Ich informiere ja hier sehr viel, was in Hamburg in und um den Kiez passiert. In den Koepfen der "Nicht-Hamburger*innen" und Tourist*innen besteht Hamburg wohl nur aus der Reeperbahn, die auch noch polarisiert.
Ich habe nur vermittelt, dass auf der Reeperbahn die Prostitution sich um die Haelfte reduziert hat, es nur noch wenige, um genau zu sein, 2 Laufhaeuser und die Herbertstrasse gibt, wo die Geschaefte heute mau laufen und es fast nur noch Glotzer gibt und die Damen, ueberwiegend Dominas ihre Arbeitsplaetze weg von der Herbertstrasse woanders in Hamburg gesucht und evtl gefunden haben, und der Strassenstrich an der Davidstrasse, wo SW nur von 22 bis 6 Uhr ihre Dienste anbieten duerfen.
Alles andere wie z.B. der Steindamm ist heute Sperrgebiet.
Heute ist ueberwiegend die junge Sauf-Generation und Jungesellenfeier-Generation, die sich an tausenden Kiosken mit Alkohol eindecken, statt in die urgemuetlichen Gaststaetten mal reinzugehen, unterwegs.
Die alten Geschaefte, wie z.B. die Kondomerie oder das Schuhgeschaeft oder Hundertmark mit Jeans und Westernartikeln gibt es nicht mehr.
Deshalb meine Berichte oben.
Den Leuten wird so das Reeperbahn-Klischee in ihren Koepfen zertruemmert.
Heute findet die hauptsaechliche Prostitution eher versteckter in ganz Hamburg verteilt statt.
Um noch mal auf Deinen Satz zurueckzukommen:
Bin schon fast beleidigt.
Koennte ja auch sagen: "All das ist nicht untypisch in Berlin." Auch in Berlin gibt es typische Prostitution wie am Tiergarten und Rockergruppen.
Das mit Hells Angels habe ich eher nur fuer die SW informiert, damit sie, wenn sie dort ein Zimmer mieten wollen, nicht unter der Fuchtel von denen stehen.
und leider auch Wasser auf die Mühlen der SW-Gegnerinnen.
Das weiss ich, und das war mir in diesem Moment so herzlich egal.
Hauptsache, ich habe viel ueber Hamburg berichtet, das Reeperbahn-Klischee etwas korrigiert und so.
Oder wollen denn die SW die besoffene Kundschaft, wie oben beschrieben, bedienen, die Geiz geil finden, beim Alkohol an den Kiosken und wohl auch bei Sexdienstleistungen?
Naja, wie auch immer.
Klar sind manche Berichte Futter für GegnerInnen. Jedoch sollten wir uns davon nicht zu sehr beeinflussen lassen. Wir wiesen damit auch auf Zustände bzw. Auswüchse auf, die eigentlich unsere Forderungen unterstützen, da sie die Lösung darstellen.
Je mehr Selbstbestimmtheit der SexarbeiterInnen durchgesetzt werden kann, desto weniger haben manche Typen bzw. Randerscheinungen Platz. Die Branche aus diesen Bereichen herauszuführen heißt auch, dass wir diese Zustände aufzeigen und zur Kenntnis nehmen wollen. Wir treten für Selbstbestimmung ein und somit auch für weniger Fremdbestimmung, sei es durch den Staat, oder auch durch eventuell lauernde AusbeuterInnen. Verbote sind keine Lösung - Regulierung von SexarbeiterInnen um sie vor Ausbeutung zu schützen noch weniger. Rechte sind die einzig wirksame Antwort auf Unrecht.
Alles unter einem Dach: Im 1. und 2. Stock dieses Gebaeudes liegt ein Puff, im 2. Stock gegenueber ein russischsprachiger Hort fuer Kinder Foto: Andreas Costanzo
Von Charlie Walter
22.09.2018 - 9:47 Uhr
Hamburg - IST HIER BALD RUHE IM PUFF?
In einem kleinen Gewerbegebiet am Marschnerstieg befinden sich ein Bordell und ein russischsprachiger Hort fuer Schulkinder Tuer an Tuer.
Das Treppenhaus des Gebaeudes: rechts unten und links oben Puff, rechts oben Hort Foto: Andreas Costanzo
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Doch jetzt die Wendung: Der Sex-Laden ist offenbar illegal!
Der Bebauungsplan "Barmbek-Sued11" verbietet naemlich "Bordelle und bordellaehnliche Betriebe" in der Umgebung. Daniel Gritz (48) vom Bezirksamt Nord: "Wir sind im Hinblick auf die nicht genehmigte Nutzung bereits taetig geworden und haben eine Verfuegung erlassen."
Reichlich spaet. Schliesslich eroeffnete das Bordell bereits 2008, sagt Betreiberin Julia, die ihren vollen Namen nicht verraten will ("Ich fuehre ein buergerliches Leben"). Das Freudenhaus ist im Internet zu finden und sorgte 2015 fuer acht Polizeieinsaetze.
Warum wird die Behoerde erst jetzt aktiv? Dazu will Bezirkssprecher Gritz nichts sagen: "Es handelt sich um ein laufendes Verfahren." Auch die Puff-Betreiberin moechte sich dazu nicht aeussern.
2016: Weil es im Bordell brannte, rueckte die Feuerwehr an Foto: Thomas Knoop
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Bleibt die Frage, wer zuerst kam: Bordell oder Hort? Laut Kita-Leiterin Alla Sytnik (47) zogen die Prostituierten drei Monate nach ihr ein. Doch BILD liegt der Mietvertrag der Kinderbetreuung vor. Darin steht: "Der Mieter hat darauf verzichtet zu beanstanden, (...) dass auf demselben Geschoss links ein Studio fuer MS-Praktiken besteht." MS ist vermutlich ein Tippfehler und soll SM ("Sado-Maso") bedeuten.
Bordell-Chefin Julia: "Die Leiterin hat meine Raeume gesehen. Es hat sie keiner gezwungen hierher zu ziehen."
Fest steht jedoch: Der Bebauungsplan verbietet nur Bordelle. Kinder-Horte sind erlaubt.
Das könnte dann spannend werden, wenn der Behörde eine aktive Duldung des Bordells nachgewiesen werden könnte. Eine rein passive Duldung reicht nicht aus. Außerdem wäre es ja auch interessant, wenn die Betreiberin mittlerweile eine Erlaubnis nach dem ProstSchG hätte. Halte uns gerne weiter unterrichtet, liebe @deernhh
21.10.18, 07:02 Uhr
CARSTEN MAREK
DER KIEZ-PATE PACKT AUS
Von Thomas Hirschbiegel >
Mathis Neuburger >
Carsten Marek galt einst als "Koenig von St. Pauli". Foto: Florian Quandt
Ein Richter nannte ihn einmal den "Vorstandsvorsitzenden" einer Gruppe von "nicht unbedingt ehrbaren Hamburger Kaufleuten". Gemeint ist Carsten Marek. Mehr als 30 Jahre lang war der 58-Jaehrige auf dem Kiez eine grosse Nummer. Zeitweise kassierte seine 80-koepfige Zuhaelterbande "Hamburger Jungs" 120 Prostituierte ab. Heute ist Marek Chef des Gross-Bordells "Babylon" in Hamm. Die MOPO sprach mit Marek ueber seinen Werdegang vom Klempner-Lehrling zum Kiez-Koenig.
MOPO: Herr Marek, wie sind Sie im Rotlicht gelandet?
Carsten Marek: Ueber den Kampfsport bei "Nippon" in der Gilbertstrasse, wo viel "Milieu" trainierte. Dort hab' ich die Jungs vom Kiez kennengelernt. Und irgendwann hat man mich gefragt, ob ich Wirtschafter im Eros-Center werden moechte.
Davor haben Sie eine Lehre als Klempner gemacht. Haben Sie ueberhaupt als Handwerker gearbeitet?
Kurz, ein halbes Jahr. Daecher geklebt und so, als Subunternehmer. Das hat nicht so hingehauen.
Zu schlecht bezahlt?
Das auch. Wir hatten oefter Auftraege auf dem Kiez. Neue Klos einbauen zum Beispiel. Da habe ich gemerkt, wie viel Geld da im Umlauf ist. Wenn man einen Klokasten abreissen musdte, fand man dahinter immer dicke Knete, weil die Frauen das Geld da bunkerten.
Hinterm Klokasten?
Oder oben drin.
