Abolitionismus in der "heute-show"

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Snickerman
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Abolitionismus in der "heute-show"

Beitrag von Snickerman »

Da schaut man seine Lieblingssatire-Sendung, ahnt nix Böses und dann bleibt einem das Lachen im Halse stecken.
Ein Beitrag, der vor Lügen und Falschbehauptungen nur so strotzte, "passend" zum Welthurentag einen Tag zuvor.

Kommt gegen Ende der Sendung ab Minute 26:20



Dazu habe ich auf der Facebook-Seite der "heute-show" folgendes hinterlassen:

Sehr geehrtes Team der ZDF heute-show!
Ich hatte mich auf einen schönen, witzigen und erhellenden Abend gefreut. (...)

Aber dann kam der Klopper.
Deutschland als "Bordell Europas"...
So eine Anhäufung von Lügen, Übertreibungen und Einseitigkeiten habe ich nicht mehr seit der letzten Pressekonferenz von SOLWODI gehört. Man könnte meinen, die hätten Euch den Beitrag diktiert.
Stellvertretend eine Klarstellung: In Schweden ist die Prostitution NICHT verboten!
Wenn man KEINE AHNUNG hat- muss man das nicht so laut herausposaunen.
Wollt Ihr Euch wirklich informieren, bevor Ihr erneut so einen BS absondert?
Dann empfehle ich Euch die Seite "sexworker.at."
Ihr habt ja jetzt den ganzen Sommer dazu Zeit.
PS: Am 02.06. war "Internationaler Hurentag"
Passte dazu wie die Faust aufs Auge.
PPS: Wenn Euch der obige Link zu "anrüchig" sein sollte (ist nur ein für alle offenes Diskussionsforum), dann schaut doch einfach in die neuesten Statements von Amnesty International zu diesem Thema.
Viel Spaß beim Nachsitzen!
Ich höre das Gras schon wachsen,
in das wir beißen werden!

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

Alle werden mich jetzt hauen und aus dem FORUM rollen wenn ich bekenne: ICH FANDS LUSTIG!!!

Ulrich von Heesen hat ja den "Gegenpart" gegeben und immerhin die Kondompflicht ver....scht.

Seid Böhmermann wissen wir: Humor ist, wenn man trotzdem klagt...

Kasharius grüßt

Klaus Fricke
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RE: Abolitionismus in der "heute-show"

Beitrag von Klaus Fricke »

nein lieber @ kasharius, ich nicht. Ich habe den Beitrag als Satire auf die gängigen abolitionistischen Desinformationen zur SW verstanden.

Das mag natürlich selektive Wahrnehmung sein.
Und natürlich, es könnte sein, dass auch wenn diese Wahrnehmung Absicht der heute show war,
wir wissen nicht ob sie bei den Zuschauenden so angekommen ist.
Diese Form Brüche im Denken herbeizuführen, ist mir lieber, als die eventuell aus gleichen Motiven herrührende Etablierung der Bezeichnung Nutten für SW.

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

@Klaus

dann war es Doch auch lustig...?

Kasharius grüßt Dich und Lara herzlich

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Melanie_NRW
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RE: Abolitionismus in der "heute-show"

Beitrag von Melanie_NRW »

Ich muss gestehen ich fand es auch zu 90% sehr lustig.
Schwer zu sagen ob und welches Statement ernst gemeint war.
Ein Freund meinte, ich hätte Wahnvorstellungen. Da wäre ich fast von meinem Einhorn gefallen!

*****
Fakten und Infos über Sexarbeit

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lust4fun
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RE: Abolitionismus in der "heute-show"

Beitrag von lust4fun »

Ich fand es auch nicht besonders lustig.

Der Punkt ist m. E.: Die satirische Dekonstruktion funktioniert nicht.

Das Konzept der "heute show" fußt auf zwei Pfeilern: Auf der einen Seite ist es die Veralberung unbeholfener Zeitgenossen. Das Gegengewicht ist die Figur Welke als intellektueller und moralischer Fels in der Brandung.

Veralbert wurde die Prostitutionsdebatte in den zwei vorherrschenden Schlagwörtern "Bordell Europas" (Strobel, Baden-Württemberg) und "Pommesbude" (Pantel, MDB).

Aber dieses Sich-lustig-machen ist billig: "Hä, Schwesig hat eine Pommesbude?" Und wie sich Strobel bedeutungsschwer überwinden muss, das Wort "Bordell" über die Lippen zu bringen. Ja, lustig. Ein Lacher über die verschwurbelte Unbeholfenheit - es lachen diejenigen, die die "Schlagwort-Marker" zur Genüge kennen oder diejenigen, die die Peinlichkeit des Themas spüren und sich daran freuen, dass die Politiker damit öffentlich umgehen müssen.

Aber Kritik? Dekonstruktion? Weiterdenken? Das bietet die heute show nicht.

Ist es witzig, sich Schwesig als Pommesverkäuferin vorzustellen?

