Rechtliche Fragen von einem Aussenstehenden

Wo melde ich meinen Beruf an, mit welcher Steuerlast muss ich rechnen, womit ist zu rechnen, wenn ich die Anmeldung verabsäume, ... Fragen über Fragen. Hier sollen sie Antworten finden.
nemo
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Rechtliche Fragen von einem Aussenstehenden

Beitrag von nemo »

Guten Tag
Ich bin auf der Suche nach Antworten durch Zufall auf dieses Forum gestoßen. Ich bin kein Sexworker sondern leitender Bankangestellter und ein interessierter Aussenstehender.

In den Medien hört man oft von Anklagen wegen Zuhälterei und grenzüberschreitender Prostitution. Nach den betreffenden § nach dürften meiner Meinung nach alle Betreiber von einschlägigen Lokalen illegal handeln. Man darf Personen der Prostitution nicht zuführen und sie auch nicht im Ausland abwerben auch wenn sie schon in diesem Bereich tätig sind. Gerade in Wien gibt es viele Frauen aus dem Osten, wie sind diese dann legal zu ihrer Arbeit in Österreich gekommen?

Gibt es überhaupt eine Möglichkeit legal Personal für Clubs und Escortagenturen zu bekommen, wenn ja welche?

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annainga
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Beitrag von annainga »

hallo @nemo

dir auch einen guten tag!

und herzlich willkommen im sexworker-forum.

wir freuen uns über deine interessanten fragen, die du stellst. leider kann ich sie dir nicht beantworten, da ich sexworkerin in deutschland bin.

aber wir haben ja auch österreichische damen und herren, die sich in diesem gebiet auskennen.

wir freuen uns auf deine vorstellung im vorstellungsbereich!

viewforum.php?f=29

liebe grüße von annainga

KonTom
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Beitrag von KonTom »

Hallo Nemo!

Es freut mich als Moderator, dich hier auf unserem Bord sexworker.at herzlich willkommen zu heißen.

Da Du ja so nett warst dich bereits vorzustellen, kann ich dir als Österreicher deine Fragen gerne beantworten.

Prinzipiell ist Prostitution in Österreich eine Sittenwiedrigkeit, und somit eine Verwaltungsübertretung.

Jedoch wird Prostitution in Österreich von den Behörden geduldet, sofern diese nicht in gesperrten Zonen (Schutzzonen) ausgeübt oder angebahnt wird.

Was Zuhälterei betrifft, so spricht das Gestz hier eine eindeutige Sprache:
§ 216 StGB Zuhälterei
(1) Wer mit dem Vorsatz, sich aus der Prostitution einer anderen Person eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, diese Person ausnützt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.
(2) Wer mit dem Vorsatz, sich aus der Prostitution einer anderen Person eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, diese Person ausbeutet, sie einschüchtert, ihr die Bedingungen der Ausübung der Prostitution vorschreibt oder mehrere solche Personen zugleich ausnützt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
(3) Wer die Tat (Abs. 1 und 2) als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ist auch zu bestrafen, wer durch Einschüchterung eine Person davon abhält, die Prostitution aufzugeben.

Was den Menschenhandel betrifft, lautet der Gestzestext:
§ 104a StGB Menschenhandel
(1) Wer eine minderjährige Person oder
eine volljährige Person unter Einsatz unlauterer Mittel (Abs. 2) gegen die Person
mit dem Vorsatz, dass sie sexuell, durch Organentnahme oder in ihrer Arbeitskraft ausgebeutet werde, anwirbt, beherbergt oder sonst aufnimmt, befördert oder einem anderen anbietet oder weitergibt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
(2) Unlautere Mittel sind die Täuschung über Tatsachen, die Ausnützung einer Autoritätsstellung, einer Zwangslage, einer Geisteskrankheit oder eines Zustands, der die Person wehrlos macht, die Einschüchterung und die Gewährung oder Annahme eines Vorteils für die Übergabe der Herrschaft über die Person.
(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ist zu bestrafen, wer die Tat unter Einsatz von Gewalt oder gefährlicher Drohung begeht.
(4) Wer die Tat gegen eine unmündige Person, im Rahmen einer kriminellen Vereinigung, unter Anwendung schwerer Gewalt oder so begeht, dass durch die Tat das Leben der Person vorsätzlich oder grob fahrlässig gefährdet wird oder die Tat einen besonders schweren Nachteil für die Person zur Folge hat, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.

Betreiber versuchen sich zur Zeit auf die verschiedensten mehr oder minder wirksamen Weisen zu schützen.
Man denke dabei an die vielen Frühstückspensionen, welche es zu diesem Zwecke in Wien gibt. :002

Für weitere Fragen stehe ich Dir gerne zur Verfügung.

mfg
KonTom

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Zwerg
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Re: Rechtliche Fragen von einem Aussenstehenden

Beitrag von Zwerg »

nemo hat geschrieben:Gibt es überhaupt eine Möglichkeit legal Personal für Clubs und Escortagenturen zu bekommen, wenn ja welche?
Hallo Nemo!

Vorerst einmal - willkommen im Sexworker Forum!

