Seit 11 Jahren arbeitet Lefö-Ibf österreichweit als nach wie vor einzige Opferschutzeinrichtung für Betroffene von Frauenhandel.
Trotz neuem Bleiberecht und reformierter Strafprozessordnung haben Opfer von Frauenhandel in Österreich noch viele Probleme im Alltag - LEFÖ fordert Öffnung des Arbeitsmarktes
Für Opfer von Frauenhandel hat sich mit neuem Bleiberecht und reformierter Strafprozessordnung einiges verbessert. Doch gesetzliche Hindernisse erschweren Betroffenen nach wie vor den Weg in einen besseren Alltag. Die LEFÖ-Interventionsstelle für Opfer von Frauenhandel informiert dieStandard.at über die großen Hürden und kleinen Erfolge ihrer Pionierarbeit.
Getrübte Freude
Betroffene von Frauenhandel haben durch das seit April 2009 neu geregelte Bleiberecht einen Anspruch auf humanitären Aufenthalt. "Das ist ein wichtiger Schritt in der Anerkennung von Menschenrechten", sagt Evelyn Probst, Koordinatorin von LEFÖ-IBF. Für die geschädigten Frauen sei das eine große Erleichterung. "Sie befinden sich nicht länger in einer unsicheren Rechtslage und können sich nach den traumatischen Erfahrungen leichter fangen", erzählt die Psychologin.
Dennoch sieht die Organisation das neu geschaffene Gesetz nur bedingt als Erfolg. "Das Recht bezieht sich allein auf Opfer, die in einem Strafverfahren mitwirken", erklärt Probst. "Im Fokus muss aber stehen, dass einer Person massive körperliche und seelische Verletzung zugefügt wurde." LEFÖ-IBF fordert daher, den Rechtsanspruch auf alle Betroffene auszuweiten, die von einer Opferschutzeinrichtung als solches erkannt werden.
Positive Wirkung der neuen Gesetze
Erfreut zeigt man sich bei der NGO über die 2008 in Kraft getretene Strafprozessordnung. "Opfer haben jetzt viel mehr Möglichkeiten. Das erleichtert unsere Arbeit mit den Frauen wesentlich", sagt Probst. Geschädigte können nun die Wiederaufnahme von Gerichtsverfahren beantragen und bekommen immer häufiger Schmerzensgeld zugesprochen. "Erst letzten Monat wurde einer Betroffenen 10.000 Euro zuerkannt", berichtet die international tätige Expertin. Allerdings stehe die Höhe des Schadenersatzes oft noch nicht im richtigen Verhältnis zum erlittenen Schmerz: "Er ist nach wie vor zu niedrig", kritisiert Probst.
Das ewige Sorgenkind
Kopfzerbrechen bereitet dem Expertinnen-Team bei Lefö die österreichische Arbeitsmarktpolitik. Auf der Suche nach einer Anstellung werden Opfern von Frauenhandel zahlreiche Steine in den Weg gelegt. "Das ist der Punkt, wo wir am meisten anstehen, zugleich aber einer der Wichtigsten für die Frauen. Wie sollen sie ohne Arbeit Fuß fassen?", fragt Eva Kaufmann, Mitarbeiterin von LEFÖ-IBF.
Ähnlich problematisch verhält es sich mit der medizinischen Betreuung betroffener Frauen. Denn die Gesundheitsversorgung ist durch das österreichische Gesetz nicht geregelt. In Folge sind die Opfer vom guten Willen einzelner ÄrztInnen und Einrichtungen abhängig, die unentgeltlich behandeln. "Das müsste grundsätzlich verbessert werden, bei Gesundheit und Arbeitsmarkt sind andere Länder weit voraus," betont Probst im Gespräch mit dieStandard.at.
Erfolgreiche Sensibilisierung
Im Jahr 2008 hat LEFÖ-IBF 203 Frauen und Mädchen betreut - 16 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Durch intensive Öffentlichkeits- und Vernetzungsarbeit hat sich die Organisation mittlerweile bundesweite eine Namen gemacht. "Es freut uns sehr, dass die Behörden Betroffene von Frauenhandel immer öfter erkennen und zu uns vermitteln. Wir brauchen aber in absehbarer Zeit eine Aufstockung unserer Ressourcen", sagt die Psychologin.
Wenn Evelyn Probst zurückblickt und zehn Jahre Interventionsarbeit Revue passieren lässt, sieht sie Verbesserungen, wenn auch nur im Detail: "Es gibt inzwischen mehr Menschen, die für das Thema sensibel sind." Rechtlich habe sich gesamt gesehen nicht sehr viel getan. Die neuen Gesetze hätten allerdings "großes Potential". Dabei sei es aber wichtig, dass sie weiter verbessert und auch wirklich angewandt werden. "Es bleibt also noch viel zu tun", so Probst, doch Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. (Melanie Andrej, dieStandard.at, 10.7.2009)
Ein Gastbeitrag von Melanie Andrej.
Wissen: LEFÖ-IBF
LEFÖ begann 1985 als eine Organisation von und für lateinamerikanisch emigrierte Frauen in Österreich. Der Tätigkeitsbereich hat sich seit der Gründung auf Betreuung und Beratung im Bereich Sexarbeit und Frauenhandel erweitert.
Die Interventionsstelle für Betroffene von Frauenhandel (IBF) arbeitet seit 1998 als nach wie vor einzige Opferschutzeinrichtung Österreichs in diesem Bereich. Das Angebot umfasst u.a. psychosoziale und rechtliche Beratung, Intensivbetreuung in eigenen Notwohnungen, Rückkehrvorbereitung sowie Prozessbegleitung. Weiters betreibt das Expertinnenteam intensive Öffentlichkeitsarbeit und schult Exekutive und Justiz.
Link
http://diestandard.at/fs/r1192182008576/Frauenhandel
http://www.lefoe.at
Frauenhandel - es bleibt noch viel zu tun!
