Das kapitale Missverständnis

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fraences
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Das kapitale Missverständnis

Beitrag von fraences »

Das kapitale Missverständnis

Eine Replik auf die These vom "erotischen Kapital"

Wenn Frauen erfolgreich sein wollen, sollten sie ihr "erotisches Kapital" einsetzen. Mit dieser gewagten These macht die britische Soziologin Catherine Hakim von sich reden. Gerhard Amendt warnt vor diesem Konzept, weil es die Intimität von Liebesbeziehungen den Gesetzen der Ökonomie unterwerfe.

Mädchen und Frauen haben etwas, worum viele Jungen und Männer sie beneiden. Sie werden in Berufen, Schulen und Universitäten in einer Weise gefördert, die Männer nicht kennen. Das soll Frauen in die Berufswelt holen, wo sie dringend gebraucht werden. Das würde ihnen die gut bezahlten Berufe und den Weg nach ganz oben eröffnen, so die Hoffnung. Der Haken daran ist, dass Frauen den Technikberufen trotzdem fernbleiben, was ihren Weg nach oben blockiert.

Aus dieser Misere will die britische Soziologin Catherine Hakim sie befreien. Frauen sollen ihr brachliegendes "erotisches Kapital" zweckgebunden verwenden.

Was ist dieses Kapital? Forschung habe unzählige Beweise geliefert, dass Frauen seltener als Männer Sexualität begehrten. Diese wollen immer nur das Eine zu jeder Zeit, variantenreicher, fremdgehender und bis ins hohe Alter; Frauen hingegen wollen das alles nur eingeschränkt. Sex, den Männer ständig begehrten, den sollten Frauen aber nicht verweigern, sondern gegen Vorteile verhökern, meint nun Catherine Hakim. Gefühle von Unlust oder von Gewaltsamem seien da nur hinderlich. Was immer sie wollen, sie sollen vaginalen Zutritt gegen Geschenke und Bevorzugungen durch Lehrer, Professoren und Arbeitgeber tauschen.

Und so wird deutlich: Was als Erotik ausgegeben, ist rasch mit Sexualität gleichgesetzt. Frauen sollen durch sexuelle Gunst sich nach oben schlafen. Das gab es schon früher, doch da geschah es zumeist klammheimlich. Im Neuen Manifest für Frauen hingegen wird es als Befreiung gepriesen. Und weil die Begehrensdifferenz nie erlösche, könnten alle Frauen ihre Zukunft darauf bauen.

Eine der Lehren daraus? Im Leben von Töchtern kommt es nicht nur auf Bildung an, sondern ebenso auf Kosmetik, Botox wie chirurgischer Aufbesserung von Brüsten und Vagina. Denn nur wer sein Kapital pflege, kann Zinsen erwarten. Und darin erschöpfe die Heilswirkung von Prostitution sich keineswegs. Denn Frauen, die durch sexuelle Dienste verdienen, würde unverbrüchliches Selbstvertrauen - vergleichbar Spitzenverdienern - daraus erwachsen. So steht es im Neuen Manifest für Frauen von Catherine Hakim, einer ehemaligen Dozentin der renommierten "London School of Economics and Political Science".

Obwohl in jungen Jahren eine glühende Feministin, hat sie das Klischee von Frauen als Opfern von Männern abgelehnt. Stattdessen beschwor sie die Handlungsfähigkeit von Frauen. Allerdings sie hat die abgelehnte Opferrolle nur durch eine gänzlich unentrinnbare ersetzt. Denn mit der Vagina als entscheidendem Schlüssel zum Aufstieg schreibt sie das Schicksal von Frauen auf Erotik und Sexualakt fest. Sie raubt ihnen den zweifelsfreien Genuss jener Erfahrung, mit Männern professionell und intellektuell sich messen zu können.

Denn auf Anerkennung durch Leistung pochte nicht nur die Frauenbewegung, sondern die bürgerliche Gesellschaft. Deshalb forderte die Frauenbewegung, dass der Körper der Frau gehöre, sonst niemandem.

Darüber hinaus unterwirft Catherine Hakim die sexuelle Intimität von Liebesbeziehungen den Gesetzen der Ökonomie, was eines der letzten Refugien des Privaten zerstört. So prägt ihr Manifest nicht nur eine tiefe Frauenverachtung und Feindseligkeit gegen die Frauenbewegung. Es ist ein Aufruf, die Beziehungen von Männern und Frauen dem Modus der Prostitution anzuähneln.

Und das betrifft unser aller Leben. Oder würde Catherine Hakim das auch ihren Töchtern empfehlen, und ihre Söhne dazu anhalten, das erotische Kapital von Frauen zu honorieren?


