"Danach": wichtige Momente

Hier können SexarbeitInnen ihren Arbeitsplatz bzw. ihre Arbeitsbedingungen beschreiben. Was erlebt Ihr alles in Eurem Beruf?
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friederike
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"Danach": wichtige Momente

Beitrag von friederike »

An dieser Stelle möchte ich über den Moment "danach" ein wenig nachdenken: dieser Moment ist, meine ich, für den Erfolg eines Dates mitentscheidend - aber das wird meistens vergessen. Wie erlebt Ihr diese Momente?

Ich meine den Ablauf von dem Augenblick an, an dem der Freier plötzlich mit seiner Bewegung aufhört und sich entspannt. In dem Moment ist er außer Atem und ich auch - wie in dem Titel des französischen Filmklassikers "Hors souffle". Ich blicke ihn an und lächle - das kommt gut an. Aber meistens wendet er den Blick ab. Ich lasse ihn eine kleine Weile liegen, aber nicht zu lange: dass schrumpft sein Penis und der Sitz des Kondoms ist nicht mehr sicher. Sobald ich merke, dass die Härte des Penis nachlässt, trenne ich mich von ihm, wobei der Freier oft versucht, dies hinauszuzögern.

Dann wird es geschäftig: ich nehme das Papierhandtuch und befreie ihn von dem Kondom. Dann wische ich den Schwanz ab und fange die Spermareste auf. Dabei beginne ich schon ein Gespräch, über irgendein normales Thema. Mein Freier braucht noch eine Weile, um wieder auf der Erde anzukommen. Wenn wir noch etwas Zeit haben, lasse ich das Gespräch weiterlaufen, ein Thema findet sich immer. Selten wird über die gerade abgelaufene Nummer geredet.

Dann kehrt man in die "normale" Welt zurück. Es ist nicht mehr wie vorher, jetzt, wo man miteinander geschlafen hat, geht man anders miteinander um. Aber es wird jetzt sachlich, man steht auf, zieht sich die Kleidung wieder an, ich richte das Bett, streiche mir durch das zerzauste Haar.

Nun entschwindet das Vorgefallene langsam ins Reich der Geschichte: ich frage "hast Du alles mitgenommen?" und begleite den Freier zur Tür. An der Tür noch einmal ein "Auf Wiedersehen, komm mal wieder vorbei", ein züchtiges Küsschen auf die Wange, zwei erwachsene Menschen, die einander nicht kennen, gehen ihres Weges.

Ich versuche, liebenswürdig und nett zu sein in diesem Moment - er wird diesen letzten Eindruck mitnehmen und danach beurteilen, ob das Treffen mit mir gut war und ob er wiederkommt. Aber es ist ein schönes Gefühl, einen zufriedenen Kunden an der Tür zu verabschieden.

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Marc of Frankfurt
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Rahmenhandlung und Ausklang

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Das hast du schön beschrieben.

Das Danach ist immer auch die beste Gelegenheit eine weitere Stunde zu verkaufen, weil dann der Kunde im Hochgefühl ist (Geheimtipp).

Nach der Intimität zeigt sich, wie kultiviert die Sexarbeit sein kann und ob die Beteiligten die Hohe Kunst der gepflegten Konversation beherrschen ;-) Auch der Unterschied professioneller Kunde/emotionaler Kunde zeigt sich, wenn die Hormone die Kontrolle wieder an die Ratio zurückgegeben haben.

Die Gesprächsgestaltung können wir ruhig mal reflektieren und uns entsprechende Gesprächsstrategien überlegen (Sexworker Akademie), um die aufkommende "natürliche" Wortarmut auszugleichen. Denn auch beim privaten Sex ist Reden danach meist nicht angesagt. Hier aber hat der Sexworker das professionelle Bedürfnis zu Fragen: "na wie war ich" *LOL* oder besser: "wie geht es dir?" Hier aber gehört es zu unserer Dienstleistungspflicht oder -kunst einen Gesprächsausklang aktiv zu gestalten. Manchmal habe ich auch den Impuls dem Kunden einen Feedback zu geben, was dann in Richtung Sexualcoaching gehen kann.

Man kann auch dem Gast noch ein Getränk anbieten, wenn er mehr Zeit benötigt um wieder runter zu kommen.

Auch kann man ihm ein Poesiealbum reichen, wo er einen Kommentar oder Gruß hinterlassen kann. Später eine schöne Erinnerung an ansonsten nicht dokumentierfähige und kaum festzuhaltende Lebenszeit.

Beim Tantra oder BDSM gibt es traditionell eher eine sog. Nachbesprechung, eine Feedbackrunde.

Wenn es ein Neukunde war, hat man meist ein klares Gespür, ob die Session gelungen und harmonisch war und ob der Kunde ein möglicher Stammgast wird. Wenn es nicht ganz ideal war, ob man ihn dann dennoch geschäftsmäßig fragen sollte, ob es ihm gefallen hat und er wiederkommen will? Zumindest kann man das trainieren: "beehren sie uns bald wieder und empfehlen sie uns weiter, gnädiger Herr".

