Sexarbeit und EU-Recht

Wo melde ich meinen Beruf an, mit welcher Steuerlast muss ich rechnen, womit ist zu rechnen, wenn ich die Anmeldung verabsäume, ... Fragen über Fragen. Hier sollen sie Antworten finden.
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Kasharius
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Sexarbeit und EU-Recht

Beitrag von Kasharius »

Hier mal der Link zur EU_Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels:

http://db.eurocrim.org/db/de/doc/1514.pdf

Gewerberechtliche Umsetzungsvorgaben enthält die Richtlinie nicht. Die Regelungen in der Richtlinie zur (unentgeltlichen) Beratung der Opfer und zur Prävention tauchen im bundesdeutschen Regierungsentwurf nicht auf.

Und im Gegensatz dazu das Freizügigkeitsgesetz/EU, auf das sich beispielsweise ja auch Sexarbeiterinnen aus Rumänien und Bulgarien stützen können. Es stellt sich die Frage, inwieweit der Entwurf der Bundesregierung in bezug auf die gewerberechtlichen Regelungen, zumindest mittelbar deren Interessen nach dem Freizügigkeitsgesetz europarechtswidrig tangiert.

Hier der Link zum Freizügigkeitsgesetz

http://www.gesetze-im-internet.de/freiz ... 00004.html

Kasharius grüßt :006

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Beitrag von ehemaliger User »

Weiss nicht, Prostitution ist in beiden Ländern illegal. Ich denke eher nicht, dass das Freizügigkeitsgesetz oder korrespondierende europäische Regelungen bestimmen, dass im Herkunftsland illegale Tätigkeiten in einem Zielland zwingend zugelassen werden müssen.

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La Marfa
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Beitrag von La Marfa »

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"ehemaliger User" hat geschrieben:Weiss nicht, Prostitution ist in beiden Ländern illegal. Ich denke eher nicht, dass das Freizügigkeitsgesetz oder korrespondierende europäische Regelungen bestimmen, dass im Herkunftsland illegale Tätigkeiten in einem Zielland zwingend zugelassen werden müssen.
Wie meinst du das? Das das Herkunftsland seinen Bürgern und Bürgerinnen die Ausübung Prostitution auch in einem anderen Land verbieten könnte, in dem sie sich ansiedeln, auch wenn in der neuen Heimat die Prostitution erlaubt ist?

Ich denke, das hängt davon ab, wie absolut das Herkunftsland seine Rechtsauffassung als bindend für seine Staatsangehörige betrachtet, ungeachtet deren Aufenthaltsort und Lebensmittelpunkt.

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

Doch, doch! Das geht sehr wohl. Einige Landessozialgerichte haben entschieden, daß in D. tätige SW aus diewen Ländern sich sehr wohl auf das Freizügigkeitsgesetz/EU stützen können. Es kommt ja auch nicht auf den Herkunfts- sondern den Ausübungsstaat an...


Kasharius grüßt kollegial und herzlich :001

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Beitrag von Kasharius »

@La Marfa

Eben drum! :002

Kasharius grüßt auch Dich

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Beitrag von ehemaliger User »

Nicht das Herkunftsland kann die Ausübung einer im Herkunftsland illegalen Tätigkeit im Zielland verbieten, klar. Allein schon weil das hoheitlich nicht geht.

Die Frage ist, ob eine Person, welche einer im Herkunftsland illegalen Tätigkeit nachgeht, sich in einem Zielland auf die Freizügigkeit berufen kann, bloss weil diese Tätigkeit in Zielland nicht illegal ist. Andere Gründe hierfür als die Freizügigkeit kann ich mir sehr gut vorstellen, eben selbige jedoch eher nicht.

Kasharius, hast Du da einmal eine Zitatstelle für eine Entscheidung, wo eine Arbeitserlaubnis im P6 in D für eine Person aus einem Land mit P6 Verbot (ausschließlich?) unter dem Gesichtspunkt der Freizügigkeit erteilt wurde? Für RO und BG gilt m.E. die volle Freizügigkeit ohnehin erst ab Ende des Jahres, wenn ich mich nicht täusche.

