Werbung für Bordelle + Escort-Agenturen - was in steuerlicher Hinsicht zu beachten ist

Wo melde ich meinen Beruf an, mit welcher Steuerlast muss ich rechnen, womit ist zu rechnen, wenn ich die Anmeldung verabsäume, ... Fragen über Fragen. Hier sollen sie Antworten finden.
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deernhh
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Werbung für Bordelle + Escort-Agenturen - was in steuerlicher Hinsicht zu beachten ist

Beitrag von deernhh »

Werbung für Bordelle und Escort-Agenturen – was in steuerlicher Hinsicht unbedingt zu beachten ist

Erstellt am 10.12.2019

(1)
Die Außendarstellung eines Betriebes – ob nun in der Erotikbranche oder sonstiges Branchen – ist von großer Relevanz in Bezug auf die Kundengewinnung. Eine keinesfalls zu unterschätzenden Rolle kann die Außendarstellung durch Werbemaßnahmen aber auch in Bezug auf die steuerliche Beurteilung des Betriebes spielen. Die „falsche“ bzw. unbedachte Werbung des Betreibers eines Prostitutionsgewerbes – also beispielsweise eines Bordells, eines bordellartigen Betriebs, einer Escort-Agentur o. ä. – kann katastrophale Folgen für den Betrieb haben.

Entsteht nämlich durch die Werbung bei den beteiligten Verkehrskreisen der Eindruck, dass der Betreiber im Außenverhältnis als Erbringer sämtlicher Dienstleistungen (einschließlich der Verschaffung der Möglichkeit, den Geschlechtsverkehr auszuüben) anzusehen ist, kann und wird er von den Finanzämtern auch zur Zahlung der Umsatzsteuer in Bezug auf die von den Prostituierten erbrachten Leistungen herangezogen werden. Dies unabhängig von der Frage, ob die Prostituierten als Arbeitnehmer(innen) oder als selbstständig tätige (Sub-)Unternehmer(innen) des Bordellbetreibers o. ä. an einem Leistungsaustausch beteiligt sind.

In der Praxis stellen sich derartige Fallgestaltungen zumeist wie folgt dar:

Der Bordellbetreiber oder Betreiber einer Escort-Agentur erklärt gegenüber dem jeweils zuständigen Finanzamt in seiner Umsatzsteuererklärung die Entgelte, die er von Prostituierten – etwa eine Zimmermiete oder eine Vermittlungsprovision – sowie von Freiern – z. B. ein Eintrittsgeld oder Getränkeerlöse – erhält.

Der Betrieb wird in der Folgezeit überprüft, entweder im Rahmen einer Betriebsprüfung oder einer Steuerfahndungsprüfung.

Das Finanzamt „durchleutet“ den Betrieb und schaut sich auch dessen Außendarstellung genauestens an. Unter anderem aufgrund dieser Außendarstellung sieht das Finanzamt den Betreiber als Erbringer sämtlicher Dienstleistungen (einschließlich der Verschaffung von Geschlechtsverkehr) an und erhöht die Umsätze des Betreibers zusätzlich um die geschätzten Dirnenentgelte. Die Schätzung betrifft natürlich auch einen Zeitraum, der etliche Vorjahre mit umfasst.

Der Betreiber – der sich nun zum Teil mit 6 - 7-stelligen Forderungen des Finanzamts auseinandersetzen muss – erhebt Klage vor dem Finanzgericht. Zum Teil ist diese Klage erfolgreich, nämlich in Bezug auf die Höhe der geschätzten Umsätze. Zur Frage der grundsätzlichen Zurechnung der Umsätze der Prostituierten auf den Betreiber erfolgt allerdings durch die gerichtliche Überprüfung keine Änderung, sodass der Betreiber zum Teil ruinöse Nachzahlungen zu leisten hat, auch wenn die Schätzung möglicherweise keinen Bestand hat. Mitunter werden zudem noch strafrechtliche Verfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet.

