Defizite in manchen Laufhäusern Work-Life-Balance

Hier können SexarbeitInnen ihren Arbeitsplatz bzw. ihre Arbeitsbedingungen beschreiben. Was erlebt Ihr alles in Eurem Beruf?
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NoraSW
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Defizite in manchen Laufhäusern Work-Life-Balance

Beitrag von NoraSW »

Grundsätzlich sind viele Häuser gut ausgestattet.

Was aber vergessen wird, oft ist ein Haus nur auf das Arbeitsleben der Sexarbeiter/ Innen ausgerüstet. Über das private Leben wird da nicht nachgedacht.

Man braucht ausreichend Schränke, um seine privaten Sachen zu verstauen.

Es gibt oft keine Küche oder Aufenthaltsraum für die Kollegen/ Innen. Soziale Kontakte sind wichtig für die Work-Life-Balance.
8,10 oder 12 Stunde alleine im Zimmer sitzen ist einfach nicht gesund.

Eine Waschmaschine für das Waschen privater Sachen ist wichtig. Viele Häuser liegen abgelegen und bieten keine Möglichkeit zu einem Waschsalon zu gelangen.

Besteck, Geschirr sollte zur Verfügung gestellt werden. Meinetwegen auch gegen eine kleine Kaution, aber es sollte da sein.
Die Möglichkeit zur Lagerung der Sachen ohne Zugriff Dritter, wenn man ein paar Tage auf Urlaub/ nach Hause fährt und dann wieder anreist, ist ebenso wichtig.

Es wird oft vergessen oder ignoriert, dass viele Sexarbeitende in den Häusern temporär wohnen.
Wo man wohnt braucht es einen Mindestanspruch an Lebensqualität.
Ich bin der Überzeugung, dass diese Punkte erfüllbar sind ohne massive Mehrkosten ( außer der Aufenthaltsraum) und aber eine massive Stärkung der Lebensqualität Sexarbeitender bedeutet.
Dieser Job braucht auch einen Ausgleich zwischen Arbeit und Privatleben, wie jeder andere Job.

Nur ein Denkanstoß
Beste Grüße
Nora

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friederike
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Re: Defizite in manchen Laufhäusern Work-Life-Balance

Beitrag von friederike »

Liebe Nora,

was Du schreibst, ist sicherlich allzu oft zutreffend: viele Läden sind unzureichend ausgestattet hinsichtlich der Aufenthaltsräume, der Küchen, der Ablagen und Schränke.

In Deutschland hat der Gesetzgeber mit dem Prostituierten-Schutz-Gesetz (ProstSchG) vor fünf Jahren das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und verboten, dass die Prostituierten in den Läden ("Prostitutionsstätten" in der Behördensprache) übernachten, in der vielleicht wohlmeinenden Absicht, für "private Rückzugsmöglichkeiten" zu sorgen. Ein genehmigtes Bordell darf also gar nicht zulassen, dass die Sexarbeiterinnen dort temporär wohnen.

Das ist nun ein geradezu klassisches Beispiel dafür, dass "gut gemeint" nicht gleichbedeutend mit "gut" ist. Einige große Häuser können es sich leisten, in der Nachbarschaft akzeptable Wohnmöglichkeiten anzubieten, aber für den Großteil der Betroffenen ist diese gesetzliche Bevormundung nachteilig. Die Möglichkeit, kostengünstig und bequem im Haus zu übernachten, ist eine Erleichterung, vor allem, wenn die Ausstattung gut ist, so wie Du es beschreibst. Und oft ist es keineswegs angenehm, nach der Arbeitszeit in finsterer Nacht mit Bargeld auf den Heimweg geschickt zu werden.

Die Gesetzgeber haben sich in seltsame Phantasien über den Alltag von Sexarbeiterinnen und einen Weltverbesserungsrausch hineingesteigert. Die Anregungen und Kritikpunkte der Betroffenen und ihrer Verbände haben sie hochgemut beiseite gefegt. In ihrer Regelungswut haben sie sich gar nicht vorstellen können, dass sich Sexarbeiterinnen ihr Privatleben selber organisieren können, etwa indem sie, was viele ja so gemacht haben, ein paar Tage pro Woche in einem (oft abgelegenem) Laden arbeiten, um dann nach Hause zu fahren.

