Wenn das Rotlicht aus wäre(mit Forenbeteiligung)
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Wenn das Rotlicht aus wäre(mit Forenbeteiligung)
Am Freitag im Standard erschienen:
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Re: Wenn das Rotlicht aus wäre(mit Forenbeteiligung)
Lieber Christian,
danke für den Artikel - und vor allem: danke für Deine darin enthaltene Stellungnahme und für Deinen Einsatz!
Rieke
danke für den Artikel - und vor allem: danke für Deine darin enthaltene Stellungnahme und für Deinen Einsatz!

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Re: Wenn das Rotlicht aus wäre(mit Forenbeteiligung)
both links can not be translated....both reject the copy function....anyway judging from the photos it is an interesting article....very!....yep...
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- Admina
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Re: Wenn das Rotlicht aus wäre(mit Forenbeteiligung)
Ein paar Ergänzungen aus meinem Blog zum Artikel:
Der aktuelle Artikel im Standard ist nicht schlecht, enthält aber begriffliche Unschärfen, vor allem was Wohnungen betrifft.
In AT ist es verboten, dass SW in VON IHNEN bereitgestellten Wohnungen arbeiten, bei sich zuhause also Kunden empfangen. Das gilt bundesweit als verbotene „Wohnungspr0stitution“.
Ob dieses Verbot sinnvoll ist, sei dahingestellt. In D und UK ist das dagegen erlaubt und wird in Abgrenzung zu B0rdellen vielfach als die selbstbestimmtere Form der Se×arbeit gesehen.
Was in AT aber NICHT überall verboten ist, ist der Haus- oder Hotelbesuch durch die Dienstleisterin beim Kunden. Diese juristisch leider sehr bedeutsame Unterscheidung, wer nun wen in wessen Wohnung oder Hotelzimmer besucht, kommt im Artikel nicht zum Ausdruck. JournalistInnen sind damit regelmäßig überfordert. Einige Bundesländer erlauben den Besuch im Raum des Kunden, so auch Wien und NÖ. Das ist im Übrigen ja auch meine Form der Tätigkeit.
Für mich bedeutet es die größte Freiheit, unterwegs zu sein, als Gast meiner Kunden empfangen zu werden und wieder weiterzufahren. Ich persönlich würde dagegen nicht mehr in einem B0rdell arbeiten. Die horrenden Wochenmieten und Vorschriften durch die Betreiber empfände ich als unmöglich und einengend. Jede Anbieterin hat jedoch ihre eigenen Vorstellungen von optimalen Arbeitsbedingungen.
Die eine fühlt sich besser, sicherer im B0rdell und würde niemals in Wohnungen oder Hotels gehen, um Kunden zu treffen, die andere empfindet genau das als Ausdruck individueller Autonomie und Selbstbestimmung. Zu letzteren zähle auch ich mich.
Man sollte die verschiedenen Formen von Se×arbeit nie gegeneinander ausspielen. Natürlich betone ich in meiner gesamten Werbestrategie immer die Unabhängigkeit und Freiheit des Esc*rtseins, das bedeutet jedoch nicht, dass ich stationären Se×arbeitenden ihre Unabhängigkeit und Freiheit abspreche. Ganz im Gegenteil weiß ich über die Beweggründe, sich für niedergelassene Arbeit zu entscheiden, aus Gesprächen mit KollegInnen sehr gut Bescheid – es sind nur nicht meine Beweggründe.
Traurig bin ich jedoch manchmal, wenn KollegInnen Esc0rt als potentiell gefährlich und das B0rdell als einzigen sicheren Ort darstellen. Das empfinde ich als unsolidarisch und gefährlich für uns alle, da dies von unseren gemeinsamen GegnerInnen als weiteres Argument für weitere Verschärfungen gegen unsere Wahlmöglichkeiten aufgegriffen wird.
Die Anbieterinnen sollten sich das selbst aussuchen können und nicht von rechtlichen Vorschriften, die sie „schützen“ sollen, letztendlich wieder entrechtet, eingeschränkt und bevormundet werden. Denn gestraft werden dann ja die Anbieterinnen, die man ja eigentlich „schützen“ will.