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Kürzlich hat LEFÖ eine wichtige Studie abgeschlossen:
Planitzer/Probst/Steiner/Unterlechner: Entschädigung für Betroffene des Menschenhandels in Österreich. ÖGB Verlag, 19,80 Euro.
Duygu Özgan von der Tageszeitung "Die Presse" berichtete darüber in der Print-Ausgabe vom 15.04.2011, siehe auch
Link zu: Die Presse, Panorama vom 14.4.2011
Der Tenor der Studie: Opfer von Menschenhandel werden „in keinem Verhältnis zum Erlebten“ entschädigt. Opfer, die keine EU-Bürgerinnen sind, haben keinen praktikablen Zugang zu Entschädigungszahlungen.
Auch für Deutschland ist dieses Problem von mehreren Schattenberichten zur Bewertung der Einhaltung des Sozialpakts (Sitzung des Fachausschusses im Mai 2011 in Genf) thematisiert worden (auch dem vom Sexworker Forum).
Unter den nachfolgenden Leserkommentaren ist mir auch folgender Link mit kommentierten Pressemeldungen aufgefallen.
Planitzer/Probst/Steiner/Unterlechner: Entschädigung für Betroffene des Menschenhandels in Österreich. ÖGB Verlag, 19,80 Euro.
Duygu Özgan von der Tageszeitung "Die Presse" berichtete darüber in der Print-Ausgabe vom 15.04.2011, siehe auch
Link zu: Die Presse, Panorama vom 14.4.2011
Der Tenor der Studie: Opfer von Menschenhandel werden „in keinem Verhältnis zum Erlebten“ entschädigt. Opfer, die keine EU-Bürgerinnen sind, haben keinen praktikablen Zugang zu Entschädigungszahlungen.
Auch für Deutschland ist dieses Problem von mehreren Schattenberichten zur Bewertung der Einhaltung des Sozialpakts (Sitzung des Fachausschusses im Mai 2011 in Genf) thematisiert worden (auch dem vom Sexworker Forum).
Unter den nachfolgenden Leserkommentaren ist mir auch folgender Link mit kommentierten Pressemeldungen aufgefallen.
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Ist bekannt wie lange die Studie der Uni Göttingen und School of
Economics gedauert hat und welchen Zeitraum des Menschenhandels umfasst?
Das Deutschland an erster Stelle steht verwundert mich doch sehr.
Lieben Gruß, Fraences
Economics gedauert hat und welchen Zeitraum des Menschenhandels umfasst?
Das Deutschland an erster Stelle steht verwundert mich doch sehr.
Lieben Gruß, Fraences
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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Fakten und Infos über Prostitution
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Im Link oben wird weiterverlinkt zum Göttinger Tagblatt vom 08.04.2011. Dort stehen folgende Informationen zur Studie:
Statistiken aus 177 Ländern bildeten die Grundlage der Untersuchung der Göttinger Entwicklungsökonomen Prof. Axel Dreher und Seo-Young Cho gemeinsam mit Prof. Eric Neumayer von der LSE. Ausgewertet wurden die Aufzeichnungen aus den Jahren 2000 bis 2009. Dabei zeigte sich, dass viele Länder den Kampf gegen Menschenhandel zwar verstärkt haben, im Bereich „Opferschutz“ aber deutliche Defizite aufweisen.
Statistiken aus 177 Ländern bildeten die Grundlage der Untersuchung der Göttinger Entwicklungsökonomen Prof. Axel Dreher und Seo-Young Cho gemeinsam mit Prof. Eric Neumayer von der LSE. Ausgewertet wurden die Aufzeichnungen aus den Jahren 2000 bis 2009. Dabei zeigte sich, dass viele Länder den Kampf gegen Menschenhandel zwar verstärkt haben, im Bereich „Opferschutz“ aber deutliche Defizite aufweisen.
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Vor einiger Zeit lief im niederländischen Fernsehen eine Sendung zum Thema Zwangsprostitution. Die Opfer beschwerten sich weit mehr über das Verhalten der Behörden, besonders der Gefängniswärter (zu 'ihrem Schutz' waren die eben ins Gefängnis eingeliefert worden...), als über das ihrer Zuhälter/Schleusser. So wurde u.A. von nichts weniger als Vergewaltigungen berichtet. Noch am schlimmsten und bezeichnendsten aber ist, dass die Politik überhaupt nicht reagiert hat.Lycisca hat geschrieben:
Der Tenor der Studie: Opfer von Menschenhandel werden „in keinem Verhältnis zum Erlebten“ entschädigt. Opfer, die keine EU-Bürgerinnen sind, haben keinen praktikablen Zugang zu Entschädigungszahlungen.
Guten Abend, schöne Unbekannte!
Joachim Ringelnatz
Joachim Ringelnatz
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Lydia Cacho
Sonntagsinterview
.Der Tagesspiegel 1.5.2011
"Die neue Sklaverei braucht keine Ketten"
Menschenhandel und Sex-Mafia: Lydia Cacho recherchierte fünf Jahre in 47 Ländern. Günter Wallraff sagt, er kenne keine mutigere Frau als sie
Señora Cacho, wann wurden Sie zuletzt bedroht?
Das ist gar nicht lange her. Ein Mann sagte am Telefon, dass man mir die Hände abhacken und sie meinem Freund schicken würde, wenn ich weiter so viel Quatsch schriebe. Mein Sicherheitsberater hat herausgefunden, dass der Anruf wahrscheinlich von einem Angehörigen des mexikanischen Militärs kam.
Sie haben Personenschützer?
Selbstverständlich, schon seit einigen Jahren.
Das Magazin "Newsweek" zählt Sie zu den 150 Frauen, die die Welt im Jahr 2010 bewegt haben. Auf der Liste befinden sich auch Michelle Obama, Angelina Jolie und Aung San Suu Kyi.