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violet
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Re: Defizite in manchen Laufhäusern Work-Life-Balance

Beitrag von violet »

Ich hab diesbezüglich auch schon einiges erlebt. Zuletzt ein Zimmer das so hellhörig war, dass man auf der einen Seite vom Raum die Fußgänger am Gehsteig reden hören konnte und auf der anderen Seite war nur eine dünne Tür zum Gang wo gleich die Eingangstür war. Natürlich alle Fenster abgeklebt, also 1 Woche ohne Tageslicht, dafür mit Lärm. Eingangstür auf-zu, auf-zu, auf-zu,... reden am Gang... Fahrgeräusche von der Fahrbahn... Meine Kunden waren auch wieder wenig begeistert von der Umgebung, weil es dabei schwierig ist sich aufs wesentliche zu konzentrieren.

Oder einige Wochen davor ein Zimmer in einem Haus in Oberösterreich wo die 'Chefin' recht seltsame Hausregeln aufgestellt hat und bspw. die Rauchpausen streng reglementiert hat. WC gab es dafür leider nur am Gang.

Immer noch besser als das Zimmer in einem anderen Haus im Keller wo man beim Öffnen der Fenster zum Lichtschacht allerhand kleine achtbeinige Freunde aus nächster Nähe beobachten konnte.

Die Liste ließe sich fortsetzen, grundsätzlich sehe ich das Problem darin, gezwungen zu sein ausschließlich in bewilligten Bordellbetrieben (also meist Laufhäuser) arbeiten zu müssen.

Eine einfache kleine saubere Wohnung wäre oftmals um so vieles besser als das was in den Laufhäusern für eine Tagesmiete von rund 100€ (oft auch mehr) pro Tag angeboten wird.

Es besteht oft kein Interesse von den Betreibern Verbesserungen durchzuführen. Wozu auch? SexarbeiterInnnen müssen sowieso in diesen Zimmern arbeiten wenn sie arbeiten wollen.

Wie dem auch sei, auch ich hätte vieles das ich mir wünschen würde.

Eine Möglichkeit zu schlafen ohne in der Früh mit Rücken- und Hüftschmerzen aufzuwachen weil der Lattenrost durch ein Holzbrett ersetzt wurde. Ein Zimmer ohne zugeklebte Fenster, dafür mit Tageslicht. Mir persönlich wäre es auch wichtig, dass nicht alles nach kurzer Zeit nach Rauch riecht, weil im Zimmer geraucht wurde.

LG,
violet
~~~ Am Rande des Abgrunds ist die Aussicht sehr gut ~~~

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deernhh
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Re: Defizite in manchen Laufhäusern Work-Life-Balance

Beitrag von deernhh »

Och Mensch, liebe violet,

das tut mir leid, dass Du unter erschwerten Bedingungen, die Du oben beschrieben hast, arbeiten und nachts schlafen musst.

Das ist das Ärgerliche, dass die Betreiber wenig oder kein Interesse haben, dass die SW sich wohl fühlen, weil die Betreiber denken, sie sitzen am längeren Hebel und es ausnutzen, dass man leider gezwungen ist, mangels Möglichkeiten in diesen Laufhäusern zu arbeiten.

Ich denke an Dich, liebe violet.

Liebe herzliche Grüße von deernhh

straponlady
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Re: Defizite in manchen Laufhäusern Work-Life-Balance

Beitrag von straponlady »

Ich habe dieselbe Herausforderung in Graz. Deswegen mach ich hauptsächlich Hausbesuch. Die Laufhauser in denen ich war, haben hellhörige und ungemütlich Zimmer. Ich wohne in der Nähe und muss glücklicherweise nicht dort übernachten. Ist auch nicht barrierefrei, und ich hab ab un zu Kunden mit Beeinträchtigung. Die besuche ich. Dusche usw lässt zu wünschen übrig. Ist allgemein lieblos und kaum Tageslicht. Ich lege nich Meditationsmusik auf damit ich und die Kunden entspannen können...