Nun zu Deiner Frage: Ich betone, dass ich kein Jurist bin (habe zwar Erfahrungen mit dem Strafgesetzbuch, aber absolut nicht mit den fraglichen Paragraphen). Deshalb sind meine nachfolgenden Gedanken nur eine rein subjektive gedankliche Auseinandersetzung mit dem Thema!

In Österreich besteht noch die "Sittenwidrigkeit" - durch diese herabstufende Sichtweise unserer Gesetzgebung ergibt sich eine Kettenreaktion welche verhindert, dass Sexarbeit zu dem wird, was sie sein sollte und hoffentlich in Bälde sein wird. Es ist weder möglich für (bereite!) Interessenvertretungen Verträge auszuhandeln oder auch (als Beispiel) Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Mit ein Grund für die derzeitige rechtliche Grauzone, welche hauptsächlich den SexarbeiterInnen zum Schaden gereicht.

Natürlich gibt es etliche (manchmal recht "windige") Workarounds, die geduldet werden. Aber trotzdem kann meines Erachtens (noch einmal betont: Ich bin kein Experte) fast keine dieser Konstruktionen einer genauen Überprüfung stand halten. Nicht, weil die Leute das wollen, sondern weil der Gesetzgeber bisher hier ein Vakuum aufrecht erhält, welches ein normales arbeiten (speziell im Angestelltenverhältnis "Club" oder "Escort"), nahzu ausschließt.

Escorts dürfen nur als Begleitung vermittelt werden (keine sexuellen Handlungen!). Clubs werden (wie Kontom schon richtig sagte) als Frühstückspensionen deklariert usw.!

Für mich ist dies mit ein Grund folgende Dinge zu fordern:

1. Aufhebung des Begriffes "Sittenwidrig"
2. Aufhebung bzw. strikte Änderung des Zuhälterparagraphen
3. Aufhebung des Verbotes der Wohnungsprostitution
4. Strikte Änderung des Menschenhandelparagraphen
und noch Einiges mehr....

Aber: Erst der Punkt 1 wird die anderen Punkte und somit eine Verbesserung der Situation aller SexarbeiterInnen ermöglichen. Also sollte genau dort unser Ansatzpunkt sein.

Wobei: Es tut sich was - hoffen wir und arbeiten wir mit, dass sich das Richtige tut!

Liebe Grüße aus fernen Landen


Christian

sixela
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Beitrag von sixela »

Also meines Wissens ist die Lage in Österreich so: die Tatsache, dass Prostitution von den Gerichten immer noch als "sittenwidrig" eingestuft wird (eine gesetzliche Bestimmung dazu gibt es nicht), heißt grundsätzlich nicht, dass sie automatisch als Verwaltungsübertretung behandelt wird, solange sich die SW registrieren. Näheres bestimmen die LANDES-Prostitutionsgesetze, soferne es solche gibt (Prostitution ist Ländersache...). Für wirklich selbstständige, behördlich registrierte Anbieterinnen besteht also keine Gefahr.

Für "Betreiber" scheint die Gesetzeslage wegen der überbordenden Zuhälterei- und "Prostitutionshandel"-Paragraphen im StGB (§ 215, 216 und vor allem 217, Abs 1, die DRINGEND geändert werden müssten) tatsächlich schwierig, da es mit der derzeitigen Formulierung immer so ausgelegt werden könnte, dass sie direkt von der Prostitution der grundsätzlich "selbstständig" arbeitenden Mädchen finanziell profitieren oder auch diese zur Prostitution gewissermaßen "anwerben", was vor allem gegenüber Ausländerinnen als schweres Delikt betrachtet wird oder werden kann. Deswegen schreiben viele Escort-Betreiber auf ihre Websites, dass sie nur "Begleitung" vermitteln, der Rest sei Sache der Beteiligten...

Nicht umsonst kündigte der Verteidiger von Ex-Goldentime-Chef Bogner während des Prozesses an, dass sofort alle Bars und Studios sofort geschlossen werden müssten, wenn sein Mandant wegen Zuhälterei verurteilt werden würde (sein "Einkommen" waren ja die Eintrittsgelder in die Sauna). Bogner wurde bekanntlich glücklicherweise freigesprochen, was für "Zimmervermieter" in Studios sicher auch eine gute Nachricht war. Aber hier haben wir wirklich eine Grauzone, wo es von Lust und Laune der Behörden abhängt, wann sie die berüchtigten zwei Paragraphen anwenden möchten und wann nicht.

Dahe schließe ich mich den Forderungen von Zwerg vollinhaltlich an! :001

P.S.: Sehe gerade, dass der 217er hier noch nicht zitiert wurde, der ist aber ein ganz entscheidender in bezug auf ausländische Prostituierte:
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§ 217 Grenzüberschreitender Prostitutionshandel
(1) Wer eine Person, mag sie auch bereits der Prostitution nachgehen, der Prostitution in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuführt oder sie hiefür anwirbt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, wenn er die Tat jedoch gewerbsmäßig begeht, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.
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Man beachte also, dass dieser § auch dann angewandt wird, wenn die Betreffende - auch völlig aus freien Stücken - woanders bzw. in der Heimat schon als SW tätig war! Selbst wenn ein Mädchen eine Freundin aus der Heimat mitbringt, kann dieser § gegen sie angewandt werden!
lg
sixela
Die Welt ist umso freier, je weniger Religion und je mehr Sex praktiziert wird