Domina siegt vor Gericht (Schweiz)

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deernhh
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Domina siegt vor Gericht (Schweiz)

Beitrag von deernhh »

Beobachter Plus«CIRQUE BIZARRE»
Domina siegt vor Gericht
Lesezeit: 2 Minuten

Gräfin Viola, Sexarbeiterin im Raum Zürich
«Da werden einige staunen, dass eine Sexarbeiterin vor Gericht recht bekommen hat.» – Gräfin Viola, Sexarbeiterin im Raum Zürich.
Bild: Privat

Eine Domina klagt ihre Chefin vor Gericht ein – weil sie sich zu Unrecht entlassen sieht. Der Fall zeigt: Sexarbeiterinnen können auch Angestellte sein.

Von Melanie Wirz
Veröffentlicht am 30. April 2020
Lesezeit: 2 Minuten

«Das Urteil ist endlich da!», schreit Viola in den Hörer. Am Abend zuvor, sechs Stunden Schlaf dazwischen, hat sie einen Anruf ihres Anwalts erhalten: «Wir haben gewonnen», hatte er gesagt. Sie wechselten wenige Worte, Viola ballte die Faust. «Da werden einige staunen, wenn sie hören, dass eine Sexarbeiterin vor Gericht recht bekommen hat.»

Vor fast einem Jahr hatte die Schweizerin – sie nennt sich Gräfin Viola – Klage gegen die Betreiberin eines Sadomaso-Studios in Schlieren ZH eingereicht. Gegen den «Cirque Bizarre», in dem sie elf Monate gearbeitet hatte. Der Streitpunkt: die Form des Arbeitsverhältnisses und eine Kündigung .

Alles hatte mit einem Autounfall im Juli 2018 begonnen. Viola füllte noch im Rettungswagen, mit leichtem Schleudertrauma, das Unfallformular aus. Ihre Unfallversicherung wies den Fall ab, weil sie nicht selbständig erwerbstätig sei. Viola begann, sich zu informieren, zu recherchieren, und realisierte: Ihr arbeitsrechtliches Verhältnis war nicht geklärt.

Wann ist eine Kündigung missbräuchlich?
Chefin verweigert Lohn
Zwei Wochen später wurde Gräfin Viola per SMS fristlos entlassen – weil sie krankgeschrieben war. Sie forderte die Betreiberin des Sexstudios auf, ihr den Lohn im Rahmen der gesetzlichen Kündigungsfrist fortzuzahlen. Darauf ging ihre Chefin nicht ein. Sie behauptete, Viola sei selbständig und habe bloss eine Raummiete bezahlt.

Doch die Sozialversicherungsanstalt Zürich teilte mit, dass die Studiobetreiberin die Versicherung abschliessen und Sozialabgaben hätte bezahlen müssen – und dass Viola angestellt war.

Diese Einschätzung teilt jetzt auch das Arbeitsgericht Dietikon ZH. Es sei davon auszugehen, dass ein Arbeitsverhältnis bestanden habe, weil wesentliche Merkmale eines Arbeitsvertrags erfüllt waren, wenn auch nur mündlich abgeschlossen .

Viola konnte die Räume im «Cirque Bizarre» nutzen und folgte einem klaren Arbeitsplan. Das Studio übernahm Werbung und Werbekosten. Nur ihre Stammgäste kontaktierten die Domina persönlich. Auch dass sie 40 Prozent ihrer Einnahmen abgab, spreche dafür, dass ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Genau wie die fixe Preisliste, die im Eingangsbereich des Studios hängt.

Wenn die Betreiberin des Sexstudios keine Berufung einlegt, wird das Urteil Ende April rechtskräftig, und die Domina erhält den geforderten Lohn und eine Entschädigung von 6300 Franken.

Behörden haben Mühe
«Das ist ein bedeutsames Urteil. Denn es stärkt den Arbeitnehmendenschutz im Sexgewerbe», sagt Jacqueline Suter, Vorstandsmitglied von Prokore, einem Netzwerk zur Verteidigung der Rechte von Personen in der Erotikbranche. Es gebe zwar ein Urteil des Bundesgerichts von 2011, das die Frage nach der Arbeitsform zu klären versuchte. Und die Schweiz akzeptiert Sexarbeit seit 1973 als gewerbliche Tätigkeit und unterstellt sie dem Schutz der Wirtschaftsfreiheit. Doch Behörden tun sich bis heute schwer, einen rechtlichen Rahmen zu setzen, um die Arbeitsform von Sexarbeitenden zu definieren.

Das zeigt sich auch im Entscheid aus Dietikon. Das Gericht hatte sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob ein Arbeitsvertrag mit einer Domina überhaupt zulässig ist. Rechtlich gesehen muss die Arbeit im Erotikgewerbe auf Freiwilligkeit beruhen, um nicht als illegal und als Zuhälterei zu gelten. Das zu überprüfen, sei jedoch schwierig.

«Aber man muss dafür sorgen, dass die Sexarbeitenden – wie Leute in jedem anderen Gewerbe – eine Wahlfreiheit haben und selbst entscheiden können, ob sie selbständig oder unselbständig erwerbstätig sein wollen», sagt Jacqueline Suter. Die verschiedenen Ämter handhabten den Bestimmungsrahmen dieser Arbeitsform widersprüchlich. «Dabei würde eine klare Handhabung mehr arbeitsrechtliche Sicherheit für die Sexarbeitenden bedeuten.»

https://www.beobachter.ch/arbeit/arbeit ... or-gericht

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Kasharius
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Re: Domina siegt vor Gericht (Schweiz)

Beitrag von Kasharius »

Danke liebe @deernhh

ein sehr wichtiges Urteil, dass mittelbar in seinen Aussagen der bundesdeutschen Rechtsprechung entspricht.