Das ist mir überhaupt nicht wichtig. Ich werte es lieber als Erfolg, dass ich mit meiner Arbeit einigen der Millionen von Frauen und Kindern eine Stimme geben konnte, die zur Prostitution gezwungen werden. Ich habe fünf Jahre lang in 47 Ländern recherchiert und das Gefühl, dass ich meinen Job als Journalistin erledigt habe: die Welt mit den Augen der Schwachen zu schildern, nicht mit dem zynischen Blick der Starken.
Nun ist der 1. Mai, der Tag der Arbeit …
… eigentlich ein guter Tag. Doch was erleben wir? Die explosionsartige Ausbreitung der Sklaverei. Laut UN leben zurzeit 27 Millionen Menschen in sklavenähnliche Verhältnissen. Das sind mehr als zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert, als zwölf Millionen Afrikaner verschleppt wurden.
Warum haben Sie vorwiegend über Zwangsprostitution recherchiert?
Weil fast 80 Prozent der neuen Sklaven Prostituierte sind, während der kleinere Teil der Sklaven als Hausangestellte, auf Zuckerrohrplantagen oder auf dem Bau arbeitet.
Wo liegt der Unterschied zwischen dieser neuen Sklaverei und der alten?
Die neue Sklaverei braucht keine Ketten mehr, ihre Waffe ist die kapitalistische Verwertungslogik. Diese Ideologie betrachtet den Menschen als Ressource, die ausgebeutet werden kann. Darunter leiden vor allem Frauen und Kinder in den Entwicklungsländern, weil sie keinerlei Schutz genießen.
Eine der traurigsten Szenen in Ihrem Buch handelt von der neunjährigen May, die Sie in einem kambodschanischen Mädchenheim kennengelernt haben.
Sie war eine von etwa 50 000 vietnamesischen Kindersklavinnen, hatte systematische Vergewaltigungen hinter sich – und bewegte sich wie eine Frau, die gelernt hat, Aufmerksamkeit von Männern auf sich zu ziehen. Sie war mit anderen Mädchen im Schwimmbecken, als sie auf einmal rief: "That’s it, baby girl, good job!" Sie hatte den englischen Satz gelernt, als ihr Oralsex anhand eines Dildos beigebracht wurde. "Yum-Yum" nennen das die Zuhälter.
Wissen Sie, wie viel die Zuhälter damit verdienen?
40 Euro, die Kinder kriegen nur etwas zu essen. Eine Kindersklavin erzählte mir, dass sie täglich 15 bis 20 Mal "Yum-Yum" macht. Damit verdient der Zuhälter an einem einzigen Tag mit einem Mädchen bis zu 600 Euro. Das heißt, in Kambodscha kommen so jedes Jahr rund 150 Millionen Euro zusammen. Das Geld fließt in die Taschen von Barbesitzern, Hoteliers, Taxifahrern, Hotelportiers und korrupten Polizisten, die die Mafiosi beschützen. Kindesmissbrauch ist in Südostasien dank der Sextouristen eine gesellschaftliche Normalität.
Was geschieht mit Kindern, die weglaufen wollen?
Es wird ihnen gesagt, dass sie dann zerteilt und gegessen werden. Ihre Familien werden bedroht.
Sie beschreiben die Sexsklaverei als neues, globales Phänomen, das nicht nur Kinder betrifft. Wie kommt die Kolumbianerin nach Tokio, die Nigerianerin nach Madrid oder die Thailänderin nach Berlin?
Ein Beispiel: Ich habe in meiner Heimatstadt Cancún ein Frauenhaus gegründet. Eines Tages holten wir eine 19-jährige Venezolanerin aus dem Gefängnis - Arely, mit platinblondem Haar. An ihrem Hals waren Würgemale. Arely war einige Monate zuvor in Venezuela von einer Frau angesprochen worden. Die schmeichelte ihr und meinte, Arely sei so schön, dass sie in Mexiko Model werden könnte. Dort gäbe es eine Menge Dollars zu verdienen. Arely willigte ein und registrierte sich auf der Internetseite divas.com. Die Frau brachte Ticket und Pass - Arely könne das Geld ja in Mexiko zurückzahlen. Doch dort nahmen ihr Komplizen den Pass ab, und es hieß, sie habe 5000 Dollar Schulden.
Sie wurde also zur Prostitution gezwungen, um ihre "Schulden" zu begleichen?
Erst musste sie in einem Nachtclub tanzen. Eines Tages kam der Chef vorbei und sagte, sie habe zu kleine Brüste. Die müsste sie sich auf eigene Kosten operieren lassen. Dazu kam das Schmiergeld für die Aufenthaltserlaubnis und und und. Dann wurde Arely zu einem Unternehmer in ein Hotel gebracht. Es hieß, wenn sie mit ihm schlafe, könne sie auf diese Weise ihre Schulden abbauen. Es folgten weitere Industrielle und Politiker. Sie erfuhr außerdem, wie die Mafia sie mit den Politikern filmte, um diese später zu erpressen. Als sie mit Drogen ruhiggestellt wurde, landete Arely im Knast, wo sie von vier Beamten vergewaltigt wurde.
Gibt es ein Muster hinter dieser Form der Versklavung?
Natürlich. Da sind zum einen Armut und fehlende Perspektiven für junge Menschen. Dann eine Mode- und Sexindustrie, die Frauen glauben macht, dass es das Tollste auf der Welt sei, zu posieren. Wie oft habe ich von Ex-Prostituierten den Satz gehört: "Ich dachte, ich werde berühmt." Doch dann werden die Frauen eingesperrt, mit ihren angeblichen Schulden eingeschüchtert - und wenn sie nicht freiwillig mit Kunden schlafen, vergewaltigt man sie, um ihren Widerstand zu brechen.
Die Behörden kooperieren mit der Mafia?
Arely wurde in einem Privatjet nach Cancún gebracht und dort am Flughafen im Regierungsbereich abgefertigt! Es ist von Japan über Thailand und Israel, von der Türkei über Italien bis Mexiko völlig üblich, dass Polizisten, Politiker und Richter sich entweder von den Menschenhändlern schmieren lassen oder selbst zu guten Kunden der Etablissements gehören.
