.O.).
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Dies berücksichtigend hat sich der Bestandsschutz für das auf dem Grundstück des Klägers errichtete Gebäude mit der endgültigen Aufgabe der Nutzung als Zweiradwerkstatt mit Betriebsleiterwohnungen erledigt. Durch die Aufnahme einer neuen, nicht von der erteilten Baugenehmigung gedeckten Nutzung zu prostitutiven Zwecken hat der Kläger zu erkennen gegeben, dass er von der genehmigten Nutzung dauerhaft keinen Gebrauch mehr machen will (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 25.03.1988 - 4 C 21.85 -, BauR 1988, 569 <571>). Der tatsächliche Beginn einer anderen Nutzung, die außerhalb der Variationsbreite der bisherigen Nutzungsart liegt und die erkennbar nicht nur vorübergehend ausgeübt werden soll, unterbricht den Zusammenhang und lässt den Bestandsschutz, der lediglich die Fortsetzung der bisherigen, einmal rechtmäßig ausgeübten Nutzung gewährleisten soll, entfallen. Bauliche Substanz und bauliche Nutzung fallen seit der Aufnahme der prostitutiven Nutzung dauerhaft auseinander, die ihrerseits nicht isoliert - gleichsam unabhängig vom genehmigt errichteten Bestand - bestandsschutzfähig ist.
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Auch sonst lässt sich dem einfachen Recht kein Rechtsposition des Klägers auf (passiven) Bestandsschutz der Nutzung als Terminwohnung entnehmen. Dabei kann offen bleiben, ob - wozu die erkennende Kammer neigt - die Schutzwirkungen des Bestandsschutzes voraussetzen, dass Errichtung und Nutzung einer genehmigungspflichtigen baulichen Anlage von einer Baugenehmigung gedeckt sein müssen (so BVerfG, Beschluss vom 15.12.1995 - 1 BvR 1713/92 -, NVwZ-RR 1996, 483; BVerwG, Beschluss vom 18.07.1997 - 4 B 116.97 -, NVwZ-RR 1998, 357 <358>; Bayerischer VGH, Beschluss vom 28.03.2007 - 1 CS 06.3006 -, BRS 71 Nr. 193; Decker, BayVBl. 2011, 517 <521>; Uschkereit, BauR 2010, 718 <720>; Reichel/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, 2004, Kap. 15 RdNr. 223; Decker, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Kommentar, Stand Februar 2012, Art. 76 RdNrn. 118, 284; vgl. aber auch BVerfG, Beschluss vom 24.07.2000 - 1 BvR 151/99 -, NVwZ 2001, 424; BVerwG, Beschluss vom 05.06.2007 - 4 B 20.07 -, BauR 2007, 1697; Dürr, VBlBW 2000, 457, 459; Weidemann/Krappel, NVwZ 2009, 1207). Denn dem einfachen Recht lässt sich keine Bestimmung entnehmen, die fordern würde, dass eine ohne Kenntnis der Baugenehmigungsbehörde aufgenommene Nutzung - selbst wenn diese einige Monate materiell genehmigungsfähig gewesen sein sollte - für die Zukunft unbeanstandet zu bleiben hat. Die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 LBO liegen - wie auch der Kläger einräumt - nicht vor, denn es handelte sich bei dem Übergang von einer Zweiradwerkstatt mit der Nebennutzung einer Betriebsinhaberwohnung zu der Hauptnutzung als bordellartiger Betrieb/Termin-wohnung nicht um eine innerhalb der Nutzungsbandbreite der erteilten Baugenehmigung liegende Nutzungsänderung. Dass § 65 Satz 2 LBO - anders als § 65 Satz 1 LBO - keinen Nutzungsbestandsschutz gewährt, wird bereits daran ersichtlich, dass diese Vorschrift („werden… genutzt“) nur die derzeitige Nutzung in den Blick nimmt. Zudem ist - hierauf hat das Regierungspräsidium Freiburg zu Recht und mit zutreffender Begründung hingewiesen - für ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in den Fortbestand einer illegalen Nutzung jedenfalls dann kein Raum, wenn § 15 BauGB die Zurückstellung eines Baugesuches ermöglicht hätte. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob es sich bei dieser Vorschrift um eine solche des formellen oder des materiellen Baurechts handelt (so bereits BVerwG, Urteil vom 22.01.1971 - IV C 62.66 -, NJW 1971, 1624). So liegt der Fall hier. Hätte sich der Kläger oder sein damaliger Mieter rechtmäßig verhalten und vor Nutzungsaufnahme die Erteilung einer Baugenehmigung zur Nutzungsänderung in einen bordellartigen Betrieb bei der Beklagten beantragt, wäre es dieser im Hinblick auf den am 13.04.2005 gefassten und am 30.04.2005 bekannt gemachten Aufstellungsbeschluss möglich gewesen, das Vorhaben gemäß § 15 Abs. 1 BauGB zurückzustellen. Damit ist für die Annahme eines Bestandsschutzes auch mangels objektiver Schutzbedürftigkeit kein Raum.
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cc) Abgesehen davon vermag die erkennende Kammer auch in tatsächlicher Hinsicht nicht festzustellen, dass die wohl im Mai 2005 aufgenommene Nutzung als Terminwohnung seinerzeit für einen namhaften Zeitraum materiell baurechtmäßig gewesen ist. Denn der insoweit materiell beweispflichtige Kläger trägt unwidersprochen vor, dass die Nutzung der Wohnungen im ersten Obergeschoss nicht nur gewerblichen Zwecken (Prostitution) gedient hat, sondern zugleich der Wohnnutzung einiger der dort auch mit Erstwohnsitz gemeldeten Prostituierten. Insoweit ist in der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber geklärt, dass „gewerbliche Betriebe, die mit einer Wohnnutzung verbunden sind, wie ein Bordell, in dem die Dirnen auch wohnen, in Gewerbe- und Industriegebieten nicht zulässig“ sind (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 25.11.1983 - 4 C 21.83 -, BVerwGE 68, 213). Im Übrigen hat der Kläger weder Art und Umfang der Umbauarbeiten im Zeitraum März bis Mai 2005 dargelegt noch ist ersichtlich, dass die seinerzeit offenbar aufgenommene Nutzung als Escort-Service und als Terminwohnung auch mit § 15 BauNVO an dem konkreten Standort vereinbar gewesen ist.
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c) Die Verfügung ist ermessensfehlerfrei auch gegenüber dem Kläger als Eigentümer ausgesprochen worden. Neben ihm als Eigentümer des Anwesens hat die Beklagte auch die (damalige) Betreiberin und den vormaligen Mieter des Klägers, ..., mit einer Untersagungsverfügung belegt. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Insbesondere hat die Beklagte in ihrer Klageerwiderung (dort S. 21 und 22) mit zutreffender Begründung dargelegt, dass sie sich auch daran orientieren darf, welcher Störer die Gefahr möglichst effektiv und dauerhaft beseitigen kann. Dies ist - woran die erkennende Kammer keinen Zweifel hat - der Kläger als Eigentümer des Anwesens. Gerade das hiesige Nutzungskonzept macht im Übrigen anschaulich, dass der Eigentümer mit einer gewissen Regelhaftigkeit auch zur Nutzungsuntersagung herangezogen werden sollte. Denn der wiederholte Betreiberwechsel sowie das hier - wie auch sonst - gepflegte Konzept ständiger Weiter- und Untervermietung der Räumlichkeiten zeigt deutlich, dass das Verwaltungsverfahren verlässlich häufig nur mit dem Grundstückseigentümer geführt werden kann.
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d) Die Beklagte war schließlich auch nicht verpflichtet, die prostitutive Nutzung im Anwesen des Klägers zu dulden. Der Kläger macht insoweit unter Berufung auf die Bordell- und Vergnügungsstättenkonzeption der Beklagten geltend, die in seinem Anwesen verwirklichte Nutzung entspreche der von Terminwohnungen. Nach der nämlichen Konzeption der Beklagten (vgl. GR-Drucks. 01/181) würden Terminwohnungen im Stadtgebiet der Beklagten aber grundsätzlich geduldet, es sei denn deren Nutzung habe städtebauliche Spannungen zufolge. In der Tat dürfte die im Anwesen des Klägers ausgeübte gewerbliche Nutzung sowohl unter den Begriff des bordellartigen Betriebs als auch unter jenen der Terminwohnung fallen. Unter bordellartigen Betrieben werden von der Anzahl der Prostituierten her kleinere Einrichtungen der Prostitution verstanden (z.B. Erotik-Massagesalons, erotische Modelwohnungen, Sauna-Clubs, FKK-Clubs), zu denen auch sog. Wohnungsbordelle und Terminwohnungen mit ein bis maximal vier Prostituierten rechnen, die dort ihrem Gewerbe nachgehen, ohne dort zu wohnen und allenfalls dort einige Nächte verbringen (vgl. hierzu und zum Folgenden Stühler, BauR 2010, 1013 <1026>). Hinter dem Begriff einer „Terminwohnung“ verbirgt sich dabei das Geschäftskonzept, dass die Prostituierten für eine gewisse Zeitspanne in einer bestimmten Wohnung arbeiten, um dann nach einem festgelegten Rotationsprinzip, häufig einer oder mehrerer Wochen in die nächste Wohnung weiterzuziehen. Dies ist hier der Fall.
