Dickpics -unkonsensuales digitales Versenden

Wer mit Menschen zu tun hat, hat oft genug auch mit Dummköpfen zu tun. Macht eurem Ärger Luft. Es bleibt unter euch. Ebenso sollen hier aber auch vorbildliche Klienten aufgeführt werden. Wie sieht der ideale Klient aus?
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NoraSW
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Dickpics -unkonsensuales digitales Versenden

Beitrag von NoraSW »

Jeder Mensch, jede Frau, jede/r Sexarbeiter/in hat das Recht nicht unaufgefordert mit sexuellen Inhalten konfrontiert zu werden.
Ich verwehre mich ebenfalls gegen die Bezeichnung milleubedingt in diesem Fall.
Wenn man Kunden darauf hinweist, reagieren diese erstaunt, aber sie verstehen es meistens.

Ich habe als Frau/ als Mensch das Recht, nicht mit stolz verschickten Gemächtsfotos belästigt zu werden.
Wenn das im Rahmen der Anbahnung ausgemacht ist, super, dann viel Spaß.
Das Gesetz hierzu ist gerade am Weg...
Es ist also weder auf Tinder normal, noch in der Sexarbeit.

Was hindert also Kunden
daran einfach zu fragen, ob es erwünscht ist ?

Nein, nur weil wir in der Sexarbeit tätig sind ist dies kein Freibrief für unaufgeforderte Fotos.

Wann beginnt man in Sexarbeiter/innen endlich nicht nur den Beruf zu sehen sondern auch den Mensch.

Ich bin in erster Linie Frau und dann Sexarbeiterin.

Die Gesellschaft müsste auch lernen, dass man uns nicht auf den Beruf reduziert.
Der Gesetzgeber müsste lernen dass unsere Vagina nicht Teil einer magistatischen Amtshandlung ist.

Ich frage mich wann in diesem Land, egal ob von der Gesetzgebung oder einem Teil der Gesellschaft unsere Intimsphäre endlich geachtet wird und nicht als öffentlich zugänglich betrachtet wird.


Meine Intimsphäre ist NUR meine Intimsphäre.

Grüße
Nora

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Janette
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Re: Dickpics -unkonsensuales digitales Versenden

Beitrag von Janette »

Ich ermutige meine Mitarbeiter:innen, ihre Grenzen durchzusetzen (es ist traurig, dass man insbesondere Frauen dazu erst ermutigen muss). Manche Männer meinen, Sexarbeiter:innen müssten ihnen jeden noch so widerlichen Wunsch erfüllen.
Meine Empfehlung: Anzeige, wenn die Person es nach mehrfache Bitte zur Unterlassung nicht unterlässt. Anders verstehen sie es nicht.

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NoraSW
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Re: Dickpics -unkonsensuales digitales Versenden

Beitrag von NoraSW »

Das ist in Deutschland möglich.
In Österreich ist dies im Moment nur strafbar wenn es wiederholt vorkommt, weil es unter Stalking fällt dann.
Es ist in Österreich in Arbeit,man ist sich aber noch nicht einmal einig, ob es unter Verwaltungs oder Strafrecht fällt.

Weiters geht es nicht nur um digitale unerwünschte Handlungen.
Dadurch dass die Position der sexarbeitenden Person in Österreich eine sehr schwache ist, aufgrund der massiven Reglementierung, sind unsere Rechte schwach und auch der gesellschaftliche Blick schädlich.
Das ist im täglichen Arbeitsablauf massiv zu spüren.
Zum Beispiel die offene Nachfrage nach unsafe Sex Praktiken.
Bei Ablehnung hört man immer dasselbe: warum nicht ohne, du hast ja eh einen Deckel. Du bist kontrolliert, also brauchen wir kein Kondom.
Dickpics sind Teil einer Struktur, wo Männer sich unaufgefordert Freiheiten heraus nehmen ohne Erlaubnis.
Auch das Drängen nach Service Praktiken und vehementes Nachfragen danach bedeutet,dass es keine Augenhöhe gibt.
Ein Nein ist ein Nein und hier gibt es eine Null Toleranz Linie für Abweichungen egal ob Sexarbeiter/ in Frau/ Mann/ divers Mensch.