Schutz funktioniert jedoch nur durch Ausbau von Rechten, nicht durch immer mehr Einschränkungen, Pflichten, Verbote! Insofern gehört Se×arbeit massiv entreguliert! Das Kontrollphantasma funktioniert nicht und führt nur zu noch mehr Ausbeutung der Anbieterinnen.
LG
Der aktuelle Artikel im Standard ist nicht schlecht, enthält aber begriffliche Unschärfen, vor allem was Wohnungen betrifft.
In AT ist es verboten, dass SW in VON IHNEN bereitgestellten Wohnungen arbeiten, bei sich zuhause also Kunden empfangen. Das gilt bundesweit als verbotene „Wohnungspr0stitution“.
Ob dieses Verbot sinnvoll ist, sei dahingestellt. In D und UK ist das dagegen erlaubt und wird in Abgrenzung zu B0rdellen vielfach als die selbstbestimmtere Form der Se×arbeit gesehen.
Was in AT aber NICHT überall verboten ist, ist der Haus- oder Hotelbesuch durch die Dienstleisterin beim Kunden. Diese juristisch leider sehr bedeutsame Unterscheidung, wer nun wen in wessen Wohnung oder Hotelzimmer besucht, kommt im Artikel nicht zum Ausdruck. JournalistInnen sind damit regelmäßig überfordert. Einige Bundesländer erlauben den Besuch im Raum des Kunden, so auch Wien und NÖ. Das ist im Übrigen ja auch meine Form der Tätigkeit.
Für mich bedeutet es die größte Freiheit, unterwegs zu sein, als Gast meiner Kunden empfangen zu werden und wieder weiterzufahren. Ich persönlich würde dagegen nicht mehr in einem B0rdell arbeiten. Die horrenden Wochenmieten und Vorschriften durch die Betreiber empfände ich als unmöglich und einengend. Jede Anbieterin hat jedoch ihre eigenen Vorstellungen von optimalen Arbeitsbedingungen.
Die eine fühlt sich besser, sicherer im B0rdell und würde niemals in Wohnungen oder Hotels gehen, um Kunden zu treffen, die andere empfindet genau das als Ausdruck individueller Autonomie und Selbstbestimmung. Zu letzteren zähle auch ich mich.
Man sollte die verschiedenen Formen von Se×arbeit nie gegeneinander ausspielen. Natürlich betone ich in meiner gesamten Werbestrategie immer die Unabhängigkeit und Freiheit des Esc*rtseins, das bedeutet jedoch nicht, dass ich stationären Se×arbeitenden ihre Unabhängigkeit und Freiheit abspreche. Ganz im Gegenteil weiß ich über die Beweggründe, sich für niedergelassene Arbeit zu entscheiden, aus Gesprächen mit KollegInnen sehr gut Bescheid – es sind nur nicht meine Beweggründe.
Traurig bin ich jedoch manchmal, wenn KollegInnen Esc0rt als potentiell gefährlich und das B0rdell als einzigen sicheren Ort darstellen. Das empfinde ich als unsolidarisch und gefährlich für uns alle, da dies von unseren gemeinsamen GegnerInnen als weiteres Argument für weitere Verschärfungen gegen unsere Wahlmöglichkeiten aufgegriffen wird.
Die Anbieterinnen sollten sich das selbst aussuchen können und nicht von rechtlichen Vorschriften, die sie „schützen“ sollen, letztendlich wieder entrechtet, eingeschränkt und bevormundet werden. Denn gestraft werden dann ja die Anbieterinnen, die man ja eigentlich „schützen“ will.
Schutz funktioniert jedoch nur durch Ausbau von Rechten, nicht durch immer mehr Einschränkungen, Pflichten, Verbote! Insofern gehört Se×arbeit massiv entreguliert! Das Kontrollphantasma funktioniert nicht und führt nur zu noch mehr Ausbeutung der Anbieterinnen.
LG
It's a business doing pleasure with you.
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Re: Wenn das Rotlicht aus wäre(mit Forenbeteiligung)
Prekär beschäftigt....
Sexarbeit: Was passiert, wenn das Rotlicht aus wäre
Finanziell selten abgesichert, während der Lockdowns in die Illegalität getrieben: Sexarbeit erfolgt oft unter prekären Arbeitsbedingungen. Welche Folgen hätte ein Sexkaufverbot für die Branche?