62
Soweit der Kläger eine Duldung der beiden in seinem Anwesen verwirklichten Terminwohnungen begehrt, weil nach dem sog. der Bordellkonzept der Beklagten die Terminwohnungen im Stadtgebiet grundsätzlich geduldet würden, verfängt seine Argumentation nicht. Die Beklagte hat schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung für die erkennende Kammer nachvollziehbar vorgetragen, dass sie seit Schaffung einer zusätzlichen Planstelle zu Beginn des Jahres 2011 gegen neu aufgenommene Nutzungen als Terminwohnungen und gegen Einrichtungen mit einer größeren Anzahl an Plätzen vorgeht, gegen ältere - im Jahr 2001 bereits vorhandene - Einrichtungen aber erst nach und nach einschreitet. Dieses - der erkennenden Kammer aus mehreren anderen Verfahren bekannte und auch in der Praxis verwirklichte - Handlungskonzept ist im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die Beklagte aus Rechtsgründen nicht gehindert, ihr früher auf Nichteinschreiten gegen damals vorhandene Terminwohnungen angelegtes Handlungskonzept im Zuge der Erarbeitung einer neuen Bordellkonzeption fortzuentwickeln und nunmehr gegen seit langen Jahren baurechtswidrig genutzte Terminwohnungen oder seither neu hinzugekommene Etablissements vorzugehen.
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Das Anwesen des Klägers wird durch bestimmungsgemäß sechs (derzeit vier, zeitweise - so der damalige Mieter ... - auch „bis zu zehn“) gleichzeitig anwesende Prostituierte genutzt. Bereits im Blick auf die Größe des dort verwirklichten bordellartigen Betriebs erscheint es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Beklagte gegen diese Terminwohnungen in einem einzelnen Anwesen, in denen regelmäßig mehr als vier Prostituierte ihrer Tätigkeit nachgehen, vorgeht, während sie gegen weniger massive Erscheinungsformen der prostitutiven Nutzung (insbesondere Wohnungsprostitution) nur bei städtebaulichen Spannungen einschreitet. Im Übrigen sind aber im vorliegenden Fall städtebauliche Spannungen auch deutlich zutage getreten, was nicht zuletzt an der Viel
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RE: Bau(planungs)recht als Mittel der Prostitutionskontrolle
Ein bißchen Text ist verlorengegangen, hier ist der Rest:
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Das Anwesen des Klägers wird durch bestimmungsgemäß sechs (derzeit vier, zeitweise - so der damalige Mieter ... - auch „bis zu zehn“) gleichzeitig anwesende Prostituierte genutzt. Bereits im Blick auf die Größe des dort verwirklichten bordellartigen Betriebs erscheint es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Beklagte gegen diese Terminwohnungen in einem einzelnen Anwesen, in denen regelmäßig mehr als vier Prostituierte ihrer Tätigkeit nachgehen, vorgeht, während sie gegen weniger massive Erscheinungsformen der prostitutiven Nutzung (insbesondere Wohnungsprostitution) nur bei städtebaulichen Spannungen einschreitet. Im Übrigen sind aber im vorliegenden Fall städtebauliche Spannungen auch deutlich zutage getreten, was nicht zuletzt an der Vielzahl der Eingaben aus der Nachbarschaft sichtbar geworden ist.
64
e) Auch sonst ist die Nutzungsuntersagungsverfügung frei von im Hinblick auf § 114 Satz 1 VwGO erheblichen Ermessensfehlern. Namentlich durfte die Beklagte die Nutzungsuntersagung gegenüber dem Kläger schon deshalb auf das gesamte Anwesen ... erstrecken, weil - zum einen - früher bauplanungsrechtlich unzulässige Nutzungen auch im Erd- und Untergeschoss des Anwesens stattgefunden haben und - zum anderen - der Kläger die Nutzung aller vermieteten Räumlichkeiten „für erotische Zwecke“ mietvertraglich ausdrücklich gestattet hat. Die Behauptung des Klägers, gegen ihn hätte allenfalls eine Duldungsverfügung erlassen werden können, während allenfalls der Pächter Adressat einer Untersagungsverfügung hätte werden dürfen, trifft - wie die Beklagte wiederum zutreffend ausgeführt hat - nicht zu (vgl. auch Sauter, LBO, § 65 RdNr. 64). Außerdem ist auch gegen die frühere Betreiberin des bordellartigen Betriebs eine Nutzungsuntersagungsverfügung ergangen.
65
Schließlich teilt die erkennende Kammer die Auffassung der Beklagten, dass diese nicht im Blick auf den längeren Zeitraum, der seit der Kenntnis der Baurechtswidrigkeit der prostitutiven Nutzung bis zum Erlass der Verfügung vergangen ist, an einem Einschreiten gegen den Kläger gehindert ist. Den zutreffenden Ausführungen der Beklagten in deren Klageerwiderung (dort S. 22 und 23) hat die erkennende Kammer nichts hinzuzufügen (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.06.2010 - 8 S 708/10 -, VBlBW 2011, 28). Die Erwägung, im Hinblick auf die längere Dauer des Verfahrens (nur) auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung, nicht aber auf die Nutzungsuntersagung als solche zu verzichten, ist im Blick auf § 114 Satz 1 VwGO nicht zu beanstanden.
66
4. Soweit dem Kläger in der Verfügung vom 21.02.2011 außerdem aufgegeben wurde, das über das Anwesen bestehende Mietverhältnis zu kündigen oder durch eine Änderungskündigung in eine genehmigungsfähige Nutzung zu überführen, ist die Klage unbegründet. Dabei kann dahinstehen, ob das Kündigungsgebot noch von der Ermächtigung zur Nutzungsuntersagung in § 65 Satz 2 LBO umfasst ist oder ob dafür die bauordnungsrechtliche Generalklausel in § 47 Abs. 1 Satz 2 LBO herangezogen werden muss (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.1990 - 5 S 3103/89 -, VBlBW 1991, 220 <221>; Beschluss der Kammer vom 15.02.2012 - 4 K 2406/11 -). Jedenfalls ist wegen der formellen Baurechtswidrigkeit der aktuellen Nutzung der Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage erfüllt. Ermessensfehler sind auch insoweit weder ersichtlich noch vorgetragen.
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5. Die Androhung des Zwangsgeldes findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 20, 23 LVwVG. Die Beklagte hat das Zwangsgeld erst für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Untersagungsverfügung, die nach Bestandskraft begangen wird, angedroht. Damit liegt die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzung gemäß § 2 Nr. 1 LVwVG vor. Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung, insbesondere ist die Verhältnismäßigkeit gemäß § 19 Abs. 3 LVwVG auch im Blick auf die angedrohte Höhe gewahrt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht sieht im Rahmen des ihm nach § 167 Abs. 2 VwGO eingeräumten Ermessens davon ab, das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
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Trotz der Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zu den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Nutzungsuntersagungsverfügung besteht kein Anlass, die Berufung wegen Divergenz oder grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO) zuzulassen. Denn aus den unter 3. genannten Gründen verstößt die Nutzung des ersten Obergeschosses im Anwesen des Klägers als Terminwohnung/bordellartiger Betrieb seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht, jedenfalls aber kann sich der Kläger in Bezug auf den Zeitraum zwischen Mai und November 2005 nicht auf Bestandsschutz berufen. Damit beruht das Urteil der erkennenden Kammer nicht auf der Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg.
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Das Anwesen des Klägers wird durch bestimmungsgemäß sechs (derzeit vier, zeitweise - so der damalige Mieter ... - auch „bis zu zehn“) gleichzeitig anwesende Prostituierte genutzt. Bereits im Blick auf die Größe des dort verwirklichten bordellartigen Betriebs erscheint es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Beklagte gegen diese Terminwohnungen in einem einzelnen Anwesen, in denen regelmäßig mehr als vier Prostituierte ihrer Tätigkeit nachgehen, vorgeht, während sie gegen weniger massive Erscheinungsformen der prostitutiven Nutzung (insbesondere Wohnungsprostitution) nur bei städtebaulichen Spannungen einschreitet. Im Übrigen sind aber im vorliegenden Fall städtebauliche Spannungen auch deutlich zutage getreten, was nicht zuletzt an der Vielzahl der Eingaben aus der Nachbarschaft sichtbar geworden ist.