Ist es deshalb so schwer, den Menschenhandel zu bekämpfen?
Ja. Nehmen Sie den Einwanderungsbeamten, der wegsieht, wenn junge Vietnamesinnen als Haushaltskräfte nach Frankreich gebracht werden, die in Wirklichkeit im Internet als Ehefrauen gekauft wurden. Ich habe den Berater des kambodschanischen Wirtschaftsministers getroffen, der selbst ein Mafioso ist, und der japanische Polizeiminister beschützt die Yakuza, die gefürchtete japanische Mafia. Wenn in Parlamenten über die Prostitution debattiert wird, schützen manche Abgeordnete die Interessen des organisierten Verbrechens.
Die FDP-Abgeordnete im Europa-Parlament, Silvana Koch-Mehrin, sagte mit Blick auf die vielen Prostituierten in Straßburg, dass sich auch privat entsprechend verhalten müsse, wer im Parlament die Zwangsprostitution verurteile.
Natürlich! Weil in Europa vor allem ausländische Frauen aus armen Ländern betroffen sind, sehen viele Regierungen kaum Handlungsbedarf. Die eher konservativen Schätzungen der Vereinten Nationen gehen davon aus, dass es in Europa 140 000 Opfer von Zwangsprostitution gibt. Es ist eine einfache Rechnung: 50 Millionen sexuelle Dienstleistungen à 50 Euro im Jahr – macht 2,5 Milliarden Euro. Steuerfrei.
Und weltweit ...
... verdient die Menschenhändlermafia nach UN-Angaben jedes Jahr 135 Milliarden Dollar.
Was haben Ihnen die Frauen und Mädchen, die Sie getroffen haben, über ihre Gefühle erzählt?
Die meisten empfinden Verachtung. Kinder und Jugendliche leiden extrem, weil viele Freier ein romantisches Ambiente schaffen, wohl um sich weniger schuldig zu fühlen. Doch das nährt die falsche Hoffnung der Mädchen, ein Kunde werde sie bald aus ihrer Situation befreien. Aber wissen Sie, was sollen denn Frauen, die von Männern zum Oralsex gezwungen werden, die gewürgt, geschlagen und beschimpft werden, überhaupt noch von Männern halten? Die meisten dieser Frauen leiden unter posttraumatischen Stresssyndromen: Sie sind sozusagen von ihren Gefühlen abgeschnitten und spüren bestimmte Körperteile gar nicht mehr, insbesondere ihren Genitalbereich. Nur so können sie jeden Tag 15 bis 20 Männer ertragen. Eine 21-jährige Kolumbianerin, die ich in Tokio traf und die dort von den Yakuza versklavt wurde, führte Buch über ihre Freier. In einem Notizbüchlein im Hello-Kitty-Design hatte sie in acht Monaten 1320 Kunden notiert. [= 6 pro Tag]
Als Reporterin haben Sie sich selbst als Prostituierte verkleidet, um Zugang zur Szene zu erhalten. Waren die Männer offener, weil Sie kostümiert waren? [die meisten SexdienstleisterInnen, die ich kenne, sind nicht an der Kleidung erkennbar]
Eine ehemalige Nachtclubtänzerin, die mir auch bei meinen Outfits geholfen hat, gab mir einen Rat, der eigentlich nach einer Binsenweisheit klingt: Das Wichtigste sei, den Männern zuzuhören. Es ist nur tatsächlich unglaublich, was meine Verkleidung und ein kokett-unterwürfiges Verhalten bewirkte. Die Männer erzählten mir Dinge über sich, die sie mir als Reporterin niemals gesagt hätten. [logisch, wenn sie sich als SDL ausgibt]
Sie sind mit dem Undercover-Reporter Günter Wallraff befreundet. Hat er Ihnen Tipps gegeben?
Von Günter habe ich den engagierten Journalismus gelernt, für den man manchmal eine falsche Identität annehmen muss, weil man sonst bestimmte Dinge nicht erfährt. Wir haben in Mexiko-Stadt lange miteinander geredet, und es hat mir sehr geschmeichelt, als Günter sagte, ich sei die mutigste Frau, die er kenne.
In Deutschland ist die Prostitution legal, weil man glaubt, so die Zuhälterei zu bekämpfen.
Unsinn. Die Legalisierung hat der Zwangsprostitution Tür und Tor geöffnet. Nach Schätzungen der Organisation Hydra kommen mehr als die Hälfte der 400 000 Prostituierten in Deutschland aus dem Ausland, die meisten aus Osteuropa. Es folgen Lateinamerika, Thailand und Afrika. Die Mehrzahl dieser Frauen wurde illegal eingeschleust und zur Prostitution gezwungen. [einfach aus der Luft gegriffene Behauptung - in Baden-Württemberg und Bayern unmöglich, da Bordelle ständig von der Polizei überwacht werden]
SeñoraCacho, bereits 2005 haben Sie einen Kinderpornoring in Cancún aufgedeckt, in den mächtige mexikanische Industrielle, Politiker und Offizielle verwickelt waren. Daraufhin wurden Sie entführt und gefoltert. Reden Sie noch darüber?
Ich möchte nicht ins Detail gehen, aber ich erkläre Ihnen den Hintergrund: Einer der Anführer der Mafia, der Hotelier Jean Succar Kuri, bat seine Freunde, den Textilunternehmer Kamel Nacif und den Gouverneur von Puebla, Mario Marín, mich festnehmen zu lassen. Die Telefongespräche zwischen Nacif und Marín sind dokumentiert worden. Darin diskutieren sie, wie man mich aus dem Weg räumen könnte. Dann wurde ich von Polizisten entführt und in einem Auto mehr als 1000 Kilometer durch Mexiko gefahren. Die Männer sagten, sie würden mich vergewaltigen und umbringen. Ich wurde in ein Gefängnis gesteckt und gefoltert. Nur dank des Einsatzes von Kollegen, Freunden und Menschenrechtsorganisationen lebe ich noch.
