Kinostart am 27.10.2011:
I'm not a F**king Princess
Paris in den 70er Jahren: Die Fotografin Hannah (Isabelle Huppert) führt ein Leben in prekären finanziellen Verhältnissen an der Seite ihres Gönners, eines bekannten Pariser Malers. Sich nach ihrer eigenen Jugend zurücksehnend, beginnt sie, ihre junge Tochter Violetta (Anamaria Vartolomei) als verführerisches Objekt vor der Kamera zu inszenieren und hofft, mit den Aufnahmen zum Star der Pariser Kunstszene zu werden. Die Exzentrikerin setzt alles daran, Violetta in aufwändigen und opulenten Arrangements zu fotografieren – und hat damit Erfolg. Doch aus anfänglichem Spaß für Violetta wird schnell bitterer Ernst – Hannahs Ideen werden immer extremer und die Aufnahmen immer freizügiger: Ihre Sucht nach Ruhm und Anerkennung geht ihr über das Wohl des Kindes. Einzig bei der Ur-Großmutter Mamie findet Violetta ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit. Mehr und mehr isoliert von Gleichaltrigen, lehnt sich Violetta gegen ihre eigene Mutter auf und versucht sich ihrem übermächtigen Einfluss zu entziehen...
I’M NOT A F**KING PRINCESS ist die bizarre und zugleich faszinierende Geschichte einer Mutter, die für sich und ihre Tochter ein besseres Leben will - ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse ihres Kindes. In barocken Bildern erzählt der Film von einem wilden Leben zwischen Kunst und Kommerz, Glamour und Rebellion, Selbstinszenierung und Ausbeutung – eine schillernd extravagante Künstlerin und ihre widerwillige Muse.
Eva Ionesco, die Anfang der 70er Jahre durch die Fotografien ihrer Mutter Irina Ionesco als kindliches Aktmodell zum umstrittenen Star der Pariser Kunstszene wurde, gelingt in ihrem souverän inszenierten Regiedebüt das ergreifende Porträt einer zerrissenen Mutter-Tochter-Beziehung.
Hintergrund
I‘ M NOT A F**KING PRINCESS ist angelehnt an die Kindheitserinnerungen der Regisseurin Eva Ionesco, die seit ihrem vierten Lebensjahr für ihre Mutter, die Fotografin Irina Ionesco, vor der Kamera stand.
Irina Ionesco, geboren 1935 und aufgewachsen in Paris als Tochter rumänischer Einwanderer, versuchte sich zunächst als Malerin, bevor sie die Fotografie für sich entdeckte. Bereits ihre erste Ausstellung mit erotischen Schwarzweißfotos, „Eloge de Ma fille“ 1974 in der Nikon Gallery, sorgte für Aufsehen und ihre Arbeiten wurden bald in Magazinen und Büchern veröffentlicht und weltweit in Galerien ausgestellt. Bekannt wurde sie in den 1970er Jahren vor allem durch ihre kontroversen Fotos ihrer minderjährigen Tochter Eva, von denen viele Aktaufnahmen waren und das Mädchen als Lolita in kunstvoll inszenierten, oft morbiden Settings zeigten. Für Irina Ionesco reflektieren diese Fotos den frühen Verlust der eigenen Mutter und stimulierten das komplexe Verhältnis zu ihrer Tochter. Eva erscheint in diesen dekadent-barocken Vanitas-Motiven als eine Kindfrau, die mit Federn, Masken und Artefakten geschmückt Teil einer morbid-sexuellen Welt zwischen Delirium und Tod ist. Sie ist inszeniert wie ein Fetisch, wie ein Mythos, aber Eva Ionesco war und ist real. Und so wurden die Aufnahmen zwar in den 1970er Jahren, als Fotografen wie David Hamilton und Will McBride ebenfalls Minderjährige nackt ablichteten, von vielen als symbolisch aufgeladene, verstörende Kunst und mutige Reflektion von Weiblichkeit gefeiert, waren aber von Anfang an auch als geschmacklose Ausbeutung umstritten.
Viele ihrer Unterstützer stieß Ionesco ab, als sie ihrer damals elfjährigen Tochter erlaubte, 1976 für den italienischen Playboy und 1978 für die spanische Penthouse nackt zu posieren. Eva begann auch in Spielfilmen aufzutreten, in Roman Polanskis DER MIETER (Le Locataire, 1976), zwei Jahre bevor Polanski in den USA wegen Verführung einer Minderjährigen verhaftet wurde. Sie hat den Film nach eigenen Angaben bis heute nie gesehen. Die meisten Projekte waren seriös, es fanden sich aber auch zweifelhafte Filme wie SPERMULA (1976) und VERBOTENE SPIELE (Maladolescenza, 1977) darunter.
Nachdem der allein erziehenden Irina Ionesco – Eva wurde als Kind erzählt, der Vater sei „ein ungarischer Spion hinter dem Eisernen Vorhang“ – 1977 das Sorgerecht entzogen wurde, wuchs Eva Ionesco bei den Eltern des späteren Schuhdesigners Christian Louboutin auf, dem sie auch den Film gewidmet hat. Sie wehrte sich jahrelang gegen die weitere Publikation ihrer Aufnahmen und verklagte ihre Mutter mehrfach auf Herausgabe der Negative. 1998 konfiszierte die Polizei Hunderte Abzüge mit Nacktaufnahmen der fünfjährigen Eva in Irina Ionescos Wohnung.