Allegra Mercedes Pirker
26. Juli 2021
Während die Welt in den Lockdowns auf Abstand gegangen ist, hat es die Sexarbeit, die ohne Nähe nicht denkbar ist, hart getroffen. Wo sonst für Sex bezahlt und es eng und intim wurde, war es plötzlich still. Mit den geschlossenen Bordellen und Laufhäusern wurde einmal mehr sichtbar, unter welchen teils prekären Arbeitsbedingungen Sexarbeit geleistet wird.
In Wien sind aktuell 1100 Sexarbeitende bei der Polizei registriert. Hinzu kommt eine Dunkelziffer an illegal Arbeitenden. 98 Prozent derer, die in der Branche tätig sind, kommen nicht aus Österreich, viele haben hier kein Konto. Sexdienstleistende gelten in Österreich als Neue Selbstständige und dürfen nicht angestellt werden. Trotzdem heben Bordellbetreiber häufig eine verbotene Pauschalsteuer ein. Sexarbeitende zahlen dabei zwar Abgaben, haben aber keine Steuernummer, keinen Einkommensnachweis und keinen Anspruch auf finanzielle Unterstützung.
Schweden bestraft Freier
Für kritische Stimmen ist das ein weiterer Grund, Prostitution in Österreich beenden zu wollen. Doch wäre Betroffenen geholfen, wenn es ihre Branche nicht mehr gäbe?
Ja, findet die Initiative Stoppsexkauf. Sexarbeit beute aus und sei untrennbar mit "schwerer seelischer und körperlicher Gewalt" verbunden. Hinter der Initiative stehen etwa der Verein Feministischer Diskurs und die religiöse Hilfsorganisation Solwodi. Ein Sexkaufverbot würde in der Praxis bedeuten, dass sich Kunden beim Kauf sexueller Dienste strafbar machten, nicht aber Sexarbeitende selbst.
Vorbild ist vor allem Schweden. Dort versucht die Regierung seit 1999, mit der Bestrafung von Kunden gekauften Sex einzudämmen. Nachgezogen sind etwa Norwegen und Island, weshalb auch vom Nordischen Modell gesprochen wird. Weitere europäische Länder verfolgen eine ähnliche Strategie, seit 2016 etwa Frankreich.
Illegalität nach Verbot
Kritiker des Nordischen Modells sagen, dass sich Sexarbeit durch ein Verbot in die Illegalität verlagert. "Es ist besser, Sexarbeit zu kontrollieren, als sie zu verbieten und sie geheim stattfinden zu lassen", sagt Wolfgang Langer vom Referat für Prostitutionsangelegenheiten der Landespolizei Wien. Illegale Wohnungsprostitution sei ohnehin eine große Problematik der Branche. Sexuelle Dienstleistungen in Apartments, die nicht als Prostitutionslokale genehmigt sind, sind österreichweit verboten. "Wenn eine Frau illegal arbeitet, kann mehr Druck auf sie ausgeübt werden. Es gibt potenziell mehr Übergriffe als in einem Bordell", sagt der Polizist.
Dass Sexarbeitende Kunden in Privatwohnungen treffen, weiß auch Diana, die ihren vollen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Die transsexuelle Frau kommt aus Kolumbien und betreibt ein Bordell im zweiten Bezirk. Diana kennt ein Portal, auf dem Sexarbeitende offen mit ihren Dienstleistungen werben. Jene, die auf der Internetplattform eine Telefonnummer unter ihren Nacktfotos angeben, aber keine Bordelladresse, arbeiten illegal, sagt Diana. Das kann auch Langer bestätigen. Bei verdeckten Ermittlungen greifen Polizisten auf solche Internetplattformen zurück.
Kameras bieten Sicherheit
"Sie nehmen uns die Kunden weg", sagt Diana. Dabei spricht vieles für die Arbeit in einem Lokal, findet die Kolumbianerin. Kameras bieten Sicherheit, und gearbeitet werden darf nur mit der grünen Gesundheitskarte, dem sogenannten "Deckel". Dieser weist die gesetzlich vorgeschriebene Gesundheitsuntersuchung durch das Wiener Zentrum für sexuelle Gesundheit nach, der sich Sexarbeitende alle sechs Wochen unterziehen müssen. Ein Prostitutionsverbot ist für Diana undenkbar. Sexarbeit ist und bleibt ihr Beruf. "Ich zahle hier Steuern und werde eine Pension kriegen", sagt die Kolumbianerin.
