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Weser-Kurier vom 04.09.2014, Seite 4
Weser-Kurier vom 04.09.2014, Seite 4
Richter weisen Revision ab
Bundesgerichtshof bestätigt Geldstrafe gegen Polizisten / Afrikanischer Asylbewerber verbrennt in Zelle
V O N P E T E R G Ä R T N E R
Karslruhe·Dessau. Wie der Afrikaners Oury Jalloh vor knapp zehn Jahren in einer Dessauer Polizeizelle ums Leben kam, wird wohl nie aufgeklärt werden. Zumindest ist inzwischen klar, dass der Mann aus Sierra Leone rechtswidrig eingesperrt wurde. Der 23-jährige Jalloh war am frühen Morgen des 7. Januar 2005 zur Feststellung der Identität in Gewahrsam genommen worden, weil er Passanten belästigt haben soll und sich nicht ausweisen konnte. Laut Strafprozessordnung hätte „unverzüglich“ ein Richter eingeschaltet werden müssen.
Bereits zum zweiten Mal hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe eine Woche lang mit dem Fall beschäftigt und am Donnerstag das Urteil des Landgerichts Magdeburg von 2012 bestätigt. Von dieser Instanz wurde der damals diensthabende Polizist zu einer Geldstrafe in Höhe von 10 800 Euro verurteilt. Er habe sich der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen schuldig gemacht, urteilten die Richter damals. Ihm wurde ein „unvermeidbarer Verbotsirrtum“ zugestanden, obwohl er die Strafprozessordnung eigentlich hätte kennen müssen. Von daher gingen Beobachter davon aus, dass dem inzwischen 54-jährigen Beamten, der von den Vorschriften nichts gewusst haben will, in der Revision ein deutlich härteres Urteil wegen Freiheitsberaubung mit Todesfolge drohen würde.
Aufgeklärt ist der Feuertod aber auch mit dem BGH-Spruch keineswegs. Denn Jalloh verbrannte am helllichten Tag auf einer Schaumstoffmatratze im Keller des Reviers, an Armen und Beinen gefesselt. Niemand kam ihm zu Hilfe. Der Dienstgruppenleiter drückte den Feueralarm gleich zwei Mal weg, weil er an einen Fehlalarm geglaubt haben will. Ein erster Prozess endete Ende 2008 mit zwei Freisprüchen für die angeklagten Polizisten und einer Kapitulationserklärung des Gerichts.
„Das hat mit Rechtsstaat nichts mehr zu tun“, entfuhr es damals dem Vorsitzenden. Er warf der Dessauer Polizei Schlamperei vor und empörte sich über „Falschaussagen von Beamten“. Es konnte nicht geklärt werden, wie das Feuerzeug in die geflieste Gewahrsamszelle gelangt war, mit dem der gefesselte und unter Alkohol und Drogen stehende Jalloh die „feuerfeste“ Matratze angezündet haben soll. Der gesamte Fall ist eine Tragödie voller Widersprüche, Ignoranz und Pannen. Deshalb kassierte der BGH in Karlsruhe einen der Freisprüche, der andere war bereits rechtskräftig.
Im Revisionsprozess mauerten zahlreiche Polizisten erneut bei ihren Zeugenaussagen oder widerriefen frühere Angaben, weshalb sich der BGH jetzt noch einmal mit dem Feuertod befasste. Bundesanwalt Johann Schmid sprach von einer „Riesenschlamperei“ in Dessau. Jedoch dürften die Erwartungshaltungen der Öffentlichkeit „nicht Maßstab für die Entscheidungsfindung eines Gerichts sein“. Unterstützer der „Initiative zum Gedenken an Oury Jalloh“ reagierten empört. Sie riefen „Schande!“ und „Das war Mord!“
Die Oury-Jalloh-Initiative hatte im vergangenen Jahr ein eigenes Brandgutachten in Auftrag gegeben: der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass für das Brandbild in Zelle 5 nur ein Brandbeschleuniger infrage komme. Die Staatsanwaltschaft Dessau ermittelt deshalb wieder seit diesem Frühjahr. Sollten jedoch keine neuen Erkenntnisse vorliegen, findet der Gang durch die gerichtlichen Instanzen mit der gestrigen Entscheidung sein Ende. Nicht nur Verwandte und Freunde, sondern auch internationale Menschenrechtsorganisationen vermuten eine rassistische Gesinnung hinter dem Verhalten des angeklagten Polizisten. Das ist zwar nicht erwiesen, aber durchaus vorstellbar. Denn die betroffenen Dessauer Beamten zeigten demonstratives Desinteresse an der Aufklärung. Statistisch betrachtet leben in keinem anderen Bundesland Menschen mit dunkler Hautfarbe so gefährdet wie in Sachsen Anhalt
K O M M E N T A R siehe Online Ausgabe Weser-Kurier (obiger Link)
Z U S A M M E N F A S S U N G
RASSISMUS IM AMT?