Rechtsmittel gegen die Entscheidungen der Finanzgerichte werden ganz überwiegend vom Bundesfinanzhof (BFH) per Beschluss zurückgewiesen (z. B. BFH, Beschluss vom 29.01.2008 – Aktenzeichen V B 201/06; BFH, Beschluss vom 26.9.2017 – Aktenzeichen XI B 65/17)

Bei einer Lektüre entsprechender Entscheidungen der Finanzgerichte wird deutlich, welche werblichen Äußerungen als Beleg dafür herangezogen werden, dass die Betreiber für die Verkehrskreise als alleinige Leistungserbringer angesehen werden. Nachfolgend werden einige Beispiele angeführt:

Werbung in Zeitungsinseraten mit dem Hinweis der „Annahme aller Kreditkarten“ durch den Betreiber (Finanzgericht München, Urteil vom 12.10.2006 – Aktenzeichen 14 K 5153/03), da hierdurch der Eindruck einer „einheitlichen Zahlung“ nur an den Betreiber entsteht.
Darstellung der im Betrieb tätigen Prostituierten auf der betriebseigenen Website in einer Rubrik mit der Bezeichnung „Unsere Girls“ (Finanzgericht München, Urteil vom 12.10.2006 – Aktenzeichen 14 K 5153/03), da hierdurch die Prostituierten klar dem Betrieb zugerechnet werden und der Eindruck entstehen könnte, es handele sich um Angestellte.
Werbeaussagen auf der betriebseigenen Website unter der Rubrik „Unser Service“, dass ständig eine höhere Anzahl an Damen im Club bereitstünde; mehrfache Bezeichnung der Prostituierten als „unsere Damen“; Betonung, dass die Zufriedenheit „unserer Kunden“ an erster Stelle stehe (Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 12. Dezember 2012 – Aktenzeichen 2 K 88/11) aus den oben dargestellten Gründen.
Die Preise für sexuelle Dienstleistungen sind vom Betreiber vorgegeben und können von Kunden nicht mit den Prostituierten ausgehandelt werden (Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 12. Dezember 2012 – Aktenzeichen 2 K 88/11), da die Vorgabe der Preise nur für ein Angebot des Betreibers spricht.
Nutzung eines Schaukastens im Eingangsbereich des Bordells, in dem Fotos der Prostituierten ausgestellt wurden (Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17.11.2015 – Aktenzeichen 4 K 81/13).
Versuch der Anwerbung neuer Prostituierter über die betriebseigene Website und Darstellung der Prostituierten unter der Rubrik „Girls“ mit Bild und Namen (Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17.11.2015 – Aktenzeichen 4 K 81/13).
Im Ergebnis kann nur jedem Betreiber eines Prostitutionsgewerbes nahegelegt werden, die eigenen Werbemaßnahmen einer genauen Prüfung zu unterziehen und die betriebseigene Website entsprechend zu überarbeiten. In keinem Fall sollte der Eindruck entstehen, dass der Betreiber alleiniger Leistungserbringer ist.

Begriffe wie „Unsere Damen“, „Unsere Kunden“ o. ä. haben nichts auf der eigenen Website zu suchen. Es sollte vielmehr klar herausgestellt werden, dass es sich bei den Prostituierten um selbstständige Unternehmerinnen handelt und Freier die Vereinbarung betreffend sexuelle Dienstleistungen ausschließlich mit den Prostituierten aushandeln. Preise für sexuelle Dienstleistungen dürfen nach dem ProstSchG ohnehin nicht vom Betreiber vorgegeben werden. Es kann insoweit dementsprechend herausgestellt werden, dass sämtliche Details zu sexuellen Dienstleistungen mit den Prostituierten zu besprechen sind.

Zum Teil wird vertreten, dass Betreiber keine Fotos der Prostituierten auf ihrer Website verwenden sollten. Nach hier vertretener Ansicht sollte dies jedoch – allerdings mit einem entsprechenden Hinweis, durch den die Unternehmereigenschaft der Prostituierten klar gestellt wird – möglich sein.

Auf keinen Fall sollte dem Außenauftritt auch mit Blick auf die steuerrechtliche Problematik zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt werden.

https://www.anwalt.de/rechtstipps/werbu ... 61554.html

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Re: Werbung für Bordelle + Escort-Agenturen - was in steuerlicher Hinsicht zu beachten ist

Beitrag von Zwerg »

In Österreich geht die Finanz bei Escortagenturen bisweilen besonders perfide vor....

Eine einzelne SexarbeiterIn wird wahrscheinlich unter der Umsatzsteuergrenze bei ihrem jährlichen Verdienst bleiben (ab 1.1.2020 35 000,- zuvor 30 000,-)

Wenn jedoch bei einer Prüfung der Gesamtumsatz von allen SexarbeiterInnen der Agentur zugerechnet wird (obwohl sie weder die Dienstleistung erbringt, ja nicht einmal den Umsatz jemals in Händen hält), so wird auf einmal auch dort Mehrwertsteuer fällig, wo sie eigentlich nicht fällig wäre. Mehr Frauen gemeinsam überschreiten natürlch die Grenze.