Auch Christine Nagl, Leiterin von der Beratungsstelle Pia für Sexarbeitende in Salzburg, lehnt ein Sexkaufverbot ab. Befürworter argumentieren oft, dass keine Frau freiwillig in der Sexarbeit landet. "Aber wer kann die Freiwilligkeit anderer Menschen beurteilen?", sagt Nagl. Ein Verbot wäre für die Sozialberaterin ein Verstoß gegen die Menschenrechte. "Sexarbeit gehört zur sexuellen Identität und dazu, wie man leben und arbeiten möchte", sagt Nagl.
Strafgesetzbuch reicht
Diese Meinung teilt Christian Knappik, Sprecher des Vereins Sexwork.at. "Zwänge gibt es in der Prostitution unbestritten. Vergewaltigung und Nötigung gehören aufs Härteste bestraft. Dafür gibt es aber das Strafgesetzbuch", sagt Knappik. Indirekt Sexarbeitende zu sanktionieren, indem man Prostitution abschafft, sei falsch. Und: Die Argumentation vieler, die Prostitution beenden möchten, sei auch rassistisch geprägt. "Sexarbeitenden pauschal zu unterstellen, sie arbeiten nicht freiwillig, erklärt sie als unmündig." Vor allem migrantische Sexarbeitende werden fremdbestimmt dargestellt, sagt Knappik.
Auf politischer Ebene zeichnet sich aktuell nicht ab, dass Österreich ein Sexkaufverbot bekommt. In einem Bericht der Arbeitsgruppe Prostitution im Bundeskanzleramt heißt es 2018, es sei "der beste Weg, genügend legale Arbeitsmöglichkeiten zuzulassen und diese zu regulieren", da sich Sexarbeit nicht vermeiden ließe. Hört man in die Branche hinein, wird schnell deutlich, was sie fordert: ein Umdenken über ihr Berufsbild.
Mehr Gehör
Shiva Prugger etwa will Sexarbeitenden mehr Gehör verschaffen. In ihrem Studio in Ottakring arbeitet sie allein als Domina. Im Frühling vergangenen Jahres hat sie die Berufsvertretung Sexarbeit gegründet, um unter anderem den Beruf zu entstigmatisieren. "Das Wort Sexarbeit nimmt kaum ein Politiker gern in den Mund, niemand möchte sich damit beschmutzen", sagt Prugger.
Klar wurde ihr das auch durch eine Pressekonferenz von Bürgermeister Michael Ludwig Anfang Mai. Auf die Frage einer Journalistin, ob auch Bordelle am 19. Mai öffnen würden, antwortete Ludwig verschmitzt, er sei auf diesem Gebiet nicht sachkundig.
Mitsprache bei Gesetzen
"In Wien gibt es rund 300 genehmigte Prostitutionslokale. Wie kann ein Bürgermeister nicht darüber nachdenken, wie viele Arbeitsplätze dahinterstecken?", sagt Prugger. Ludwigs Reaktion zeige ihr, dass sich die Politik mit diesem Thema zu wenig beschäftigt. "Wenn Ludwig behauptet, er kennt sich nicht aus, heißt das, ihn interessiert Sexarbeit nicht." Die Berufsvertretung Sexarbeit möchte Menschen aus der Branche nicht nur sichtbarer machen, sondern fordert auch ein Mitspracherecht bei der Ausarbeitung von Gesetzen.
Auch Knappik hofft, dass Gesetze künftig mit NGOs überarbeitet werden. Denn Sozialarbeitende und Streetworker haben viel Kontakt mit Sexarbeitenden und wüssten daher am besten, wie es ihnen geht. Noch besser wäre es, Prostitutionsgesetze ganz abzuschaffen. "Die Branche zu regulieren ist eine moralische Verurteilung", sagt Knappik. Die Prostitutionsgesetze kritisiert auch Nagl: "Dass die Branche eine eigene Gesetzgebung hat, stigmatisiert sie."
