"Die Sünderin" am 13.10. im Koki ES

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ehemaliger_User
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"Die Sünderin" am 13.10. im Koki ES

Beitrag von ehemaliger_User »

Als besonderen Leckerbissen zum 30jährigen Jubiläum präsentiert das "Kommunale Kino Esslingen" am 13.10.2011 um 21 Uhr: http://www.koki-es.de/

Die Sünderin

Der sorgsam, mit großer Tiefenschärfe fotografierte und mit zahlreichen Match-Cuts kunstvoll montierte Film fällt formal durch seine Erzählweise auf. Fast durchgängig wird der Zuschauer von der Off-Stimme Marinas, durch szenische Darstellungen bebildert, durch den Film geführt. Die Handlung entwickelt sich nicht chronologisch, sondern in mehreren hintereinander geschalteten Rückblenden. So wird konsequent die Perspektive der Hauptperson eingenommen und immer erklärt bzw. gerechtfertigt. Andererseits stört dieses Vorgehen aber auch den Fluss der Erzählung und erschwert die Identifikation mit den Figuren.

Marina, durch unglückliche Begebenheiten zur Prostituierten geworden, verliebt sich in den Maler Alexander, der an einem Gehirntumor leidet. Sie ändert ihr Leben radikal und umsorgt den Geliebten hingebungsvoll. Doch sein gesundheitlicher Zustand verschlechtert sich drastisch und er ist bald nicht mehr in der Lage, sich und seine Geliebte zu ernähren. Marina lässt sich mit einem Kunsthändler ein, der ihr als Gegenleistung für sexuelle Dienste ein Bild Alexanders abkauft. Er schöpft neuen Mut und ist nun bereit, sich operieren zu lassen. Marina beschließt, ein letztes Mal ihren Körper zu verkaufen, um ihm die Operation ermöglichen zu können. Danach ist dem Paar eine kurze Phase unbeschwerten Glücks beschert, bis die Krankheit wieder ausbricht ...

DER SKANDAL: Drei Tage vor der geplanten Premiere von DIE SÜNDERIN meldete der Arbeitsausschuss der FSK Bedenken hinsichtlich seiner Freigabe an – nicht übrigens wegen des kurzen Busenblitzers, wie heute oft behauptet wird. Der Ausschuss empfand vielmehr die „Selbstverständlichkeit“, mit der im Film „Tötung und Selbstmord“, aber auch Prostitution als Mittel zur „Lösung der im Film entwickelten Lebensproblematik“ gerechtfertigt würden als „potentiell entsittlichend“. Der Hauptausschuss der FSK gab den Film am Tag seiner Uraufführung in einer eilig einberufenen Sondersitzung dann aber doch in ungekürzter Fassung frei, woraufhin die Vertreter der Kirchen ihren Austritt aus den Gremien der FSK erklärten. Die Kirchen liefen weiter Sturm gegen den Film. Gewalttätige Ausschreitungen bei Demonstrationen, Störungen von Vorstellungen mit Stinkbomben, Niespulver und weißen Mäusen (angeblich auch von Priestern und Mönchen) und massive Drohungen gegen Filmtheaterbetreiber folgten. „Ich hatte den Skandal, die Produzenten das Geld“, resümiert die Knef später trocken. Gut vier Millionen Deutsche sahen den Film, dessen Aufführung wegen „Gefährdung von Sicherheit und Ordnung“ in mehreren Städten polizeilich verboten wurde. 1954 schob das Bundesverfassungsgericht dieser umstrittenen Praxis allerdings endgültig einen Riegel vor. Für Hildegard Knef, den ersten deutschen Filmstar der Nachkriegszeit, war DIE SÜNDERIN das Sprungbrett für eine sehr erfolgreiche internationale Filmkarriere, Publikumsliebling Willi Forst überstand ihn ähnlich unbeschadet wie die Jahre 1938 bis 1945 (als Aufsichtratsmitglied der gleichgeschalteten Wiener Film GmbH) und beendete sein Intermezzo als Regisseur ohne Scheu vor „gewagten Zeitproblemen“ schnell wieder, indem er zu leichten Musik- und Heimatfilmchen zurückkehrte.

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Deutschland 1950 | R: Willi Forst | B: Gerhard Menzel | K: Václav Vích | D: Hildegard Knef (Marina), Gustav Fröhlich (Alexander), Robert Meyn (Stiefvater), Änne Bruck (Stiefmutter)
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