Irina Ionesco arbeitete weiterhin als Fotografin, vor allem in Japan, wo sie unter anderem eine Reihe mit Yakuza-Porträts schuf. In den letzten Jahren erschienen Modestrecken in Magazinen wie „Dazed & Confused“. Auch die Fotografien mit ihrer Tochter sind nach wie vor auf dem Markt und werden auf Auktionen versteigert, „Eva: Eloge de Ma Fille“ wurde zuletzt 2004 als Bildband aufgelegt.
Die taz schreibt am 26.10.2011:
http://www.taz.de/Film-Im-Not-a-Fking-Princess/!80675/
Kein Erbarmen
Als Kind war Eva Ionesco Aktmodell für ihre exzentrische Mutter, die Fotografin Irina Ionesco. "I'm Not a F**king Princess", ihr Regiedebüt, handelt von dieser Erfahrung.von Anke Leweke
Mehr blond war selten: In "I'm Not a F**cking Princess" verarbeitet Eva Ionesco Erinnerungen an die eigene Kindheit.
"Kinn höher!", "Schenkel weiter auseinander!" Immer und immer wieder muss das süße blonde Mädchen vor der Kamera der Mutter in lasziven Stellungen posieren. Immer und immer wieder ergötzt sich nicht nur das Objektiv des Fotoapparats, sondern auch die Filmkamera an dem liebreizenden Lolita-Wesen. Schon nach wenigen Einstellungen wird man das Gefühl nicht los, dass hier der Wiederholungszwang im klassisch-freudianischen Sinne am Werke ist.
In "I'm Not a F**cking Princess" verarbeitet Eva Ionesco Erinnerungen an die eigene Kindheit, indem sie vom ausbeuterischen Verhältnis einer Mutter zu ihrer Tochter erzählt. Um sich Zugang zur Pariser Künstlerszene zu verschaffen, veröffentlichte Irina Ionesco in den siebziger Jahren Aktfotos unter anderem von ihrer elfjährigen Tochter.
Mit ihren morbiden Aufnahmen von Totenköpfen, Kreuzen und Brüsten junger Mädchen sorgte sie für zwiespältige Furore und entfachte heftige Diskussionen um die Grenzen der Kunst.
Dieser Disput spielt in Eva Ionescos Film keine größere Rolle, er wird buchstäblich im Vorbeigehen gestreift: Ein Journalist spricht die von Isabelle Huppert gespielte Fotografin beim Flanieren durch ihre Vernissage auf die pornografische Erotik an. Die Fotografin nimmt einen tiefen Zug an ihrer Zigarettenspitze und erklärt im blasierten Tonfall, dass es sich hier vielmehr um literarische Erotik handle. Der Tochter wiederum schlägt sie zum besseren Verständnis ihres Schaffens das Lesen von George Batailles Werken vor. Mehr hat der Film zu Ionescos so ego- wie exzentrischen künstlerischen Vorstellungen nicht zu sagen.
Das Fehlen einer distanzierenden oder zumindest befragenden Perspektive erweist sich mehr und mehr als Schwäche. Und indirekt als moralisches Problem. Ein wenig ratlos folgt man den endlosen Fotositzungen und fragt sich, weshalb sich Eva Ionesco mit ihrer Kamera stets aufs Neue hinter dem Objektiv der Mutter im Film platziert. Aber was treibt eine Mutter dazu, ihre Tochter trotz deren immer stärker werdenden Widerständen nackt zu fotografieren? Und warum nimmt der Film kaum je die Perspektive des Mädchens ein?
"I'm Not a F**cking Princess" wirkt letztlich wie die Verlängerung von Irina Ionesco Fotos. Auch auf der Leinwand muss sich ein blondes Wesen in anrüchigen Posen und knappen Outfits räkeln, die Augen sexy auf- und niederschlagen, die verführerische Kindfrau geben. Das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter wird jedoch nicht weiter beleuchtet und bleibt seltsam indifferent.
Huppert, desorientiert
Und was macht Isabelle Huppert? Sie scheint - was nun wirklich nicht häufig vorkommt - orientierungslos und hüpft bei ihren stets gestylten Auftritten wie Kai aus der Kiste. Plötzlich steht sie in einem ihrer ausgeflippten 20er-Jahre-Fummel im Türrahmen, schimpft die streng gläubige Großmutter aus und wirft sich mit großer Geste aufs Bett. In diesen Momenten bleibt dem Zuschauer nichts anderes übrig, als sich in Küchenpsychologie zu üben.
Tatsächlich scheinen die Fotositzungen für die Kleine zunächst kostbare Augenblicke zu sein, weil die flatterhafte und selten anwesende Mutter ihr endlich Aufmerksamkeit schenkt, sie schön findet, sie lobt, ihr neue Kleider mitbringt. Dieses Kind, das nie richtig Kind sein durfte, trägt die Rolle der Lolita auch ins wirkliche Leben. Mit roten Fingernägeln und knappem Röckchen drückt die Tochter die Schulbank, zieht die missbilligenden Blicke der Lehrer und die eifersüchtigen der Mitschülerinnen auf sich.
Aber irgendwann mag man ihrem Schicksal nicht mehr folgen, wohl auch, weil der Film wie die Fotografin die Privatsphäre des Mädchens verletzt. Die Mutter folgt ihrer Tochter mit dem Fotoapparat auf die Toilette. Später entdeckt diese die Aufnahme in einer Illustrierten. Und noch ein wenig später folgt ihr die Filmkamera auf die Schultoilette, zeigt, wie sie wie eine kleine Prinzessin auf dem Klo thront. Der Wiederholungszwang, das sollte man hier noch einmal wiederholen, zwingt uns, schmerzhafte und traumatische Ereignisse immer und immer wieder neu zu durchleben.
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