Polizeiliche Registrierung abschaffen
Abschaffen würde Knappik gerne auch die polizeiliche Registrierung von Sexarbeitenden. Diese gilt lebenslang. Das hat weitreichende Folgen, etwa für die berufliche Umorientierung jener, die aus der Sexarbeit aussteigen. Manche Sexarbeitende vermeiden sie daher und arbeiten illegal, sagt Knappik.
Solange man Sexarbeit in keinen Lebenslauf schreiben könne, sei sie kein Beruf wie jeder andere, sagt auch Nagl. Das weiß auch Prugger. "Aber wenn Sexarbeit zunehmend in der Öffentlichkeit präsent ist, kann sie ein anderes Image bekommen", sagt Prugger. Dazu dürfte sie aber nicht mit einem Verbot aus der öffentlichen Wahrnehmung gedrängt werden. (Allegra Mercedes Pirker, 25.7.2021)
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https://www.derstandard.at/story/200012 ... -aus-waere
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Sexarbeit: Was passiert, wenn das Rotlicht aus wäre
Finanziell selten abgesichert, während der Lockdowns in die Illegalität getrieben: Sexarbeit erfolgt oft unter prekären Arbeitsbedingungen. Welche Folgen hätte ein Sexkaufverbot für die Branche?
Allegra Mercedes Pirker
26. Juli 2021
Während die Welt in den Lockdowns auf Abstand gegangen ist, hat es die Sexarbeit, die ohne Nähe nicht denkbar ist, hart getroffen. Wo sonst für Sex bezahlt und es eng und intim wurde, war es plötzlich still. Mit den geschlossenen Bordellen und Laufhäusern wurde einmal mehr sichtbar, unter welchen teils prekären Arbeitsbedingungen Sexarbeit geleistet wird.
In Wien sind aktuell 1100 Sexarbeitende bei der Polizei registriert. Hinzu kommt eine Dunkelziffer an illegal Arbeitenden. 98 Prozent derer, die in der Branche tätig sind, kommen nicht aus Österreich, viele haben hier kein Konto. Sexdienstleistende gelten in Österreich als Neue Selbstständige und dürfen nicht angestellt werden. Trotzdem heben Bordellbetreiber häufig eine verbotene Pauschalsteuer ein. Sexarbeitende zahlen dabei zwar Abgaben, haben aber keine Steuernummer, keinen Einkommensnachweis und keinen Anspruch auf finanzielle Unterstützung.
Schweden bestraft Freier
Für kritische Stimmen ist das ein weiterer Grund, Prostitution in Österreich beenden zu wollen. Doch wäre Betroffenen geholfen, wenn es ihre Branche nicht mehr gäbe?
Ja, findet die Initiative Stoppsexkauf. Sexarbeit beute aus und sei untrennbar mit "schwerer seelischer und körperlicher Gewalt" verbunden. Hinter der Initiative stehen etwa der Verein Feministischer Diskurs und die religiöse Hilfsorganisation Solwodi. Ein Sexkaufverbot würde in der Praxis bedeuten, dass sich Kunden beim Kauf sexueller Dienste strafbar machten, nicht aber Sexarbeitende selbst.
Vorbild ist vor allem Schweden. Dort versucht die Regierung seit 1999, mit der Bestrafung von Kunden gekauften Sex einzudämmen. Nachgezogen sind etwa Norwegen und Island, weshalb auch vom Nordischen Modell gesprochen wird. Weitere europäische Länder verfolgen eine ähnliche Strategie, seit 2016 etwa Frankreich.
Illegalität nach Verbot
Kritiker des Nordischen Modells sagen, dass sich Sexarbeit durch ein Verbot in die Illegalität verlagert. "Es ist besser, Sexarbeit zu kontrollieren, als sie zu verbieten und sie geheim stattfinden zu lassen", sagt Wolfgang Langer vom Referat für Prostitutionsangelegenheiten der Landespolizei Wien. Illegale Wohnungsprostitution sei ohnehin eine große Problematik der Branche. Sexuelle Dienstleistungen in Apartments, die nicht als Prostitutionslokale genehmigt sind, sind österreichweit verboten. "Wenn eine Frau illegal arbeitet, kann mehr Druck auf sie ausgeübt werden. Es gibt potenziell mehr Übergriffe als in einem Bordell", sagt der Polizist.
