Streit um Selbstbestimmungsgesetz
"Unwissenheit und Dummheit": SPDqueer wirft Parteifreundin Transfeindlichkeit vor
Eine SPD-Bundestagsabgeordnete stellt sich gegen Selbstbestimmungsgesetze. Die queeren Sozialdemokrat*innen sind irritiert.
Leni Breymaier ist seit 2017 im Deutschen Bundestag vertreten (Bild: Deutscher Bundestag / Achim Melde)
26. Mai 2021, 12:53h, 31 Kommentare
"Ich hätte den Gesetzentwürfen von FDP und Grünen zur geschlechtlichen Selbstbestimmung, auch wenn die Abstimmung freigegeben gewesen wäre, nicht zugestimmt." Mit diesem Bekenntnis auf Facebook sorgte die Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier am Dienstag für Empörung bei der Berliner Arbeitsgemeinschaft SPDqueer.
Beide Vorsitzenden des SPDqueer-Landesverbands, Mara Geri und Alfonso Pantisano, kritisierten die ostwürttembergische Sozialdemokratin für ihre Äußerungen und brachten sie in die Nähe der TERF-Bewegung – diese Abkürzung steht für "trans-exclusionary radical feminists", also für radikale Feministinnen und Feministen, die trans Frauen nicht als Frauen anerkennen wollen.
Alfonso Pantisano (li.) und Mara Geri sind seit vergangenem Jahr Vorsitzende der queeren Sozialdemokrat*innen der Hauptstadt (Bild: SPDqueer Berlin)
Hintergrund ist, dass die SPD – angeblich aus Koalitionsdisziplin – vergangene Woche im Bundestag fast einstimmig gegen zwei Gesetzentwürfe von FDP (PDF) und Grünen (PDF) gestimmt hatte – die Entwürfe sollten das seit Jahren in großen Teilen verfassungswidrige Transsexuellengesetz ersetzen (queer.de berichtete). Der SPDqueer-Bundesverband entschuldigte sich daraufhin bei der trans Community (queer.de berichtete).
"Man kann [das Gesetz ablehnen]. Frau erst recht"
Breymaier deutete in ihrem ausführlichen Text an, dass besonders Frauen das Gesetz ablehnen sollten: "Seitens der Grünen heißt es, man könne nicht einerseits am 17. Mai Regenbogenfahnen schwenken und in der gleichen Woche ihr Gesetz ablehnen. Man kann. Frau erst recht", so die Sozialdemokratin, die seit 2017 dem Deutschen Bundestag angehört.
Die 61-jährige Gewerkschafterin zählte dann eine Reihe von Problemen auf, über die geredet werden müsste – beginnend mit den Worten: "Warum soll ein Gesetz, das sich alleine auf Transsexuelle bezieht, alle Nicht-Transsexuellen einbeziehen? Warum soll das gefühlte Geschlecht juristisch über dem biologischen Geschlecht stehen? Warum soll ich nicht mehr schwangere Frauen sagen, sondern schwangere Menschen? Warum soll der internationale Frauentag durch einen feministische[n] Kampftag ersetzt werden?" Dabei ist oft unklar, welche Stellen des Gesetzes Breymaier mit diesen Worten kritisiert – immerhin gibt es weder im FDP- noch im Grünen-Entwurf einen Passus, wonach der Begriff "schwangere Frauen" verboten werden soll, noch gibt es Anordnungen, einen "feministischen Kampftag" einzuführen.
Konkret kritisierte Breymaier noch, dass auch Jugendliche Zugang zu Behandlungen haben sollen. Die Einnahme von Pubertätsblockern bezeichnete sie als "ziemlich lifestylig". Ihre Ablehnung bezieht sie dabei auf ihre eigenen Erfahrungen: "Ich musste schon Hormonbehandlungen über mich ergehen lassen. Das sind massive Eingriffe in den Körper."
Breymaier wirft Trans-Aktivist*innen "Attacken" vor
Zudem beklagte Breymaier, dass angeblich eine "gute Debatte" zu dem Thema von "Trans*Aktivist*innen" unterdrückt werde: "Meine lesbischen Kontakte und Freundinnen sind höchst alarmiert. Viele transsexuelle Menschen, die die Gesetzentwürfe für [ungeignet] halten, schweigen, um sich zu schützen. Diejenigen, die öffentlich Kritik äußern, werden im Netz von Trans*Aktivist*innen heftig attackiert."
Letzte Woche wurden im Bundestag Gesetzentwürfe von Grünen und FDP zu geschlechtlicher Selbstbestimmung beraten und von...
Posted by Leni Breymaier on Tuesday, May 25, 2021
Facebook / Leni Breymaier
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Mara Geri, die Landesvorsitzende der SPDqueer Berlin, kritisierte die Äußerungen in einem öffentlichen Facebook-Kommentar: "Ich bin überrascht über deine Aussagen, vor allem weil es scheint, als hast du dich nicht ausreichend informiert bzw. sind dir Minderheiten und ihre Anliegen nicht ganz so wichtig", so Geri. "Deine Standpunkte sind leider sehr deckungsgleich mit denen, welche wir von rechts Außen und sogenannten TERF's zu hören bekommen. (welche z.B. mir das Recht absprechen, eine Frau zu sein)". Mit ihrem Nein würde Breymaier "gegen die allgemeine Linie der Partei zu diesem Thema" verstoßen. Viel schlimmer sei, dass die Abgeordnete "damit die vielen tausend trans* Menschen in Deutschland weiter einem entwürdigenden Verfahren ausgesetzt lässt und somit weiter Diskriminierung und Fremdbestimmung zulässt".