Nachdem Ihre Enthüllungsgeschichte erschienen war, erhielten Sie ein zweifelhaftes Angebot.
Ich war mit zwei Freunden in einem Restaurant, wir tranken Tequila. An einem Nebentisch saß ein kräftiger Mann mit zwei Blondinen. Als er uns eine Sektflasche schickte, lehnte ich dankend ab. Ich wollte nichts mit ihm zu tun haben. Auf dem Rückweg von der Toilette fing er mich dann ab. Er sagte, er bewundere meine Arbeit und habe etwas gegen die Perversen, die ich hatte auffliegen lassen. Er bot mir an, den Gouverneur und Nacif umzulegen. Ich sollte mich wieder setzen, und wenn ich eine Serviette fallen ließe, wüsste er, was zu tun sei. Ich habe dann meinen Freunden gesagt, dass wir sofort alle Servietten in die Mitte unseres Tisches schieben, damit keine aus Versehen herunterfällt.
Wissen Sie, wer dieser Mann war?
Der örtliche Chef der Zetas, dem brutalsten Drogenkartell Mexikos, das in den letzten Jahren Zehntausende Morde begangen hat. Die Macht dieser Leute ist so groß, dass sie sich in aller Öffentlichkeit zeigen können.
Woher nahmen Sie eigentlich die Kraft, nach Ihrer Entführung weiterzumachen?
Schon als ich in diesem Auto saß, habe ich mir geschworen: Wenn ich das hier überlebe, lasse ich mir den Mund nicht verbieten. Ich bin keine Heldin und keine Märtyrerin, aber meine Mutter hat mir beigebracht, dass man in bestimmten Ländern und Situationen seine Freiheit und sein Glück verteidigen muss.
Sie haben über Jahre hinweg Geschichten von Ungerechtigkeiten und Gewalt gehört. Immer traf es die Schwächsten. Die Welt muss Ihnen wie eine Hölle vorkommen, unzivilisiert und kalt. [logisch, die anderen können sich wehren]
Im Gegenteil. Ich führe ein gesundes Liebesleben, ich habe einen liebevollen Partner. Ich versuche trotz der ständigen Drohungen, ein so normales Leben wie möglich zu führen. Eine Methode ist, diese Geschichten nicht mit ins Bett oder an den Esstisch zu nehmen, außerdem mache ich seit 20 Jahren Yoga. Der mexikanische Schriftsteller Octavio Paz hat gesagt, das große moralische und spirituelle Elend der liberalen Demokratien sei ihre Gefühllosigkeit. Das Geld habe die Erotik getötet, weil es die Seelen und Herzen zerfressen habe.
Erlebten Sie bei Ihren Recherchen private Momente großer Trauer oder Verzweiflung?
Entweder man arbeitet mit dem, was einem widerfährt und versucht zu reifen. Oder es arbeitet mit dir und zerstört dich. Ich habe mich für Ersteres entschieden. Trotzdem habe ich viel geheult und in der Badewanne gesessen, um die Traurigkeit abzuschrubben. Zum Beispiel, nachdem ich ein Mädchen mit Narben am ganzen Körper getroffen hatte. Ein westlicher Freier hatte es maskiert, mit einem Messer misshandelt und dabei gefilmt.
Sie fordern oft eine "Revolution der Männlichkeit". Was meinen Sie damit?
Dass Schluss sein muss mit der patriarchalen Vorstellung, dass Männer sich nur in der Pornografie sexuell frei ausdrücken können. Es herrscht im Grunde weltweit die Vorstellung, dass Männer unfähig seien, ihre Libido zu kontrollieren. Also akzeptieren die meisten Gesellschaften die Prostitution, weil diese angeblich verhindern solle, dass die Männer wie Tiere durch die Gegend rennen und sich anständige Frauen nehmen.[ich fühle mich mit dieser Behauptung in meiner Menschnwürde verletzt]
Frankreich, Spanien und die USA haben Ihnen politisches Asyl angeboten. Sie haben trotz der Ermordung von Kollegen und Freunden abgelehnt.
Nur weil ich meinen Job gut mache, soll ich aus meinem Heimatland fliehen? Das will mir wirklich nicht in den Kopf.
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Über Gewalt und organisierte Kriminalität in Südamerika kann ich nichts sagen, aber dass das ProstG den Menschenhandel erst ermögliche ist eine Verdrehung der Tatsachen. Ich kann leider Lydias Cachos Arbeiten nicht einschätzen, alleine ihre Darstellungen über Deutschland sind sehr einseitig und tendenziell.
.Der Tagesspiegel 1.5.2011
"Die neue Sklaverei braucht keine Ketten"
Menschenhandel und Sex-Mafia: Lydia Cacho recherchierte fünf Jahre in 47 Ländern. Günter Wallraff sagt, er kenne keine mutigere Frau als sie
Señora Cacho, wann wurden Sie zuletzt bedroht?
Das ist gar nicht lange her. Ein Mann sagte am Telefon, dass man mir die Hände abhacken und sie meinem Freund schicken würde, wenn ich weiter so viel Quatsch schriebe. Mein Sicherheitsberater hat herausgefunden, dass der Anruf wahrscheinlich von einem Angehörigen des mexikanischen Militärs kam.
Sie haben Personenschützer?
Selbstverständlich, schon seit einigen Jahren.
Das Magazin "Newsweek" zählt Sie zu den 150 Frauen, die die Welt im Jahr 2010 bewegt haben. Auf der Liste befinden sich auch Michelle Obama, Angelina Jolie und Aung San Suu Kyi.