Dass Sexarbeitende Kunden in Privatwohnungen treffen, weiß auch Diana, die ihren vollen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Die transsexuelle Frau kommt aus Kolumbien und betreibt ein Bordell im zweiten Bezirk. Diana kennt ein Portal, auf dem Sexarbeitende offen mit ihren Dienstleistungen werben. Jene, die auf der Internetplattform eine Telefonnummer unter ihren Nacktfotos angeben, aber keine Bordelladresse, arbeiten illegal, sagt Diana. Das kann auch Langer bestätigen. Bei verdeckten Ermittlungen greifen Polizisten auf solche Internetplattformen zurück.
Kameras bieten Sicherheit
"Sie nehmen uns die Kunden weg", sagt Diana. Dabei spricht vieles für die Arbeit in einem Lokal, findet die Kolumbianerin. Kameras bieten Sicherheit, und gearbeitet werden darf nur mit der grünen Gesundheitskarte, dem sogenannten "Deckel". Dieser weist die gesetzlich vorgeschriebene Gesundheitsuntersuchung durch das Wiener Zentrum für sexuelle Gesundheit nach, der sich Sexarbeitende alle sechs Wochen unterziehen müssen. Ein Prostitutionsverbot ist für Diana undenkbar. Sexarbeit ist und bleibt ihr Beruf. "Ich zahle hier Steuern und werde eine Pension kriegen", sagt die Kolumbianerin.
Auch Christine Nagl, Leiterin von der Beratungsstelle Pia für Sexarbeitende in Salzburg, lehnt ein Sexkaufverbot ab. Befürworter argumentieren oft, dass keine Frau freiwillig in der Sexarbeit landet. "Aber wer kann die Freiwilligkeit anderer Menschen beurteilen?", sagt Nagl. Ein Verbot wäre für die Sozialberaterin ein Verstoß gegen die Menschenrechte. "Sexarbeit gehört zur sexuellen Identität und dazu, wie man leben und arbeiten möchte", sagt Nagl.
Strafgesetzbuch reicht
Diese Meinung teilt Christian Knappik, Sprecher des Vereins Sexwork.at. "Zwänge gibt es in der Prostitution unbestritten. Vergewaltigung und Nötigung gehören aufs Härteste bestraft. Dafür gibt es aber das Strafgesetzbuch", sagt Knappik. Indirekt Sexarbeitende zu sanktionieren, indem man Prostitution abschafft, sei falsch. Und: Die Argumentation vieler, die Prostitution beenden möchten, sei auch rassistisch geprägt. "Sexarbeitenden pauschal zu unterstellen, sie arbeiten nicht freiwillig, erklärt sie als unmündig." Vor allem migrantische Sexarbeitende werden fremdbestimmt dargestellt, sagt Knappik.
Auf politischer Ebene zeichnet sich aktuell nicht ab, dass Österreich ein Sexkaufverbot bekommt. In einem Bericht der Arbeitsgruppe Prostitution im Bundeskanzleramt heißt es 2018, es sei "der beste Weg, genügend legale Arbeitsmöglichkeiten zuzulassen und diese zu regulieren", da sich Sexarbeit nicht vermeiden ließe. Hört man in die Branche hinein, wird schnell deutlich, was sie fordert: ein Umdenken über ihr Berufsbild.
Mehr Gehör
Shiva Prugger etwa will Sexarbeitenden mehr Gehör verschaffen. In ihrem Studio in Ottakring arbeitet sie allein als Domina. Im Frühling vergangenen Jahres hat sie die Berufsvertretung Sexarbeit gegründet, um unter anderem den Beruf zu entstigmatisieren. "Das Wort Sexarbeit nimmt kaum ein Politiker gern in den Mund, niemand möchte sich damit beschmutzen", sagt Prugger.
Klar wurde ihr das auch durch eine Pressekonferenz von Bürgermeister Michael Ludwig Anfang Mai. Auf die Frage einer Journalistin, ob auch Bordelle am 19. Mai öffnen würden, antwortete Ludwig verschmitzt, er sei auf diesem Gebiet nicht sachkundig.