Gerhard Amendt, Jahrgang 1939, ist Soziologe und emeritierter Professor am Institut für Generationen und Geschlechterforschung, das er an der Universität Bremen gegründet hat. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist die Vätererforschung. Amendt hat die Gründung des Bremer Frauenhauses ermöglicht und die erste Abtreibungsklinik in Bremen initiiert. Zu seinen Büchern zählen unter anderem "Wie Mütter ihre Söhne sehen", "Vatersehnsucht" und zuletzt
"Scheidungsväter". Inzwischen widmet er sich besonders der Väterforschung und kritisiert die feministische Geschlechterdebatte, weil sie Männer und Frauen gegeneinander ausspielt, anstatt ihre Konflikte einer gemeinsamen Lösung zuzuführen.



http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/ ... n/1576141/
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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Fakten und Infos über Prostitution

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Marc of Frankfurt
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Feminismus-Diskurs

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Feminist_innen unter sich:

Zickenkrieg



Schade wieder so eine scheinheilig einseitige Prostitutionsfeindlichkeit.

Es verlangt doch keineR dass Prostitution der Universalmaßstab wird und alle Frauen vom normalen Leistungsprinzip zur Prostitution wechseln sollen d.h. ausschließlich mit sexuellen Reizen ihre Karriere zu betreiben. Es ist nur eine Option und ein nicht wegzudiskutierende Realität unserer Welt.



Feministin Catherine Hakim
(*1948, war Gastforscherin London School of Economics and Political Science):

Buch:
Honey Money: The Power of Erotic Capital, 2011


Das Neue Manifest für Frauen

Vaginalen Zutritt gegen Geschenke und Bevorzugungen tauschen.

Nur wer sein Kapital pflege, kann Zinsen erwarten.

Heilswirkung von Prostitution.

Durch sexuelle Dienste unverbrüchliches Selbstvertrauen gewinnen.

www.google.de/search?q=Catherine+Hakim

www.amazon.de/dp/B005FMQA0W

Rezension
www.guardian.co.uk/books/2011/aug/19/ho ... kim-review





Gegenposition

Feminist Prof. Dr. Gerhard Amend, Uni Bremen

www.google.de/search?q=Gerhard+Amendt


Diese polarisierende Kritik und Schwarz-Weiss-Denken ist einem Professor wie Prof. Dr. Gerhard Amend gar nicht würdig meine ich.

> "Die abgelehnte Opferrolle wird durch eine gänzlich unentrinnbare ersetzt."

Wieso, wer Erotik einsetzt verliert dadurch doch nicht seine Bürgerrechte oder soll das wieder eingeführt werden?

Oder hat er es bereits verinnerlicht, dass jede Frau die Sex bewusst einsetzt für die Karriere eine Prostitierte ist, die nicht mehr aus ihrem stigmatisierten Beruf heraus kommt (von mir als Prostitutions-Falle benannt).

Die Künste der Weiblichkeit sollen wohl dem bloßen Mythos der Leistungsgesellschaft geopfert und dem industriellen Arbeitsprozess zugeführt werden. Dass die Leistungsgesellschaft zu Mythos und Fassade geworden ist belegen die im Rahmen der Finanzkrise zu Tage getretende Ausbeutungs- und Manipulationsmechanismen von Big Bank und Big Business (Corporatocracy).

Mir ist es unverständlich, wie ein feministischer Professor so einspurig argumentieren kann, wo Feminismus im Kern Herrschaftskritik heißt. Aber er übernimmt einfach das veraltete und uns Sexworker stigmatiserende und gefangen halten wollende "Heilige-Hure-Denkmodell".

> "Catherine Hakim unterwirft die sexuelle Intimität von Liebesbeziehuangen den Gesetzen der Ökonomie, was eines der letzten Refugien des Privaten zerstört."

Das ist schön herausgearbeitet, nämlich der Tabubruch den die Prostitution bedeutet, indem sie die kulturell festgelegte Grenze zwischen Privat-Familie-Sex und Öffentlich-Geschäft-Geld überschreitet. Deswegen ist sie auch so schwer zu regulieren. Bzw. alle Regulierungsversuche, die über eine Ent-kriminalisierung hinausgehen haben großes Leid zur Folge.

Man kann es aber auch als "Brücken bauen" bezeichnen (lat.: Pontifex). Und dann erkennt man das Heilige an der Prostitution (früher möglicherweise genau deshalb Tempelprostitution?).

Zuletzt entblödet sich der Professor nicht das übliche Todschlagargument anzuhängen, wenn FeministInnen nicht mehr weiter wissen:

> "Oder würde Catherine Hakim das auch ihren Töchtern empfehlen"

So geschehen auch in einem zum glück nicht unkommentiert gebliebenen Blogbeitrag auf die unsägliche NDR-Doku wo mit veralteten Zahlen betrogen wurde.

Die Indischen Sexarbeiterinnen haben gute Antworten auf die "Eigene-Töchter-Frage" gefunden:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=80943#80943

Mehr über Ökonomie & Sexwork:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=2288





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