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e) Auch sonst ist die Nutzungsuntersagungsverfügung frei von im Hinblick auf § 114 Satz 1 VwGO erheblichen Ermessensfehlern. Namentlich durfte die Beklagte die Nutzungsuntersagung gegenüber dem Kläger schon deshalb auf das gesamte Anwesen ... erstrecken, weil - zum einen - früher bauplanungsrechtlich unzulässige Nutzungen auch im Erd- und Untergeschoss des Anwesens stattgefunden haben und - zum anderen - der Kläger die Nutzung aller vermieteten Räumlichkeiten „für erotische Zwecke“ mietvertraglich ausdrücklich gestattet hat. Die Behauptung des Klägers, gegen ihn hätte allenfalls eine Duldungsverfügung erlassen werden können, während allenfalls der Pächter Adressat einer Untersagungsverfügung hätte werden dürfen, trifft - wie die Beklagte wiederum zutreffend ausgeführt hat - nicht zu (vgl. auch Sauter, LBO, § 65 RdNr. 64). Außerdem ist auch gegen die frühere Betreiberin des bordellartigen Betriebs eine Nutzungsuntersagungsverfügung ergangen.
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Schließlich teilt die erkennende Kammer die Auffassung der Beklagten, dass diese nicht im Blick auf den längeren Zeitraum, der seit der Kenntnis der Baurechtswidrigkeit der prostitutiven Nutzung bis zum Erlass der Verfügung vergangen ist, an einem Einschreiten gegen den Kläger gehindert ist. Den zutreffenden Ausführungen der Beklagten in deren Klageerwiderung (dort S. 22 und 23) hat die erkennende Kammer nichts hinzuzufügen (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.06.2010 - 8 S 708/10 -, VBlBW 2011, 28). Die Erwägung, im Hinblick auf die längere Dauer des Verfahrens (nur) auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung, nicht aber auf die Nutzungsuntersagung als solche zu verzichten, ist im Blick auf § 114 Satz 1 VwGO nicht zu beanstanden.
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4. Soweit dem Kläger in der Verfügung vom 21.02.2011 außerdem aufgegeben wurde, das über das Anwesen bestehende Mietverhältnis zu kündigen oder durch eine Änderungskündigung in eine genehmigungsfähige Nutzung zu überführen, ist die Klage unbegründet. Dabei kann dahinstehen, ob das Kündigungsgebot noch von der Ermächtigung zur Nutzungsuntersagung in § 65 Satz 2 LBO umfasst ist oder ob dafür die bauordnungsrechtliche Generalklausel in § 47 Abs. 1 Satz 2 LBO herangezogen werden muss (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.1990 - 5 S 3103/89 -, VBlBW 1991, 220 <221>; Beschluss der Kammer vom 15.02.2012 - 4 K 2406/11 -). Jedenfalls ist wegen der formellen Baurechtswidrigkeit der aktuellen Nutzung der Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage erfüllt. Ermessensfehler sind auch insoweit weder ersichtlich noch vorgetragen.
67
5. Die Androhung des Zwangsgeldes findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 20, 23 LVwVG. Die Beklagte hat das Zwangsgeld erst für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Untersagungsverfügung, die nach Bestandskraft begangen wird, angedroht. Damit liegt die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzung gemäß § 2 Nr. 1 LVwVG vor. Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung, insbesondere ist die Verhältnismäßigkeit gemäß § 19 Abs. 3 LVwVG auch im Blick auf die angedrohte Höhe gewahrt.
68
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht sieht im Rahmen des ihm nach § 167 Abs. 2 VwGO eingeräumten Ermessens davon ab, das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
69
Trotz der Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zu den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Nutzungsuntersagungsverfügung besteht kein Anlass, die Berufung wegen Divergenz oder grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO) zuzulassen. Denn aus den unter 3. genannten Gründen verstößt die Nutzung des ersten Obergeschosses im Anwesen des Klägers als Terminwohnung/bordellartiger Betrieb seit ihrem Beginn fortdauernd gegen materielles Baurecht, jedenfalls aber kann sich der Kläger in Bezug auf den Zeitraum zwischen Mai und November 2005 nicht auf Bestandsschutz berufen. Damit beruht das Urteil der erkennenden Kammer nicht auf der Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg.
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RE: Bau(planungs)recht als Mittel der Prostitutionskontrolle
Verwaltungsgericht Gießen, Urteil vom 12.03.2013
- 1 K 2026/11.GI -
Ehemaliges Seniorenheim darf künftig nicht als bordellartiger Betrieb genutzt werden
Gericht versagt Baugenehmigung für "Liebesquelle"
Das Verwaltungsgericht Gießen eine Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung eines ehemaligen Seniorenheims in einen bordellartigen Betrieb in einem reinen Wohngebiet abgelehnt.
Im zugrunde liegenden Streitfall ging es um eine Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung in einen bordellartigen Betrieb in Hirzenhain-Merkenfritz. Der Betrieb war illegal bis zu einer Nutzungsuntersagung im Februar 2012 unter dem Namen "Liebesquelle" betrieben worden. Auf dem Grundstück befand sich früher ein Seniorenheim. Die Klägerin, Ehefrau des Grundstückseigentümers, beantragte im November 2010 beim Beklagten (Wetteraukreis als Baugenehmigungsbehörde) die Erteilung der Genehmigung für eine Nutzungsänderung von einem Altenheim in eine "Freizeit- und Saunaeinrichtung mit der Möglichkeit, gegen Vergütung Verträge über sexuelle Dienstleistungen abzuschließen".
Nutzungsänderung ist bauplanungsrechtlich unzulässig
Der Kreis lehnte den Bauantrag mit der Begründung ab, dass die geänderte Nutzung bauplanungsrechtlich unzulässig sei. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob die Klägerin Mitte 2011 Klage.
Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung für Nutzungsänderung des Anwesens in bordellartigen Betrieb
Die Klage blieb jedoch vor dem Verwaltungsgericht Gießen erfolglos. In der Urteilsbegründung hieß es, dass der Klägerin kein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung des Anwesens in einen bordellartigen Betrieb zustehe. Das Anwesen liege nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, so dass es planungsrechtlich darauf ankomme, ob sich die Nutzungsänderung in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Diese hat das Gericht im Einzelnen bei einem durchgeführten Ortstermin ermittelt und stellt nun in seinem Urteil fest, dass im rechtlich maßgeblichen Bereich eine nahezu ausschließliche Prägung durch Ein- oder Mehrfamilienhäuser vorhanden sei. Der Bereich entspreche einem reinen Wohngebiet, in dem nur Wohngebäude zulässig seien.
Betrieb wegen negativer "milieubedingter" Auswirkungen auch in allgemeinem Wohngebiet oder Mischgebiet unzulässig
Das Gericht führt weiter aus, dass der von der Klägerin beantragte bordellartige Betrieb sich nach seiner Nutzung nicht in ein reines Wohngebiet einfüge und daher bauplanungsrechtlich unzulässig sei. Zudem wäre ein solcher Betrieb aber allein wegen der negativen "milieubedingten" Auswirkungen derartiger Einrichtungen auch in einem allgemeinen Wohngebiet oder einem Mischgebiet unzulässig, entschied das Gericht.
www.kostenlose-urteile.de/VG-Giessen_1- ... s15517.htm
- 1 K 2026/11.GI -
Ehemaliges Seniorenheim darf künftig nicht als bordellartiger Betrieb genutzt werden
Gericht versagt Baugenehmigung für "Liebesquelle"
Das Verwaltungsgericht Gießen eine Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung eines ehemaligen Seniorenheims in einen bordellartigen Betrieb in einem reinen Wohngebiet abgelehnt.
Im zugrunde liegenden Streitfall ging es um eine Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung in einen bordellartigen Betrieb in Hirzenhain-Merkenfritz. Der Betrieb war illegal bis zu einer Nutzungsuntersagung im Februar 2012 unter dem Namen "Liebesquelle" betrieben worden. Auf dem Grundstück befand sich früher ein Seniorenheim. Die Klägerin, Ehefrau des Grundstückseigentümers, beantragte im November 2010 beim Beklagten (Wetteraukreis als Baugenehmigungsbehörde) die Erteilung der Genehmigung für eine Nutzungsänderung von einem Altenheim in eine "Freizeit- und Saunaeinrichtung mit der Möglichkeit, gegen Vergütung Verträge über sexuelle Dienstleistungen abzuschließen".
Nutzungsänderung ist bauplanungsrechtlich unzulässig
Der Kreis lehnte den Bauantrag mit der Begründung ab, dass die geänderte Nutzung bauplanungsrechtlich unzulässig sei. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob die Klägerin Mitte 2011 Klage.
Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung für Nutzungsänderung des Anwesens in bordellartigen Betrieb
Die Klage blieb jedoch vor dem Verwaltungsgericht Gießen erfolglos. In der Urteilsbegründung hieß es, dass der Klägerin kein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung des Anwesens in einen bordellartigen Betrieb zustehe. Das Anwesen liege nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, so dass es planungsrechtlich darauf ankomme, ob sich die Nutzungsänderung in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Diese hat das Gericht im Einzelnen bei einem durchgeführten Ortstermin ermittelt und stellt nun in seinem Urteil fest, dass im rechtlich maßgeblichen Bereich eine nahezu ausschließliche Prägung durch Ein- oder Mehrfamilienhäuser vorhanden sei. Der Bereich entspreche einem reinen Wohngebiet, in dem nur Wohngebäude zulässig seien.
Betrieb wegen negativer "milieubedingter" Auswirkungen auch in allgemeinem Wohngebiet oder Mischgebiet unzulässig
Das Gericht führt weiter aus, dass der von der Klägerin beantragte bordellartige Betrieb sich nach seiner Nutzung nicht in ein reines Wohngebiet einfüge und daher bauplanungsrechtlich unzulässig sei. Zudem wäre ein solcher Betrieb aber allein wegen der negativen "milieubedingten" Auswirkungen derartiger Einrichtungen auch in einem allgemeinen Wohngebiet oder einem Mischgebiet unzulässig, entschied das Gericht.
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RE: Bau(planungs)recht als Mittel der Prostitutionskontrolle
Bordelle im Wohngebiet
Vermieter wollen ein Wohnhaus in der Eurener Straße in ein Bordell verwandeln. Die Stadt wehrt sich dagegen. Heute begutachtet das Verwaltungsgericht das Gebiet, um zu entscheiden, ob gewerbliche Prostitution dort zulässig ist oder nicht.
Trier. Es ist ein normales Wohnhaus in der Eurener Straße. Doch geht es nach den Besitzern, sollen dort keine üblichen Mieter mehr einziehen. Die Hausbesitzer wollen mindestens zwei Etagen an bis zu fünf Prostituierte vermieten, die dort ihrer Arbeit nachgehen sollen.
Stadt verbietet käuflichen Sex
Bei der Stadtverwaltung haben die Vermieter die gewerbliche Nutzung der Zimmer angemeldet. Das Rathaus hat die Einrichtung des "bordellähnlichen Betriebs" allerdings untersagt. "Der betreffende Bereich der Eurener Straße ist baurechtlich als allgemeines Wohngebiet einzustufen", erklärt Rathaus-Pressesprecher Ralf Frühauf. In einem solchen allgemeinen Wohngebiet sind neben Wohnhäusern zwar auch Läden, Kneipen und Restaurants und auch so genannte "nicht störende" - also leise - Handwerksbetriebe erlaubt. "Ein Bordell allerdings nicht", sagt Frühauf. Denn von Bordellen oder ähnlichen Betrieben gehe laut Frühauf eine "regelmäßige Beeinträchtigung durch Zu- und Abgangsverkehr aus", die mit dem "Charakter eines Wohngebiets" und einem "störungsfreien Wohnen" nicht vereinbar seien.
Die Besitzer des Hauses sehen das anders und haben beim Trie rer Verwaltungsgericht Klage eingereicht. "Die Kläger argumentieren, dass es sich bei diesem Bereich der Eurener Straße in Nähe der Diskothek A 1 nicht um ein reines Wohngebiet handele, sondern wegen des nahen Gewerbegebiets ein bordellartiger Betrieb möglich ist", erklärt Heidi Heinen, Pressereferentin des Verwaltungsgerichts.
Am heutigen Dienstag treffen sich Gericht, Kläger und Vertreter der Stadtverwaltung um 12 Uhr zum Ortstermin. "Wir wollen beurteilen, wie die Eigenart der näheren Umgebung des besagten Hauses ist, um darauf basierend eine Entscheidung treffen zu können", sagt Heinen.
Das Urteil ist nicht nur für den Vermieter dieses Hauses interessant. Denn das Umfeld der Großdiskothek A 1, gelegen an der Einmündung der Hornstraße in die Eurener Straße, haben auch andere Bordellbetreiber im Blick: "Die städtische Bauaufsicht prüft zurzeit die Zulässigkeit von fünf entsprechenden Betrieben in der Umgebung der Diskothek", bestätigt Rathaussprecher Frühauf.
Disco zieht Rotlichtbranche an
Bislang sind in Trier 16 Appartements und Wohnungen gemeldet, die für gewerbliche Prostitution genutzt werden. Dazu kommen drei Bordelle, sieben Bars mit sexuellen Dienstleistungen und ein Betrieb, der "Dienstleistungen im Erotikbereich" anbietet. Wie viele Frauen und Männer privat in ihren eigenen Wohnungen Sex gegen Geld anbieten, ist nicht bekannt. "Diese reine Wohnungsprostitution ist nicht meldepflichtig, da es sich ordnungsrechtlich nicht um ein Gewerbe handelt", erklärt Rathaussprecher Frühauf. Beim Trierer Finanzamt waren zuletzt 65 Prostituierte aus Trier gemeldet. Um der Rotlichtbranche in Trier einen festen rechtlichen Rahmen zu geben, bastelt Ordnungsdezernent Thomas Egger seit gut 1,5 Jahren an einem Gesamtkonzept. Darin soll unter anderem festgelegt werden, wohin der Straßenstrich in der Ruwerer Straße verlegt werden könnte und in welchen Gewerbegebieten die Ansiedlung von Bordellen erlaubt ist.
Wann das Konzept fertig sein soll, kann Dezernent Egger allerdings noch nicht sagen.
www.volksfreund.de/nachrichten/region/t ... 54,3505949
Vermieter wollen ein Wohnhaus in der Eurener Straße in ein Bordell verwandeln. Die Stadt wehrt sich dagegen. Heute begutachtet das Verwaltungsgericht das Gebiet, um zu entscheiden, ob gewerbliche Prostitution dort zulässig ist oder nicht.
Trier. Es ist ein normales Wohnhaus in der Eurener Straße. Doch geht es nach den Besitzern, sollen dort keine üblichen Mieter mehr einziehen. Die Hausbesitzer wollen mindestens zwei Etagen an bis zu fünf Prostituierte vermieten, die dort ihrer Arbeit nachgehen sollen.
Stadt verbietet käuflichen Sex
Bei der Stadtverwaltung haben die Vermieter die gewerbliche Nutzung der Zimmer angemeldet. Das Rathaus hat die Einrichtung des "bordellähnlichen Betriebs" allerdings untersagt. "Der betreffende Bereich der Eurener Straße ist baurechtlich als allgemeines Wohngebiet einzustufen", erklärt Rathaus-Pressesprecher Ralf Frühauf. In einem solchen allgemeinen Wohngebiet sind neben Wohnhäusern zwar auch Läden, Kneipen und Restaurants und auch so genannte "nicht störende" - also leise - Handwerksbetriebe erlaubt. "Ein Bordell allerdings nicht", sagt Frühauf. Denn von Bordellen oder ähnlichen Betrieben gehe laut Frühauf eine "regelmäßige Beeinträchtigung durch Zu- und Abgangsverkehr aus", die mit dem "Charakter eines Wohngebiets" und einem "störungsfreien Wohnen" nicht vereinbar seien.
Die Besitzer des Hauses sehen das anders und haben beim Trie rer Verwaltungsgericht Klage eingereicht. "Die Kläger argumentieren, dass es sich bei diesem Bereich der Eurener Straße in Nähe der Diskothek A 1 nicht um ein reines Wohngebiet handele, sondern wegen des nahen Gewerbegebiets ein bordellartiger Betrieb möglich ist", erklärt Heidi Heinen, Pressereferentin des Verwaltungsgerichts.
Am heutigen Dienstag treffen sich Gericht, Kläger und Vertreter der Stadtverwaltung um 12 Uhr zum Ortstermin. "Wir wollen beurteilen, wie die Eigenart der näheren Umgebung des besagten Hauses ist, um darauf basierend eine Entscheidung treffen zu können", sagt Heinen.
Das Urteil ist nicht nur für den Vermieter dieses Hauses interessant. Denn das Umfeld der Großdiskothek A 1, gelegen an der Einmündung der Hornstraße in die Eurener Straße, haben auch andere Bordellbetreiber im Blick: "Die städtische Bauaufsicht prüft zurzeit die Zulässigkeit von fünf entsprechenden Betrieben in der Umgebung der Diskothek", bestätigt Rathaussprecher Frühauf.