Mitsprache bei Gesetzen
"In Wien gibt es rund 300 genehmigte Prostitutionslokale. Wie kann ein Bürgermeister nicht darüber nachdenken, wie viele Arbeitsplätze dahinterstecken?", sagt Prugger. Ludwigs Reaktion zeige ihr, dass sich die Politik mit diesem Thema zu wenig beschäftigt. "Wenn Ludwig behauptet, er kennt sich nicht aus, heißt das, ihn interessiert Sexarbeit nicht." Die Berufsvertretung Sexarbeit möchte Menschen aus der Branche nicht nur sichtbarer machen, sondern fordert auch ein Mitspracherecht bei der Ausarbeitung von Gesetzen.
Auch Knappik hofft, dass Gesetze künftig mit NGOs überarbeitet werden. Denn Sozialarbeitende und Streetworker haben viel Kontakt mit Sexarbeitenden und wüssten daher am besten, wie es ihnen geht. Noch besser wäre es, Prostitutionsgesetze ganz abzuschaffen. "Die Branche zu regulieren ist eine moralische Verurteilung", sagt Knappik. Die Prostitutionsgesetze kritisiert auch Nagl: "Dass die Branche eine eigene Gesetzgebung hat, stigmatisiert sie."
Polizeiliche Registrierung abschaffen
Abschaffen würde Knappik gerne auch die polizeiliche Registrierung von Sexarbeitenden. Diese gilt lebenslang. Das hat weitreichende Folgen, etwa für die berufliche Umorientierung jener, die aus der Sexarbeit aussteigen. Manche Sexarbeitende vermeiden sie daher und arbeiten illegal, sagt Knappik.
Solange man Sexarbeit in keinen Lebenslauf schreiben könne, sei sie kein Beruf wie jeder andere, sagt auch Nagl. Das weiß auch Prugger. "Aber wenn Sexarbeit zunehmend in der Öffentlichkeit präsent ist, kann sie ein anderes Image bekommen", sagt Prugger. Dazu dürfte sie aber nicht mit einem Verbot aus der öffentlichen Wahrnehmung gedrängt werden. (Allegra Mercedes Pirker, 25.7.2021)
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https://www.derstandard.at/story/200012 ... -aus-waere
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Re: Wenn das Rotlicht aus wäre(mit Forenbeteiligung)
Oh yes, thank you...danke...for spending time for people with slow German like me...from the 2% of sexworkers like me, local SW working in my city, I think that the regulation, the record at the police and the health control is very good...the foreigners, legal or illegal, are supported by mafia or secret service and they have all the support for working in an other continent...or for monopolizing a street or the total sector...no matter if legal or illegal...regarding the male function and the freedom to have social exange with people I like, in the way I like...feministes are very dangerous and really I don't understand why they want to regulate the men life...biologically men need to have a moment of joy, mentally, psychological ly and phisically
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Re: Wenn das Rotlicht aus wäre(mit Forenbeteiligung)
Danke Christian und danke Thorja!
Beachtet bitte auch die Kommentare im Standard - sind durchaus lesenswert!
https://www.derstandard.at/story/200012 ... -aus-waere
Rose
Beachtet bitte auch die Kommentare im Standard - sind durchaus lesenswert!
https://www.derstandard.at/story/200012 ... -aus-waere
Rose
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Re: Wenn das Rotlicht aus wäre(mit Forenbeteiligung)
Nordisches Modell bedeutet auch
Es wird den Frauen und den dahinterstehenden Familien und Kindern die Existenz genommen.
Die Freiheit von Andersdenkenden wird untergraben.
Es ist ein staatlicher Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung der Sexarbeitenden und der Konsumenten.
Prostitution hat es immer und wird es immer geben, egal ob sie erlaubt, erwünscht oder verboten ist.
Eines der Hauptargumente im Nordischen Modell ist, dass man Ausbeutung und Sexismus entgegenwirken muss.
Aber Ausbeutung und Sexismus ist kein Phänomän, dass es ausschließlich in der Prostitution gibt.
Weiters bekräftigt man immer, dass Körper verkauft werden.