Und das haben die Klempner mitgenommen?
Jo, wenn wir da renoviert haben - wusste ja keiner und das Geld war ja mehr oder weniger herrenlos.
Also sind Sie gleich in diese lukrative Branche gegangen?
Mit 18 bin ich auf den Kiez gekommen, aber das ging alles nicht so schnell, das dauert ja seine Zeit. Bis man dort akzeptiert wird, muss man lange verkehren. Also 1978 oder 79 fing das richtig an.
1981 gab's die ersten Morde auf dem Kiez, die Pinzner-Anschlaege. Waren Sie im Visier des St.-Pauli-Killers?
Wie lange ist das jetzt her?
35 Jahre, keine Sorge, ist alles verjaehrt.
Na gut. Der Pinzner hat ja den Waldi Dammer und Ralf Kuehne (Anm. der Red.: Zuhaelter der Nutella-Bande) erschossen. Danach haben sich alle verpisst, nach der Schiesserei hatten wir alle die Hosen voll. Spaeter hatte ich die Moeglichkeit, das P1 im Eros-Center zu uebernehmen.
Vom Wirtschafter zum Etagen-Besitzer - ein steiler Aufstieg ...
Ich hatte keine Wahl. Mir wurde ein Angebot gemacht und ich hatte zehn Minuten Zeit zu ueberlegen.
Wer macht so ein Angebot?
Tommy Born. Er sagte : "Pass auf, wenn nicht: Mund abputzen und verpissen!" Also musste ich den Puff uebernehmen. Es wurde ein Preis festgelegt und den musste ich abdruecken. Ohne Verhandlungen oder irgendwas. Die haben mich ziemlich unter Druck gesetzt.
Hatten Sie Bammel, als Sie sich entschieden?
Ja, klar. Ich war sehr stolz, dass ich auserkoren wurde, aber es war ja auch nicht immer alles ganz gerade frueher. Man wusste ja nicht, ob die Leute immer korrekt sind. Die jungen Burschen sind oft abgezogen worden.
Bei Ihnen lief es anders. Um die Jahrtausendwende waren Sie der Groesste auf dem Kiez. Zeitweilig sollen bis zu 100 Mann auf Ihr Kommando gehoert haben, genannt die "Marek-Bande" bzw. "Hamburger Jungs". Wie wurden Sie zum Chef der groessten Gang auf dem Kiez?
Naja, was heisst Gang und was heisst Chef? Ich war der, der respektiert wurde. Das hatte sich so entwickelt. Ich kannte aus der Sportschule super Jungs, die sauber waren und mit mir auf einer Wellenlaenge. Die habe ich nach und nach in Positionen gebracht, dadurch wurden die Luecken wieder gefuellt.
Andere haben auch versucht, Gruppen zu bilden. Da hat es meist Aerger gegeben, Schiessereien und Gewalt. Sie hatten 20 Jahre Ruhe...
Ich habe jedem gesagt: Nie was mit aggressiven Auslaendern machen! Und immer um den eigenen Kram kuemmern - ausser wenn Leute das Geschaeft stoerten, etwa die vielen Dealer. Dann haben wir die mal zum Nachdenken gebracht...
So ueberlebt man auf dem Kiez?
Ja, und aufpassen, dass die Leute nicht zu viel Scheisse bauen.
Daran sind ja die meisten gescheitert. Sie haben da 100 Muskelmaenner. Wie verhindert man, dass die "Scheisse bauen"?
Indem man ihnen auf die Loeffel haut, ich bin Kampfsportler! Nein, das war bloed ausgedrueckt. Es gibt Regeln: Keine Drogen etwa. Bei Verstoessen ist man nach dem dritten Mal rausgeflogen. Selbst bei Alkohol.
Das ging alles gut bis 2005. Da kam es zu einer Schiesserei in der Naehe der Herbertstrasse zwischen Ihren "Hamburhger Jungs" und konkurrierenden Zuhaeltern. Diese Ballerei, wie sehen Sie das im.Rueckblick?
Natuerlich geht so etwas nicht. Unabhaengig davon, dass die Sache (Hamburger Jungs) ungeklaert ist. Aber waere das nicht kurz vor der Fussball-WM gewesen, haette es nicht solche Wellen geschlagen.
Vor Gericht ging es dann glimpflich fuer Sie aus...
Es gab zwei Verfahren. Mit der Schiesserei hatte ich absolut nichts zu tun, ich war gar nicht in Hamburg. Beim zweiten Verfahren ging es um "U21" (Anm. der Red.: Zuhaelter und Bordellbetreiber machen sich strafbar, wenn sich unter 21-Jaehrige bei ihnen prostituieren.) Aber in meinem Laden war nicht eine Frau unter 21!
Wie lange waren Sie in U-Haft?
13 Monate.
Und dann nur Bewaehrung bekommen. Wie hat die Zeit im Knast den Kiez veraendert?
Dann saehe es wahrscheinlich auf dem Kiez ein bisschen anders aus. Ich will nicht eingebildet sein, aber in diesen 13 Monaten hat sich einiges zum Negativen veraendert.
Naemlich?
Die Clique hat Schaden genommen. Und es gibt Leute, die denken, man ist fuenf oder sechs Jahre weg, und wollen daraus einen Vorteil ziehen. Und natuerlich haben die Auslaender dort, wo vorher ein gesunder Ausgleich war, die Oberhand gewonnen.
Der Koenig war weg und alle haben die Chance genutzt?
Ist ja normal. Aber ich sehe mich nicht als Koenig. Ich war froh, dass noch alles da war. Aber es gab viel Gezerre und Verteilungskaempfe. Dann kommt man raus aus dem Gefaengnis und will erst mal seine Ruhe...
22.10.18, 06:25 Uhr
CARSTEN MAREK
DER KIEZ-PATE PACKT AUS - TEIL 2
Von Thomas Hirschbiegel >
Mathis Neuburger >
Hausbesuch im "Babylon" - die MOPO zu Gast bei Carsten Marek Foto: Florian Quandt/
[.....]
Hier Teil 2 des Interviews
Es gab eine Geschichte in der "Bild" mit der Ueberschrift: "Eine Marek-Hure packt aus". Die Frau zeichnete ein brutales Bild von Ihrer Organisation. Es war sogar von Folter die Rede. Sind Sie ein Frauen-Ausbeuter gewesen?
Nein, zum Muellrausbringen lasse ich mich nicht schicken. Wenn man ein richtiger Mann ist und was auf sich haelt, dann gibt es Regeln. Im Geschaeft wie in einer Beziehung. Wenn ich sage, ich moechte das und das haben und ich merke: Es klappt nicht - dann kann man's gleich lassen. Ich und die Frau auch. Das gibt sonst nur Stress und Nervereien. Ich habe es den Frauen immer schon an den Augen angesehen, ob es klappt. Und so habe ich es auch immer versucht, den Jungs beizubringen.
Carsten Marek (l.) mit den MOPO-Redakteuren Mathis Neuburger (r.) und Thomas Hirschbiegel Foto: Florian Quandt/
Also keine Gewalt?
Keinen Stress. Klar ist es auch in der Ehe so: Wo gehobelt wird, fallen Spaene. Aber wenn einer meiner Maenner und eine Prostituierte Stress hatten, habe ich ihnen verboten, das im Laden zu klaeren.
Eine klare Distanzierung von Gewalt klingt anders. Die Frauen haben ja damals vor dem Knast fuer Ihre Freilassung demonstriert. Haben die das freiwillig gemacht?
Ja, ich hab' aber davon nichts gewusst. Das hat uns erst der Richter erzaehlt. Sie haben gesagt, der Kiez saehe anders aus, wenn Sie nicht 13 Monate weg gewesen waeren. Was seit 2015 passiert ist, was sich alles veraendert hat, ist meiner Meinung nach sehr dramatisch.
Wieso seit 2015?
Na, mit den Fluechtlingen und dem Mangel an Respekt vor den Frauen und den Drogen. Frueher sind junge Maedchen mal auf den Kiez gegangen, jetzt wollen viele so spaet nicht mehr U-Bahn fahren,
Ein Ex-Zuhaelter als Moralwaechter und Kaempfer fuer Frauenrechte? Klingt komisch. Ausserdem boomt der Kiez, ist jedes Wochenende voller Menschen, und natuerlich kommen auch viele Frauen.
Eine Amuesiermeile war das immer, aber frueher war es viel nievauvoller.