Somit hat die Finanz ein Körberlgeld....

christian knappik

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Re: Werbung für Bordelle + Escort-Agenturen - was in steuerlicher Hinsicht zu beachten ist

Beitrag von deernhh »

@Zwerg

Sehr fies von der Finanz in Österreich!

Liebe Grüße von mir

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Re: Werbung für Bordelle + Escort-Agenturen - was in steuerlicher Hinsicht zu beachten ist

Beitrag von Thorja »

Gibt's da eigentlich Erfahrungswerte bezüglich Werbung von einzelnen Escorts (hüstel)?
Ist es eher günstig oder ungünstig, wenn man auf seiner Webseite keine Beträge angibt?
Und da es ja die Niederträchtigkeit der verdeckten Ermittlung gibt - dürfen verdeckte Ermittler Honorarvorschläge machen, dürfen die also sagen "Ok, ich biete dir 1000 Euro für eine Stunde"?
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Re: Werbung für Bordelle + Escort-Agenturen - was in steuerlicher Hinsicht zu beachten ist

Beitrag von Zwerg »

Auf keinen Fall auf Webseiten genaue Preise angeben - Die Finanz braucht Zahlen, die sie hochrechnen kann. Wenn wo steht 200,- dann könnte es sein, dass jemand sagt 20 durchschnittliche Arbeitstage mal 200,- (wir sind ja eh human und rechnen nur einen Job per Tag) - so stehen wir bei 4000,- x 12 Mte - und schon gehört einem die Umsatzsteuer (bzw. das Geld hierfür nicht mehr). Wir wissen alle aus der Realität der wir tagtäglich begegnen, dass eventuelle Preisangaben (wenn sie denn unbedingt auf der Webseite drauf sein müssen) nur ein Wunschwert sind. Tatsächlich spielen sich die Einnahmen der SexarbeiterInnen - zumindest so wie ich es sehe - zumeist darunter ab.

Auch die Frage, wie viele Jobs haben Sie im Schnitt ist verheerend. Niemand von uns kann einen Schnitt angeben - es ist einmal so und dann wieder so. Man kann es nicht genau bestimmen, nicht einmal ungefähr.

Ich bin natürlich weder Steuerberater noch Experte - ich komme nur viel "unter die Leut""

christian

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Re: Werbung für Bordelle + Escort-Agenturen - was in steuerlicher Hinsicht zu beachten ist

Beitrag von Zwerg »

Noch ein Tipp, welcher von einer Gruppe von SexarbeiterInnen kommt, welche ich gerade getroffen habe:

In AT ist es sicher klüger keine "Spesenbelege" zu sammeln, sondern die Pauschalierung in Anspruch zu nehmen. Speziell gekaufte Kondome könnten dann, auf Grund der Anzahl, zu Fehlspekulationen bzgl. der geleisteten Dienstleistungen führen. Angeblich können sich Finanzbeamte nicht wirklich vorstellen, dass man bei einem Job doch mehr als ein Kondom brauchen könnte - oder auch, dass Kondome ein Ablaufdatum haben, ist Neuland für Unwissende.

Es wird auch bzgl. der Arbeitskleidung davon berichtet, dass in dem Augenblick, wo bei der Kontrolle jemand annimmt "das könnte ja auch privat Verwendung finden" eine eventuelle Geltendmachung abgelehnt wird. Eine SW berichtete, dass bei ihr nur Kondome und Gleitgel anerkannt wurden. Also Tipp: Pauschalieren ist sicherer und minimiert den Zettelaufwand entscheidend.

Liebe Grüße

christian

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Re: Werbung für Bordelle + Escort-Agenturen - was in steuerlicher Hinsicht zu beachten ist

Beitrag von deernhh »

Zwerg hat geschrieben:
04.01.2020, 23:52
Noch ein Tipp, welcher von einer Gruppe von SexarbeiterInnen kommt, welche ich gerade getroffen habe:

In AT ist es sicher klüger keine "Spesenbelege" zu sammeln, sondern die Pauschalierung in Anspruch zu nehmen. Speziell gekaufte Kondome könnten dann, auf Grund der Anzahl, zu Fehlspekulationen bzgl. der geleisteten Dienstleistungen führen. Angeblich können sich Finanzbeamte nicht wirklich vorstellen, dass man bei einem Job doch mehr als ein Kondom brauchen könnte - oder auch, dass Kondome ein Ablaufdatum haben, ist Neuland für Unwissende.