Das ist mir überhaupt nicht wichtig. Ich werte es lieber als Erfolg, dass ich mit meiner Arbeit einigen der Millionen von Frauen und Kindern eine Stimme geben konnte, die zur Prostitution gezwungen werden. Ich habe fünf Jahre lang in 47 Ländern recherchiert und das Gefühl, dass ich meinen Job als Journalistin erledigt habe: die Welt mit den Augen der Schwachen zu schildern, nicht mit dem zynischen Blick der Starken.
Nun ist der 1. Mai, der Tag der Arbeit …
… eigentlich ein guter Tag. Doch was erleben wir? Die explosionsartige Ausbreitung der Sklaverei. Laut UN leben zurzeit 27 Millionen Menschen in sklavenähnliche Verhältnissen. Das sind mehr als zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert, als zwölf Millionen Afrikaner verschleppt wurden.
Warum haben Sie vorwiegend über Zwangsprostitution recherchiert?
Weil fast 80 Prozent der neuen Sklaven Prostituierte sind, während der kleinere Teil der Sklaven als Hausangestellte, auf Zuckerrohrplantagen oder auf dem Bau arbeitet.
Wo liegt der Unterschied zwischen dieser neuen Sklaverei und der alten?
Die neue Sklaverei braucht keine Ketten mehr, ihre Waffe ist die kapitalistische Verwertungslogik. Diese Ideologie betrachtet den Menschen als Ressource, die ausgebeutet werden kann. Darunter leiden vor allem Frauen und Kinder in den Entwicklungsländern, weil sie keinerlei Schutz genießen.
Eine der traurigsten Szenen in Ihrem Buch handelt von der neunjährigen May, die Sie in einem kambodschanischen Mädchenheim kennengelernt haben.
Sie war eine von etwa 50 000 vietnamesischen Kindersklavinnen, hatte systematische Vergewaltigungen hinter sich – und bewegte sich wie eine Frau, die gelernt hat, Aufmerksamkeit von Männern auf sich zu ziehen. Sie war mit anderen Mädchen im Schwimmbecken, als sie auf einmal rief: "That’s it, baby girl, good job!" Sie hatte den englischen Satz gelernt, als ihr Oralsex anhand eines Dildos beigebracht wurde. "Yum-Yum" nennen das die Zuhälter.
Wissen Sie, wie viel die Zuhälter damit verdienen?
40 Euro, die Kinder kriegen nur etwas zu essen. Eine Kindersklavin erzählte mir, dass sie täglich 15 bis 20 Mal "Yum-Yum" macht. Damit verdient der Zuhälter an einem einzigen Tag mit einem Mädchen bis zu 600 Euro. Das heißt, in Kambodscha kommen so jedes Jahr rund 150 Millionen Euro zusammen. Das Geld fließt in die Taschen von Barbesitzern, Hoteliers, Taxifahrern, Hotelportiers und korrupten Polizisten, die die Mafiosi beschützen. Kindesmissbrauch ist in Südostasien dank der Sextouristen eine gesellschaftliche Normalität.
Was geschieht mit Kindern, die weglaufen wollen?
Es wird ihnen gesagt, dass sie dann zerteilt und gegessen werden. Ihre Familien werden bedroht.
Sie beschreiben die Sexsklaverei als neues, globales Phänomen, das nicht nur Kinder betrifft. Wie kommt die Kolumbianerin nach Tokio, die Nigerianerin nach Madrid oder die Thailänderin nach Berlin?
Ein Beispiel: Ich habe in meiner Heimatstadt Cancún ein Frauenhaus gegründet. Eines Tages holten wir eine 19-jährige Venezolanerin aus dem Gefängnis - Arely, mit platinblondem Haar. An ihrem Hals waren Würgemale. Arely war einige Monate zuvor in Venezuela von einer Frau angesprochen worden. Die schmeichelte ihr und meinte, Arely sei so schön, dass sie in Mexiko Model werden könnte. Dort gäbe es eine Menge Dollars zu verdienen. Arely willigte ein und registrierte sich auf der Internetseite divas.com. Die Frau brachte Ticket und Pass - Arely könne das Geld ja in Mexiko zurückzahlen. Doch dort nahmen ihr Komplizen den Pass ab, und es hieß, sie habe 5000 Dollar Schulden.
Sie wurde also zur Prostitution gezwungen, um ihre "Schulden" zu begleichen?
Erst musste sie in einem Nachtclub tanzen. Eines Tages kam der Chef vorbei und sagte, sie habe zu kleine Brüste. Die müsste sie sich auf eigene Kosten operieren lassen. Dazu kam das Schmiergeld für die Aufenthaltserlaubnis und und und. Dann wurde Arely zu einem Unternehmer in ein Hotel gebracht. Es hieß, wenn sie mit ihm schlafe, könne sie auf diese Weise ihre Schulden abbauen. Es folgten weitere Industrielle und Politiker. Sie erfuhr außerdem, wie die Mafia sie mit den Politikern filmte, um diese später zu erpressen. Als sie mit Drogen ruhiggestellt wurde, landete Arely im Knast, wo sie von vier Beamten vergewaltigt wurde.
Gibt es ein Muster hinter dieser Form der Versklavung?
Natürlich. Da sind zum einen Armut und fehlende Perspektiven für junge Menschen. Dann eine Mode- und Sexindustrie, die Frauen glauben macht, dass es das Tollste auf der Welt sei, zu posieren. Wie oft habe ich von Ex-Prostituierten den Satz gehört: "Ich dachte, ich werde berühmt." Doch dann werden die Frauen eingesperrt, mit ihren angeblichen Schulden eingeschüchtert - und wenn sie nicht freiwillig mit Kunden schlafen, vergewaltigt man sie, um ihren Widerstand zu brechen.
Die Behörden kooperieren mit der Mafia?
Arely wurde in einem Privatjet nach Cancún gebracht und dort am Flughafen im Regierungsbereich abgefertigt! Es ist von Japan über Thailand und Israel, von der Türkei über Italien bis Mexiko völlig üblich, dass Polizisten, Politiker und Richter sich entweder von den Menschenhändlern schmieren lassen oder selbst zu guten Kunden der Etablissements gehören.