Mareks Bordell "Babylon" Foto: RUEGA
Hat der Kiez, wie wir ihn kennen, noch eine Zukunft?
Kommt drauf an, was die Politik macht. Ich hoffe, das neue Prostitutionsgesetz hilft. Man sollte darauf achten, dass alle Leute ihre Steuern zahlen.
Ist der Kiez ohne Milieu denkbar?
Schwer zu sagen, Fakt ist: Es wird immer weniger Rotlicht - irgendwann ist da eine kritische Groesse erreicht.
Sie sind mit der "Ritze" jetzt ja auf dem Kiez in der Gastronomie zurueck.
Und mein Einstieg da war furchtbar. Die Ecke ist verseucht gewesen. Im Gang vor dem Laden, da wurde hingeschissen, hingepisst, da wurden Drogen genommen. Als ich versucht habe, das auf meine Art zu regeln, kam gleich die Polizei: "Das geht so nicht!"
Sie haben den Leuten Schlaege angedroht?
Nein, nicht so. Aber ich habe dafuer gesorgt, dass die "Pizzahut"-Muelltonnen wegkommen, weil diese Leute sich da die Pappen rausgenommen haben, um darauf zu schlafen. Und ich habe alles mit Reinigungsmitteln bearbeitet. Wenn im Sommer die Olivia Jones da vorbeikam, mit Riesengruppen, das hat da gestunken - pervers!
Ist das eine Zukunft des Kiezes? Olivia Jones kommt mit Gruppen vorbei und erzaehlt, wie aufregend alles mal war?
Tja, es aendert sich alles rapide. Die Billig-Kioske sind ein Riesenproblem. Das ist wirklich toedlich fuer die Gastronomie.
Carsten Marek bei seiner Verhaftung im Jahr 2005. Spaeter wurde er wegen Menschenhandels zu einer Brwaehrungsstrafe verurteilt. Foto: ANDRE ZAND-VAKILIFTH
Sie waren ja mal jemand, den man den "Koenig von St. Pauli" nannte. Gibt es da heute Nachfolger?
Ich war das nicht, ich habe das nie gesagt.
Wer hat denn das Sagen auf dem Kiez?
Es gibt da ein paar Gruppen. Aber so richtig das Sagen...
...hat niemand, seit Carsten Marek weg ist?
Es gibt schon einige, deren Wort Gewicht hat.
Und wie laeuft es im "Babylon"?
Das letzte Jahr war ganz schlimm. Wir haben auf einmal Grundsteuer fuer fuenf Jahre nachzahlen muessen. Dann kam G20. Staendig Absperrungen, Riesen- Einbussen! Dann Ramadan - wieder war hier Totentanz.
Der normale Gast ist ja vermutlich ein Mann und will hier Sex. Was kostet der?
Die Frauen sind ja selbststaendig, aber in der Regel 60 Euro.
Der Einstiegspreis...
Ja, ja.
Nach oben gibt's keine Grenzen?
Nein, das kommt auf die Frau an. Damit haben wir nichts zu tun, die Frauen sind ja selbststaendig.
Nun stand neulich in der Zeitung, dass Sie Aerger mit der Steuer haetten. Stimmt das?
Nein.
Kein Ermittlungsverfahren? Alles sauber? Die Razzia ging auch gar nicht gegen Sie, wie wir geschrieben hatten?
Nein. Na, man weiss ja nie, vielleicht hatten Sie ja eine andere Info.
Geht jemand wie Carsten Marek auch mal in Rente?
Vielleicht mal mit 60.
Die beruehmte Domenica stand mal lange unter der Fuchtel von Carsten Marek. Sie hat sich von ihm frei gekauft und hasste Carsten Marek, weil sie immer so viel Geld aus ihrem Verdienst an ihn abgeben musste. Domenica hat ueberhaupt alle Zuhaelter gehasst, auch im Namen aller Sexarbeiterinnen.
Die "moralische Lauterkeit" des Herrn Marek kommt ja bestens zur Sprache - durch ihn selbst !!!:
"? Davor haben Sie eine Lehre als Klempner gemacht. Haben Sie ueberhaupt als Handwerker gearbeitet?
- Kurz, ein halbes Jahr. Dächer geklebt und so, als Subunternehmer. Das hat nicht so hingehauen.
? Zu schlecht bezahlt?
- Das auch. Wir hatten öfter Aufträge auf dem Kiez. Neue Klos einbauen zum Beispiel. Da habe ich gemerkt, wie viel Geld da im Umlauf ist. Wenn man einen Klokasten abreissen musste, fand man dahinter immer dicke Knete, weil die Frauen das Geld da bunkerten.
? Hinterm Klokasten?
- Oder oben drin.
? Und das haben die Klempner mitgenommen?
- Jo, wenn wir da renoviert haben - wusste ja keiner und das Geld war ja mehr oder weniger herrenlos."
Diesen Ausschnitt fand ich auch bezeichnend. Sehr schön auch zum Thema Gewalt gegen Frauen "wo gehobelt wird, da fallen Späne" aber Hauptsache dass Ganze findet nicht im Laden statt, sondern hübsch draussen vor der Türe...
Trotzdem Danke fürs einstellen! Mich erinnern diese Portraits immer wieder daran wieso manche Menschen einfach nicht meine Welt sind.
liebe grüsse malin
eventuell fehlende buchstaben sind durch meine klemmende tastatur bedingt :-)
Mich erinnern diese Portraits immer wieder daran wieso manche Menschen einfach nicht meine Welt sind.
Kann ich sehr gut nachvollziehen. Wenn ich im Zuge meiner Tätigkeit mit BetreiberInnen zu tun habe denke ich oft, dass ich einem Museum mit Livedarstellung bin - Manche Leute tragen eine Fülle von Klischees vor sich her um die eigene Tätigkeit als "normal" zu erklären.
Und genau dieser Menschenschlag ist das Übel unserer Branche. Die Medien stürzen sich darauf, machen Sex and Crime Dokus und Otto bzw. Ottielie Normalverbraucher glaubt, das wäre die Realität für Alle - und das muss man dann halt regulieren oder sogar verbieten.... Ich merke es oft, wenn ich mit StudentInnen unterwegs bin, welche an Arbeiten zum Thema schreiben, wie fasziniert sie davon sind wie unspektakulär meine Tätigkeit ist - weil eben derlei Typen wie oben porträtiert nicht das Sagen haben, eben nicht die Norm sind.
Klar gibt es sie noch und dagegen muss man etwas tun. Aber Regulierung der Anderen, oder noch schlimmer Kriminalisierung der ganzen Branche ist das völlig falsche Mittel dagegen. Stärkung der Rechte von SexarbeiterInnen um sich zu Wehr setzen zu können, wenn es notwendig ist.
Ich werde immer wieder gefragt, welche Gesetze es benötigen würde, damit die Stellung von SexarbeiterInnen verbessert werden könnte.... Meine Antwort ist: Keine! Es müssten nur die Paragraphen welche für Alle gelten, sowie die daraus resultierenden Rechte überall angewendet werden - ohne Sondergesetzgebung.
Die Gesetzgebung ist ziemlich klar (auch international gesehen)
Du darfst nicht verletzen, ausbeuten, erpressen, nötigen, vergewaltigen, gefährden usw.... gilt für Alle!
Damit wären sämtliche möglichen Übel, welche nicht nur, aber auch, SexarbeiterInnen treffen könnten abgedeckt...
Um jetzt SexarbeiterInnen zu schützen (so wie jede andere Person in der Gesellschaft) bedarf es keiner Registrierung, Zwangsuntersuchung und schon gar keiner ausufernden Kontrollen. Man müsste halt Ausbeutung und auch jeglichen Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung genauso verfolgen wie bei Otto und Ottilie. Was aber nicht geschieht. Sonst wären zum Beispiel etliche "Mieten" nicht möglich bzw. strafbar - Mietwucher ist eindeutig geregelt. Warum gilt er nicht bei Laufhaus und Co? Die Werbung auf der Webseite des Etablissements kann extra verrechnet werden - aber auch hier mit entsprechendem Preis-Leistungsverhältnis.