Es wird auch bzgl. der Arbeitskleidung davon berichtet, dass in dem Augenblick, wo bei der Kontrolle jemand annimmt "das könnte ja auch privat Verwendung finden" eine eventuelle Geltendmachung abgelehnt wird. Eine SW berichtete, dass bei ihr nur Kondome und Gleitgel anerkannt wurden. Also Tipp: Pauschalieren ist sicherer und minimiert den Zettelaufwand entscheidend.

Liebe Grüße

christian
Danke Zwerg,
ein sehr guter Tipp!
Mir in Deutschland wurde die Arbeitskleidung nicht anerkannt, mit der Begründung, dass ich sie ja auch privat tragen könne ....
Außerdem kann es passieren, dass man bei einem einzigen Date 2 oder 3 Kondome braucht ....
Außerdem kaufe ICH gerne verschiedene Kondome in verschiedenen Größen gern auf Vorrat.

Hier mal ein "Outing" von einem Finanzbeamten vom 11.01.2019:

"Lehrer sind die Schlimmsten" – 7 Fragen an einen Finanzbeamten

11.01.19, 17:34
Arne Siegmund

Formulare, Fristen, kauzige Beamte. Das Finanzamt gilt nicht gerade als Ort der Sehnsucht. Oder hast du schon mal jemanden getroffen, der sich als Steuerromantiker bezeichnet? Nein? Siehste.

Niemand geht gerne ins Finanzamt. Gut, dass man seine Steuererklärung mittlerweile online einreichen kann. Falls du bei "Steuererklärung einreichen" Schnappatmung bekommen hast: Don't Panic! Stichtag ist, seit diesem Jahr, der 31. Juli. Es ist also noch genügend Zeit. Zum Aufschieben, zum Bearbeiten, zum Tricksen.


Welche Tipps und Kniffe es gibt, was die Sachbearbeiter im Amt so richtig nervt und welche Skurrilitäten es in Sachen Steuererklärungen gibt – das haben wir einen Finanzbeamten* gefragt:

Was sind die besten Tricks bei der Steuererklärung, die nicht unter "Betrug" fallen?
"Na ja, Tricks würde ich es nicht nennen. Viele Menschen wissen gar nicht, was sie alles absetzen können. Es gibt zig Ausgabenpauschalen, zum Beispiel für Werbungskosten. Man kann Kontoführungsgebühren absetzen, was auch viele Leute nicht wissen. Spenden, Mitgliedschaften in Berufsverbänden, Arztkosten, auch das kann man absetzen. Kinder sind auch immer gut, aber man sollte nicht nur wegen der Steuer Kinder machen..."

Was oder wer geht dir am meisten auf den Senkel bei Steuerklärungen?
"Lehrer. Lehrer sind Personen, die denken, dass sie einfach alles, was sie sich kaufen, von der Steuer absetzen können. Lehrer geben einem immer wahnsinnige Aufstellungen. Beamten im Allgemeinen sind eigentlich die Schlimmsten, was Steuererklärungen betrifft. Ansonsten nerven Leute, die meinen, dass sie gar nichts ausfüllen müssen. Die geben einfach ihre Jahresabrechnung vom Arbeitgeber ab und füllen ihre persönlichen Daten aus, das war's dann. Und dann ist es, ehrlich gesagt, sogar einfacher, alles Fehlende selbst nachzutragen, als die Erklärung nochmal zur Berichtigung zurückzuschicken."

Szenario: Auf Deinem Schreibtisch landet eine Steuererklärung eines Bekannten. Darfst Du die bearbeiten?
"Nein. Dann muss ich die an einen Kollegen abgeben und darf die nicht bearbeiten. Den Fall hatte ich auch öfter."

Was passiert eigentlich, wenn man sich zu Gunsten des Staates verrechnet?
"Dann muss man das als Finanzbeamter richtigstellen. Man arbeitet ja nicht, um dem Staat die Kassen zu füllen, so wie viele Leute annehmen. Es geht darum, die Steuerfestsetzung gemäß dem Gesetz richtig zu machen. Deswegen bessert man das genauso aus – so wie auch umgekehrt, wenn sich jemand zu seinen Gunsten verrechnet."