Abschiedsgeschenke wie eine kleine Süßigkeit oder Karte sind eine mögliche Abschiedsgeste mit Kundenbindungseffekt. Gute Clubs haben das in Nähe der Tür bereitliegen.

Dann ist da natürlich noch die Frage, ob man das Danach nicht mehr bei sich selbst sieht, wie man sich professionell abgrenzt. Vielfach hat hier der Bordelltratsch eine wichtige psychohygienische Funktion (Ein ich mußte mich waschen, weil ich mich dreckig fühlte sollte es hoffentlich nie sein, aber mir fällt das ein, weil es der typische Spruch aus den Medien ist;-). Vgl. PEP. Wenn man als Sexworker allein ist, kann es eine rituelle Handlung sein, wo man seine Energiekanäle neu ausrichtet. Dieses Bewusstsein als mindestes gilt es in die dann noch zu verreichtenden Aufgaben einzubauen.

Natürlich sieht das Dannach auch ganz anders aus bei nur auf einen Termin gerichteten Escorts und bei Bordellsexworkern, die evt. ins nächste "Behandlungszimmer" wechseln.

Was ich immer als sehr schwer bis unmöglich empfinde, während der Danach- oder Wartezeit auf weitere Termine andere wichtige Aufgaben zu bearbeiten. Evt. kennt ihr das ja auch oder habt Tipps.

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Svea
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Beitrag von Svea »

Hm, ja mir hat deine Beschreibung auch gut gefallen, jedoch, spreche ich lieber darüber im privateren Berreich.

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Beitrag von Asfaloth »

( Aus Kundensicht, wenn gestattet....)

Ich persönlich verabreiche der Dame bei kurzterminen zu 2 stunden zum Abschluss gerne eine entspannende Massage, da mich das dann auch entspannt.

das Gefühl von warmer Haut noch einmal wahrzunehmen...zwanglos..... das wohlige Räkeln zu erleben und die Begegnung mit dem Gefühl zu beenden, dass es ein beidseitiges positives Erleben war.

Zum Glück traf ich bisher noch auf keine Dame, die das nicht schätzte.

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friederike
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RE: "Danach": wichtige Momente

Beitrag von friederike »

@Marc,

danke für die guten Ideen!

Liebe Grüße,
Friederike

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Glorialoa
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Beitrag von Glorialoa »

Hey!
Ich fahre am besten damit wenn ich mich nach einem Termin alleine dusche und einfach den Raum aufräume, somit eine Grenze ziehe um dann den Tag weiter zu gestalten. Das ist eigentlich sowas wie ein Ritual.
Wenn ein komisches Gefühl in mir ist nach einem Date, was manchmal vorkommt dann atme ich dieses Gefühl ganz bewusst ein und atme es dann endgültig aus mir heraus und das funktioniert in den meisten Fällen sehr gut! Es ist dann echt weg.
Nicht jeder Kunde ist schliesslich immer der richtige Sexualpartner, auch wenn die Chemie auch ebensooft stimmt.

@ Marc Of Frankfurt: Im Hochgefühl eine weitere Stunde verkaufen: coole Idee. Und wie macht man das denn?:-) Einfach fragen ob er noch bleiben will, Massage, Gutenachtgeschichte anbieten so nach dem Motto?

Das hab ich mich so noch nicht ''getraut'', oder besser gesagt noch nicht die richtigen Worte gefunden.
Ich grüsse Euch!

Svetlana, Natalie, Olivia, Natascha und Gloria-)
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Beitrag von Glorialoa »

Ja, ok. '' Im Hochgefühl eine weitere Stunde verkaufen'':
Da fällt einem ja schon noch das eine oder andere ein..:-)

Gruss G
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friederike
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Beitrag von friederike »

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Glorialoa hat geschrieben:Nicht jeder Kunde ist schliesslich immer der richtige Sexualpartner, auch wenn die Chemie auch ebensooft stimmt.
Das kommt natürlich auch vor, dass man beim Date keinen wirklichen Kontakt findet. Manchmal kommt es überhaupt nicht zu einem Gespräch, dann trennt man sich halt rasch.

Aber das ist eigentlich eher selten. Meist habe ich ein Gefühl wie ein Handwerker, der ein gelungenes Werk betrachtet, oder vielleicht eine Schauspielerin, wenn der Vorhang nach einer guten Vorstellung fällt: ich habe wieder einen Mann erfolgreich befriedigt.

@Marc: eigentlich ist das nicht anders im Bordell, wenn ich danach den nächsten Freier habe. In der vereinbarten Zeit bin ich natürlich für den Kunden da.

Oldboy
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Danach aus Kundensicht

Beitrag von Oldboy »

So wie das Friedrike in ihrem "Eröffnungposting" beschrieben hat, gefällt mir das als Kunde recht gut. Was ich "danach" auch noch gern mag (außer ein wenig plaudern): noch ein paar Minuten gegenseitig streicheln, ganz einfach zärtlich sein.