28 Sitzung des Innenausschusses am 10112011
Schriftlicher Bericht der Landesregierung zum Bundeslagebild Menschenhandel 2010 des Bundeskriminalamtes Antrag der Fraktionen SPD und Grüne vom
Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen Ministerium für Inneres und Kommunales NRW, 40190 Düsseldorf Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen Platz des Landtags 1
40221 Düsseldorf für die Mitglieder des Innenausschusses und des Ausschusses für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation - 190-fach LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 15. WAHLPERIODE VORLAGE 15/942
Ag A3
28. Sitzung des Innenausschusses am 10.11.2011
Schriftlicher Bericht der Landesregierung zum Bundeslagebild Menschenhandel 2010 des Bundeskriminalamtes - Antrag der Fraktionen SPD und Grüne vom 19.10.2011
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
"Bundeslagebild Menschenhandel 2010" und zum möglichen Handlungsbedarf der Landesregierung zur Verbesserung der Strafverfolgung sowie zu den vorhandenen Unterstützungsmöglichkeiten für die Opfer berichte ich wie folgt: Die Landesregierung erachtet die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen als besonders wichtige Aufgabe. Daher misst sie der strafrechtlichen Verfolgung des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und der Zwangsprostitution sowie dem Opferschutz für die betroffenen Frauen und Mädchen einen hohen Stellenwert zu.
Ausweislich des Lagebildes 2010 des Landeskriminalamtes NRW "Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung" (Vorlage 15/639
vom 30.05.2011) wurden dazu im Jahr 2010131 Verfahren abgeschlossen. Im Vergleich zu 2009 mit 117 Verfahren ist dies eine Steigerung um 12%. .1-:November 2011
Die Gesamtzahl der gemeldeten Tatverdächtigen stieg leicht von 176 auf 182. Dabei waren 32 (in 2009 42) Tatverdächtige deutscher und 134
(im Vorjahr 124) Tatverdächtige nichtdeutscher Herkunft.
Die Anzahl der Opfer sank geringfügig von 155 auf 147. Davon hatten 111 Opfer (im Vorjahr 117) nicht die deutsche Staatsanghörigkeit. Die nichtdeutschen Opfer stammten wie bereits in den Vorjahren überwiegend aus den osteuropäischen Ländern, insbesondere aus Bulgarien (29%) und Rumänien (12%), sowie aus Nigeria (10%). Die Anzahl der Opferbetreuungen durch die spezialisierten FachberatungssteIlen stieg in 2010 um 59% von 47 betreuten Opfern in 2009 auf 79.
62 Verfahren wurden in 2010 durch Strafanzeigen der Opfer initiiert; Hinweise und Strafanzeigen Dritter begründeten 21 Verfahren und in 48
Fällen leitete die Polizei Verfahren von Amts wegen ein.
Im Zeitraum von Januar bis September 2011 wurden bisher 113 Ermittlungsverfahren geführt. Der Anteil der Tatverdächtigen wie auch der Opfer, die aus Bulgarien und Rumänien stammen, ist weiterhin jeweils hoch.
"Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung" ist ein sog.
Kontrolldelikt. Diese Delikte werden maßgeblich auch durch Kontrollen von Polizei- und Ordnungsbehörden und intensive Ermittlungen der Polizei aufgedeckt.
Indikatoren, die auf Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung hindeuten, können aber nicht nur aus polizeilichen Maßnahmen und Auswertungen abgeleitet werden. Auch von nichtpolizeilichen Institutionen (z. B. Feuerwehr, Versorgungsunternehmen), Einrichtungen und Gewerbetreibenden (z. B. Gebäudereinigern, Lieferanten) können Feststellungen an die Strafverfolgungsbehörden herangetragen werden.
Entscheidend hierfür sind eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und ein regelmäßiger Informationsaustausch zwischen Polizei und solchen Instanzen. Hierzu sind in vielen Städten bereits seit Jahren sog. Runde Tische eingerichtet.
Eine wesentliche Grundlage für den Verfahrenserfolg ist weiterhin die deliktsspezifische enge Kooperation von Polizei und Staatsanwaltschaft, die bereits durch jeweils dazu bestimmte Ansprechpartner und kontinuierliche Abstimmung gewährleistet ist.
Objektive Beweise sind in Fällen des Menschenhandels oft nur in geringem bzw. unzureichendem Umfang zu erlangen.
Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen Für die strafrechtliche Ermittlungsführung und das Gerichtsverfahren hat der Personalbeweis, insbesondere die Aussagen der Opfer, daher große Bedeutung. Soweit in diesem Zusammenhang BKA und LKA NRW in ihren Lagebildern die Bedeutung der Opferbetreuung und die Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden mit den nichtstaatlichen Fachberatungsstellen hervorheben, unterstützt dies die Auffassung der Landesregierung.