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deernhh
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Re: Dickpics -unkonsensuales digitales Versenden

Beitrag von deernhh »

Ja, das erlebe ich leider auch oft.
Mir werden auch dann und wann ungefragt und unnötig Dickpics und auch sogar Wichsvideos von Männern per WhatsApp auf mein Arbeitshandy versendet. Diese werden umgehend von mir gelöscht, sowohl auf WhatsApp als auch in der Fotogalerie.

Und auch, obwohl ich vorher nicht gefragt wurde, ruft der eine oder andere mich per Videoanruf an, wohl in der einen Hand den Dödel und in der anderen Hand das Handy zum kostenlosen ".....".
Auch werde ich immer wieder gefragt, ob ich auch alles ohne Kondom mache, was ich strikt ablehne.
Bei AO-Anfragen antworte ich schon gar nicht mehr, sondern er wird gleich blockiert.

In allen solchen obigen Fällen wird er gleich blockiert und fertig.

Ja, traurig, dass solche Typen denken, mit den SW kann man's ja einfach machen und denken, sie kämen ohne irgendwelche Konsequenzen davon.

Auch nervig ist, wenn einer anfragt, ob er JETZT kommen könne, nur mal ganz schnell für 10 Minuten für einen BJ, und ich ablehne, weil z.B. in einer halben Stunde ein Termin vorbeikommt und ich somit keine Zeit für den schnellen Blowie habe, weil hinterher aufgeräumt werden muss, Waschbecken, an dem er sich vorher frisch macht, wieder für den nächsten Gast geputzt werden muss, Bettwäsche, ich die Zähne hinterher putzen und desinfizieren muss (mache ich immer vor und nach dem Besuch) usw, und der Typ es einfach nicht akzeptiert und meint, es sind doch nur 10 Minuten und ich könne ihn schnell mal rannehmen und ich wiederholt verneine, er dann erst Herzchen-Emojis und dann Wein-Emojis versendet.
Ist schlimm, wenn er ein "Nein" einer SW nicht akzeptiert und weiter rumhackt.

Es gibt Tage, an denen mich SOLCHE nervigen WhatsApp-Chats und/oder Anrufe echt runterziehen und mir schlechte Laune bereiten.

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Mariamex
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Re: Dickpics -unkonsensuales digitales Versenden

Beitrag von Mariamex »

Hallo zusammen. Sehr interessantes, bekanntes und lästiges Thema. Ich denke, jede von uns kennt das. Als ich viel online Werbung hatte, war es besonders viel. Ich habe dazu eine Theorie. Männer, die solche Bilder versenden, oder Videos, sind in diesem Moment sehr horny. Und da wir sw sind, gehen die davon aus, das wir nur darauf warten und irgendwie „dauergeil“ durch die Welt laufen. Dickpics stören mich nicht so. Finde die aber auch nicht toll. Allerdings, da ich momentan keine online Werbung habe, und nur Stammkunden meine nr haben, bekomme ich sowas kaum noch. Was @deermhh geschrieben hat, mit dem „mal schnell für 10 min“ Ja das kenne ich auch und das verknüpfe ich mit diesem Zustand „geil“ und wenn Männer geil sind (nicht alle, also nicht gleich los brüllen, falls sich jetzt einer angesprochen fühlt) dann ist das Blut hat nicht mehr im Kopf. Dann wird die Sprache sehr vulgär, die Gedanken drehen sich nur darum und sowieso tun die uns ja einen Gefallen, wenn die zu uns kommen. Wir können nun empört sein, wir können diskutieren (was meiner Erfahrung nach geht, aber anstrengend ist und zeitaufwendig) oder wir sagen einfach „nein geht nicht“ und das war’s. Garnicht weiter drauf einlassen. Natürlich sind wir mehr als sw. Das hatte ich in einem anderen Beitrag über discrimination auch schon geschrieben. Für die Mehrheit der freier sind wir auch mehr als „nur das“ aber es ist halt dieser „geil Modus“ naja und wenn wir Arbeitshandys haben, also die von uns, die damit arbeiten, dann ist ja auch klar, dass der freier da nicht mit der Seelsorge reden will ;)
@norasw.
Ja, die AO anfragen sind gewaltig. Und ein Nein wird eher selten sofort akzeptiert. Diskussionen oder Erklärungen warum „Nein“ sind zeitaufwendig und nervig. „Ja ok dann mit Kondom aber ich spritze dir ins Gesicht“ usw.
Ich weiß nicht, warum das so ist. Vor dem in Deutschland „neuem“ Gesetz, habe ich viel bj Natur angeboten und verkauft. Sperma schlucken, angespritzt zu werden war täglich Brot und das nicht nur bei mir sondern bei vielen. Vielleicht ist das ja so bei den Leuten im Kopf geblieben? Vielleicht sind es die pornos, die diese Männer konsumieren, die halt diese Fantasien oder wünsche erzeugen? Es gibt ja auch noch die Möglichkeit der Amateur porno Dreh. DA ist dann AO ok und sperma sowieso. Seltsam.
Aber zurück zum Thema.
Vielleicht als Tipp. Lasst euch nicht auf endlose Diskussionen ein. Nein heißt nein und Ende. Da wird auch nicht weiter geredet. Wenn meine „geilheitstheorie“ stimmt, dann ist der freier zwar sauer, weil er seinen „Trieb“ nicht erfüllt bekam, allerdings wird er sich wieder beruhigen und wenn er das Blut wieder im Kopf hat, kann man ihn auch erklären warum man nicht weiter geredet hat.