Gibt es Deinen Arbeitsplatz in zehn Jahren noch? Oder macht das dann ein Computer?
"Es läuft ja schon ganz viel über Computersysteme im Finanzamt. Die Steuererklärung kommt in den seltensten Fällen noch in Papierform bei uns an, sondern wird über das Portal 'Elster' online übermittelt. Der Computer erkennt Ungenauigkeiten. Dennoch ist der Mensch die letzte Instanz, die das Gesetz von vorne bis hinten kennt. Im Endeffekt ist das Steuerrecht so komplex, hat viele Lücken und Schlupflöcher. Deswegen ist der Mensch definitiv unersetzlich bzw. ich wüsste nicht, wie ein Computer die Finanzbeamten in den kommenden Jahren ersetzen sollte."

Was war das Skurrilste, das du jemals erlebt hast?
"Die Steuererklärungen von Sexarbeiterinnen sind eine Sache für sich. Es gibt ein Verfahren, dass die Sexarbeiterin dokumentieren muss, welchen Kunden sie wann empfangen und wie viel Geld sie jeweils verdient hat. Das ist irgendwie immer sehr spannend zu sehen, was die verdienen und in welcher Frequenz sie Kunden empfangen."

Eine Frage noch: Warum wird man freiwillig Finanzbeamter?
"Warum nicht? (lautes Lachen) Nein, es ist schon ein Job, der einen schlechten Ruf hat. Aber wie alles, was mit Recht zu tun hat, ist er auch sehr interessant. Man beschäftigt sich mit Recht, wendet dieses Recht an, es hat etwas sehr Systematisches, was mir gefällt. Man hat auch sehr viel mit Menschen zu tun. Der Job ist eigentlich ganz schön spannend und gar nicht so unsexy. Ämter sind unsexy. Nicht zuletzt wählen viele die Beamtenlaufbahn aus einem Sicherheitsbedürfnis heraus."

*Die befragte Person möchte anonym bleiben und ist ehemaliger Finanzbeamter im gehobenen Dienst.

https://www.watson.de/leben/geld/459375 ... -packt-aus

********************************************************

Und hier nützliche Infos für Deutschland vom Berufsverband Sexarbeit:


Das Wichtigste in Kürze!
In Deutschland gibt es eine Steuerpflicht, die auch für das Anbieten von sexuellen Dienstleistungen gilt. Man muss sich beim Finanzamt eine Steuernummer holen und unter dieser Nummer die Umsätze melden.
Das Finanzamt teilt einem mit, wie viel Steuern dann gezahlt werden müssen.
Eine Anmeldung beim Gewerbeamt ist für unsere Branche nicht notwendig.

Angestellt oder Selbstständig?
Beide Beschäftigungsformen sind für sexuelle Dienstleistungen aller Art in Deutschland möglich.
In der Praxis gibt es kaum Angestelltenverhältnisse, sondern Sexarbeiter*innen sind selbstständig tätig. Im Bezug auf Steuern gelten für die selbstständige Arbeit folgende Dinge:

Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht
Jede in Deutschland selbstständige Person muss die Einnahmen aufschreiben und somit nachweisen.
Ebenso sollten die Ausgaben aufgeschrieben werden. Diese kann man steuerlich geltend machen. Das heißt man zieht die Betriebsausgaben von den Einnahmen ab. Hierdurch wird die zu versteuernde Summe geringer und man muss weniger Steuern zahlen. Jede Ausgabe muss mit einem Beleg (Kassenbon oder Rechnung) nachgewiesen werden.

Düsseldorfer Verfahren
Infos über diesen Steuer-Verfahren:
Auch wenn du nach dem Düsseldorfer Modell abrechnest musst du eine Steuererklärung machen. Diese Zahlungen über das Düsseldorfer Modell befreien nicht davon, sondern gelten als Vorauszahlung.
ACHTUNG: hier werden oft Fehlinformationen verbreitet!