Da gäbe es noch einige Beispiele.... Wenn man das bewusst und konsequent umsetzen würde, so würden diverse Typen aus der Branche völlig verschwinden (müssen). Bis dahin ist aber noch Einiges zu tun - vor Allem den Kampf um Rechte von SexarbeiterInnen fortzusetzen und auch Aufklärungsarbeit zu leisten
Liebe Grüße
christian
Um Missverständnisse zu vermeiden: Ich bin dafür derartige Berichte hier zu posten! Solange sie nicht unkommentiert bleiben, also nicht unwidersprochen sind, ist das meiner Meinung nach, absolut in unserem Sinn!
Klar ist der Beitrag nicht angenehm und man kann nur den Kopf schuetteln.
Es wurde ja auch viel ueber Abolitionistinnen berichtet.
Jetzt wurde mal eben ein (Ex)Zuhaelter interviewt, was selten ist. Und das habe ich eben nun mal eingestellt, einfach weil ich nur informieren wollte, was rechts und links ebenso wie in der Mitte ueber Sexarbeit resuemiert wird. Und ich denke mal, wir im Forum sind alle in der Lage, Sex and Crime und Realitaet zu unterscheiden.
Man kann aus der sehr einfachen und stussigen Antwort-Ausdrucksweise des Herrn Marek erkennen, wie stupide sein Charakter und seine Lebensauffassung ist.
Recherchiert wurde bereits Mitte 2016, aber der Artikel erschien erst vor einem halben Jahr im Netz, ist aber dennoch lesenswert, aktuell, amuesant, traurig, lustig. Viel Spass!
18. April 2018
Rotlicht, Rocker und Romantik
REEPERBAHN - HAMBURGS MAGISCHE MEILE
Wenn morgens die letzten Gestalten zur U-Bahn wanken, ist wieder eine grossartige Nacht auf der Reeperbahn zu Ende gegangen: unterwegs mit den Menschen, die das Viertel zum Mythos machen.
Von Andrea Ritter, Kuno Kruse und Nora Gantenbrink
"Sensationen und Katastrophen, Entdeckungen und Erfindungen, Praesidentenwahlen und Modenschauen, Autorennen und Filmbaelle" - stern-Gruender Henri Nannen versprach schon in den Anfangsjahren unseres Magazins, das pralle Leben zu zeigen. Daran hat sich auch nach 70 Jahren nichts geaendert, stern-Reporter suchen nach dem Kleinen im Grossen und dem Grossen im Kleinen. Mal in weiter Ferne, mal fast vor der eigenen Haustuer wie in der Reportage "Reeperbahn - Hamburgs magische Meile" aus dem Jahr 2016. Sie erzaehlt von Deutschlands bekanntestem Amuesierviertel, von seinem Mythos und seinen Machtkaempfen, von kaeuflicher Liebe und schummrigen Kneipen, von Kiezgroessen und Kleinganoven. Sie erzaehlt: vom prallen Leben.
"Wenn der Dreck zu Mist wird", sagt Werner, "will er gefahren werden." Was das genau heissen soll, wisse er auch nicht, einerseits. Andererseits passe der Satz auf alles Moegliche, auf Menschen, auf das Alter, auf die Zustaende, deswegen sei er ja so gut. Werner hat graue Haare und seinen eigenen Blick auf das Leben. Er ist schlau wie eine Katze. Er sagt: "Der Antrieb fuer alles hing schon immer zwischen meinen Beinen." Werner, frueher "Werner der Ficker" genannt, ist ein guter Gespraechspartner, wenn es um die Reeperbahn geht. Er hat sie gelebt. Lebt sie noch immer. Wenn auch, so muss man.es wohl sagen, inzwischen als Ficker im Ruhestand.
Schnell und viel erzaehlt er von frueher, vom "Vagabund", seinem Laden am Hans-Albers-Platz. Werner war Zuhaelter, spezialisiert auf Frauen mit grossen Bruesten. Damals in den Siebzigern, als Joe Cocker vorbeikam, mit einem duerren Model an jeder Hand, und Joerg Immendorff, der Maler, mit Saecken voll Geld und Koks. Er erzaehlt vom "Club 88", wo der DJ einmal blutend auf dem Plattenspieler lag, weil er es versaeumt hatte, dieses Lied zu spielen, das irgendein bekloppter Lude immer dann hoeren wollte, wenn er in die Bar einlief wie ein Boxer in den Ring.
Werner hat alle Luden gekannt, die sich damals im Hotel "Domino" in der Talstrasse trafen, und die meisten hat er ueberlebt. Manchmal sieht er noch einen dieser arroganten Fuersten von einst. So wie neulich erst den "schoenen Klaus", dem so viele Maedchen verfallen waren. "Fahl wie eine Leiche lag der auf der Bank", sagt Werner, "die langen Haare, hingen in einer Pfuetze. So ist das. Fuer die Vorstellung von gestern gibt es heute keinen Applaus."
MORGENS SIEHT MAN DIE MOEWEN IN DER KOTZE PICKEN
St. Pauli, Reeperbahn. "Kiez", sagen die Hamburger, "suendigste Meile der Welt", sagt Wikipedia. Die wohl beruehmteste Strasse Deutschlands und die verheissungsvollste ohnehin. Hafenkraene im orangefarbenen Laternenlicht, Menschen wie Werner und ihre Geschichten, deswegen kommt man hierher. Der Fluss, die Container, das regennasse Kopfsteinpflaster, die ganze grossartige Kaputtheit: St. Pauli war schon immer eine Projektionsflaeche fuer ein anderes Leben, ein Versprechen von Ausbruch und Weite. Man koennte. Man koennte auf ein Schiff steigen und fuer immer verschwinden. Man koennte Sex kaufen oder Drogen oder beides oder Waffen. Man koennte sich in einer dieser Kneipen verlieren und in den Armen wildfremder Menschen ehrlich sein. Man koennte sich pruegeln. Sich verkaufen. Sich verlieben. Mitmachen oder zusehen. Die grosse Freiheit ausprobieren oder die kleine. St. Pauli nachts - das ist Rausch und Katharsis und Suende und Vergebung. Ein Ort, der einen nicht verurteilt. Der einen auf das Wesentliche zurueckwirft. Denn morgens sieht man Schlagermove und "Koenig der Loewen" die Moewen in der Kotze picken.
Die Hauptschlagader, die Reeperbahn, ist 930 Meter lang. Drum herum, auf 800.000 Quadratmeter Kiez, versammeln sich etwa 500 Kneipen, 6 Theater, 4 Museen, ein Dutzend Livebuehnen, ein Wachsfigurenkabinett, unzaehlige Spielhallen, Discos, Sexshops, Sadomaso-Keller, Striplokale, Leihhaeuser, etwa 60 Kioske, 8 Taetowierstuben, 200 Imbissbuden und mindestens 50 Bordelle.
Um Rotlicht und Hurenhaeuser ging es in dem Hafenviertel schon immer - aber nicht nur. Anfang des 20. Jahrhunderts vergnuegten sich in St. Pauli die einfachen Leute, waehrend das gehobene Buergertum an Jungfernstieg und Alster flanierte. Heute kommen alle: 30 Millionen Besucher hat St. Pauli im Jahr. Sie gehen ins Musical, ins "Schmidt" und ins "St. Pauli Theater" und sind doch eigentlich nur ihretwegen hier: der Reeperbahn, ueber die Udo Lindenberg schon 1978 sang, sie sei am Ende, nur noch Kulisse, die Abende teuer. Stimmt natuerlich nicht. Und wenn einer wie Werner erzaehlt, dass frueher alles wilder war, zuegelloser und schoener, dann liegt das ja vor allem daran, dass er selbst schoener war und zuegelloser und wild. Jung eben, und das Leben war eine Party auf Koks.
DANN PLOETZLICH STANDEN DIE ALBANER AUF DER REEPERBAHN
"Zauberpulver", sagt Werner. Seine Generation, die der glorreichen 70er-Jahre-Luden, hat sich damit versenkt. Sass zugedroehnt an den Spieltischen und pokerte. Anfang der Achtziger standen dann ploetzlich die Albaner auf der Reeperbahn, die vom Kosovo und die anderen, uebernahmen den Kiez und lachten sich kaputt. So zumindest die Kurzfassung. Geschichten wie jene ueber den Aufstieg der Osmani-Brueder, die angeblich mit Plastiktueten nach Deutschland kamen und auf dem Kiez Millionen machten, sind in Hamburg beliebt wie legendaer.