Bedeutend ist hierfür die besondere Situation der ausländischen Opfer, deren Misstrauen und mangelnde Kooperationsbereitschaft gegenüber Polizei und staatlichen Organisationen durch schlechte Erfahrungen in ihren Heimatländern und durch Angst vor Gewalt und Repressalien geprägt ist.
Die Polizeibehörden, Sozial- und Ausländerbehörden des Landes nutzen hierfür den Leitfaden "Verdachtsschöpfung und Sachbearbeitung bei Fällen des Menschenhandels", der ursprünglich unter Federführung des LKA NRW und unter institutionell übergreifender Beteiligung entsprechender Expertinnen und Experten erstellt und zwischenzeitlich fortwährend aktualisiert wurde. Dieser enthält Grundsätze und Handlungsempfehlungen für die polizeiliche Ermittlungsführung und Sachbearbeitung, den polizeilichen Opferschutz und für die Zusammenarbeit aller weiteren relevanten Behörden und Organisationen, insbesondere mit den nichtstaatlichen spezialisierten Fachberatungsstellen.
Für die Landesregierung hat der Opferschutz eine besondere und zentrale Bedeutung. So befasst sich z. B. die "Expertengruppe Opferschutz Nordrhein-Westfalen" mit allen dafür relevanten Aspekten. Der Arbeitsgruppe gehören Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Ressorts der Landesregierung, der Richterschaft, der Staatsanwaltschaft, der Anwaltschaft, der Polizei, des ambulanten Sozialen Dienstes der Justiz, der Wissenschaft, der Kirchen, gemeinnütziger Organisationen (beispielsweise des WEISSEN RINGS) und der Fraueninfrastruktur an. Die von der Expertengruppe erstellten Berichte sind jeweils nicht nur eine Bestandsaufnahme des bisher Erreichten, sondern zeigen auch auf, wo noch weiterer Handlungsbedarf zu Ausbau und Verbesserung des Opferschutzes und der Opferhilfe besteht. Zahlreiche Anregungen der Expertengruppe hat die Landesregierung bereits umgesetzt.
Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte des Landes werden in spezifischen Seminaren und Veranstaltungen
Die mit diesen Aufgaben betrauten und besonders fortgebildeten Beamtinnen und Beamten prüfen für jeden Einzelfall Maßnahmen des Zeugenschutzes und wirken insbesondere auf eine vertrauensvolle Kooperation der Opferzeugin mit den
Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen den Themen "Menschenhandel" und "Opferschutz" fortgebildet und sensibilisiert.
Im Rahmen der polizeilichen Ermittlungsführung obliegt die Betreuung von Opfern von Menschenhandel, auch im Interesse einer Trennung der polizeilichen Ermittlungen von Opferschutz- und Hilfemaßnahmen, grundsätzlich den spezialisierten Zeugenschutzdienststellen der Polizei.
Die mit diesen Aufgaben betrauten und besonders fortgebildeten Beamtinnen und Beamten prüfen für jeden Einzelfall Maßnahmen des Zeugenschutzes und wirken insbesondere auf eine vertrauensvolle Kooperation der Opferzeugin mit den polizeilich und staatsanwaltschaftlich ermittlungsführenden Stellen und den spezialisierten Fachberatungsstellen hin.
Das Land fördert seit vielen Jahren acht solcher spezialisierter Fachberatungsstellen für Opfer von Menschenhandel. Die Personalkostenpauschale für jeweils 1,5 Fachkräfte wurde in diesem Jahr auf max. 77.500
aufgestockt. Zudem wurde eine jährliche Sachkostenpauschale in Höhe von 6.000 neu eingeführt. Daneben erhalten die spezialisierten Beratungsstellen Honorarmittel für Dolmetscherinnen, Rechtsanwaltskosten und Honorarkräfte. Die sichere und bedarfsgerechte Unterbringung von Menschenhandelsopfern fördert das Land mit jährlich 245.400 . Zu den Themen Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und Opferschutz wirkt die Landesregierung auf eine starke landeswie bundesweite Vernetzung und Koordinierung von Maßnahmen mit anderen beteiligten, staatlichen wie nichtstaatlichen Akteuren hin: Auf Landesebene finden unter der Leitung des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes NRW regelmäßig Sitzungen des Runden Tisches "Internationaler Menschenhandel mit ausländischen Frauen und Mädchen in Nordrhein-Westfalen" statt. Einbezogen sind Vertreterinnen und Vertreter der beteiligten Ressorts, u. a.
des Innen- und Justizministeriums, kommunale Gleichstellungsbeauftragte und Vertreterinnen spezialisierter Beratungsstellen.