Disco zieht Rotlichtbranche an
Bislang sind in Trier 16 Appartements und Wohnungen gemeldet, die für gewerbliche Prostitution genutzt werden. Dazu kommen drei Bordelle, sieben Bars mit sexuellen Dienstleistungen und ein Betrieb, der "Dienstleistungen im Erotikbereich" anbietet. Wie viele Frauen und Männer privat in ihren eigenen Wohnungen Sex gegen Geld anbieten, ist nicht bekannt. "Diese reine Wohnungsprostitution ist nicht meldepflichtig, da es sich ordnungsrechtlich nicht um ein Gewerbe handelt", erklärt Rathaussprecher Frühauf. Beim Trierer Finanzamt waren zuletzt 65 Prostituierte aus Trier gemeldet. Um der Rotlichtbranche in Trier einen festen rechtlichen Rahmen zu geben, bastelt Ordnungsdezernent Thomas Egger seit gut 1,5 Jahren an einem Gesamtkonzept. Darin soll unter anderem festgelegt werden, wohin der Straßenstrich in der Ruwerer Straße verlegt werden könnte und in welchen Gewerbegebieten die Ansiedlung von Bordellen erlaubt ist.
Wann das Konzept fertig sein soll, kann Dezernent Egger allerdings noch nicht sagen.
www.volksfreund.de/nachrichten/region/t ... 54,3505949
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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RE: Bau(planungs)recht als Mittel der Prostitutionskontrolle
Prostitution im trauten Heim: Mehr als ein Dutzend Trierer Wohnhäuser sind Bordelle
Ortstermin: Das Verwaltungsgericht hat am Mittwoch ein Wohnhaus in der Eurener Straße besichtigt, in dem seit Jahren Prostituierte ihre Dienste anbieten. Die Stadtverwaltung hat den bordellartigen Betrieb untersagt. Der Hausbesitzer klagt dagegen.
Die richtige Farbe hat das Haus schon mal. Ob darin weiter Sex gegen Geld angeboten werden darf, entscheidet das Gericht.
Trier. Ornella macht's in einer Wohnung in der Aachener Straße, Katja in einem ersten Obergeschoss in der Bollwerkstraße, und Maylle und Kara gehen ihrem Gewerbe in einem Wohnhaus in der Eurener Straße nach: 99 Frauen bieten auf der Internetseite "Trierladies" sexuelle Dienstleistungen an. Und zwar nicht nur in den stadtbekannten Clubs und Bordellen. Ganz viel käuflichen Sex gibt es in Trier offenbar auch in ganz normalen Wohnhäusern.
Stadtverwaltung muss zustimmen
Wird ein Wohnhaus für dieses Gewerbe umgenutzt, muss das von der Stadtverwaltung grundsätzlich gestattet werden. Aber nicht alle Vermieter und Hauseigentümer reichen Anträge auf eine solche Umnutzung beim Rathaus ein. Auch der Besitzer des Hauses Nummer 26 in der Eurener Straße nicht. Dieser hat seine Immobilie an eine Frau verpachtet, die die einzelnen Zimmer wiederum bereits seit mehreren Jahren an wechselnde Prostituierte weitervermietet. Von außen sieht man dem Haus sein reges Innenleben nicht an: Im Hofeingang stehen gepflegte Koniferen, vor der Haustür hohe Blumenkübel mit blühenden Pflanzen. An den vielen Türklingeln steht allerdings nicht Müller oder Meier. Sondern "Asia-Team" und etliche mit rotem Filzstift geschriebene Vornamen. Sopa, Jasmin, Carla, Didy.
2011 bekam die Stadtverwaltung von der Sache Wind - und untersagte die Nutzung des Wohnhauses als Bordell. Hauseigentümer und Vermieterin legten Widerspruch ein, die Stadt blieb bei ihrer Ablehnung. Im Januar 2013 haben Eigentümer und Vermieterin schließlich beim Trierer Verwaltungsgericht Klage eingereicht, um den Weiterbetrieb zu sichern.
Am Mittwoch besichtigte das Gericht zusammen mit Rechtsanwalt Alfred Bores, der den Hauseigentümer und die Vermieterin vertritt, und Mitarbeitern des städtischen Rechts- und Bauaufsichtsamts das Haus und dessen Umfeld. Dabei ging es um die Frage, ob die Eurener Straße in diesem Abschnitt eher ein Wohn-, ein Gewerbe- oder ein Mischgebiet ist. Denn in Wohngebieten sind Bordelle verboten, in Gewerbe- oder Mischgebieten in Abhängigkeit von der jeweiligen Umgebung grundsätzlich erlaubt.
Lärm durch Discobesucher
Richter Reinhard Dierkes zählte bei dem Ortstermin die etlichen Geschäfte, Handwerksbetriebe, Imbisse, Kneipen, Friseure, die leerstehende Kaserne und das große RWE-Gelände in der Nachbarschaft des besagten Hauses auf. "Die Gebäude im Erdgeschoss werden überwiegend gewerblich genutzt, die oberen Geschosse fürs Wohnen", stellte Richter Dierkes fest. Rechtsanwalt Bores argumentierte, dass durch die nahe Großraumdiskothek A 1 sich viele Imbisse in der Straße angesiedelt hätten. "Von Donnerstagnacht bis Samstagnacht ist hier die Hölle los, wenn die Discobesucher die Imbisse und Gaststätten besuchen. Der durch das Gewerbe im Haus meines Mandanten verursachte Mehrbetrieb auf der Straße fällt da für die Lebensqualität der Anwohner nicht ins Gewicht", sagte Bores.
Außerdem gäbe es nur wenige Meter weiter in der Eurener Straße und auch in der Bollwerk-, der Aachener-, der Paulin- und der Luxemburgerstraße ebenfalls bordellartige Betriebe in Wohnhäusern, gegen die die Stadt nicht vorgehe. "Nach dem Gleichheitsgrundsatz kann die Stadt daher nicht nur für dieses Haus die Umnutzung untersagen", sagte Bores.
Franz-Josef Conermann vom städtischen Rechtsamt räumte zwar ein, dass die Stadtverwaltung tatsächlich noch keine weiteren Nutzungsuntersagungen für die genannten Betriebe ausgesprochen habe, man allerdings "an der Sache dran" sei. "Falls die Betriebe tatsächlich bestehen und die Fälle vergleichbar sind, werden wir auch gegen diese vorgehen", sagte Conermann.
Ein Urteil ist beim Ortstermin nicht gefallen. Nach seiner Beratung will das Gericht binnen der nächsten zwei Wochen Kläger und Stadt schriftlich über seine Entscheidung informieren.
www.volksfreund.de/nachrichten/region/t ... 54,3507237
Ortstermin: Das Verwaltungsgericht hat am Mittwoch ein Wohnhaus in der Eurener Straße besichtigt, in dem seit Jahren Prostituierte ihre Dienste anbieten. Die Stadtverwaltung hat den bordellartigen Betrieb untersagt. Der Hausbesitzer klagt dagegen.
Die richtige Farbe hat das Haus schon mal. Ob darin weiter Sex gegen Geld angeboten werden darf, entscheidet das Gericht.
Trier. Ornella macht's in einer Wohnung in der Aachener Straße, Katja in einem ersten Obergeschoss in der Bollwerkstraße, und Maylle und Kara gehen ihrem Gewerbe in einem Wohnhaus in der Eurener Straße nach: 99 Frauen bieten auf der Internetseite "Trierladies" sexuelle Dienstleistungen an. Und zwar nicht nur in den stadtbekannten Clubs und Bordellen. Ganz viel käuflichen Sex gibt es in Trier offenbar auch in ganz normalen Wohnhäusern.
Stadtverwaltung muss zustimmen
Wird ein Wohnhaus für dieses Gewerbe umgenutzt, muss das von der Stadtverwaltung grundsätzlich gestattet werden. Aber nicht alle Vermieter und Hauseigentümer reichen Anträge auf eine solche Umnutzung beim Rathaus ein. Auch der Besitzer des Hauses Nummer 26 in der Eurener Straße nicht. Dieser hat seine Immobilie an eine Frau verpachtet, die die einzelnen Zimmer wiederum bereits seit mehreren Jahren an wechselnde Prostituierte weitervermietet. Von außen sieht man dem Haus sein reges Innenleben nicht an: Im Hofeingang stehen gepflegte Koniferen, vor der Haustür hohe Blumenkübel mit blühenden Pflanzen. An den vielen Türklingeln steht allerdings nicht Müller oder Meier. Sondern "Asia-Team" und etliche mit rotem Filzstift geschriebene Vornamen. Sopa, Jasmin, Carla, Didy.
2011 bekam die Stadtverwaltung von der Sache Wind - und untersagte die Nutzung des Wohnhauses als Bordell. Hauseigentümer und Vermieterin legten Widerspruch ein, die Stadt blieb bei ihrer Ablehnung. Im Januar 2013 haben Eigentümer und Vermieterin schließlich beim Trierer Verwaltungsgericht Klage eingereicht, um den Weiterbetrieb zu sichern.