Die Frage, wer auf der Reeperbahn die Macht hat, ist ein fester Bestandteil der grossen St.-Pauli-Saga, die seit Jahrzehnten fortgeschrieben wird wie ein kollektiver Roman. Denn ohne das Verruchte, das halb Kriminelle, auch das unterschwellig Gewalttaetige funktioniert der ganz schraege Zauber des Viertels nicht. Und gerade ist der Stoff, den der Kiez liefert, wieder besonders gefragt: Til Schweiger inszeniert in diesem Milieu seine "Tatorte"; Heinz Strunk hat ein Buch ueber den Frauenmoerder Fritz Honka geschrieben, der in den 70er-Jahren in St. Pauli seine Opfer fand; Don Winslow, Bestsellerautor aus New York, laesst seinen neuen Roman "Germany" auch in den Nebenstrassen der Reeperbahn spielen; das "Grossstadtrevier" mimt seit 1986 die Davidwache, eine der erfolgreichsten Fernsehserien.
Und dann ist da noch, kein bisschen langweiliger, die Wirklichkeit.
UNRUHE ERSCHRECKT DIE TOURISTEN UND STOERT DAS GESCHAEFT
Kurz vor Silvester fielen Schuesse auf offener Strasse, das hatte es lange nicht gegeben. Die Zeitungen berichteten von Rockerkaempfen und rivalisierenden Banden. Seitdem sind die Ueberwachungskameras auf dem Kiez wieder eingeschaltet, auch da, wo sie vielleicht die Eingaenge der Puffs erfassen. Es gibt vermehrt Razzien im Milieu, die Polizei hat eine Sonderkommission gegruendet, die Soko "Rocker", und bemueht sich zugleich um Gelassenheit: Revierkaempfe gebe es nicht, keine ernst zu nehmenden zumindest. "Der Kuchen ist verteilt", sagt ein Beamter des Landeskriminalamtes. Aus dem Rotlicht, wo Schuesse und Unruhe bloss die Touristen erschrecken und das Geschaeft stoeren, hoert man dasselbe: Niemand sei an Auseinandersetzungen ueber die Machtverhaeltnisse interessiert. Dennoch, in wilder Schiesserei wurde ein Taxi durchloechert, die Lokalzeitungen riefen den "Rotlichtkrieg in Hamburg" aus. Die Geschichte hinter den Konflikten der vergangenen Monate erzaehlt viel darueber, wie der Kiez funktioniert.
Der Aerger begann, als Albaner-Toni, Kiezlegende und langjaehriger Geschaeftspartner im Dunstkreis des "Eros-Center", seinen Ruhestand vorbereitete. Er wollte sich nach und nach aus dem operativen Geschaeft zurueckziehen und es an seinen Neffen Sefi uebergeben. Ein Generationenwechsel wie in jedem anderen Betrieb auch. Aber das "Eros-Center", eroeffnet in den 60er-Jahren, ist das beruehmteste Laufhaus am Platz: Wer hier bestimmt, sagt man, bestimmt auch auf dem Kiez. Eine verantwortungsvolle Position. Anfangs schien der Nachfolger seine Sache auch ganz gut zu machen. Wollten bulgarische Dealer oder anderes Geschmuecke, das sich vom grossen Organismus Kiez ernaehrt, Aerger machen, rueckte Sefi aus und fuehrte ein normenverdeutlichendes Gespraech.
Sein Onkel, der "Baba", Albaner-Toni, seit Laengerem auch und vor allem in der lukrativen Immobilienbranche taetig, ist noch einer von den Alten, den Gefaehrlichen, die mit der Faust gross geworden sind, mit dem Messer und Geschick. Sein Name haette eigentlich ausreichen sollen, um den Neffen zu etablieren. Sefi, Mitte 40, Typ Andy Garcia, ist keiner, der selbst die Show sucht. Aber wie es aussieht, hat er das mit der Karriere auf dem Kiez wohl vergurkt.
POUSSIEREN ERFORDERT GESCHICK, GELD UND KOMPLIMENTE
Vielleicht hatte er die falschen Freunde - zumindest hingen unter des Neffen Fuehrung schon bald viele Luden im Empfangsbereich des "Eros-Center" herum, kleine Wichtigtuer, deren Selbsteinschaetzung nur von der Hoehe ihres Testosteronspiegels uebertroffen wurde. Ein langjaehriger Weggefaehrte und Freund war Erkan. Ueber den lachen die Koberer noch heute, wenn sie erzaehlen, wie seinem roten Lamborghini einmal mitten auf der Reeperbahn der Sprit ausging. Erkan, der Super-Lude! Ein besonderes Talent allerdings hatte er. "Keiner konnte so gut poussueren wie Erkan", sagt einer seiner Kollegen. "Ich bring dich gross raus", versprach er den Maedchen, "und du dafuer mich."
Mit der Zuhaelterei in diesem Teil des Milieus geht das naemlich so: Man bezirzt eine Frau, ist mit ihr zusammen, weigert sich standhaft, sie - die grosse Liebe! - auf den Strich zu schicken, und macht es dann erst recht. Das heisst Poussieren und erfordert Geschick, Geld und Komplimente. Erkan mietete Wohnungen fuer seine Maedchen und leaste jeder einen Mercedes SLK. Das kam gut an. Bald schon sollen sieben Frauen im "Eros-Center" fuer ihn angeschafft haben, ein gutes Geschaeft.
Doch er fuehlte offenbar weitere Talente in sich. Mit dem Rapper Bozza drehten Erkan und ein paar andere Nachwuchs-Luden ein Musikvideo: Ferrari, Kampfhund, dicke Uhren, dicke Arme - alles drin. "Eros-Center-Gang" nannten sie sich und besangen Albaner-Tonis Neffen Sefi im Gangsta-Style als ihren "Boss, eine lebende Legende", am Ende weht eine albanische Flagge durchs Bild. Das fein ausbalancierte Gleichgewicht der Kraefte auf dem Kiez geriet ins Wanken, denn das Geprotze kam nicht gut an. Bald gab es Aerger mit den Nachbarn von "Paradise Point of Sex". Dann beschwerten sich auch noch betrogene Freier ueber Abzockerei im "Eros-Center" - ein Albtraum fuer das Geschaeft. Dann schoss einer aus der Truppe einem Tuersteher in das Fussgelenk. Kripo, Razzien. Sefi musste sich beim Clubbesitzer fuer seine Bande entschuldigen wie eine Mutti fuer ihre halbstarken Soehne. Nachdem die Jungs der "Eros-Center-Gang" dann auch noch aufeinander schossen (es ging um Frauen und welche fuer wen anschaffte), wurde das Laufhaus im Maerz 2015 erst mal dichtgemacht. Der damalige offizielle Betreiber des Bordells sitzt seither im Knast, Steuerhinterziehung, mehrere Millionen Euro.
Sefi ist abgetaucht, er sei irgendwo auf dem Balkan, heisst es. Und Albaner-Toni? Aergert sich vermutlich noch immer ueber das Ungeschick des Neffen. Der Generationenwechsel ist erst mal grscheitert.
DIE HELLS ANGELS ALS EINE UNANTASTBARE INSTANZ
Es gehoert zu den lustigen Kapiteln der St.-Pauli-Saga, dass es den Rockerkrieg, den man im Milieu mindestens ebenso laestig fand wie Razzien und Steuerfahnder, gar nicht haette gehen duerfen. Jeder in der Branche weiss, dass die Hells Angels eine unantastbare Instanz sind; als Tuersteher, Security im Rotlicht und auf dem Strassenstrich gehoeren die Rocker zum Fundament des Kiez-Gebaeudes. Daran ruettelt man nicht, davon laesst man die Finger, so sehen das alle, die hier Geschaefte machen, so sieht es auch die Polizei.
Jeder sieht das so, nur Erkan nicht, der einstige Super-Lude. Nach seiner Laufhaus-Pleite empfindlich frustiert, traeumte er von einem Comeback als Kiezgroesse. Er heuerte beim Rockerclub "Mongols" an und scharte einige Typen aus seiner alten Gang um sich, die sich - wie er selbst - die Buchstaben "Mffm" ins Gesicht taetowieren liessen: "Mongols forever, forever Mongols". Die angereiste australische Delegation zeigte sich beeindruckt von so viel Engagement. Doch die Mongols fanden ihre Follower eher auf Facebook als auf dem Kiez.