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Beitrag von fraences »

Gab es nicht ein Urteil , wo zwei osteuropäische SexworkerInnen geklagt haben, das Prostitution als selbständige Dienstleistung anerkannt wurde?
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Beitrag von fraences »

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Beitrag von La Marfa »

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"ehemaliger User" hat geschrieben:Nicht das Herkunftsland kann die Ausübung einer im Herkunftsland illegalen Tätigkeit im Zielland verbieten, klar. Allein schon weil das hoheitlich nicht geht.
Na ja, so ganz stimmt das nicht. DE z.B. erwartet von allen seinen Bürgern egal wo diese sich aufhlten, stets immerhalb der deutschen Gesetze zu agieren. Im Zweifelsfall bekommt man das bei Zuwiderhandlung dann zu spüren, wenn man wieder nach Deutschland einreist.

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"ehemaliger User" hat geschrieben:Die Frage ist, ob eine Person, welche einer im Herkunftsland illegalen Tätigkeit nachgeht, sich in einem Zielland auf die Freizügigkeit berufen kann, bloss weil diese Tätigkeit in Zielland nicht illegal ist. Andere Gründe hierfür als die Freizügigkeit kann ich mir sehr gut vorstellen, eben selbige jedoch eher nicht.
Warum sollte eine Person, deren Land dem Verbund der Länder angehört, die die Freizügigkeit gewähren, sich auf diese berufen? Dazu gibt es doch gar keinen Grund. Sie zieht einfach.

Ob sie allerdings jemals in ihre Heimat zurück kann, ohne sich rechtlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sehen, wenn sie im fremden Land legale Handlungen begangen hat, die in ihrem Heimatland illegal sind, das hängt dann davon ab, wie weit das Heimatland die Wirkung seiner Rechtsansichten ausgedehnt sehen möchte.

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Beitrag von ehemaliger User »

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Diese Entscheidung ging zum Bundesverwaltungsgericht, selbiger erließ eine Vorlageentscheidung zum EuGH, das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts wurde dadurch beendet, dass beide Seiten die Sache für erledigt erklärten. Der EuGH Fall C-444/01 wurde darauf offenbar ebenfalls ohne Entscheidung geschlossen. Auch zu einer "opinion" ist es offenbar nicht gekommen. Im Ergebnis sind die aufgeworfenen Rechtsfragen nach wie vor ungeklärt und teilweise auch irrelevant geworden, weil nach (chronologisch) der Entscheidung die Sittenwidrigkeit nach deutschem Recht entfallen ist.

Klar zu unterscheiden ist ansonsten m.E. auch die Freizugigkeit in Bezug auf Aufenthalt einerseits und Dienstleistungsfreizügigkeit andererseits. In dem zitierten Fall ging es wohl primär um den Aufenthalt einer Niederländerin, welche einen Ausweisungsbeschluss angefochten hat.

Die Dienstleistungsfreizügigkeit hat im Übrigen in einigen Handwerken für kuriose Ergebnisse geführt, nämlich dass ein Handwerker aus dem EU-Ausland in Deutschland Tätigkeiten ausführen darf/durfte, welche Deutschen mit vergleichbarem Status (z.B. Ausbildung) in Deutschland verboten sind/waren. Von einer rechtlichen "Klarheit" ist das Ganze m.E. noch weit entfernt. Denn nähme man nur die relevante Bestimmung des Maastricht Vertrages (Art 52, konsolidierte Fassung), dann ginge es allein nach dem Recht des Landes, wo die Tätigkeit entfaltet wird. Offenbar sieht aber die Rechtsprechung das (mitunter) anders, und zwar je nach Beruf mal so mal so ... .

Die Frage, welche ich ansprach, betrifft (ausschließlich) die Dienstleistungsfreizügigkeit und hier zudem sozusagen den umgekehrten Fall, wie bei der Niederländerin der vorstehenden Entscheidung. Nämlich, dass die Tätigkeit im Heimatland illegal und hier im Zielland nicht illegal ist. Da bin ich mir halt ziemlich unklar. Beim Aufenthaltsrecht habe ich eher keine Bedenken bezüglich der Freizügigkeit.



P.S.: Wir könnten ja auch einmal den zur obigen Entscheidung analogen Fall diskutieren. Nämlich ob eine deutsche Prostitutierte in Bulgarien tätig sein kann/darf - trotz dortigem Verbot nach nationalem Recht - weil sie sich nämlich auf die Dienstleistungsfreizügigkeit berufen könne.

Das wäre insofern interessant, weil es eine gewisse Analogie zu einigen Handwerksbereichen geben könnte. Und in letzter Konsequenz zur EU-weiten Abschaffung von Prostitutionsverboten führen könnte/müßte, sofern Prostitution in wenigstens einem EU Land legal ist?

