Wie man den Sex in Gesetze fasst
AnalyseVerschiedenste Aspekte der Sexualität werden weltweit kriminalisiert. Was fehlt, ist ein Recht auf Selbstbestimmung.
Die kanadische Regierung hat ein neues Antiprostitutionsgesetz vorgeschlagen, das den Kauf «sexueller Dienstleistungen» unter Strafe stellen will. Lapdance zählt das Justizministerium zu den sexuellen Dienstleistungen, Strippen und Herstellung von Pornografie nicht.
Kanada ist nicht das einzige Land, das versucht, sexuelle Handlungen gegen Geld oder Waren zwischen Erwachsenen unter Strafe zu stellen. Über 120 Länder kriminalisieren irgendeinen Aspekt der Sexarbeit. In 13 Ländern werden die Freier kriminalisiert. In 8 Staaten gilt der Kondombesitz gar als Beweis für Sexarbeit und ist strafbar.
Solche Vorschriften haben eine grössere Tragweite, als viele glauben. Umfragen zufolge haben in gewissen Ländern bis zu 14 Prozent der Männer letztes Jahr für Sex bezahlt – im weltweiten Durchschnitt sind es 9 bis 10 Prozent. Ähnliche Erhebungen bei Frauen ergeben weit geringere Werte.
Auch eine Machtfrage
Bemühungen, das Geschäft mit Sex zu regeln oder zu verbieten, sind nicht neu. Religiöse und kulturelle Verbote, die das sexuelle Verhalten kontrollieren sollen, gibt es seit Jahrtausenden. Im Lauf der Zeit hat sich jedoch die Ansicht verändert, was, wann, wo und mit wem zulässig ist– mitunter recht willkürlich, je nachdem, wer die Macht innehat.
Die Gesetze zur Regelung des Sexualverhaltens sind denn auch fast so vielfältig wie die menschliche Sexualität selbst. Viele Länder stellen ausserehelichen Sex unter Strafe, über 20 Länder kriminalisieren vorehelichen Sex zwischen einvernehmlich handelnden Erwachsenen. In 34 Ländern kann man erst ab 20 Jahren heiraten, in einem Land muss der Bräutigam gar mindestens 29 sein. Umgekehrt gibt es über 50 Länder, in denen Mädchen unter 15 auch gegen ihren Willen verheiratet werden können, wenn ihre Eltern einverstanden sind. Die UNO schätzt, dass jedes Jahr über 14 Millionen Mädchen unter 18 verheiratet werden. Das sind 39'000 Kindsbräute pro Tag – ein Drittel von ihnen dürfte noch nicht einmal 15 sein.
Todesstrafe für Homosexuelle
Mancherorts ist der einvernehmliche Sex zwischen Erwachsenen strengen Gesetzen unterworfen. Homosexualität ist in 78 Ländern verboten und kann in 7 Ländern mit dem Tod bestraft werden. Die restriktiven Gesetze haben ein erhöhtes Aidsrisiko unter Schwulen zur Folge, wie dokumentiert ist. Wiegen kulturelle und religiöse Werte schwerer?
Von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einberufene Expertenausschüsse haben sich in den letzten Jahrzehnten darauf geeinigt, dass sexuelle Gesundheit körperliches, emotionales, mentales und soziales Wohlbefinden in Bezug auf die Sexualität umfasst. Die Achtung der Menschenrechte und die individuelle Freiheit sind dabei zentral. Allerdings hat die WHO ihren Mitgliedsstaaten eine solche Definition nie vorgeschlagen, weil einige die damit einhergehenden Verpflichtungen rundweg ablehnen würden.
Die UNO-Debatte über nachhaltige Entwicklungsziele nach 2015 bietet jetzt die Gelegenheit, sich von der Kriminalisierung weg zu einem Einvernehmen zu bewegen. Im Zusammenhang mit der Sexualität ist die Rede davon, dass «der Zugang zu Dienstleistungen» sichergestellt werden muss. Gemeint ist etwa die Familienplanung oder die Behandlung sexuell übertragbarer Infektionen. Das ist zwar wichtig, aber nicht gleichbedeutend mit einer Auffassung von Sexualität, die auf der Achtung von Menschenrechten und individueller Selbstbestimmung beruht.
Ein neuer Ansatz
Tatsächlich werden Rechte meist nur die Fortpflanzung und die Frauen betreffend erwähnt. Wenn dem Einvernehmen zentrale Bedeutung bei der sexuellen Gesundheit zukommt, sollten aber alle Erwachsenen das Recht haben, selbst ihre Sexualpartner auszuwählen, über eine Heirat zu entscheiden, Annäherungsversuche zurückzuweisen oder Sex von einem anderen Erwachsenen zu kaufen. Mit diesen Rechten geht die Verantwortung für den Schutz von Kindern einher, die keine rechtswirksame Einwilligung geben können. Diese Rechte und Verantwortlichkeiten sind es, die Kanada und andere Länder in ihren Gesetzen verankern sollten.
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Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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