ein wirklich bemerkenswerter Mann

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Hanna
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ein wirklich bemerkenswerter Mann

Beitrag von Hanna »

ein musterbeispiel wie man gegen mißstände kämpft!
ein bemerkenswertes Interview

http://nachrichten.alice.aol.de/Politik ... 456-0.html

Ich bin stolz darauf, nicht zu wählen"

Er beschimpft Politiker als Verbrecher, nennt Berlusconi eine Leiche und hat die Anti-Politik-Aktion "Vaffanculo Day" (Leck-mich-Tag) erfunden. Der italienische Komiker Beppe Grillo erklärt im Interview, warum er bei den heutigen Parlamentswahlen nicht mitmacht und wie er sich Italiens Zukunft vorstellt.

Der italienische Komiker Beppe Grillo kämpft gegen Italiens Politikerkaste, zu der er auch die Medien zählt. Laut Time Magazine ist Grillos Blog unter den 25 meistgelesenen der Welt mit etwa 600.000 Besuchern täglich. Seit im vergangenen Herbst sein Anti-Politiker-Tag "Vaffanculo Day" ("Leck-mich-Tag") von zehntausenden Italienern besucht wurde, gibt es auf lokaler Ebene rund 400 Beppe-Grillo-Gruppen, die sich für seine Ideen einsetzen. Hinzu kommen rund 20 durch Grillo inspirierte Bürgerlisten, die sich bei Kommunal- und Regionalwahlen zur Wahl stellen.

WELT ONLINE: Sie sind der der prominenteste Kritiker der italienischen Politik. Heute und morgen wird in Italien gewählt. Gehen sie hin?

Beppe Grillo: Auf keinen Fall. Ich will nicht für diesen Verbrecherverein der Politik verantwortlich sein. Früher hatte ich immer ein schlechtes Gewissen, nicht zu wählen. Heute bin ich stolz darauf.

WELT ONLINE: Aber viele Anhänger vom Kandidaten der Linken, Walter Veltroni, haben die Hoffnung, es könnte sich doch etwas verändern.

Grillo: Ja das ist die Philosophie des weniger schlechten. Das ist genau die Einstellung, die Italien ruiniert hat und zu 1630 Milliarden Euro Schulden, Nullwachstum und Entlassungen geführt hat. Seit 40 Jahren wählen wir das weniger schlechte. Ich akzeptiere das nicht mehr, ich will das bessere. Wer würde sich schon vom weniger schlechten Chirurg operieren lassen? Oder sich von einem Lehrer unterrichten lassen, der nur weniger schlecht ist? Niemand.

WELT ONLINE: Was denken Sie, wenn Sie jetzt Silvio Berlusconi oder Walter Veltroni im Fernsehen sehen?

Grillo: Wenn ich diesen Betonkopf von Berlusconi sehe, dann sehe ich einen alten SchwarzWeißFilm, ich sehe überall Schimmel, ich sehe ein leeres Theater vor mir, in dem ein Schauspieler singt, aber keiner mehr zuschaut. Ich sehe die Vergangenheit. Berlusconi ist ein Leichnam, er ist wie Lenin. Ja er sieht aus wie ein Leichnam, der noch ein bisschen schön gemacht wird, bevor die Verwandten ihn zum letzten Mal sehen. Aber Veltroni macht mich noch trauriger, weil er nur so tut, als wäre er jung. Außerdem betrügt er doch die Menschen in Rom: Vor zwei Jahren hatten sie ihn erst gewählt, jetzt hört er auf und macht eine andere Arbeit. Wie kann man da vertrauen?

WELT ONLINE: Obwohl viele über die Politik lästern, ist die Wahlbeteiligung in Italien traditionell sehr hoch. Warum?

Grillo: Wir sind eben krank, wir haben Tuberkulose, wir sind im Koma, wir sind verzaubert. Wir glauben, wählen zu können, tatsächlich wählt man aber nicht, weil man keine Person wählt, sondern nur eine Partei. Ich halte das nicht mehr für eine Wahl. Es hat sich alles umgedreht. Um hier zu überleben, muss man wie ein Krimineller denken. Und wenn du über den Zebrastreifen gehst, wirst du mit hoher Wahrscheinlichkeit überfahren. Wer etwas unternehmen will, wird von der Bürokratie daran gehindert.