SPDqueer-Landessprecher Alfonso Pantisano, der auch dem LSVD-Bundesvorstand angehört, kritisierte bei Facebook seine Parteifreundin schärfer: "Was haben Birgit Kelle, Alice Schwarzer und auch diese SPD-Bundestagsabgeordnete gemeinsam? Sie gehören [der] Gruppe TERF an." Er zeigte sich über Breymaiers Äußerungen frustriert: "Ich habe keine Worte für all diese Unwissenheit und Dummheit, und vor allem: Ich habe keinen Bock mehr auf die Deutungshoheit dieser Leute, die nichts anderes im Sinne hat, als Falschmeldungen zu verbreiten und Angst zu schüren." Zudem attestierte er Breymaier in einem weiteren Kommentar direkt unter ihrem Facebook-Eintrag: "Du bist nicht auf Debatte aus, sondern auf Spaltung. Pfui!"
Breymaiers Anhänger*innen beschuldigten die SPDqueer in dem Thread im Gegenzug, sich sexistisch gegenüber der Abgeordneten zu verhalten. "'TERF' ist ne sexistische Beleidigung und damit ist schon alles über dich gesagt", schrieb einer als Reaktion auf Pantisanos Kritik. "TERF ist doch Hass-Rede", schrieb eine Kommentatorin.
Leni Breymaier hatte bereits 2019 in einer Aktuellen Stunde Zweifel an Reformvorschlägen für das Transsexuellengesetz geäußert (queer.de berichtete). Letztes Jahr sorgte sie gemeinsam mit ihrer gemeinsam mit 15 anderen Bundestagsabgeordneten formulierten Forderung, Prostitution zu kriminalisieren, für Aufregung (queer.de berichtete).
Die Abgeordnete wurde erst Anfang des Monats auf Platz sieben der Landesliste Baden-Württemberg für die Bundestagswahl am 26. September gewählt. Damit dürfte sie so gut wie sicher erneut ins Parlament einziehen – bei der letzten Wahl 2017 hatten es die ersten 16 SPD-Bewerber*innen aus dem Südwesten nach Berlin geschafft. (dk)
https://www.queer.de/detail.php?article_id=38969
Breymaier stellt sich gegen Selbstbestimmungsgesetz (Transsexuellengesetz)
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Re: Breymaier stellt sich gegen Selbstbestimmungsgesetz (Transsexuellengesetz)
Tja, so erschließt man neue Wählerschicht jenseits der neuen Mitte...was zählen da schon dubiose queere Minderheiten...wir wollen doch mehr Demokratie wagen...
Es ist erbärmlich was Frau Breymaier seit Jahren absondert und das im Namen der Sozialdemokraten....wer hat uns verraten...
Kasharius grüßt und Willy rotiert
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Re: Breymaier stellt sich gegen Selbstbestimmungsgesetz (Transsexuellengesetz)
"SPDqueer wirft Parteifreundin Transfeindlichkeit vor"
Parteifeindin heißt das.
"Ich habe keine Worte für all diese Unwissenheit und Dummheit, und vor allem: Ich habe keinen Bock mehr auf die Deutungshoheit dieser Leute, die nichts anderes im Sinne hat, als Falschmeldungen zu verbreiten und Angst zu schüren."
Pantisano hat's erkannt: Da braucht es keine AfD nicht mehr.
" . . . auch wenn die Abstimmung freigegeben gewesen wäre"
War sie also nicht! Insofern kann die gesamte Partei als transfeindlich gesehen werden, wenn sie das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten in dieser ethischen Frage vorgibt. Dass beinahe immer, und fast alle Parteien verfassungsfeindlich agieren, indem sie die in Art. 38 Absatz 1 Satz 2 GG festgeschriebene Freiheit der Abgeordneten von Weisungen mit Füßen treten, daran sind wir schon gewöhnt.
Den §175 selig "widernatürliche Unzucht" hätte der Bundestag vermutlich bis heute auch nicht abgeschafft, wenn die DDR die Strafbarkeit nicht zuvor aufgehoben hätte ("Parteibeschluss" nach Expertenempfehlung 1988), und die Übernahme im Einigungsvertrag festgeschrieben worden wäre.
(es wurde immerhin bis 1994 verschleppt, trotz eindeutiger, zwingender Rechtssetzung).
Parteifeindin heißt das.
"Ich habe keine Worte für all diese Unwissenheit und Dummheit, und vor allem: Ich habe keinen Bock mehr auf die Deutungshoheit dieser Leute, die nichts anderes im Sinne hat, als Falschmeldungen zu verbreiten und Angst zu schüren."
Pantisano hat's erkannt: Da braucht es keine AfD nicht mehr.
" . . . auch wenn die Abstimmung freigegeben gewesen wäre"
War sie also nicht! Insofern kann die gesamte Partei als transfeindlich gesehen werden, wenn sie das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten in dieser ethischen Frage vorgibt. Dass beinahe immer, und fast alle Parteien verfassungsfeindlich agieren, indem sie die in Art. 38 Absatz 1 Satz 2 GG festgeschriebene Freiheit der Abgeordneten von Weisungen mit Füßen treten, daran sind wir schon gewöhnt.
Den §175 selig "widernatürliche Unzucht" hätte der Bundestag vermutlich bis heute auch nicht abgeschafft, wenn die DDR die Strafbarkeit nicht zuvor aufgehoben hätte ("Parteibeschluss" nach Expertenempfehlung 1988), und die Übernahme im Einigungsvertrag festgeschrieben worden wäre.
(es wurde immerhin bis 1994 verschleppt, trotz eindeutiger, zwingender Rechtssetzung).