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RE: Sexarbeit und EU-Recht

Beitrag von La Marfa »

Hängt das nicht entscheidend sowohl davon ab, ob des EU-Recht über dem Recht des einzelnen Staats steht, als auch wie intensiv das Schutzbedürfnis resp. die Rechtsverletzung des Staatsrechts im Einzelfall ist?

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Jupiter
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Beitrag von Jupiter »

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"ehemaliger User" hat geschrieben: Die Frage, welche ich ansprach, betrifft (ausschließlich) die Dienstleistungsfreizügigkeit und hier zudem sozusagen den umgekehrten Fall, wie bei der Niederländerin der vorstehenden Entscheidung. Nämlich, dass die Tätigkeit im Heimatland illegal und hier im Zielland nicht illegal ist. Da bin ich mir halt ziemlich unklar. Beim Aufenthaltsrecht habe ich eher keine Bedenken bezüglich der Freizügigkeit.



P.S.: Wir könnten ja auch einmal den zur obigen Entscheidung analogen Fall diskutieren. Nämlich ob eine deutsche Prostitutierte in Bulgarien tätig sein kann/darf - trotz dortigem Verbot nach nationalem Recht - weil sie sich nämlich auf die Dienstleistungsfreizügigkeit berufen könne.

Das wäre insofern interessant, weil es eine gewisse Analogie zu einigen Handwerksbereichen geben könnte. Und in letzter Konsequenz zur EU-weiten Abschaffung von Prostitutionsverboten führen könnte/müßte, sofern Prostitution in wenigstens einem EU Land legal ist?
Was soll das bringen? Eine entsprechende akademische Diskussion halte ich nicht für zielführend, weil hierzu eben keine Rechtssicherheit besteht.

Gruß Jupiter
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RE: Sexarbeit und EU-Recht

Beitrag von La Marfa »

Willst du damit ausdrücken, dass nach deiner Meinung

entweder jegliche Diskussion um rechtsunsichere und auslegungsbedürftige Gesetze und Rechtslagn überflüssig ist,

oder dass Diskussion akademischer Art und Analyse überflüssig und deshalb statt dessen auf Grundlage von Meinungen und Gefühlen geführt werden sollen?

La Marfa

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Re: RE: Sexarbeit und EU-Recht

Beitrag von Jupiter »

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La Marfa hat geschrieben:Willst du damit ausdrücken, dass nach deiner Meinung

entweder jegliche Diskussion um rechtsunsichere und auslegungsbedürftige Gesetze und Rechtslagn überflüssig ist,

oder dass Diskussion akademischer Art und Analyse überflüssig und deshalb statt dessen auf Grundlage von Meinungen und Gefühlen geführt werden sollen?

La Marfa
Es genügt m.E. das Feststellen dieses Tatbestandes.
Eine Diskussion über eine inhaltliche Gesetzesänderung halte ich erst dann für sinnvoll, wenn per Lobbyvertretung Einfluss genommen werden kann.

Gruß Jupiter
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RE: Sexarbeit und EU-Recht

Beitrag von La Marfa »

DAS ist natürlich zielführend.

La Marfa

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Beitrag von ehemaliger User »

Es ist leider alles sehr komplex. So kann die Frage der Freizügigkeit durchaus auch zulässigerweise national ausser Kraft gesetzt werden, durch entsprechenden Antrag bei der Kommission. So geschehen in Spanien bezüglich rumänischer Arbeiter. Ist aber typischerweise zeitlich beschränkt und bedarf einer (für die Kommission) akzeptablen Begründung.

Wenn nun beispielsweise die Bundesregierung einen entsprechenden Antrag bezüglich EU-ausländischer Prostituierten stellt, beispielsweise mit der Begründung der Bekämpfung des Menschenhandels, Jupiter, dann wäre natürlich jegliche Erörterung von Art 52 Maastricht in der Tat "akademisch" ...

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RE: Sexarbeit und EU-Recht

Beitrag von Jupiter »

Danke "ehemaliger User",

wir alle wissen doch, wie vehement sich diese Bundesregierung, besonders mit diesem Innenminister und Unterstützung der CSU gegen Freizügigkeit wehrt.
Junge Fachkräfte aus Spanien werden natürlich gelockt, weil der BDI über den Fachkräftemangel klagt.

Gruß Jupiter
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