Ist es deshalb so schwer, den Menschenhandel zu bekämpfen?
Ja. Nehmen Sie den Einwanderungsbeamten, der wegsieht, wenn junge Vietnamesinnen als Haushaltskräfte nach Frankreich gebracht werden, die in Wirklichkeit im Internet als Ehefrauen gekauft wurden. Ich habe den Berater des kambodschanischen Wirtschaftsministers getroffen, der selbst ein Mafioso ist, und der japanische Polizeiminister beschützt die Yakuza, die gefürchtete japanische Mafia. Wenn in Parlamenten über die Prostitution debattiert wird, schützen manche Abgeordnete die Interessen des organisierten Verbrechens.
Die FDP-Abgeordnete im Europa-Parlament, Silvana Koch-Mehrin, sagte mit Blick auf die vielen Prostituierten in Straßburg, dass sich auch privat entsprechend verhalten müsse, wer im Parlament die Zwangsprostitution verurteile.
Natürlich! Weil in Europa vor allem ausländische Frauen aus armen Ländern betroffen sind, sehen viele Regierungen kaum Handlungsbedarf. Die eher konservativen Schätzungen der Vereinten Nationen gehen davon aus, dass es in Europa 140 000 Opfer von Zwangsprostitution gibt. Es ist eine einfache Rechnung: 50 Millionen sexuelle Dienstleistungen à 50 Euro im Jahr – macht 2,5 Milliarden Euro. Steuerfrei.
Und weltweit ...
... verdient die Menschenhändlermafia nach UN-Angaben jedes Jahr 135 Milliarden Dollar.
Was haben Ihnen die Frauen und Mädchen, die Sie getroffen haben, über ihre Gefühle erzählt?
Die meisten empfinden Verachtung. Kinder und Jugendliche leiden extrem, weil viele Freier ein romantisches Ambiente schaffen, wohl um sich weniger schuldig zu fühlen. Doch das nährt die falsche Hoffnung der Mädchen, ein Kunde werde sie bald aus ihrer Situation befreien. Aber wissen Sie, was sollen denn Frauen, die von Männern zum Oralsex gezwungen werden, die gewürgt, geschlagen und beschimpft werden, überhaupt noch von Männern halten? Die meisten dieser Frauen leiden unter posttraumatischen Stresssyndromen: Sie sind sozusagen von ihren Gefühlen abgeschnitten und spüren bestimmte Körperteile gar nicht mehr, insbesondere ihren Genitalbereich. Nur so können sie jeden Tag 15 bis 20 Männer ertragen. Eine 21-jährige Kolumbianerin, die ich in Tokio traf und die dort von den Yakuza versklavt wurde, führte Buch über ihre Freier. In einem Notizbüchlein im Hello-Kitty-Design hatte sie in acht Monaten 1320 Kunden notiert. [= 6 pro Tag]
Als Reporterin haben Sie sich selbst als Prostituierte verkleidet, um Zugang zur Szene zu erhalten. Waren die Männer offener, weil Sie kostümiert waren? [die meisten SexdienstleisterInnen, die ich kenne, sind nicht an der Kleidung erkennbar]
Eine ehemalige Nachtclubtänzerin, die mir auch bei meinen Outfits geholfen hat, gab mir einen Rat, der eigentlich nach einer Binsenweisheit klingt: Das Wichtigste sei, den Männern zuzuhören. Es ist nur tatsächlich unglaublich, was meine Verkleidung und ein kokett-unterwürfiges Verhalten bewirkte. Die Männer erzählten mir Dinge über sich, die sie mir als Reporterin niemals gesagt hätten. [logisch, wenn sie sich als SDL ausgibt]
Sie sind mit dem Undercover-Reporter Günter Wallraff befreundet. Hat er Ihnen Tipps gegeben?
Von Günter habe ich den engagierten Journalismus gelernt, für den man manchmal eine falsche Identität annehmen muss, weil man sonst bestimmte Dinge nicht erfährt. Wir haben in Mexiko-Stadt lange miteinander geredet, und es hat mir sehr geschmeichelt, als Günter sagte, ich sei die mutigste Frau, die er kenne.
In Deutschland ist die Prostitution legal, weil man glaubt, so die Zuhälterei zu bekämpfen.
Unsinn. Die Legalisierung hat der Zwangsprostitution Tür und Tor geöffnet. Nach Schätzungen der Organisation Hydra kommen mehr als die Hälfte der 400 000 Prostituierten in Deutschland aus dem Ausland, die meisten aus Osteuropa. Es folgen Lateinamerika, Thailand und Afrika. Die Mehrzahl dieser Frauen wurde illegal eingeschleust und zur Prostitution gezwungen. [einfach aus der Luft gegriffene Behauptung - in Baden-Württemberg und Bayern unmöglich, da Bordelle ständig von der Polizei überwacht werden]
SeñoraCacho, bereits 2005 haben Sie einen Kinderpornoring in Cancún aufgedeckt, in den mächtige mexikanische Industrielle, Politiker und Offizielle verwickelt waren. Daraufhin wurden Sie entführt und gefoltert. Reden Sie noch darüber?
Ich möchte nicht ins Detail gehen, aber ich erkläre Ihnen den Hintergrund: Einer der Anführer der Mafia, der Hotelier Jean Succar Kuri, bat seine Freunde, den Textilunternehmer Kamel Nacif und den Gouverneur von Puebla, Mario Marín, mich festnehmen zu lassen. Die Telefongespräche zwischen Nacif und Marín sind dokumentiert worden. Darin diskutieren sie, wie man mich aus dem Weg räumen könnte. Dann wurde ich von Polizisten entführt und in einem Auto mehr als 1000 Kilometer durch Mexiko gefahren. Die Männer sagten, sie würden mich vergewaltigen und umbringen. Ich wurde in ein Gefängnis gesteckt und gefoltert. Nur dank des Einsatzes von Kollegen, Freunden und Menschenrechtsorganisationen lebe ich noch.
