«Prostituierte geben zu verstehen, dass sie es freiwillig tun»
Von Felix Schindler.
In Deutschland sollen Freier bestraft werden, die wissentlich eine Zwangsprostituierte besuchen. Die Zürcher Staatsanwältin Silvia Steiner sagt, dass das in der Schweiz schon heute möglich wäre.
Am vergangenen Freitag hat Nationalversammlung in Frankreich für ein Gesetz gestimmt, das die Bestrafung von Freiern erlaubt. Am Mittwoch wird über den gesamten Entwurf abgestimmt, anschliessend geht die Vorlage an den Senat. Kommt das Gesetz durch, wird ein Mann, der mit einer Prostituierten erwischt wird, mit bis zu 3750 Euro gebüsst. Ein ähnliches Verbot wird Irland diskutiert.
In Schweden führte 1999 als erstes Land der Welt die Freierbestrafung ein. Sich zu Prostituieren ist straffrei, der Kauf einer sexuellen Dienstleistung wird mit Busse oder Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft. Norwegen und Island folgten mit ähnlichen Gesetzen. Allerdings sind die Folgen umstritten: Obwohl die Prostitution zurückgegangen ist, gehen mehrere Studien davon aus, dass der Schutz der Frauen schlechter geworden ist.
Prostituierte arbeiten teils unter menschenunwürdigen Bedingungen. Insbesondere junge Frauen aus Osteuropa kommen oft unfreiwillig in die Schweiz, werden von skrupellosen Zuhältern auf den Strich geschickt, misshandelt und ausgebeutet. Inzwischen diskutiert halb Europa darüber, was gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution unternommen werden kann (siehe Box) – auch in der Schweiz ist unbestritten, dass diese Missstände inakzeptabel sind.
Heute Montag berichtet die «Frankfurter Allgemeine», dass auch in Deutschland über eine Verschärfung des Prostitutionsgesetzes debattiert wird. Die künftige Grosse Koalition aus CDU und SPD hat in ihrer Koalitionsvereinbarung angekündigt, das Prostitutionsgesetz umfassend zu überarbeiten. Die Gesetzesrevision soll es ermöglichen, dass die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen von Zwangsprostituierten unter Strafe gestellt wird. Annette Widmann-Mauz (CDU), geschäftsführende parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, sagt gegenüber der FAZ: «Wer Zwangsprostituierte wissentlich und brutal ausbeutet, soll auch damit rechnen müssen, dass zu Hause die Polizei vor der Tür steht.»
«Äusserst schwierig»
Was vernünftig klingt, dürfte in der Schweiz praktisch nicht umsetzbar sein. Silvia Steiner arbeitet für die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich und führte mehrere Verfahren gegen Zuhälter. Sie hält es für «äusserst schwierig», den Nachweis zu erbringen, dass der Freier von der Zwangslage der Prostituierten weiss. Wenn eine Frau von einem Zuhälter auf den Strich geschickt werde, sei das für den Freier normalerweise nicht ersichtlich, sagt Steiner. «Mehr als 99 Prozent der Frauen akquirieren ihre Kunden selbstständig. Damit geben sie zu verstehen, dass sie das freiwillig tun.»
Die Zuhälter lassen sich auf dem Strassenstrich nie blicken, um dem Freier nicht die Illusion zu verpfuschen. Und auch in den Etablissements sorgen sie dafür, dass die Zwangslage der Frauen nicht sichtbar wird. Sie werden von einem Etablissement ins nächste verschoben, um zu verhindern, dass eine Prostituierte denselben Freier häufig empfängt, ein Vertrauensverhältnis zu ihm aufbaut und ihn über ihre Not in Kenntnis setzt.
Bewilligung als Voraussetzung
Chancen hätte der deutsche Vorschlag höchstens dann, wenn Prostituierte einen Nachweis erbringen müssten, dass sie selbstständig arbeiten. Die Stadt Bern etwa verlangt von allen Prostituierten einen Businessplan, Angaben zu ihrem Wohnsitz und einen Krankenkassennachweis und erteilt ihnen eine Bewilligung. In der Stadt Zürich wird das Vorgehen, das das Bundesamt für Migration allen Kantonen empfiehlt, demnächst eingeführt. Damit könnte auch die Grundlage geschaffen werden, um ein entsprechendes Gesetz umzusetzen. Denn wer eine Frau kaufe, sagt Steiner, vom dem könne verlangt werden, dass er die Bewilligung der Prostituierten überprüfe.
Wenigstens in der Theorie ist es schon heute möglich, Freier von Zwangsprostituierten zu bestrafen. Der Artikel 193 im Schweizer Strafgesetzbuch legt fest, dass jemand, der «eine Person veranlasst, eine sexuelle Handlung vorzunehmen (…), indem er eine Notlage (…) ausnützt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft wird». Allerdings ist der Staatsanwältin Steiner nur ein einziger Fall bekannt, bei dem ein Freier aufgrund des Artikels 193 angeklagt wurde. Dieser hatte in den 90er-Jahren mehrere Male die Dienste einer Drogenprostituierten in Anspruch genommen, wurde aber freigesprochen.
http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/sta ... y/24063309
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