Umstrittener Vorstoß von Amnesty International
Heftiger Widerstand gegen Legalisierung der Prostitution. Viele Schweden sind gegen eine Legalisierung der Prostitution
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat mit dem Vorschlag, sich für die Entkriminalisierung der Prostitution einsetzen zu wollen, in Schweden heftige Kritik ausgelöst.
"Ein Schritt in die falsche Richtung"
Frauenverbände und Politiker nahmen die Empfehlung des internationalen Sekretariats der Organisation mit Bestürzung und Besorgnis auf. Bei Amnesty versucht man nun die Wogen wieder zu glätten und betont, dass es sich dabei nur um einen ersten Vorschlag handele, den man jetzt intensiv intern diskutieren wolle.
"Kein charmantes Gewerbe"
"Dies ist ein Schritt in die falsche Richtung, dass es nur so kracht! Kein Mensch hat das Recht, sich den Zugang zum Körper eines anderen zu erkaufen. Nur weil sie dafür bezahlen, können sie tun, was sie wollen. Das ist kein charmantes Gewerbe", fasst die Vorsitzende des schwedischen Dachverbands der Frauenhäuser, Angela Beausang, im Schwedischen Rundfunk ihre Erschütterung über den Vorstoß aus London zusammen.
Das dortige internationale Sekretariat von Amnesty International hatte kürzlich vorgeschlagen, dass die Menschenrechtsorganisation in der Prostitutionsfrage Position beziehen sollte. Um der Gruppe der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter zu helfen, solle man sich künftig gegen die Kriminalisierung des Kaufs oder Verkaufs sexueller Dienstleistungen einsetzen. Dadurch könnten die Rechte der Betroffenen in Bezug auf Gesundheit, Gleichstellung, Sicherheit und persönliche Integrität gestärkt werden, so das Sekretariat. In Schweden erntete die Empfehlung bereits direkt nach dem Bekanntwerden heftige Kritik von mehreren Seiten. Einige Amnesty-Mitglieder haben die Organisation sogar bereits aus Protest verlassen.
Sex-Kauf-Verbot in Schweden nahezu unumstritten
Der Kauf sexueller Dienstleistungen ist hierzulande seit 15 Jahren verboten und kann mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft werden. Der Verkauf ist hingegen legal. In der öffentlichen Debatte legt man den Fokus darauf, dass Prostituierte vor allem als Opfer zu sehen sind, die nicht freiwillig in dem Gewerbe tätig sind und dementsprechend vor den Freiern geschützt werden müssen.
In der schwedischen Bevölkerung und auch in der Politik genießt das sogenannte Sex-Kauf-Verbot breite Zustimmung. Die Polizei schätzt zudem, dass die Prostitution im Land seit Einführung des Gesetzes zurückgegangen ist. International sieht sich Schweden daher in einer Vorreiterrolle, und Vorschläge, das Gewerbe doch in die Legalität zu holen, finden in der öffentlichen Debatte nur wenig Anklang.
Erschütterung auf vielen Seiten
Kein Wunder also, dass die Reaktionen auf den Vorstoß aus London so heftig ausfallen. Mehrere Frauenorganisationen antworteten mit Bestürzung und haben bereits ihren Widerstand angekündigt. Auch Gleichstellungsministerin Maria Arnholm äußerte Kritik. Der Vorschlag sei "völlig unbegreiflich" und die schwedische Gesetzgebung stattdessen ein gutes Vorbild für andere Länder. In die entgegengesetzte Richtung zu gehen, sei für sie nur sehr schwer nachvollziehbar, so Arnholm gegenüber der Nachrichtenagentur TT.
Beim schwedischen Amnesty-Büro bemüht man sich unterdessen, die Aufregung, auch unter den eigenen Mitgliedern, zu dämpfen: "Viele haben uns kontaktiert und ihre Besorgnis über den Vorschlag zum Ausdruck gebracht. Diesen Menschen haben wir versucht klarzumachen, dass es sie als Mitglieder sind, die bei solchen Policy-Fragen die Beschlüsse fassen", erklärt die Pressesprecherin der schwedischen Amnesty-Sektion, Elisabeth Löfgren, im Interview mit Radio Schweden.
Der Vorschlag ist nur ein Vorschlag
Löfgren betont, dass es sich bei dem Vorschlag aus dem internationalen Sekretariat um nichts anderes handele als eben einen Vorschlag. Dieser müsse nun zunächst in allen nationalen Amnesty-Verbänden, so auch in Schweden, intensiv diskutiert werden, bevor am Ende über eine Position für die Gesamtorganisation entschieden werden könne. Die Mitglieder seien jetzt eingeladen, ihre Meinung in der Frage kundzutun. Außerdem werde man verschiedene Frauenrechtsorganisationen kontaktieren und diese um Rat bitten.
Für welchen Weg man sich am Ende entscheiden wird, sei derzeit noch völlig offen, so Elisabeth Löfgren: "Nicht alle werden dem Vorschlag zustimmen. Aber vielleicht finden ja viele, dass es ein guter Vorschlag ist. Deshalb wollen wir jetzt alle Stimmen hören, um das Meinungsbild einschätzen zu können. Wir haben in der Frage noch keine Stellungnahme abgegeben und es wäre völlig falsch, wenn wir jetzt den Ansichten unserer Mitglieder zuvorkämen. Damit würden wir die demokratische Ordnung übergehen, die wir in unserer Organisation haben."
Entscheidung frühestens im Herbst
Nach den Diskussionen und Beratungen in den einzelnen Amnesty-Landesverbänden ist für Juni ein Treffen auf der Ebene der nationalen Vorsitzenden geplant. Danach könnte das Exekutivkomitee der Gesamtorganisation frühestens im September oder Oktober eine Entscheidung in der Frage treffen. Besteht bis dahin aber keine Einigkeit, kann der Beschluss auch bis zur nächsten Sitzung des internationalen Rates, dem obersten Amnesty-Gremium, vertagt werden. Diese wird erst im August 2015 stattfinden.
Frank Luthardt
http://sverigesradio.se/sida/artikel.as ... el=5770219