Wie und wo muss ich mich steuerlich anmelden?
Seit dem 1. Juli 2017 gilt das ProstituiertenSchutzGesetz
Alle Personen, die nach diesem Termin mit der Sexarbeit beginnen, müssen sich bei einer Meldebehörde anmelden. Welche das ist, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Die konkreten Adressen sind leider noch nicht klar.
Es sieht eher so aus, als ob es erst im Herbst oder noch später flächendeckend Anmeldestellen geben wird.
Am 1.1.2018 müssen sich alle in Deutschland in der Sexarbeit Tätigen angemeldet haben. Die betreffende Anmeldebehörde meldet dann die Tätigkeit automatisch weiter an das Finanzamt. So steht es zumindest im Gesetz (ProstSchG § 34, Abs. 8 )
Im Moment sieht es aber so aus, als ob diverse Städte und Gemeinden oder komplette Bundesländer die technischen Mittel für solch eine datensichere Weiterleitung nicht haben. Somit wird dies wohl an vielen Orten nicht erfolgen oder zunächst nicht erfolgen.

Neuanfänger*innen müssen also sehr wahrscheinlich eine eigenständige Anmeldung beim Finanzamt machen. Im Grunde müsste auch hier die alte Regelung gelten, dass man bei der Anmeldung nicht die Berufsbezeichnung Prostituierte angeben muss. Aber auch dazu gibt es noch keine konkreten Aussagen vom Gesetzesgeber.
Nach der Anmeldung beim Finanzamt bekommt man automatisch eine Steuernummer zugeschickt.

Informationen zur Meldepflicht des ProstSchG findest Du hier.

Muss ich mich auch beim Gewerbeamt melden?
Sexarbeitende müssen sich NICHT beim Gewerbeamt anmelden und benötigen auch keinen Gewerbeschein. Auf Grund der hohen Stigmatisierung muss nur eine Steuernummer beim Finanzamt beantragt werden.
Dies gilt auch, wenn man sich nicht als Prostituierte, sondern vorsichtshalber unter einer andern Berufsbezeichnung angemeldet hat.

Auch nach der Einführung des neuen Gesetzes (01.07.2017) müssen Sexarbeitende keine Gewerbeanmeldung tätigen.

ProstSchG – B.Besonderer Teil, Erklärung zu § 3 (Anmeldepflicht für Prostituierte)
„Nach wohl überwiegender Auffassung ist die selbständige persönliche Ausübung der Prostitution kein „Beruf wie jeder andere“ und kein Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung, sondern eine höchstpersönliche Dienstleistung. Auch wenn einzelne Kommunen Gewerbeanzeigen von Prostituierten entgegennehmen, besteht im Verwaltungsvollzug weitgehend Einigkeit darüber, dass Prostituierte kein nach § 14 Absatz 1 der Gewerbeordnung anmeldepflichtiges Gewerbe ausüben. Angesichts der Besonderheiten der Prostitution kann dies auch als sachgerecht angesehen werden, da anderenfalls z. B. die Grunddaten des Gewerbes (Name, betriebliche Anschrift, angezeigte Tätigkeit) gemäß § 14 Absatz 5 Satz 2 der Gewerbeordnung allgemein zugänglich gemacht werden dürften.“

Wir raten von einer Meldung als Prostituierte beim Gewerbeamt ab.

Das Gewerbeamt leitet die Daten automatisch an diverse Behörden weiter.
Für das Finanzamt gilt das Steuergeheimnis, und die Daten bleiben dort. Manche Finanzämter leiten die Anmeldung an die IHK (Industrie und Handelskammer) weiter.

Welche Steuern muss ich zahlen?
Einkommenssteuer
Es gibt ein steuerfreies Existenzminimum, es beträgt 8.820,00,- Euro Gewinn pro Jahr (Angabe für 2017 – Hier der Link zu den jeweils aktuellen Zahlen).
Wer also weniger als diese Summe Gewinn gemacht hat muss keine Steuern zahlen.

Ansonsten beträgt der „Eingangssteuersatz“ zur Zeit ca. 17 %.
Der Steuersatz ist „progressiv“. Das heißt je mehr man verdient, umso höher wird der Steuersatz. Bei ca. 52.000,- €/Jahr muss man etwa 48 % Steuern zahlen.

Die Höhe der Steuern muss man nicht selber ausrechnen, sondern bekommt diese vom Finanzamt mitgeteilt. Zuvor muss man seine Einkünfte dort melden.
Wir empfehlen, dies von einer*m Steuerberater*in erledigen zu lassen.
Wer sich in Steuerdingen gut auskennt, kann die Steuererklärung auch alleine machen.