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friederike
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Re: Dickpics -unkonsensuales digitales Versenden

Beitrag von friederike »

Ich denke, Deine "Geilheitstheorie" stimmt und trifft es auch. Wenn einer untervögelt ist, können die seltsamsten Triebe und Gelüste zum Vorschein kommen. Vieles davon fällt fachlich in den Bereich der Psychiatrie und Psychoanalyse. Prostituierte haben auch in diesem Feld eine wichtige Aufgabe, das dürfen wir nicht übersehen. Und wir müssen uns da freihalten, wir dürfen solche Dinge nicht an uns herankommen lassen, sonst wird es auch für uns ungesund.

"Dickpics" gehören da eigentlich noch zu den harmlosen Erscheinungen. Die betreffenden Typen machen das aus unterschiedlichen Gründen. Manche wollen bewundert werden, andere glauben, sie könnten mich damit ebenfalls geil machen. Unangenehm finde ich die, die mich offensichtlich schockieren wollen, weil sie das erregt. Ich schau halt nicht hin und lasse es vorbeirauschen. Neues sehe ich dabei ohnehin nicht.

Boris Büche
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Re: Dickpics -unkonsensuales digitales Versenden

Beitrag von Boris Büche »

"Das ist in Deutschland möglich. In Österreich ist dies im Moment nur strafbar wenn es wiederholt vorkommt, weil es unter Stalking fällt dann.
Es ist in Österreich in Arbeit,man ist sich aber noch nicht einmal einig, ob es unter Verwaltungs oder Strafrecht fällt
."

Ich habe mal nachgeschaut, warum: In Österreich setzt das Pornographiegesetz für die Strafbarkeit voraus, dass a) Minderjährige adressiert werden, oder b) in gewinnsüchtiger Absicht gehandelt wird, oder c) diese Inhalte beworben werden.
In D. reicht es nach § 184 StGB Ziffer 6, dass jemand Pornografie an einen anderen gelangen läßt, ohne von diesem hierzu aufgefordert zu sein. Alter egal. Man beachte auch die Unterparagrafen 184f und 184l (letzteren kannte ich noch nicht).

Persönlicher Kommentar: Nicht jedes mehrheitlich unerwünschte Verhalten sollte unter Straftat/OWi laufen - ich wäre hier für Milderung.
"Finde ich widerlich" / "ärgert mich sehr" trifft auf vieles zu, z.B. auf Lügen im privaten oder öffentlichen Rahmen - vollkommen legal, sofern nicht in Gewinnabsicht getätigt. Manche Lüge (z.B. zur Vaterschaft an einem Kind) wird sogar gesetzlich geschützt!