Kasharius grüßt Dich

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deernhh
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Re: Domina siegt vor Gericht (Schweiz)

Beitrag von deernhh »

LUZERN
Deutsche Domina bodigt Schweizer Kanton
Eine Domina aus Berlin wollte in der Luzerner Agglo ihre Dienste anbieten – doch der Kanton Luzern verweigerte ihr dies. Das liess die Domina nicht auf sich sitzen. Ein Gericht gibt ihr nun Recht.
von Martin Messmer

Eine Frau aus Deutschland wollte in Emmenbrücke LU als selbständige Domina arbeiten, was sie beim Kanton Luzern auch anmeldete. Doch dies wurde ihr verweigert.
Eine Frau aus Deutschland wollte in Emmenbrücke LU als selbständige Domina arbeiten, was sie beim Kanton Luzern auch anmeldete. Doch dies wurde ihr verweigert.

In Emmenbrücke wollte die Frau ihre Dienste anbieten.

Google Street View
Grund für die Verweigerung: Die betreffende Tätigkeit sei an einer Adresse geplant, wo sich ein Salon befinde, weshalb diese Tätigkeit nicht als selbständige Dienstleistung anerkannt werde. Eine Meldung sei nur möglich, «wenn die Person vom Salonbetreiber angestellt ist und durch diesen gemeldet wird, argumentierte die kantonale Industrie- und Gewerbeaufsicht , die an der Bürgenstrasse in Luzern zu finden ist.
Grund für die Verweigerung: Die betreffende Tätigkeit sei an einer Adresse geplant, wo sich ein Salon befinde, weshalb diese Tätigkeit nicht als selbständige Dienstleistung anerkannt werde. Eine Meldung sei nur möglich, «wenn die Person vom Salonbetreiber angestellt ist und durch diesen gemeldet wird, argumentierte die kantonale Industrie- und Gewerbeaufsicht , die an der Bürgenstrasse in Luzern zu finden ist.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Gerichte Luzern
Das am Mittwoch publizierte Urteil erging bereits am 3. März, also vor dem Lockdown. Der Gerichtssprecher teilte aufgrund der Aktualität mit: «Anzumerken ist, dass das Meldeverfahren nach Freizügigkeitsabkommen zur Zeit durch die COVID-19-Verordnung 2 des Bundes eingeschränkt ist.»

Das am Mittwoch publizierte Urteil erging bereits am 3. März, also vor dem Lockdown. Der Gerichtssprecher teilte aufgrund der Aktualität mit: «Anzumerken ist, dass das Meldeverfahren nach Freizügigkeitsabkommen zur Zeit durch die COVID-19-Verordnung 2 des Bundes eingeschränkt ist.»

Gerichte Luzern
Das Luzerner Kantonsgericht hat die Beschwerde einer Domina gegen den Kanton Luzern gutgeheissen. Die Frau aus Berlin wollte in Emmenbrücke LU im Sommer als selbständige «Sexualtherapeutin/Domina» arbeiten, wie es im Urteil des Gerichtes heisst. Diesen Arbeitseinsatz in der Schweiz wollte die deutsche Domina ordnungsgemäss anmelden. Doch die kantonale Industrie- und Gewerbeaufsicht Luzern verweigerte ihr die Bestätigung dieser Meldung.

Darum gehts
Im Juni wollte eine Frau aus Berlin in Emmenbrücke LU als selbständige Domina Kunden empfangen.
Doch die Einreise wurde der Domina verweigert.
Zu unrecht, sagt nun das Kantonsgericht. EU-Bürger dürfen bis zu 90 Tage ihre Dienstleistungen in der Schweiz anbieten.
Grund: Die betreffende Tätigkeit sei an einer Adresse geplant, wo sich ein Salon befinde, weshalb diese Tätigkeit nicht als selbständige Dienstleistung anerkannt werde. Eine Meldung sei nur möglich sei, «wenn die Person vom Salonbetreiber angestellt ist und durch diesen gemeldet wird», wie aus dem Urteil weiter hervorgeht.

Kanton lehnte Einsatz als Domina zu unrecht ab
Die Domina verzichtete auf ihre Anreise in die Schweiz, aber sie verlangte vom Kanton eine beschwerdefähige Verfügung. Eine solche stellte ihr der Kanton zu. Darin wurde ihr mitgeteilt, dass «der gemeldete Einsatz als selbständige Sexualtherapeutin/Domina abgelehnt und die bewilligungsfreie grenzüberschreitende Erwerbstätigkeit verweigert.»

Gegen diese Verfügung erhob die Domina Beschwerde. Und das Kantonsgericht gibt ihr nun Recht: Es kommt zum Schluss, dass die Meldung eines ausländischen Dienstleistungserbringenden nicht durch die Behörde abgelehnt werden kann, nur weil diese den Erwerbstätigkeitsstatus anders beurteilt. Denn das Freizügigkeitsabkommen sehe vor, dass EU-Bürger während bis zu 90 Tagen ihre Arbeits- oder Dienstleistungen in der Schweiz anbieten dürfen, ohne dass dafür und für die Einreise in die Schweiz eine ausländerrechtliche Bewilligung nötig sei, argumentiert das Gericht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Urteil kam vor dem Lockdown
Das am Mittwoch publizierte Urteil erging bereits am 3. März, also vor dem Lockdown. Das Gerichtsprecher teilte aufgrund der Aktualität mit: «Anzumerken ist, dass das Meldeverfahren nach Freizügigkeitsabkommen zur Zeit durch die COVID-19-Verordnung 2 des Bundes eingeschränkt ist.»

https://www.20min.ch/story/deutsche-dom ... 5987303355