Nachdem Ihre Enthüllungsgeschichte erschienen war, erhielten Sie ein zweifelhaftes Angebot.
Ich war mit zwei Freunden in einem Restaurant, wir tranken Tequila. An einem Nebentisch saß ein kräftiger Mann mit zwei Blondinen. Als er uns eine Sektflasche schickte, lehnte ich dankend ab. Ich wollte nichts mit ihm zu tun haben. Auf dem Rückweg von der Toilette fing er mich dann ab. Er sagte, er bewundere meine Arbeit und habe etwas gegen die Perversen, die ich hatte auffliegen lassen. Er bot mir an, den Gouverneur und Nacif umzulegen. Ich sollte mich wieder setzen, und wenn ich eine Serviette fallen ließe, wüsste er, was zu tun sei. Ich habe dann meinen Freunden gesagt, dass wir sofort alle Servietten in die Mitte unseres Tisches schieben, damit keine aus Versehen herunterfällt.
Wissen Sie, wer dieser Mann war?
Der örtliche Chef der Zetas, dem brutalsten Drogenkartell Mexikos, das in den letzten Jahren Zehntausende Morde begangen hat. Die Macht dieser Leute ist so groß, dass sie sich in aller Öffentlichkeit zeigen können.
Woher nahmen Sie eigentlich die Kraft, nach Ihrer Entführung weiterzumachen?
Schon als ich in diesem Auto saß, habe ich mir geschworen: Wenn ich das hier überlebe, lasse ich mir den Mund nicht verbieten. Ich bin keine Heldin und keine Märtyrerin, aber meine Mutter hat mir beigebracht, dass man in bestimmten Ländern und Situationen seine Freiheit und sein Glück verteidigen muss.
Sie haben über Jahre hinweg Geschichten von Ungerechtigkeiten und Gewalt gehört. Immer traf es die Schwächsten. Die Welt muss Ihnen wie eine Hölle vorkommen, unzivilisiert und kalt. [logisch, die anderen können sich wehren]
Im Gegenteil. Ich führe ein gesundes Liebesleben, ich habe einen liebevollen Partner. Ich versuche trotz der ständigen Drohungen, ein so normales Leben wie möglich zu führen. Eine Methode ist, diese Geschichten nicht mit ins Bett oder an den Esstisch zu nehmen, außerdem mache ich seit 20 Jahren Yoga. Der mexikanische Schriftsteller Octavio Paz hat gesagt, das große moralische und spirituelle Elend der liberalen Demokratien sei ihre Gefühllosigkeit. Das Geld habe die Erotik getötet, weil es die Seelen und Herzen zerfressen habe.
Erlebten Sie bei Ihren Recherchen private Momente großer Trauer oder Verzweiflung?
Entweder man arbeitet mit dem, was einem widerfährt und versucht zu reifen. Oder es arbeitet mit dir und zerstört dich. Ich habe mich für Ersteres entschieden. Trotzdem habe ich viel geheult und in der Badewanne gesessen, um die Traurigkeit abzuschrubben. Zum Beispiel, nachdem ich ein Mädchen mit Narben am ganzen Körper getroffen hatte. Ein westlicher Freier hatte es maskiert, mit einem Messer misshandelt und dabei gefilmt.
Sie fordern oft eine "Revolution der Männlichkeit". Was meinen Sie damit?
Dass Schluss sein muss mit der patriarchalen Vorstellung, dass Männer sich nur in der Pornografie sexuell frei ausdrücken können. Es herrscht im Grunde weltweit die Vorstellung, dass Männer unfähig seien, ihre Libido zu kontrollieren. Also akzeptieren die meisten Gesellschaften die Prostitution, weil diese angeblich verhindern solle, dass die Männer wie Tiere durch die Gegend rennen und sich anständige Frauen nehmen.[ich fühle mich mit dieser Behauptung in meiner Menschnwürde verletzt]
Frankreich, Spanien und die USA haben Ihnen politisches Asyl angeboten. Sie haben trotz der Ermordung von Kollegen und Freunden abgelehnt.
Nur weil ich meinen Job gut mache, soll ich aus meinem Heimatland fliehen? Das will mir wirklich nicht in den Kopf.
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Über Gewalt und organisierte Kriminalität in Südamerika kann ich nichts sagen, aber dass das ProstG den Menschenhandel erst ermögliche ist eine Verdrehung der Tatsachen. Ich kann leider Lydias Cachos Arbeiten nicht einschätzen, alleine ihre Darstellungen über Deutschland sind sehr einseitig und tendenziell.
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RE: Frauenhandel - es bleibt noch viel zu tun!
Gerade anhand der Fakten, die sie selbst aufführt (beispielsweise korrupte Beamte auf allen Ebenen) müsste sie logischerweise zu dem Schluß kommen, dass nur die konsequente Entkriminalisierung der Prostitution diesen Machenschaften ein Ende setzen kann.
Dass sie den Schluß gerade umgekehrt zieht läßt zusammen mit ihren Vorurteilen über Deutschland stark vermuten, dass sie unter funamentalistisch-ideologischem Einfluß handelt, was dann wiederum auch Zweifel daran weckt, ob die von ihr beschriebenen Zustände wirklich so vorhanden sind.
Liebe Grüße, Aoife
Dass sie den Schluß gerade umgekehrt zieht läßt zusammen mit ihren Vorurteilen über Deutschland stark vermuten, dass sie unter funamentalistisch-ideologischem Einfluß handelt, was dann wiederum auch Zweifel daran weckt, ob die von ihr beschriebenen Zustände wirklich so vorhanden sind.
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It's not those who inflict the most, but those who endure the most, who will conquer. MP.Vol.Bobby Sands
'I know kung fu, karate, and 37 other dangerous words'
Misspellings are *very special effects* of me keyboard
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