Auch an der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Frauenhandel" unter Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beteiligt sich die Landesregierung. Das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter vertritt in diesem Gremium seit vie
Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen len Jahren die Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen, -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK). Neben anderen Vertretungen der beteiligten Fachministerkonferenzen, so auch der Landesjustizverwaltungen der Länder und damit auch des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vertreten von zwei Angehörigen der Berliner und der hessischen Landesjustizverwaltung, gehören der Bund-Länder-Arbeitsgruppe u. a. Vertretungen der zuständigen Bundesressorts, des Bundeskriminalamts sowie von Nichtregierungsorganisationen an.
Im Januar 2011 hat der durch Beschluss des Kabinetts von Dezember 2010 ins Leben gerufene Runde Tisch Prostitution seine Arbeit aufgenommen. Dieses Gremium soll ein Handlungskonzept zur Umsetzung des Prostitutionsgesetzes in Nordrhein-Westfalen erarbeiten. Die Landesregierung verfolgt damit unter anderem auch das Ziel, einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des Menschenhandels zu leisten. Insoweit sind auch das Innen- und Justizministerium an dem Runden Tisch beteiligt.
Die Thematik "Regulierung der Prostitution zur Weiterentwicklung der Maßnahmen gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution" war und ist auch Gegenstand der Gremienbefassung insbesondere der Innenministerkonferenz, aber auch mit Teilaspekten der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder sowie der Wirtschaftsministerkonferenz.
Die Innenministerkonferenz hat u. a. zu den nachfolgend aufgeführten Themenbereichen Handlungsbedarf erkannt und den Bund um eine gesetzgeberische Initiative gebeten:
· Einführung von Erlaubnispflichten für alle Formen von Prostitutionsstätten
· Vermittlung von Prostitutionsdienstleistungen
· Anzeigepflicht der Prostitutionstätigkeit in Prostitutionsstätten
· Möglichkeiten zur Schaffung von Abgrenzungskriterien zwischen einem Beschäftigungsverhältnis und dirigistischer Zuhälterei
· Evaluierung des § 232 StGB und dessen Strafrahmen
· Einführung bundeseinheitlicher Zugangs- und Kontrollmöglichkeiten für Prostitutionsstätten
· Regulierung der Werbung für Prostitution und
· Schaffung eines flächendeckenden Angebotes für Ausstiegshilfen.
Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen Aus Sicht der Landesregierung sind auch Handlungsempfehlungen zu unterstützen, die nicht unmittelbar auf die Bekämpfung des Menschenhandels abzielen, da sie in der Gesamtheit zu einer Verbesserung der Situation der Prostituierten führen und damit auch zur Bekämpfung des Menschenhandels beitragen können.
Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung einem mit großer Mehrheit vom Bundesrat am 11. Februar 2011 gefassten Beschluss zur stärkeren Reglementierung des Betriebs von Prostitutionsstätten zugestimmt, bei dem insbesondere die Bekämpfung von Menschenhandel konsequent integriert ist (BR-Drs. 314/10).
Die mittlerweile vom Bund angekündigte Ergänzung des Prostitutionsgesetzes mit Möglichkeiten länderspezifischer Ausgestaltungen ist zunächst abzuwarten.
Darüber hinaus hat die Landesregierung das Anliegen des Richtlinienvorschlags der Europäischen Kommission zur Verhütung und Bekämpfung von Menschenhandel und zum Opferschutz unterstützt, dem illegalen Menschenhandel eine entschlossene Reaktion entgegenzusetzen.
Die Richtlinie, die Aspekte der Prävention, der Strafverfolgung und der Kontrolle umfasst, vor allem aber auf eine Verbesserung der Opferrechte im Strafverfahren sowie eine Unterstützung der Opfer abzielt, ist am 05.04.2011 erlassen worden. Sie sieht u. a. vor, dass die Unterstützung der Opfer künftig nicht von deren Bereitschaft abhängt, als Zeuge auszusagen. Auch sollen Opfer von Menschenhandel unverzüglich Zugang zu Rechtsberatung sowie zu rechtlicher Vertretung haben, wobei Rechtsberatung und -vertretung unentgeltlich sind, wenn das Opfer nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt.
Über die beschriebenen Maßnahmen hinaus sieht die Landesregierung aktuell keinen Handlungsbedarf zur Verbesserung der Strafverfolgung und des Opferschutzes.
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Bericht des Innenministerium NRW 2011
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Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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