Am Mittwoch besichtigte das Gericht zusammen mit Rechtsanwalt Alfred Bores, der den Hauseigentümer und die Vermieterin vertritt, und Mitarbeitern des städtischen Rechts- und Bauaufsichtsamts das Haus und dessen Umfeld. Dabei ging es um die Frage, ob die Eurener Straße in diesem Abschnitt eher ein Wohn-, ein Gewerbe- oder ein Mischgebiet ist. Denn in Wohngebieten sind Bordelle verboten, in Gewerbe- oder Mischgebieten in Abhängigkeit von der jeweiligen Umgebung grundsätzlich erlaubt.
Lärm durch Discobesucher
Richter Reinhard Dierkes zählte bei dem Ortstermin die etlichen Geschäfte, Handwerksbetriebe, Imbisse, Kneipen, Friseure, die leerstehende Kaserne und das große RWE-Gelände in der Nachbarschaft des besagten Hauses auf. "Die Gebäude im Erdgeschoss werden überwiegend gewerblich genutzt, die oberen Geschosse fürs Wohnen", stellte Richter Dierkes fest. Rechtsanwalt Bores argumentierte, dass durch die nahe Großraumdiskothek A 1 sich viele Imbisse in der Straße angesiedelt hätten. "Von Donnerstagnacht bis Samstagnacht ist hier die Hölle los, wenn die Discobesucher die Imbisse und Gaststätten besuchen. Der durch das Gewerbe im Haus meines Mandanten verursachte Mehrbetrieb auf der Straße fällt da für die Lebensqualität der Anwohner nicht ins Gewicht", sagte Bores.
Außerdem gäbe es nur wenige Meter weiter in der Eurener Straße und auch in der Bollwerk-, der Aachener-, der Paulin- und der Luxemburgerstraße ebenfalls bordellartige Betriebe in Wohnhäusern, gegen die die Stadt nicht vorgehe. "Nach dem Gleichheitsgrundsatz kann die Stadt daher nicht nur für dieses Haus die Umnutzung untersagen", sagte Bores.
Franz-Josef Conermann vom städtischen Rechtsamt räumte zwar ein, dass die Stadtverwaltung tatsächlich noch keine weiteren Nutzungsuntersagungen für die genannten Betriebe ausgesprochen habe, man allerdings "an der Sache dran" sei. "Falls die Betriebe tatsächlich bestehen und die Fälle vergleichbar sind, werden wir auch gegen diese vorgehen", sagte Conermann.
Ein Urteil ist beim Ortstermin nicht gefallen. Nach seiner Beratung will das Gericht binnen der nächsten zwei Wochen Kläger und Stadt schriftlich über seine Entscheidung informieren.
www.volksfreund.de/nachrichten/region/t ... 54,3507237
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RE: Bau(planungs)recht als Mittel der Prostitutionskontrolle
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.04.2013
- 3 S 2404/12 -
Bordellkonzept Freiburg: Verbot eines bordellartigen Betriebs in Wohnungen rechtmäßig
Nutzung als Terminwohnungen zur Ausübung der Prostitution widerspricht Änderung des Bebauungsplans
Das von der Stadt Freiburg gegenüber einem Wohnungseigentümer verfügte Verbot, Wohnungen im Stadtteil Landwasser als bordellartigen Betrieb zu nutzen, bleibt bestehen. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschieden.
Dem vorzuliegenden Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Das Wohn- und Geschäftshaus des Klägers war 1990 als Zweiradwerkstatt mit Verkaufs-, Ausstellungs- und Lagerräumen, Büro sowie zwei Wohnungen für Betriebsinhaber und Betriebsleiter genehmigt worden. Es liegt im Gewerbegebiet des Bebauungsplans "Landwasser-Mitte II" der Stadt Freiburg. Mit einer Änderung des Bebauungsplans wurden 1992 Vergnügungsstätten ausgeschlossen. 2005 wurde dieser Ausschluss mit einer zweiten Änderung umfassend auf - im Einzelnen aufgeführte - "sexbezogene" Nutzungen ausgedehnt. Hintergrund waren Beschlüsse des Gemeinderats, die Prostitutionsnutzung konzeptionell zu steuern und im Stadtgebiet nur an drei Standorten bordellartige Betriebe zuzulassen (Bordellkonzept). Aufgrund eines anonymen Hinweises untersagte die Stadt im Januar 2011 dem Kläger die ohne Baugenehmigung aufgenommene Nutzung von Wohnungen als bordellartiger Betrieb und zur Ausübung der Prostitution und verpflichtete ihn, den Mietvertrag für "erotische Zwecke (Bordell/Escort/Terminwohnungen)" zu kündigen. Seine dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Freiburg ab. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung blieb erfolglos.
Keine Zweifel an Erforderlichkeit des Änderungsbebauungsplans
Die Einwendungen des Klägers begründeten keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Die Untersagungsverfügung der Stadt sei rechtmäßig, weil die Nutzung als Terminwohnungen zur Ausübung der Prostitution der 2. Änderung des Bebauungsplans "Landwasser-Mitte II" widerspreche. Der umfassende Ausschluss "sexbezogener" Nutzungen sei rechtswirksam. An der Erforderlichkeit des Änderungsbebauungsplans bestünden keine Zweifel, insbesondere sei er keine unzulässige reine Verhinderungsplanung. Die Änderung des Bebauungsplans diene nicht nur der Umsetzung der vom Gemeinderat beschlossenen städtebaulichen Steuerung von Bordellen. Da sich im Gewerbegebiet kleinere Handwerks-, Handels- und Dienstleistungsbetriebe angesiedelt hätten, solle der Ausschluss "sexbezogener" Nutzungen auch den damit verbundenen städte-baulichen Missständen und Auswirkungen - wie z.B. Wegzug ansässiger Gewerbebetriebe, Belästigungen von Nachbarn, Milieuveränderungen - entgegenwirken. Die Baunutzungsverordnung ermächtige die Gemeinde, bestimmte Arten der in einem Baugebiet grundsätzlich zulässigen Nutzungen aus besonderen städtebaulichen Gründen auszuschließen. Die angeführten negativen Auswirkungen seien solche Gründe. Die 2. Änderung des Bebauungsplans sei auch nicht abwägungsfehlerhaft. Dies gelte insbesondere bezüglich der Gleichstellung aller sexuell-orientierten Nutzungsarten.
Kläger unterläuft Planungsschutz durch ungenehmigte Nutzungsaufnahme
Der Untersagung stehe auch nicht ein Vertrauensschutz des Klägers entgegen. Die von ihm vor der 2. Änderung des Bebauungsplans aufgenommene Nutzung sei zwar unter der Geltung der 1. Änderung zulässig gewesen. Gleichwohl könne er sich nicht darauf berufen, diese Nutzung nach Inkrafttreten der 2. Änderung fortsetzen zu dürfen. Denn er habe sie ohne erforderliche Baugenehmigung aufgenommen. Hätte er eine Baugenehmigung beantragt, hätte die Stadt Freiburg wegen des bereits begonnenen zweiten Änderungsverfahrens den Bauantrag zurückstellen und damit verhindern können, dass ihre Planungsabsichten durch „vollendete Tatsachen“ durchkreuzt würden. Diesen Planungsschutz habe der Kläger durch die ungenehmigte Nutzungsaufnahme unterlaufen.
Kein Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung
Die Stadt Freiburg habe auch ihr Ermessen rechtmäßig ausgeübt. Ein Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor. Die Stadt habe nachvollziehbar dargelegt, dass sie ihr Handlungskonzept im Zuge einer neuen Bordellkonzeption fortentwickelt habe und nunmehr gegen seit längerer Zeit baurechtswidrig genutzte Terminwohnungen sowie gegen neue Etablissements vorgehe. Der Senat sehe auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Stadt ihr Konzept nicht konsequent verfolge. Sie habe in den vergangenen 18 Monaten gegen 15 bordellartige Betriebe Nutzungsuntersagungen verfügt. Es sei nicht zu beanstanden, dass dabei zunächst gegen neue Einrichtungen sowie gegen Einrichtungen mit einer größeren Anzahl von "Arbeitsplätzen" vorgegangen werde.
http://www.kostenlose-urteile.de/VGH-Ba ... s15805.htm
- 3 S 2404/12 -
Bordellkonzept Freiburg: Verbot eines bordellartigen Betriebs in Wohnungen rechtmäßig
Nutzung als Terminwohnungen zur Ausübung der Prostitution widerspricht Änderung des Bebauungsplans
Das von der Stadt Freiburg gegenüber einem Wohnungseigentümer verfügte Verbot, Wohnungen im Stadtteil Landwasser als bordellartigen Betrieb zu nutzen, bleibt bestehen. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschieden.