Nach der unsäglichen Staats-Schlamperei im Zusammenhang mit dem NSU Skandal, dem geschilderten Fall Oury Jalloh, dem Tod des Afrikaners Laye-Alama Condé (veranlasst durch und unter Aufsicht der Bremer Polizei) und der amtlichen Diffamierung der weit überwiegenden Zahl von Rumäninnen, die in Bremen der Sexarbeit nachgehen als Zwangsprostituierte, ist es zulässig festzuhalten, dass Rassismus und habituell verfestigte Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in den deutschen Sicherheitsorganen und bei den politisch in amtlicher Verantwortung stehenden Eliten der BRD und auch denen Bremens, nicht auszuschließen sind. Bewusste Desinformation im Amt, die Autorität und die Ressourcen des Innensenates und des Amtes der Frauenbeauftragten nutzend, gedeckt durch Partei und bürgerschaftliche Mehrheit, wird als politische Agenda die Demontage menschen- und grundrechtlicher Garantien mit der Parole „die Liberalität ist ein Holzweg“ die Vokabeln des Schutzes und der Sicherheit nutzend, betrieben. - Eine deutsche Schande!
H A U P T T E X T
SCHLAMPEREI MIT SYSTEM
Erneut erweißt sich, wie im NSU Skandal, dass deutsche Sicherheitsorgane, ausgerechnet dann, wenn (vereinfachend gesagt) Menschen aus globalen Armutsregionen stammen und (vereinfachend gesagt) als Fremde zumal anderen, vorgeblich terroristischen Glaubens stigmatisiert sind, diese nicht schützen. Wie gerichtlich und durch Untersuchungsausschüsse nachgewiesen, werden diese Menschen durch ein Unmass von Schlamperei oder, so darf vermutet werden, auch wenn es ob der Mauerei und des Kadavergehorsams in den Sicherheitsorganen, nicht zu beweisen ist, rassistisch motiviert dem Tod oder der Ermordung preisgeben. Eine Schande, zutiefst beschämend, was geschehen ist, fortgesetzt, so möchten wir sagen, systemimmanenter Bestandteil, zumindest Teilkultur deutscher Sicherheitsorgane.
MISSTRAUEN NOTWENDIG
Es ist also nicht nur berechtigt, sondern sogar notwendig, diesen Sicherheitsorganen mit Misstrauen zu begegnen. Ihr demokratisch rechtsstaatliche Bewusstsein, ihre institutionelle Kultur ist nachweisslich der geschilderten Fälle, sehr wahrscheinlich mehr als nur gelegentlich nicht vom menschen- und grundrechtlichen Gleichbehandlungsgebot, sondern in nicht unwesentlichen Bereichen von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit durchzogen.
POLITISCHES UND DEMOKRATISCHES VERSAGEN
- SCHUTZ DER SICHERHEITSORGANE NICHT DER MENSCHEN
Die politische Kontrolle hat versagt. Zugespitzt die WählerInnen haben sich dafür entschieden, PolitikerInnen zu beauftragen, die nicht die Menschen sondern, die Sicherheitsorgane, sie nicht ausreichend kontrollierend aber hoffierend, schützen. Nicht nur die Würde auch die körperliche Integrität, das Leben von Fremden ist in Deutschland zumindest durch ein Unmass an Schlamperei seitens vieler Abteilungen der deutschen Sicherheitsorgane, der Antastbarkeit überlassen worden. Dieser Verdacht drängt sich auf. Mehr als nur eine Schande, Lebensbedrohung als Amtshandlung.
DAS UNGLÜCK "FALSCHER" HAUTFARBE UND HERKUNFT
Bremens oberster Sicherheitschef, Innensenator Ulrich Mäurer, äusserte kürzlich „Mit unserer Liberalität sind wir auf dem Holzweg“ (WK, 26.11.2013). Der Afrikaner Laye-Alama Condé ist im Rahmen polizeilicher Aktivitäten in Bremen zu Tote gekommen. Familie und Freunde, so unsere Erinnerung, sprachen von Rassismus, von Missachtung der Grund- und Menschenrechte. Unsere Erinnerung, eine Schande, was dort von den Bremer Sicherheitsorganen geleistet worden ist. Mit Todesfolge - eines Menschen, der das „Unglück“ zu dunkler Hautfarbe und der falschen Herkunft hatte. Auch Wohlwollende sollten sich Gedanken machen, ob in den Sicherheitsorganen, auch in denen Bremens und bei den politisch Verantwortlichen, nur Schlamperei vorherrscht oder eine Gesinnung, die manche Menschen als ungleich abwertet. Das Unglück das sie hatten war nicht der Holzweg der Freiheit, sondern die Realität staatlich verordneten Freiheitsentzuges. Sollte das der eigentliche Holzweg sein?