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Re: Dickpics -unkonsensuales digitales Versenden

Beitrag von Tina_Easy »

Kommentar von Boris Büche: "Persönlicher Kommentar: Nicht jedes mehrheitlich unerwünschte Verhalten sollte unter Straftat/OWi laufen - ich wäre hier für Milderung.
"Finde ich widerlich" / "ärgert mich sehr" trifft auf vieles zu, z.B. auf Lügen im privaten oder öffentlichen Rahmen - vollkommen legal, sofern nicht in Gewinnabsicht getätigt. Manche Lüge (z.B. zur Vaterschaft an einem Kind) wird sogar gesetzlich geschützt!"

Wo Boris Büche Recht hat, hat er Recht!
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Re: Dickpics -unkonsensuales digitales Versenden

Beitrag von friederike »

Leider ein hochaktueller und gleichzeitig hochbedeutender Punkt!

"Öffentliche Moralvorstellungen" für die Führung und Gestaltung des Privatlebens dürfen nicht mit Mitteln des Straf- oder Ordnungswidrigkeitsrechts aufgezwungen werden!

Man lese die widerlichen Ausführungen von Frau Prof. Mack und Frau Bär MdB (CSU), die diese elementare Bedeutung des Grundgesetzes nicht verstanden haben.

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deernhh
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Re: Dickpics -unkonsensuales digitales Versenden

Beitrag von deernhh »

Vorladung Dickpic [Update 12.7.24]

07.07.2024
2 Minuten Lesezeit
(49)

Strafverteidiger Dr. Daniel Kötz
Dickpic versendet und Ärger droht?

Wir beraten Sie im Vorfeld, z.B. eine Anzeige angedroht wird, oder wenn Sie bereits eine Vorladung erhalten haben.

Lesen Sie hierzu die Beiträge:

Anzeige oder Vorladung wegen Dickpic bekommen?

Das Versenden von Penisbildern, auch als "dickpix" oder "dickpics" bekannt, kann zu rechtlichen Konsequenzen führen, die auf verschiedenen Straftatbeständen beruhen, darunter § 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB (Überlassen von Pornographie), § 185 StGB (Beleidigung) und § 184i StGB (sexuelle Belästigung). Es ist jedoch oft unklar, ob solche Bilder tatsächlich als Pornographie gelten und ob sie in einem bestimmten Kontext oder Forum versendet wurden, was die strafrechtliche Beurteilung beeinflussen kann.

Vorladung wegen Verbreitung von Pornographie bekommen, § 184 StGB? Sexting? Dickpic?

Wenn Sie wegen des Vorwurfs der Verbreitung pornographischer Inhalte, insbesondere im Internet, von der Polizei oder Staatsanwaltschaft vorgeladen werden, ist Ruhe Ihre erste Pflicht als Beschuldigter. Dieser Vorwurf bezieht sich oft auf ungefragt verschickte "dickpics" oder andere pornographische Bilder in privaten Chats. Es ist ratsam, sofort rechtlichen Beistand zu suchen, Akteneinsicht zu nehmen und die Möglichkeit zu prüfen, die Angelegenheit ohne öffentliche Hauptverhandlung zu klären. Dieses Vorgehen kann entscheidend sein, um die Situation zu bewältigen.

Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs, § 201a StGB, § 184k StGB/Antragsrücknahme und Vorladung

Ein Ermittlungsverfahren wegen einer Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs, insbesondere nach § 201a StGB oder § 184k StGB, kann eine belastende Erfahrung sein. In solchen Fällen kann der Unterschied zwischen einer Strafanzeige und einem Strafantrag entscheidend sein. Während eine Anzeige lediglich auf den Verdacht einer Straftat hinweist, verknüpft ein Strafantrag diesen Verdacht mit dem Wunsch nach Bestrafung des Täters. Die Rücknahme eines Strafantrags ist in der Regel möglich und kann das Verfahren abschließend beenden, es sei denn, es besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Verfahrens.

https://www.anwalt.de/rechtstipps/vorla ... 00340.html

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deernhh
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Re: Dickpics -unkonsensuales digitales Versenden

Beitrag von deernhh »

Frauen bekommen häufig ungewünschte Nacktbilder zugesendet.
Bild: zoonar / imago images

"Längst überfällig": Österreich stellt Dickpics unter Strafe

Österreich stellt das ungefragte Versenden von Genitalbildern unter Strafe. Wer "Dickpics" verschickt, riskiert bis zu sechs Monate Haft. Das Gesetz setzt eine EU-Richtlinie um – und markiert einen überfälligen Schritt gegen digitale Übergriffe.