Es folgten ein paar spektakulaere Szenen: Unter Erkans Lamborghini explodierte eine Handgranate, von ihm selbst dort platziert, wie andere Mongols spaeter berichteten, weil so ein Knall die eigene Bedeutung unterstreicht. Die Hells Angels reagierten zunehmend gereizt auf die Stoerenfriede, es kam zu besagter Schiesserei auf der Reeperbahn, bei der das Taxi und zwei der Mongols Schaeden davontrugen.
Ansonsten mussten die Angels wenig tun: Erkan und seine Jungs erledigten sich von selbst. Das Geld aus der Klubkasse war rasch verkokst, die Mannschaft der Mongols veraergert. So sehr, dass die Polizei Erkan schliesslich vorsorglich abholte, er hatte noch eine Bewaehrungsstrafe offen. Wenig spaeter wurden die Hamburger Mongols offiziell aufgeloest. Vorbei war der Rockerkrieg. Zurueck blieben ein paar Jungs mit Tattoos im Gesicht, mit denen man sich auf dem Kiez gerade nicht gut blicken lassen kann.
WER RICHTIG WAR, SICHERTE SEINE STELLUNG MIT IMMOBILIEN
Will man wissen, wer jetzt im groessten Bordell der Reeperbahn die Strippen zieht, landet man bei Mittelsmaennern wie Thorsten Eigner. Er ist der Manager des "Pink Palace", wie das Eros-Center seit der Wiedereroeffnung vor einem halben Jahr heisst. Eigner ist der erste Manager, den das Laufhaus je hatte, einer, der fuer Ruhe sorgt. Sein Geschaeftsfuehrer ist Ivo Hohmann, ein Hotelier aus dem Frankfurter Bahnhofsviertel, man kennt sich von frueher aus dem laendlichen Suedhessen, da kommen beide her. Thorsten Eigner hat nichts dagegen, wenn man sagt, er sehe aus wie Meister Proper, es stimmt ja auch, mit seiner Glatze, seinen Oberarmen, dem Laecheln und dem blitzweissen Poloshirt. Wie der Chlorgeruch in den Fluren des Bordells signalisieren der Manager und sein Hemd: alles sauber hier.
Neuer Betreiber, neue Hausregeln, ordentliche Buchfuehrung: Der "Pink Palace" moechte den zweifelhaften Ruf des Eros-Center hinter sich lassen und praesentiert sich als moderner Arbeitsplatzvermieter fuer freiberufliche Dienstleisterinnen. 100 Euro Miete zahlen die Frauen pro Tag. Sie verdienen etwa 80 Euro fuer eine halbe Stunde, je nachdem, welche Leistung erbracht werden solle, erzaehlt Jackie, die auch sagt, dass sie sehr gern in dem Laufhaus arbeite. Ueberhaupt kaemen die Frauen ueber Mundpropaganda zum "Pink Palace", nicht ueber Zuhaelter. "Eine Luden-Bande gibt es hier nicht mehr", sagt Thorsten Eigner. "Wie sollten die sich denn jetzt auch nennen? Pink-Palace-Gang? Wir sind hier ja nicht in St. Georg." Fuer Auswaertige: St. Georg ist ein bei Schwulen beliebtes Viertel nahe dem Hauptbahnhof.
Die Regeln, nach denen die Macht auf dem Kiez verteilt wird, sind staendigem Wandel unterworfen. Die Aera der Paten, die zigarrerauchend in den verplueschten Hinterzimmern der Puffs ihre Reviere ausbaldowerten, wurde, etwa mit der Ankunft der Albaner in den 80er-Jahren, von Banden abgeloest, die den Kiez nach Nationen aufteilten. Inzwischen ist auch das vorueber. Man hat Interessengemeinschaften gebildet, arbeitet mit denen zusammen, die man lange kennt.
Zu den Kiezgroessen der alten Schule gehoert etwa Carsten Marek, der einst in der Herbertstrasse das Sagen hatte. Auch Albaner-Toni ist wohl im Hintergrund noch aktiv. Wer richtig schlau war, hat seine Stellung mit Immobilien gesichert, wie Burim Osmani, dem angeblich ueber 400 Wohnungen gehoeren. Ein wahres Imperium besitzen die Gebrueder Fraaz, Bauunternehmer und Enkel von Willi Bartels, dem legendaeren "Koenig von St. Pauli", der in den 60er- und 70er-Jahren den halben Stadtteil kaufte. Mit dem luxurioesen "Empire Riverside"-Hotel haben sich seine millionenschweren Erben vor ein paar Jahren einen Turm gebaut: Sie thronen mit ihrer Firma nun im zweithoechsten Gebaeude des Viertels.
AUF ST. PAULI BEGEGNEN SICH WELTEN, DIE HAMBURG AUSMACHEN
Der erfolgreichste Kulturunternehmer auf dem Kiez ist Corny Littmann. Er und seine Theatergruppe "Familie Schmidt" wurden 1988 an der Reeperbahn sesshaft, als es dort vor allem Spielhallen gab und sonst nicht viel. Heute ist das "Schmidt" zu einem der groessten Privattheater Deutdchlands herangewachsen, mit Restaurant, Musikclub und drei Spielstaetten. Den Stoff fuer seine Produktionen finde er noch immer vor der Haustuer, sagt Corny Littmann. In den Haeusern und Nebenstrassen des Viertels versteckten sich genug Geschichten, die etwas ueber das Leben erzaehlten. Trotz steigender Mieten, Luxussanierungen und Touristen-Glitzer gehoert St. Pauli zu den aermsten Vierteln Hamburgs, und manchmal beruehren sich hier die Welten, die die Stadt ausmachen. An Littmanns 60. Geburtstag zum Beispiel, als der Kuenstler Kay Ray Figuren mit seinem Penis formte, waehrend die Senatoren Sekt schluerften.
Fragt man Corny Littmann, wer einem etwas ueber die Amuesierlokale auf dem Kiez erzaehlen kann, sagt er, dass man unbedingt bei Susi und Heinzi vorbeigehen muesse. Die seien schon laenger auf St. Pauli als er.
EIN BIER UND EIN SCHNAPS - MACHT 35 EURO
Susi und Heinz Ritsch betreiben "Susis Show Bar" an der Ecke Reeperbahn, Grosse Freiheit. Heinz Ritsch kam aus Oesterreich nach Hamburg. Ende der 60er-Jahre, wegen der Beatles, er spielte Schlagzeug. Musiker wurde er dann nicht, aber Unternehmer auf St. Pauli. Seit 1979 betreibt er mit seiner Frau Susi Lokale auf dem Kiez, seit 1985 die "Show Bar". Hamburgs erste Table-Dance-Bar - eigentlich ein Unfall, die enge Architektur zwang die Damen zum Tanz auf dem Tisch, so erzaehlt es Heinz Ritsch. Seite an Seite haben die Ritschs ueber Jahrzehnte die Moden und Sitten auf dem Kiez kommen und gehen sehen. Sie sagen trotzdem, dass sich nicht viel veraendert habe in den letzten 40 Jahren.
Eintritt kostet es nicht bei Susi, aber jeder Gast muss ein Erstgedeck bestellen: ein Bier und ein Schnaps, 35 Euro. Frueher kamen Bundeswehrabschiede, heute sind es Junggesellenabschiede. Susi und Heinzi halten nichts davon, die Vergangenheit zu verklaeren. "Man muss mit der Zeit gehen, sonst muss man mit der Zeit gehen, sag ich immer", sagt Susi.
Die "Firma St. Pauli", meint Heinz Ritsch, sei aber dann doch kein Konzern wie jeder andere. Sie funktioniere eher wie ein Geflecht, symbiotisch wie Pilz und Baum und Wurzelwerk im Walde. "Rotlicht, Vergnuegen, Kneipen", sagt Ritsch, "das gedeiht nur mit- und nebeneinander. Das weiss man auf St. Pauli. Deswegen gehen Konkurrenz und Gewalt auch nie vom ansaessigen Milieu aus. Wenn jemand Stress machte, dann kam der immer von aussen."
Auch bei der Polizei heisst es, dass betrunkene Touristen den Beamten mehr Sorgen machten als das Milieu. Junggesellenabschiede, bei denen rosafarbene Feengruppen den Maximalabsturz heraufbeschwoeren, Schlagermove-Leichen oder mit Tequila zugedroehnte Heranwachsende sind ein unberechenbares Risiko, schwerer zu kontrollieren als Zuhaelter, Gauner und Ganoven, in deren Kreisen die grossen Fische ohnehin aufpassen, dass die kleinen keinen Aerger machen.