OFFENBARUNGSEID DER POLIZEI UND DES INNENSENATES
Innensenator Mäurer ist politisch verantwortlich für Aussagen der Bremer Polizei gegenüber der Öffentlichkeit. Wer sollte dafür sonst persönlich politische Verantwortung tragen. Über Jahre hat seine Polizei Zahlen zum Umfang der Sexarbeit in Bremen veröffentlicht, die unzutreffend waren. Über Nacht sind in Bremen jetzt aus zuvor vorgeblich bis zu 1.000 (WK 2008) bzw. 800 (WK 25.10.2012) Sexarbeiterinnen 400 geworden. Ein Offenbarungseid. Solche Zahlenanpassungen würden bei Privaten und bei Unternehmen Insolvenz bedeuten. Das Vertrauen wäre verloren. Kredit Fehlanzeige. Auch bei diesen Zahlen nur Schlamperei der Sicherheitsbehörden? Sitzen da nur geistig minderbemittelte ohne Verantwortungsgefühl, die machen können, was sie wollen? Kaum zu glauben. Denn ansonsten scheint die Polizei Bremen ja ihre Aufgaben recht ordentlich, mit Engagement und fachlich integer zu erledigen. Auf Nachfrage räumte die Polizei Bremen uns gegenüber am 27.01.2014 (zwei BeamtInnen) ein, bei rumänischen Sexarbeitenden würde das zuständige Kommissariat nicht davon ausgehen, das Gewalt eine bedeutsame Rolle spiele. Rumänische Sexarbeiterinnen, so ihre Erkenntnisse, seien im wesentlichen selbstbestimmt tätig. Diese Erkenntnis findet sich auch in der Mitteilung des Bremer Senats vom 11.03.2014, Drucks. 18/1302, HB.Bgschft, S.20, siehe https://www.bremische-buergerschaft.de/ ... 2014-03-11. Sie entspricht den Aussagen unserer Studie Sexarbeit in Bremen, Sexarbeiterinnen aus Rumänien, Arbeitsort Bremen, Vorabausgabe vom 11.02.2014, zentrale Zahlen veröffentlicht am
DIE LIBERALITÄT EIN HOLZWEG - DIFFAMIERUNG IM AMT
Jedoch noch am 26.11.2013 verkündete Senator Mäurer, gemeinsam mit Landesfrauenbeauftragter Hauffe: der überwiegende Teil der 600 in Bremen tätigen Sexarbeitenden, besonders die rumänischen und bulgarischen, seien durch Verschleppung und Gewalt in den gewerblich organisierten sexuellen Missbrauch (begrifflich falsch als Zwangsprostitution bezeichnet. Begrifflich falsch, da die Erbringung sexueller Dienstleistungen nur dann als Prostitution bezeichnet werden kann, wenn sie, wie es das Prostitutionsgesetz von 2002 festhält in sexueller Selbstbestimmung erfolgt. Ansonsten sind empfangene Leistungen dieser Art als sexueller Missbrauch zu klassifizieren) gezwungen worden. Eine gewalttätige Diffamierung der zu diesem Zeitpunkt 68 in Wohnungen (am 09.12.2013) tätigen Sexarbeiterinnen mit rumänischer Abstammung. Überwiegend Zwangsprostituierte, so das Schandmal, amtlich eingebrannt. Alles nur Schlamperei? Oder politisch bewusst inszenierte Desinformation, um der These: Die Liberalität ist ein Holzweg Gewicht zu verleihen.
RASSISMUS - HABITUALISIERT
Weder den Sicherheitsbehörden, noch den politisch für deren Kontrolle Verantwortlichen, so das Ergebnis des NSU Ausschusses, des Falles Oury Jalloh, des Todes des Afrikaners Laye-Alama Condé, für den Polizeipräsident Müller Bremen, die Verantwortung übernahm (http://www.sueddeutsche.de/panorama/bre ... -1.1855916),
oder den Aussagen Bremer Behördenspitzen zum Umfang der Sexarbeit von Rumäninnen unter Zwang in Bremen, ist zu vertrauen.
MISSTRAUEN IST NOTWENDIG,
nicht nur zulässig. Bestenfalls handelt es sich bei diesen Ereignissen um unsägliche Schlamperei im Amt, deren leittragende Fremde waren und sind, Afrikaner oder Sexarbeiterinnen aus Rumänien. Die Annahme, dass der lange Schatten des Rassismus in Amt und Politik hineinreicht, ist mehr als zulässig und dass dieser sich mit einer antifreiheitlichen Attitüde verbindet, zumindest was Frau Hauffe und Herrn Mäurer angeht, eindeutig. „Die Liberalität ein Holzweg“.
Der Soziolge Bourdieu würde habitualisierten Rassismus annehmen. Dr. Udo Gerheim, Bremen, würde dem wohl, seine Kategorien aus der Studie „Die Produktion des Freiers“ begrifflich aufnehmend, zustimmen. Rassismus, habitualisiert, im Amt. Als Namen dafür stehen die Bremer Führungskräfte Müller, Mäurer, Hauffe.
WELCH EIN GLÜCK, DIESE ELITE?
Diese Frage sollten u.a. der Autor des zitierten WK Artikels, die WK Redaktion, die Angehörigen von Laye-Alama Condé und der anderen Opfer der neu-deutschen Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, salonfähig bei Sarrazin und AfD beantworten. Unsere Antwort: eine Schande!
Lara Freudmann und Klaus Fricke