Dem vorzuliegenden Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Das Wohn- und Geschäftshaus des Klägers war 1990 als Zweiradwerkstatt mit Verkaufs-, Ausstellungs- und Lagerräumen, Büro sowie zwei Wohnungen für Betriebsinhaber und Betriebsleiter genehmigt worden. Es liegt im Gewerbegebiet des Bebauungsplans "Landwasser-Mitte II" der Stadt Freiburg. Mit einer Änderung des Bebauungsplans wurden 1992 Vergnügungsstätten ausgeschlossen. 2005 wurde dieser Ausschluss mit einer zweiten Änderung umfassend auf - im Einzelnen aufgeführte - "sexbezogene" Nutzungen ausgedehnt. Hintergrund waren Beschlüsse des Gemeinderats, die Prostitutionsnutzung konzeptionell zu steuern und im Stadtgebiet nur an drei Standorten bordellartige Betriebe zuzulassen (Bordellkonzept). Aufgrund eines anonymen Hinweises untersagte die Stadt im Januar 2011 dem Kläger die ohne Baugenehmigung aufgenommene Nutzung von Wohnungen als bordellartiger Betrieb und zur Ausübung der Prostitution und verpflichtete ihn, den Mietvertrag für "erotische Zwecke (Bordell/Escort/Terminwohnungen)" zu kündigen. Seine dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Freiburg ab. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung blieb erfolglos.
Keine Zweifel an Erforderlichkeit des Änderungsbebauungsplans
Die Einwendungen des Klägers begründeten keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Die Untersagungsverfügung der Stadt sei rechtmäßig, weil die Nutzung als Terminwohnungen zur Ausübung der Prostitution der 2. Änderung des Bebauungsplans "Landwasser-Mitte II" widerspreche. Der umfassende Ausschluss "sexbezogener" Nutzungen sei rechtswirksam. An der Erforderlichkeit des Änderungsbebauungsplans bestünden keine Zweifel, insbesondere sei er keine unzulässige reine Verhinderungsplanung. Die Änderung des Bebauungsplans diene nicht nur der Umsetzung der vom Gemeinderat beschlossenen städtebaulichen Steuerung von Bordellen. Da sich im Gewerbegebiet kleinere Handwerks-, Handels- und Dienstleistungsbetriebe angesiedelt hätten, solle der Ausschluss "sexbezogener" Nutzungen auch den damit verbundenen städte-baulichen Missständen und Auswirkungen - wie z.B. Wegzug ansässiger Gewerbebetriebe, Belästigungen von Nachbarn, Milieuveränderungen - entgegenwirken. Die Baunutzungsverordnung ermächtige die Gemeinde, bestimmte Arten der in einem Baugebiet grundsätzlich zulässigen Nutzungen aus besonderen städtebaulichen Gründen auszuschließen. Die angeführten negativen Auswirkungen seien solche Gründe. Die 2. Änderung des Bebauungsplans sei auch nicht abwägungsfehlerhaft. Dies gelte insbesondere bezüglich der Gleichstellung aller sexuell-orientierten Nutzungsarten.
Kläger unterläuft Planungsschutz durch ungenehmigte Nutzungsaufnahme
Der Untersagung stehe auch nicht ein Vertrauensschutz des Klägers entgegen. Die von ihm vor der 2. Änderung des Bebauungsplans aufgenommene Nutzung sei zwar unter der Geltung der 1. Änderung zulässig gewesen. Gleichwohl könne er sich nicht darauf berufen, diese Nutzung nach Inkrafttreten der 2. Änderung fortsetzen zu dürfen. Denn er habe sie ohne erforderliche Baugenehmigung aufgenommen. Hätte er eine Baugenehmigung beantragt, hätte die Stadt Freiburg wegen des bereits begonnenen zweiten Änderungsverfahrens den Bauantrag zurückstellen und damit verhindern können, dass ihre Planungsabsichten durch „vollendete Tatsachen“ durchkreuzt würden. Diesen Planungsschutz habe der Kläger durch die ungenehmigte Nutzungsaufnahme unterlaufen.
Kein Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung
Die Stadt Freiburg habe auch ihr Ermessen rechtmäßig ausgeübt. Ein Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor. Die Stadt habe nachvollziehbar dargelegt, dass sie ihr Handlungskonzept im Zuge einer neuen Bordellkonzeption fortentwickelt habe und nunmehr gegen seit längerer Zeit baurechtswidrig genutzte Terminwohnungen sowie gegen neue Etablissements vorgehe. Der Senat sehe auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Stadt ihr Konzept nicht konsequent verfolge. Sie habe in den vergangenen 18 Monaten gegen 15 bordellartige Betriebe Nutzungsuntersagungen verfügt. Es sei nicht zu beanstanden, dass dabei zunächst gegen neue Einrichtungen sowie gegen Einrichtungen mit einer größeren Anzahl von "Arbeitsplätzen" vorgegangen werde.
http://www.kostenlose-urteile.de/VGH-Ba ... s15805.htm
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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RE: Bau(planungs)recht als Mittel der Prostitutionskontrolle
Also ehrlich gesagt, mit dieser Begründung, die ich ohnehin für sehr fragwürdig halte, liegt aber ein deutlicher Widerspruch zu der Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 5. März 2012 vor.
Hier noch mal der Link zu der Entscheidung:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_re ... s=1&anz=36
Der amtliche Leitsatz der Entscheidung vom 5. März 2012 lautete:
Nach der aktuellen Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 24. April 2013 können jetzt aber im Wege der Planänderung unter Anwendung einer Begrifflichkeit die so in der Baunutzungsverordnung gar nicht vorkommt Bordelle generell auch aus Gewerbegebieten zum Schutz des übrigen Gewerbes verbannt werden! Das halte ich für evident rechtswidrig und zeigt einmal mehr, daß es hier dringend einer gesetzgeberischen Klarstellung in der Baunutzungsverordnung bedarf.
Kasharius grüßt
Hier noch mal der Link zu der Entscheidung:
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_re ... s=1&anz=36
Der amtliche Leitsatz der Entscheidung vom 5. März 2012 lautete:
Ein Bordell ist auch nach der BauNVO 1990 den in einem Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässigen "Gewerbebetrieben aller Art" und nicht den nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO nur ausnahmsweise zulässigen "Vergnügungsstätten" zuzuordnen.
Nach der aktuellen Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 24. April 2013 können jetzt aber im Wege der Planänderung unter Anwendung einer Begrifflichkeit die so in der Baunutzungsverordnung gar nicht vorkommt Bordelle generell auch aus Gewerbegebieten zum Schutz des übrigen Gewerbes verbannt werden! Das halte ich für evident rechtswidrig und zeigt einmal mehr, daß es hier dringend einer gesetzgeberischen Klarstellung in der Baunutzungsverordnung bedarf.
Kasharius grüßt

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RE: Bau(planungs)recht als Mittel der Prostitutionskontrolle
Ich erinnere mich sehr gut, an die Wörter des Strafrecht Richterin, letztes November in Frankfurt über Verwaltungsrecht und ich kenne viele Justiz Systeme. Die Amerikanische, die Kanadische und auch die Britische....aber ich bin hellhörig geworden...scheinbar gibt es hier in Deutschland, nichts willkürlicher als das Verwaltungsrecht. Verwaltungsrecht ist das Recht der Exekutive, der Staatsverwaltung. Das Recht kann jeder Stadt so auslegen wie es will. Hier jetzt Bordelle: Nee wir ändern das und machen ein neuen Baunutzungsverordnung, wer das wissen will muss täglich in Rathaus nachfragen, oder hat einfach Pech.
Langsam sehe ich das ProstG als das was es war, ein Kompromisse zwischen zwei Parteien die ins Abgrund blickten. Es hat niemals das Deutsche Rechtsystem umwandeln können. Ich bin aber zufrieden mit dem, was in die Gesellschaft unbemerkt passiert ist. Wenn man bedenkt wie lange es andere Minderheiten verboten war, überhaupt Sex zu haben...sind wir auf ein guten Weg. Rome was not built in a day...und wir werden weiter für unsere Rechte kämpfen müssen.
Die Gesellschaft zu ändern, ist wirklich Vorschritt. Hier in Deutschland haben wir das mit unsere ProstG getan. Ist nicht Perfekt aber ein Schritt in die Zukünft. Deutschland traut sich wenigstens mit dabei zu sein und die ganze Welt schaut auch zu.