Fragt man Heinz Ritsch, was das Besondere an St. Pauli sei, sagt er: das Liebevolle. "Wenn einer sich von einem Schicksalsschlag erholen muss, wenn einer gestrandet ist, kann er hier wieder hochkommen. Woanders bist du schnell verloren, wenn mal was schieflaeuft in deinem Leben." St. Pauli sei ein Ort, an dem Dinge passieren, die nirgendwo sonst passieren koennen. Wenn man zugrunde gehen moechte, dann kann man sich hier in Ruhe zu Tode saufen, und alle verstehen, dass einem das Leben an so einem Punkt fuehren kann.
IM "HANDSCHUH" SIND ALLE GLEICH: KAPUTT, MENSCHLICH, BESOFFEN
Ein Ort, der jeden Angespuelten annimmt, sieben Tage die Woche, 24 Stunden lang, ist der "Goldene Handschuh". Joern Nuernberg erbte die Kneipe am Hamburger Berg von seinem Vater Herbert, einem bekannten Boxer. Mittlerweile stehen seine zwei Soehne hinterm Tresen. Der "Handschuh" ist ein Ort, an dem alle gleich sind, kaputt, menschlich, besoffen. Einmal soll hier einer wegen unguenstiger Schichtwechsel zwei Tage schlafend auf dem Hocker gehangen haben, bis jemand bemerkte, dass er tot war. Ein Juwelier hat hier seinen ganzen Laden versoffen. Der Serienmoerder Fritz Honka gabelte im "Handschuh" die Frauen auf, die er in seiner Wohnung toetete, Nuernberg hat ihm den Rum-Cola oder den Korn-Brause abkassiert. Dass Honka ein paar der Frauen zersaegte, ahnte Nuernberg nicht.
Die Figuren aus dem Roman, den Heinz Strunk ueber den "Goldenen Handschuh" geschrieben hat, die Verkommenen und Zerbrochenen, er kennt sie in echt. "Die eine", sagt er, "die war so haesslich, man kann es kaum beschreiben. Sie sah mit 50 aus wie 93 und trug immer nur Kittel. Ihre Brueste hingen ueber der Huefte, und zwischen den Bruesten", er schwoert, dass das stimmt, "war Dreck."
Ein guter Freund von Joern Nuernberg ist Horst Fascher, der mit seinem Bruder Uwe auch viel erzaehlen kann ueber den Kiez. Sie kennen ihn noch aus einer Zeit, als das Faustrecht galt und nicht um sich geschossen wurde. Uwe: "Auf die Fresse ging immer, aber wer am Boden lag, den trat man nicht noch in den Magen."
Horst Fascher liess die damals unbekannten Beatles 1962 im "Star-Club" auftreten. Sein Bruder besass mehrere Striptease-Laeden in der grossen Freiheit, unter anderem das "Tabu" und das "Regina". Gab es Aerger, riefen sie ihren Leibeigenen mit dem Spitznamen "Frau Fascher", ein Kerl, der dafuer zustaendig war, "selbst den groessten Ochsen auszuknocken".
"LENNON BETTELTE AUF KNIEN, DASS ICH IHN NICHT NACH HAUSE SCHICKE"
Wenn Horst Fascher sich erinnert, klingt das so: "Die Beatles sollten bei mir im 'Star-Club' auftreten. Drei sind auf der Buehne, John Lennon nicht, der liess sich einen blasen. Das war naemlich noch relativ neu. Eine Frau zum Reinstecken fand man leicht, aber das mit dem Blasen gab's nicht ueberall. Das gab es nur auf St. Pauli!" John Lennon sagte spaeter, er sei in Hamburg erwachsen geworden, nicht in Liverpool. Horst Fascher erzaehlt: "John hat auf den Knien gebettelt, dass ich ihn nicht nach Hause schicke."
"Natuerlich hatten wir schon immer so kleine Tricks in den Laeden", sagt Uwe Fascher. St. Pauli ohne Tricks, das sei ja wie Zirkus ohne Clowns. "Eine Flasche Sekt kostete damals 98 Mark. Aber wir hatten den Kellnern beigebracht, das ganz schnell zu sagen. Achtneunzig. Dann dachten alle 8,90. Aber von wegen. Und die ersten Striptease-Taenzerinnen hatten im "Tabu" ihren Schniedel nach hinten abgeklebt. Ist aber niemanden aufgefallen. Nur bei einem platzte mal der Klebestreifen ab. Riesentheater!"
Heute sind die Fascher-Brueder in Rente. Das viele Geld, das sie gemacht haben - Geschichte. Aber sie bereuen nichts. Ihre schoenste Zeit, sagen beide, hatten sie auf St. Pauli.
KIEZ-TOURISTENFUEHRUNGEN ALS FLORIERENDES GESCHAEFT
Wo Horst Fascher damals den "Star-Club" betrieb, lockt heute "Olivias Show Club" mit Transen und Burlesque-Taenzerinnen. Die Dragqueen Olivia Jones betreibt drei Laeden auf der grossen Freiheit, einen am Spielbudenplatz. "Was wir hier machen, ist ja kreativer Denkmalschutz", sagt die Riesin. Dass das alte St. Pauli ausstirbt, haelt sie fuer Quatsch. "Allein fuer Billo-Ballermann-Tourismus muessen die Leute nicht herkommen", sagt sie. Die meisten Touristen suchen doch das Plueschige, das Verruchte, das Knallbunte, Verrueckte. Waehrend sie erzaehlt, laesst ihre Burlesque-Taenzerin Eve Champagne schon auf der Buehne die Pobacken kreisen. In ihrer Ritze blitzt ein Strasstanga auf, ein Relikt aus dem "Safari", das 2014 schloss.
Wer sich auskennt, erzaehlt vom Kiez-Touristenfuehrungen haben sich in den vergangenen Jahren zum florierenden Geschaeft entwickelt. Milieugewaechse wie Inkasso-Henry bieten solche Rundgaenge an. Fuer Olivia Jones laufen auch Lilo Wanders und Eddy Kante. Die begehrteste Tour: die von Jones selbst.
Werner weiss auch alles ueber den Kiez, wobei sein St. Pauli womoeglich ein bisschen anders ist als das von Olivia Jones, Corny Littmann, den Fascher-Bruedern oder dem "Handschuh"-Wirt. Aber das war schon immer so, jeder findet seine Geschichten. Er versuche das jetzt uebrigens auch ueber seine Internetseite mit den Touren, sagt Werner. Allerdings, muss er zugeben, bisher laufen seine Fuehrungen nicht so gut wie die von Olivia. Er habe es nicht so mit Akquise und Marketing und Social Media. Doch irgendwie muss das Geld ja reinkommen.
Fuers Poussieren ist er zu alt, immer so frisch verliebt, wer halte das schon durch? Dieses ewige: "Komm, Schatz, ich kaufe dir einen Chinchilla." Nein, nein, sagt Werner, das gehe nicht mehr. Und fuer die Vorstellung von gestern, das hat er ja bereits gesagt, gibt es heute keinen Applaus.
Ist zwar schon ein halbes Jahr alt, aber vielleicht hat jemand Interesse.
20.04.2018 17:13 Uhr
Wenn Opfer kriminalisiert und eingeschuechtert werden
Sexarbeit und Zwangsprostitution
Video (Dauer: ca. 10 Minuten)
Im Video interviewt die Fernseh-Sendung "Hamburg1"
Dr. Korinna Heimann, Fachbereichsleiterin Migration- und Frauensozialarbeit und
Tina Krafczyk, Sozialarbeiterin Sperrgebiet-Diakonie Hamburg,
und sie sprechen ueber Sexarbeit und die Rechte von Opfern von Zwangsprostitution
05.12.18, 11:32 Uhr
FRAU WAEHREND FREIGANG VERGEWALTIGT?
ANGEKLAGTER IST NOTORISCHER SADIST
Von Stephanie Lamprecht
Waehrend eines Freiganges soll ein langjaehriger Psychiatrie-Insasse eine Frau, die als Prostituierte arbeitet, mit Gegenstaenden vergewaltigt und ihr mit Abschnuerungen Schmerzen zugefuegt haben. Danach warf er ihr einen 10-Euro-Schein hin, sagte, den "habe sie sich verdient". Als Motiv nimmt die Staatsanwaltschaft seine Wut ueber eine ausbleibende Erektion an.