Wo ist der Pfad angelegt, weiterzudenken:

Es ist okay, dass Pommesbuden lebensmittelrechtliche Auflagen haben. Es ist okay, dass diese kleinliche Regulierung eine Ausnahme bleibt und nicht als Modell für jede professionelle Tätigkeit in Deutschland herhalten muss. Es ist okay, dass Sexarbeit nicht diese Kontrolle zum Schutz der "Verbraucher" (bzw. hier "Kunden") braucht. Es ist nicht okay, aus dem Regulierungsbedarf von Lebensmittelverkäufen zu schließen, dass andere Tätigkeitsbereiche mindestens ebenso restriktiv reguliert werden müssen...

Das "Bordell Europas": Deutschland wurde unfreiwillig zu einer liberalen Insel im zunehmend abolitionistischen Europa. Dies könnte durchaus ein Anlass zu Selbstbewusstsein sein. Wir wehren uns ja auch gegen eine generelle Tendenz zum Rechtspopulismus. Es ist nicht automatisch eine Aufforderung zum restriktiven Nachziehen...

Welke hat sich nicht entschieden. Er entgegnet dem "Bordell Europas": "Wir sind es doch, die normalen Bürger, die anständigen Deutschen." Ist es politische Kritik? Ist es Ironie über die "Anständigkeit" der Deutschen? Welke belässt es dann doch bei der Zurschaustellung der Peinlichkeiten und versucht selbst eine unverkrampfte Positionierung, die wiederrum Prostitution und Zwang in einen Topf wirft: Das Gesetz von 2002 sei kontraproduktiv gewesen. Es habe Zuhälter legalisiert. Wir hätten eine moderne Sklaverei mitten in unserer Gesellschaft. Frankreich und Schweden hätten dagegen die Prostitution abgeschafft.

Prostituierte sind "sogenannte" Sexarbeiterinnen. Gibt es eine Stigmatisierung durch Zwangsregistrierung? Welke dreht den Spieß um und wirft die Idee der Freierregistrierung ein. Ist das kritisch? Oder ist das einfach ein Spiel mit der Peinlichkeit des Themas, dem wir uns zukünftig nicht mehr entziehen können?

Zur Erinnerung: Das Problem des neuen Gesetztes ist nicht die etwas alberne Unmöglichkeit der Überwachung des Kondomgebots, sondern die kalkulierte Wirkung, dass legitime Tätigkeitsfelder verunmöglicht werden. Haben das die Zuschauer verstanden?

Die Dekonstruktion hat nicht funktioniert. Welkes intellektuell-moralisches Gegengewicht bemüht sich um eine politisch korrekte, unverkrampfte Rede und untermauert so das Bestreben, das Prostitutionsgesetz "sachlich-vernünftig" - nur ohne alberne Begleiterscheinungen - auf den Weg zu bringen.

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

Eigentlich schade, daß die heute-show jetzt Sommerpause hat. Sonst hätten die vielleicht auf die Kritik im Forum reagiert....

Kasharius grüßt

Klaus Fricke
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RE: Abolitionismus in der "heute-show"

Beitrag von Klaus Fricke »

Lieber lust4fun,

hälst Du es für im Sinne von

«Das "Bordell Europas": Deutschland wurde unfreiwillig zu einer liberalen Insel im zunehmend abolitionistischen Europa. Dies könnte durchaus ein Anlass zu Selbstbewusstsein sein. Wir wehren uns ja auch gegen eine generelle Tendenz zum Rechtspopulismus.»

hilfreich, Deine präzise und konzise Kritik weiterzureichen? Ich befürchte, es ist höchste Zeit zur Wehrhaftigkeit der verbliebenen demokratisch-plural-human empfindenden Menschen.


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Arum
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Beitrag von Arum »

Die Heute Show hätte sich nun gerade mit diesem Satz der Pommesbude auseinandersetzen sollen. Zum Beispiel, dass Lutz van der Horst versuchen würde, am Alexanderplatz ein Bordell zu eröffnen. Oder in irgendeiner Bahnhofshalle, oder in einer 10.000 Einwohner-Kommune, oder in direkter Nähe zu einer Realschule, oder auch: Ein Kommunalpolitiker der fordert, jegliche Pommesbuden dürften in seiner Gemeinde nur noch in Gewerbegebieten eröffnet werden. Solches wäre hilfreich gewesen, den Menschen die Lüge hinter dieser Polit-Aussage zu vermitteln. So wie das jetzt gemacht wurde, war es bedeutungslos, und schien nur fälschlicherweise ein Tatbestand bestätigt zu werden.
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz

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Hamster
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RE: Abolitionismus in der "heute-show"

Beitrag von Hamster »

Jetzt mal was anderes aus der "heute-show":

ANWALT AN DER BACKE!
ZDF-SHOW VERSPOTTET WOLLERSHEIM

www.bild.de/regional/duesseldorf/heute- ... .bild.html

Der Wollersheim:
:Mel2