Langsam sehe ich das ProstG als das was es war, ein Kompromisse zwischen zwei Parteien die ins Abgrund blickten. Es hat niemals das Deutsche Rechtsystem umwandeln können. Ich bin aber zufrieden mit dem, was in die Gesellschaft unbemerkt passiert ist. Wenn man bedenkt wie lange es andere Minderheiten verboten war, überhaupt Sex zu haben...sind wir auf ein guten Weg. Rome was not built in a day...und wir werden weiter für unsere Rechte kämpfen müssen.
Die Gesellschaft zu ändern, ist wirklich Vorschritt. Hier in Deutschland haben wir das mit unsere ProstG getan. Ist nicht Perfekt aber ein Schritt in die Zukünft. Deutschland traut sich wenigstens mit dabei zu sein und die ganze Welt schaut auch zu.
Prostitution policy is plagued by bad numbers. Bad numbers and wild estimates. If there are millions of trafficking victims who counted them and where are they?
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RE: Bau(planungs)recht als Mittel der Prostitutionskontrolle
Stuttgart / Esslingen: Kein Domina-Bordell im Gewerbegebiet
Stuttgart / Esslingen: Kein Domina-Bordell im Gewerbegebiet - Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit nun bekanntgegeben Urteil vom 20 September 2011 die Klage einer Betreiberin eines Domina-Studios gegen eine Nutzungsuntersagungsverfügung der Baurechtsbehörde der Stadt Esslingen vom Januar 2009 abgewiesen.
Zur Begründung führte die 2. Kammer im Wesentlichen aus:
Die nicht genehmigte Nutzung des von der Klägerin gemieteten Wohngebäudes als Domina-Studio sei bauplanungsrechtlich unzulässig.
Der für das Gebiet geltende Bebauungsplan schließe Vergnügungsstätten sowie Gewerbebetriebe, die der gewerblichen Unzucht - wie der der Klägerin - dienten, aus.
Dieser Ausschluss sei wirksam, denn hierfür lägen besondere städtebauliche Gründe vor.
Der Ausschluss durch die Stadt Esslingen sei nicht aus einer sittlichen Bewertung dieser Betriebe erfolgt, sondern wegen des städtebaulichen Konfliktpotenzials in dem traditionell handwerklich geprägten Gewerbegebiet und zur Vermeidung eines „Trading-down-Effekts".
Bei dem Ausschluss von der gewerblichen Unzucht dienenden Gewerbebetrieben handle es sich auch nicht um eine unzulässige Negativplanung. Es sei der ausdrücklicher Wille des Gemeinderats der Stadt gewesen, derartige Nutzungen auszuschließen, um u.a. eine unerwünschte Strukturveränderung des konkreten Gewerbegebietes zu verhindern.
Die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans scheitere daran, dass die von der Klägerin beanspruchte Abweichung dem planerischen Grundkonzept der Stadt zuwider laufe.
Soweit sich die Klägerin auf ein in der Nähe befindliches Bordell berufe, könne sie hieraus keine Rechte herleiten, weil für dieses Bordell eine bestandskräftige Nutzungsuntersagungsverfügung vorliege und es derzeit nur geduldet werde.
Das Bordell befinde sich außerdem in einem anderen Plangebiet, in welchem derzeit ein neuer Bebauungsplan aufgestellt werde, der eine mögliche Legalisierung vorsehe.
Auch der Hinweis der Klägerin, dass die Ausübung der Prostitution nach Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes nicht mehr als sittenwidrig gelte, rechtfertige keine andere rechtliche Beurteilung. Die im Prostitutionsgesetz getroffenen zivil- und strafrechtlichen Bestimmungen hätten keinen maßgebenden Einfluss auf das öffentliche Baurecht. Das öffentliche Baurecht sei sozialethisch neutral.
Besonders schutzwürdige Interessen der Klägerin seien nicht zu berücksichtigen gewesen. Sie habe den Betrieb ohne die erforderliche baurechtliche Genehmigung aufgenommen. Sie habe sich vor Abschluss des Mietvertrages und der von ihr vorgenommenen Umbaumaßnahmen nicht bei der Baurechtsbehörde erkundigt, ob die Nutzung in diesem Gebiet zulässig sei. Die getätigten finanziellen Aufwendungen für den Umbau des Wohngebäudes habe sie auf eigenes Risiko vorgenommen.
Dass die Nutzung des Wohngebäudes als Domina-Studio von der Nachbarschaft nicht beanstandet werde, ändere an der Rechtwidrigkeit der Nutzung nichts.
Die Klägerin könne auch nicht verlangen, dass der für ihr Grundstück maßgebliche Bebauungsplan geändert werde.
Denn der Bürger habe keinen Anspruch auf Aufstellung eines Bebauungsplans. Es liege im Übrigen auch im grundsätzlich weiten planerischen Ermessen der Stadt, ob und in welchem Umfang und mit welchem Inhalt eine Bebauungsplanung betrieben werde.
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Verwal-tungsgerichtshof Baden-Württemberg zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu stellen.
www.stuttgart-journal.de/tp2/pool/news/ ... rbegebiet/
Stuttgart / Esslingen: Kein Domina-Bordell im Gewerbegebiet - Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit nun bekanntgegeben Urteil vom 20 September 2011 die Klage einer Betreiberin eines Domina-Studios gegen eine Nutzungsuntersagungsverfügung der Baurechtsbehörde der Stadt Esslingen vom Januar 2009 abgewiesen.
Zur Begründung führte die 2. Kammer im Wesentlichen aus:
Die nicht genehmigte Nutzung des von der Klägerin gemieteten Wohngebäudes als Domina-Studio sei bauplanungsrechtlich unzulässig.
Der für das Gebiet geltende Bebauungsplan schließe Vergnügungsstätten sowie Gewerbebetriebe, die der gewerblichen Unzucht - wie der der Klägerin - dienten, aus.
Dieser Ausschluss sei wirksam, denn hierfür lägen besondere städtebauliche Gründe vor.
Der Ausschluss durch die Stadt Esslingen sei nicht aus einer sittlichen Bewertung dieser Betriebe erfolgt, sondern wegen des städtebaulichen Konfliktpotenzials in dem traditionell handwerklich geprägten Gewerbegebiet und zur Vermeidung eines „Trading-down-Effekts".
Bei dem Ausschluss von der gewerblichen Unzucht dienenden Gewerbebetrieben handle es sich auch nicht um eine unzulässige Negativplanung. Es sei der ausdrücklicher Wille des Gemeinderats der Stadt gewesen, derartige Nutzungen auszuschließen, um u.a. eine unerwünschte Strukturveränderung des konkreten Gewerbegebietes zu verhindern.
Die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans scheitere daran, dass die von der Klägerin beanspruchte Abweichung dem planerischen Grundkonzept der Stadt zuwider laufe.
Soweit sich die Klägerin auf ein in der Nähe befindliches Bordell berufe, könne sie hieraus keine Rechte herleiten, weil für dieses Bordell eine bestandskräftige Nutzungsuntersagungsverfügung vorliege und es derzeit nur geduldet werde.
Das Bordell befinde sich außerdem in einem anderen Plangebiet, in welchem derzeit ein neuer Bebauungsplan aufgestellt werde, der eine mögliche Legalisierung vorsehe.
Auch der Hinweis der Klägerin, dass die Ausübung der Prostitution nach Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes nicht mehr als sittenwidrig gelte, rechtfertige keine andere rechtliche Beurteilung. Die im Prostitutionsgesetz getroffenen zivil- und strafrechtlichen Bestimmungen hätten keinen maßgebenden Einfluss auf das öffentliche Baurecht. Das öffentliche Baurecht sei sozialethisch neutral.
Besonders schutzwürdige Interessen der Klägerin seien nicht zu berücksichtigen gewesen. Sie habe den Betrieb ohne die erforderliche baurechtliche Genehmigung aufgenommen. Sie habe sich vor Abschluss des Mietvertrages und der von ihr vorgenommenen Umbaumaßnahmen nicht bei der Baurechtsbehörde erkundigt, ob die Nutzung in diesem Gebiet zulässig sei. Die getätigten finanziellen Aufwendungen für den Umbau des Wohngebäudes habe sie auf eigenes Risiko vorgenommen.
Dass die Nutzung des Wohngebäudes als Domina-Studio von der Nachbarschaft nicht beanstandet werde, ändere an der Rechtwidrigkeit der Nutzung nichts.
Die Klägerin könne auch nicht verlangen, dass der für ihr Grundstück maßgebliche Bebauungsplan geändert werde.
Denn der Bürger habe keinen Anspruch auf Aufstellung eines Bebauungsplans. Es liege im Übrigen auch im grundsätzlich weiten planerischen Ermessen der Stadt, ob und in welchem Umfang und mit welchem Inhalt eine Bebauungsplanung betrieben werde.
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Verwal-tungsgerichtshof Baden-Württemberg zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu stellen.
www.stuttgart-journal.de/tp2/pool/news/ ... rbegebiet/
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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