02.09.2025, 13:43
Sven Fröhlich


Nicht jede Grenzüberschreitung verlangt nach körperlicher Nähe. Manche dringen durch den Bildschirm, unvermittelt, schamlos. Sie setzen auf Überraschung und Schock, auf die Unmöglichkeit, sich rechtzeitig zu wehren. Fremde dringen in einen Raum ein, der eigentlich geschützt sein sollte: die eigene Privatsphäre.

Seit dem 1. September ist in Österreich eine Praxis strafbar, die vielen Menschen, vor allem Frauen, nur zu vertraut ist: das ungefragte Zusenden von Fotos, die Genitalien zeigen – sogenannte "Dickpics". Wer solche Bilder verschickt, riskiert künftig eine Haftstrafe von bis zu sechs Monaten.

Dickpicks via Mail, SMS, Airdrop, Bluetooth sind verboten
Das Verbot geht auf eine Initiative der Bundesregierung zurück, die das Vorhaben Mitte Juni auf den Weg gebracht hatte. Der Nationalrat und der Bundesrat stimmten noch vor der Sommerpause zu, wie das Parlament am 31. August bekannt gab. Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) sprach in einer Pressemitteilung von einem "längst überfälligen Schritt".

Sie begründete: "'Dickpics' ungefragt aufs Handy zu bekommen, ist ein invasiver Übergriff in die Privatsphäre und löst bei Betroffenen neben Ärger oft auch Hilflosigkeit, Ekel und Scham aus."

Rechtlich präzisiert das Gesetz, dass Genitalbilder strafbar sind, wenn sie ohne Einverständnis und mit dem Ziel der Belästigung übermittelt werden. Einvernehmliche Kommunikation bleibt straffrei. "Die bloße Präsenz auf einer Datingplattform stellt allerdings noch kein Einverständnis dar", heißt es beim Justizministerium.

Erfasst sind sämtliche digitalen Wege: Sofortnachrichten, Postings, SMS, MMS, E-Mail, aber auch Übertragungen via Airdrop, Bluetooth oder Fax.

Österreich setzt EU-Richtlinie um
Die Strafbarkeit gilt nicht nur für Fotos männlicher, sondern auch weiblicher Geschlechtsorgane. Ausgenommen sind sekundäre Merkmale wie Brüste. Erfasst werden zudem manipulierte oder mit künstlicher Intelligenz erzeugte Bilder, sofern sie realistisch dargestellte Genitalien zeigen.

Die Maßnahme setzt eine EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt um. Schon die frühere Koalition aus ÖVP und Grünen hatte ein Verbot angekündigt, aber nicht mehr umgesetzt. Nun fand die Novelle breite Mehrheit: ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS stimmten zu.

Ähnliche Verbote gibt es längst auch in anderen Ländern. In England und Wales etwa ist "Cyberflashing" seit 2024 ein Straftatbestand. Mit der österreichischen Regelung reiht sich das Land nun in eine Reihe europäischer Staaten ein, die klarstellen: Digitale Belästigung ist kein Kavaliersdelikt.

https://www.watson.de/leben/good-news/6 ... ter-strafe





Österreich verbietet Dickpics

Absichtlich unerwünschte Bilder primärer Geschlechtsteile zuzuschicken, ist in Österreich nicht strafbar. Das zu ändern, ist im Detail verzwickt.

80Kommentare lesen

Frau mit Handy ärgert sich
Symbolbild (Bild: fizkes / Shutterstock.com)

19.06.2025, 22:58 Uhr
Lesezeit: 4 Min.
Von Daniel AJ Sokolov

Das unaufgeforderte Zusenden von Fotos oder Videos entblößter Geschlechtsteile einer erwachsenen Person an eine andere ist in Österreich derzeit nicht gerichtlich strafbar. Um das zu ändern, legt die Regierung dem Parlament einen Vorschlag für eine Strafrechtsnovelle vor. Damit soll auch sogenanntes Cyberflashing verboten werden.