Nach der Anmeldung wünscht das Finanzamt eine Angabe, wie viel Gewinn im ersten Jahr erwartet wird.
Tipp: am besten eine Summe unter dem steuerfreiem Existenzminimum (< 8.800 €, Stand 06/2017) angeben, denn sonst will das Finanzamt Steuervorauszahlungen haben.

Umsatzsteuer
Was ist das?
Die Umsatzsteuer ist eigentlich dasselbe wie die Mehrwertsteuer. Der Satz ist zur Zeit in Deutschland bei 19 %. Es gibt auch einen ermäßigten Steuersatz von 7 %. Der gilt für Taxifahrten, Zeitschriften und Bücher, Übernachtungsbetriebe, usw.
Für sexuelle Dienstleistungen gilt 19 %. Jede Dienstleistung, die ich anbiete, beinhaltet automatisch diese 19 % Umsatzsteuer, die ich an das Finanzamt abführen muss.
Man kann dabei noch Vorsteuern geltend machen, aber es empfiehlt sich, einen Steuerberater fragen.

Muss jeder Umsatzsteuer zahlen?
Nein, erst ab einem Jahresumsatz von 17.500,- Euro muss Umsatzsteuer gezahlt werden.
Achtung: Umsatz ist nicht gleich Gewinn.
Hier ein Erklärungsversuch:
Umsatz ist die Summe, die ich von meinen Kunden (Freiern) in bar erhalte. Das ist ja nicht der Gewinn, denn davon gibt man ja einen Teil an das Bordell, Studio, sonstige Prostitutionsstätte oder die Escort-Agentur ab. Außerdem hat man ja noch weitere berufsbezogene Ausgaben wie Arbeitshandy, Arbeitsklamotten, Kondome, Erotiktoys, Webseite, Taxikosten, Fortbildungen, usw.
Dies alles zieht man am Ende des Monats von den Umsätzen ab. Dann hat man den Gewinn. Oft hört man auch den Begriff „Gewinn vor Steuer“, denn davon werden dann die Steuern berechnet.

Was ist die Kleinunternehmerregelung?
Alle, die weniger als 17.500,- Euro Umsatz pro Jahr machen gelten als „Kleinunternehmer“.
Sobald diese Grenze überschritten wird, muss im darauf folgenden Jahr Umsatzsteuer gezahlt werden.

Im ersten Jahr der Selbstständigkeit werden die Umsätze steuerlich auf das ganze Jahr verteilt. Ich darf also pro Monat nicht mehr als 1.458 Euro Umsatz machen. Dies auch, wenn ich erst im August anfange.
Bei Beginn der selbständigen Tätigkeit gilt:

Wenn im ersten Kalenderjahr der Umsatz 17.500 Euro nicht überschritten wird und man im zweiten Kalenderjahr nicht mehr als 50.000 Euro Umsatz macht, dann wird braucht man in den ersten beiden Jahren keine Umsatzsteuer zahlen.

Ausländer*innen müssen schon ab dem ersten Euro Umsatzsteuer zahlen!

3 wichtige „Grenzen“
8.840,- = bis dahin steuerfreies Existenzminimum (Stand 06/17)
17.500,- = Umsatzsteuerpflicht entsteht
24.500,- = Gewerbesteuer entsteht
Wie finde ich als Ausländer*in das für mich zuständige Finanzamt?
Hier findest du eine Liste der zuständigen Finanzämter nach Herkunftsländern sortiert.

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Re: Werbung für Bordelle + Escort-Agenturen - was in steuerlicher Hinsicht zu beachten ist

Beitrag von Thorja »

Zwerg hat geschrieben:
04.01.2020, 23:52
Angeblich können sich Finanzbeamte nicht wirklich vorstellen, dass man bei einem Job doch mehr als ein Kondom brauchen könnte - oder auch, dass Kondome ein Ablaufdatum haben, ist Neuland für Unwissende.
Ich hab mal 50 Kondome auf einmal verbraucht! Die sind mir nämlich im Auto eingefroren. Die Lagerungshinweise besagen zwar nur, dass man sie nicht ÜBER einer bestimmten Temperatur lagern darf... trotzdem war mir das zu gefährlich, also hab ich sie weggeworfen. Will man irgendwie nicht mehr verwenden, wenn man die steinhart, sodass man sie zerbrechen könnte, in der Hand gehabt hat...

Das wär ja auch wieder ur beschämend, wenn man da genau erklären und argumentieren müsste, wie und wofür im Detail man Kondome verwendet...
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