Der Angeklagte hat schuetteres graues Haar, der gepflegte Bart ist weiss, dazu Brille und ein rosaroter Pulli. Ein ueberaus unauffaelliger Typ. Doch Frank S. sass seit 1986 immer wieder wegen sadistischer Quaelereien von Frauen im Massregelvollzug.
Seit seinem 25. Lebensjahr hat der aeusserlich so harmlose Mann mindestens fuenf Frauen vergewaltigt. Eine Frau toetete er.
Als der Rest seiner Strafe ausgesetzt wurde, kam es zur Katastrophe
1986 hat der gelernte Naehmaschinenmechaniker mehrere Frauen ueberfallen, mindestens drei von ihnen vergewaltigt. Bis 1993 sass er dafuer im Landeskrankenhaus Neustadt (Schleswig-Holstein).
Als der Rest der Strafe zur Bewaehrung ausgesetzt wurde, kam es zur Katastrophe: Frank S. toetete 1994 eine Mitpatientin, die er in der Psychiatrie kennengelernt hatte, in deren Wohnung. Er hatte sein Opfer gefesselt und geknebelt, dann erdrosselt.
Erst spaeter kam heraus, dass er zuvor bereits eine Fahrradfaherin ueberfallen und vergewaltigt hatte.
Angeklagter sass in Ochsenzoll
Seit 1995 sass Frank S. fuer diese Taten in der Psychiatrie Ochsenzoll, er gilt als seelisch krank. Im Zuge der Resozialisierung, die das Ziel auch fuer Insassen des Massregelvollzugs ist, wurden ihm ueber die Jahre Lockerungen gewaehrt.
Zu diesen zaehlen etwas zunaechst begleitete Ausgaenge auf dem Gelaende, spaeter ausserhalb der Klinik, noch spaeter unbegleitete Freigaenge. Regelmaessig wird gerichtlich ueberprueft, ob der Insasse weiterhin gefaehrlich ist, ob ein weiterer Freiheitsentzug also angemessen ist.
Bei der juengsten Anhoerung im Maerz 2018 entschied die Strafvollstreckungskammer, dass eine Entlassung nicht zu verantworten waere.
Wieder Vergewaltigung waehrend Freigang
Gleichwohl hatte Frank S. seit Ende 2015 Lockerungen: Er absolvierte 30 Stunden in der Woche ein Praktikum in einem Fahrradladen, hatte zusaetzliche unbegleitete Ausgaenge. Bei einem dieser Freigaenge kam es am 25. April 2018 zu der sadistischen Vergewaltigung in der Tiefgarage einer Baustelle an der Alexanderstrasse (St. Georg).
Das Muster aehnelt den der frueheren Verbrechen: Die misshandelte Frau schilderte, dass Frank S. sie vor den Quaelereien gefesselt und geknebelt habe. Sie ging sofort nach der Vergewaltigung zur Polizei, die DNA-Spuren sichern konnte.
Die Oeffentlichkeit wurde fuer die Vernehmung des Angeklagten ausgeschlossen.
Seite 14 Ploetzlich wurde ich als Escort-Girl angeboten
INTERNET-BETRUG Unbekannte klauen Fotos von Instagram. Opfer: "Ich habe Angst"
Von Daniel Goezuebueyuek und Ruediger Gaertner
Sie ist eine ganz normale Frau aus Altona, macht zurzeit eine Umschulung zur Kosmetikerin. Dann bekommt Lena (27, Name geaendert) eine Nachricht von ihrer Freundin: "Bleib ruhig, ich schicke dir jetzt was ..." Die 27-Jaehrige oeffnet den ihr zugeschickten Link und sieht, dass ihre Bilder im Internet zu finden sind - auf einer Escort-Seite!
"Ich war gerade im Treppenhaus, als sie mir die Nachricht sendete", sagt die junge Frau im MOPO-Gespraech. "Ich bekam einen Zitteranfall und Angst, dass mich jemand wiedererkennen wuerde."
Die Bilder, die Unbekannte auf der Webseite veroeffentlicht haben, kommen von Lenas Instagram-Konto, auch einige ihrer Freundinnen sind betroffen. Dreist: Die Betrueger haben die Maedels sogar mit ihrem realen Profilen verlinkt, um zu beweisen, dass sie "echt" sind, aber mit der Notiz versehen, dass sie "nur ueber diese Webseite kontaktierbar waeren". Nur damit potenzielle Kunden nicht mit den Opfern, sondern mit den Betruegern in Kontakt treten.
Und so laeuft das Geschaeft: Maennern, die sich eine der mehr als hundert Frauen ausgesucht und "gebucht" haben, wird ein Treffen vorgegaukelt, das Geld aber schon im Vorwege einkassiert. Beim Treffen warten die Kunden dann vergeblich: keine Frau, kein Sex, das Geld ist weg - der Frust ist gross.
Die Polizei bestaetigt der MOPO gegenueber den Vorfall, sie ermittelt wegen des Verdachts der illegalen Verbreitung von Fotos im Internet. Mittlerweile ist die Internetseite, die am 11. Januar von einem unbekannten Host erstellt wurde, schon wieder geloescht.
Nur ein kleiner Trost fuer Lena. "Nicht nur, dass das alles total erniedrigend ist, ich habe auch echt Angst", sagt sie. Sie fuerchtet nicht nur, dass man sie auf der Strasse erkennt, sondern: "Vielleicht hat einer der Maenner Unsummen an Geld bezahlt, glaubt dann, ich haette ihn uebers Ohr gehauen, und greift mich an, wer weiss das schon. Ein schrecklicher Gedanke."
07.02.2019, 06:31 Uhr Bleibe für das Partyvolk
Hinter diesem Kiez-Hotel steckt ein sündiges Geheimnis
Von Wiebke Bromberg
St. Pauli - immer mehr Partyvolk, immer weniger Freier. Das Gschäft mit dem Sex auf dem Kiez steckt in der Krise. Mehrere Läden wurden wegen der Flaute bereits aufgegeben. Nachdem das Bordell "Bunny-Palace" dichtgemacht hat, wurde in dem Haus jetzt das Mini-Hotel "Lucky's Inn" mit 14 Zimmern eröffnet.
Jahrelang war in dem roten Backsteinhaus an der Reeperbahn (kurz vor der Kreuzung zum Hans-Albers-Platz) die "Steige", in der sich die Prostituierten Zimmer mieten konnten. Wo früher die Frauen und ihre Freier ein- und ausgingen, genießen jetzt Touristen ihren Urlaub. Die Bauarbeiten hatten im Dezember 2017 begonnen - und sollten eigentlich nach sechs Monaten beendet sein. "Daraus wurde nichts. Sobald wir irgendwas angefasst haben, kam das nächste Problem zum Vorschein", sagt Geschäftsführer Farhad Laqmani (38).
"DAS HAUS WAR TOTAL HERUNTERGEKOMMEN"
Jahrelang war in dem Haus an der Reeperbahn das Bordell "Bunny-Palace". Foto: RUEGA / Rüdiger Gärtner
Insgesamt dauerte die Kernsanierung ein Jahr. Von der Außenfassade und Dämmung über die Fenster bis hin zu Elektrik, Heizung, Sanitärbereichen und Böden wurde alles neu gemacht. "Das war vorher eine Katastrophe. Das Haus war total heruntergekommen", so Laqmani.
Entstanden sind fünf Einzelzimmer (ab 55 Euro), sechs Doppelzimmer (ab 89 Euro), ein Dreibettzimmer (ab 109 Euro) und zwei Suiten (ab 189 Euro).
Dass früher in dem Hotel ein Puff war, stört Farhad Laqmani nicht. "Das ist völlig egal. Die Räume haben sich angeboten und wir haben ja alles neu gemacht. Als wir hier reingekommen sind, waren die Zimmer bereits leer."
DER KIEZ IST EINE EIGENE WELT
Der 38-Jährige freut sich, dass viele normale Touristen im "Lucky's Inn" einchecken. Aber auch das Partyvolk kommt hier unter. Und bekommt offensichtlich sogar eine Sonderbehandlung. Als sich die jungen Männer eines Jungesellenabschieds auf dem Kiez verloren hatten und einer im Hotel um Hilfe bat, zog der Geschäftsführer kurzerhand los und sammelte die umherirrenden, "ziemlich betrunkenen" Freunde an der Reeperbahn wieder ein.
Egal ob Bordell oder Hotel - der Kiez ist halt eine eigene Welt.