WELT ONLINE: Auf Plakaten wird mit den Worten "jung" oder "neu" geworben. Hat die Politik von Ihnen gelernt?

Grillo: Das sind Strategien, das sind Slogans. Nachdem ich den Vaffanculo-Day gegen die Politik gemacht habe, haben mich alle beschimpft als Populisten und Demagogen. Nun machen sich alle meine Ideen zu Eigen, ob bei der Änderung des Wahlrechts oder bei einer Begrenzung der Amtszeiten: Es gibt ein Ehepaar, die sind seit 40 Jahren im Parlament. Und nun sagen sie, sie wollten keine Vorbestraften mehr im Parlament haben. Tatsächlich glaube ich, dass es diesmal noch mehr werden, bis zu einhundert; gegen die ermittelt wurde oder wird oder die verurteilt wurden. Das gibt es in keinem Land der Welt.

WELT ONLINE: Sollten Sie dann nicht selbst in die Politik gehen, etwas verändern?

Grillo: Nein, ich möchte mich nicht diesem System unterwerfen. Mein Ziel ist es, auf Missstände aufmerksam zu machen und den Jungen zu helfen, die dieses Land einmal führen sollen. Wir haben jetzt rund 20 Bürgerlisten mit jungen Leuten, die bei Kommunal- und Regionalwahlen antreten. Sie sind noch keine 30 Jahre alt! Sie sind frei und bekommen von mir ein Zertifikat, wenn sie meine Bedingungen erfüllen, also nicht vorbestraft sind, keiner Partei angehören und in der Stadt wohnen, für die sie antreten. Das ist ein Langzeitprojekt, die jungen Leute sind Antikörper gegen die Krankheit des Landes. Wir suchen nicht sofort den Konflikt mit den Etablierten, es ist etwas, das von unten her wächst, in den Kommunen, wo über Luft, Wasser, Mülltrennung, Radwege, das Land, die Bildung entschieden wird. Es gibt junge Leute auf den Listen, die gehen mit Webcam in die Stadträte und übertragen das ins Netz. Die, die dort sitzen, macht das wahnsinnig.

WELT ONLINE: Warum setzten Sie aufs Internet?

Grillo: Dieses Land wird sich nie ändern, wenn nicht die Art geändert wird, Information zu verbreiten. Wir fordern, dass der Staat keine Verlage mehr subventioniert. Wir machen darauf aufmerksam, dass Banken und Politik die Zeitungen lenken. Wir wollen, dass jeder als Journalist arbeiten darf. Im Moment ist das Internet die einzige Möglichkeit, anderes Wissen und Bewusstsein zu finden. Ohne Internet gibt es kein Wissen, also keine Freiheit, keine Demokratie.

WELT ONLINE: Sie leiden mehr als jeder andere an Italien. Gibt es Momente, in denen Sie ihr Land wieder lieben?

Grillo: 50 Jahre lang wusste ich nicht, was die Heimat ist, jetzt fühle ich, dass ich etwas machen muss. Ich bin Patriot geworden, weil ich das Land in Trümmern sehe. Das ist bei mir in den letzten Jahren gekommen. Erst konnte ich nicht glauben, was hier passiert. Dann habe ich mich gewundert. Dann habe ich mich geärgert. Und jetzt fühle ich nur noch Wut und Rache. Ich will die rächen, die ehrlich leben. Und ich will die Jungen rächen, denen die Zukunft geraubt wird und die wahrscheinlich nie eine Rente bekommen werden. Jetzt verstecke ich mich nicht mehr, sondern sage: Basta, es reicht.
Augen gab uns Gott ein Paar / um zu schauen rein und klar / um zu GLAUBEN was wir lesen / wär ein Aug' genug gewesen (aus HH. zur Teleologie)