Laut vorgeschlagenem Paragraphen 218 Absatz 1b Strafgesetzbuch (StGB) soll strafbar sein, "wer eine andere Person belästigt, indem er ihr im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems eine Bildaufnahme, die wesentlich menschliche Genitalien zeigt, vergleichbare bearbeitete Bildaufnahmen oder vergleichbares künstlich erstelltes Material, unaufgefordert und absichtlich übermittelt." Klingt einfach und ist im Detail erstaunlich komplex.

Diffizile Abgrenzung

Comics oder Zeichnungen erfüllen das Erfordernis nicht, weil sie echten Bildern nicht "vergleichbar" sind. Die Formulierung "oder unter Verwendung eines Computersystems" erfasst Cyberflashing. Dabei werden Abbildungen des Gemächts nicht über klassische Telekommunikation, sondern über Nahfunk, beispielsweise Apples Airdrop oder Bluetooth, unverhofft zugemittelt. Erfasst werden zudem Online-Postings, die Platzierung auf Webseiten oder Internetplattformen aller Art sowie Verbreitung über Soziale Netze. Dabei soll laut Erläuterungen jedoch nicht strafbar sein, wer Aufnahmen "in der eigenen digitalen Sphäre (zB in das eigene Profil)" hochlädt oder platziert.

Nicht kriminalisieren möchte die Regierung Fälle, in denen von Einverständnis der Beteiligten auszugehen ist: "Dies kann beispielsweise in Beziehungen der Fall sein oder auch bei Teilnahme an Angeboten im Internet, in sozialen Medien oder Apps, die auf den (zulässigen) Empfang oder Austausch von sexuellen Inhalten ausgerichtet sind (zB Erotikplattformen). Die bloße Präsenz oder Teilnahme auf Kontakt-Portalen zur Partnersuche oder in sogenannten 'Dating-Apps' genügt dabei freilich nicht."

Zudem muss die Belästigung im Zeitpunkt des Empfangs eintreten. Wer sich später, etwa nach einem Beziehungsende, ekelt, hat keine rechtliche Handhabe. Die neuen Tatbestände sind sogenannte Ermächtigungsdelikte. Das bedeutet, dass die Tat nur mit Zustimmung der verletzten Person gerichtlich verfolgt werden kann. Vorgesehen sind dann Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten oder Geldstrafen bis zu 360 Tagessätzen, sofern kein anderer, schwerwiegenderer Tatbestand erfüllt ist.

Übererfüllung einer EU-Richtlinie

Die Novelle setzt die 2004 beschlossene EU-Richtlinie 2024/1385 zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt um. Diese Richtlinie erlegt in Artikel 7 Absatz c den Mitgliedsstaaten auf, "unaufgeforderte, mittels IKT erfolgende Zusendung eines Bildes, eines Videos oder sonstigen vergleichbaren Materials, auf dem Genitalien abgebildet sind, an eine Person, sofern diese Handlungen wahrscheinlich dazu führen, dass der Person schwerer psychischer Schaden zugefügt wird", spätestens 2027 unter Strafe zu stellen. Die österreichische Novelle geht über die EU-Vorgabe hinaus.

Denn für Strafbarkeit in Österreich soll Belästigung reichen, selbst wenn keine Wahrscheinlichkeit schweren psychischen Schadens besteht. Die Übererfüllung von EU-Vorgaben ist auch als Goldplating bekannt. Genau das sollte in Österreich nicht mehr vorkommen, wie Bundeskanzler Christian Stocker und seine Partei, die ÖVP, versprochen haben. Die Erläuterung der Regierungsvorlage begründet das Goldplating so: "Einerseits scheint die Anknüpfung an den Aspekt der Belästigung (...) sachgerechter; andererseits würde das Kriterium der Wahrscheinlichkeit eines schweren psychischen Schadens Ermittlungs- und Beweisverfahren voraussichtlich verlängern und verkomplizieren (…)", und es gäbe dann weniger Verurteilungen.

Die österreichische Regierung erwartet, dass es in Zukunft zirka 300 einschlägige Verfahren pro Jahr bei den Staatsanwaltschaften sowie ungefähr 45 Gerichtsverfahren jährlich geben wird. Entsprechend dürfte die Kriminalitätsrate geringfügig steigen. Die Regierungskoalition dürfte die kleine Strafrechtsnovelle ohne Federlesen verabschieden.

https://www.heise.de/news/Oesterreich-v ... 53638.html