Ware hat einen Preis, aber eine Person kann keine Ware sein, sonst wäre es Sklaverei. Also kann auch hier nur eine Dienstleistung verkauft werden.
Es gibt viel Missbrauch und Zwang in der Prostitution.
Auch dies ist per sé kein in der Prostitution entstandenes Problem, es ist ein gesellschafltliches Problem. Ein Sexkaufverbot drängt die Sexarbeit in den Untergrund und macht die Sexarbeitenden schutzloser und erpressbarer, hier ist durch das nordische Modell also Tür und Tor geöffnet für Missbrauch und Zwang.
Zwang ensteht bei fehlener Freiwilligkeit und ist grundsätzlich strafbar. Das NM, auch wenn hier *nur * der Konsument /Kunde bestraft wird, bedeutet dennoch eine Kriminalisierung der Sexarbeit und somit geht auch die Selbstbestimmung und Freiwilligkeit verloren.
Nur weil man Sexarbeit nicht mehr sieht, ist sie nicht weg.
Und: Im Verborgenen geschieht bei Weitem mehr Leid als in der sichtbaren Welt.
Wenn man uns also unsichtbar macht, dann haben wir auch keine Stimme mehr.
Wenn man uns keine Stimme mehr gibt, können wir nichts mehr verbessern.
Wenn wir nichts mehr verbessern, dann wird es schlechter.
Die Spirale geht bergab in sie Unsichtbarkeit, Rechtlosigkeit, Schutzlosigkeit und Stimmlosigkeit.
Das kann nicht der Sinn eines Schutzmodells sein.
Ähnlich verhält es sich mit dem Staat, der zwanghaft versucht etwas zu kontrollieren, was diese Kontrolle weder erfordert noch förderlich macht.
Je mehr man kontollieren möchte, desto mehr werden sich versuchen dieser Kontrolle zu entziehen.
Es ist weder zeitgemäß noch notwendig.
Starke Rechte bringen starke Sexarbeiter hervor.
Sexarbeitende, die sich ihrer Rechte bewusst sind, können diese umsetzen.
Auch zu viel Kontrolle drängt in den Untergrund, wieder geht viel Sichtbarkeit verloren und was dies bedeutet hab ich oben bereits ausführlich erläutert.
Es wird den Frauen und den dahinterstehenden Familien und Kindern die Existenz genommen.
Die Freiheit von Andersdenkenden wird untergraben.
Es ist ein staatlicher Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung der Sexarbeitenden und der Konsumenten.
Prostitution hat es immer und wird es immer geben, egal ob sie erlaubt, erwünscht oder verboten ist.
Eines der Hauptargumente im Nordischen Modell ist, dass man Ausbeutung und Sexismus entgegenwirken muss.
Aber Ausbeutung und Sexismus ist kein Phänomän, dass es ausschließlich in der Prostitution gibt.
Weiters bekräftigt man immer, dass Körper verkauft werden.
Ware hat einen Preis, aber eine Person kann keine Ware sein, sonst wäre es Sklaverei. Also kann auch hier nur eine Dienstleistung verkauft werden.
Es gibt viel Missbrauch und Zwang in der Prostitution.
Auch dies ist per sé kein in der Prostitution entstandenes Problem, es ist ein gesellschafltliches Problem. Ein Sexkaufverbot drängt die Sexarbeit in den Untergrund und macht die Sexarbeitenden schutzloser und erpressbarer, hier ist durch das nordische Modell also Tür und Tor geöffnet für Missbrauch und Zwang.
Zwang ensteht bei fehlener Freiwilligkeit und ist grundsätzlich strafbar. Das NM, auch wenn hier *nur * der Konsument /Kunde bestraft wird, bedeutet dennoch eine Kriminalisierung der Sexarbeit und somit geht auch die Selbstbestimmung und Freiwilligkeit verloren.
Nur weil man Sexarbeit nicht mehr sieht, ist sie nicht weg.
Und: Im Verborgenen geschieht bei Weitem mehr Leid als in der sichtbaren Welt.
Wenn man uns also unsichtbar macht, dann haben wir auch keine Stimme mehr.
Wenn man uns keine Stimme mehr gibt, können wir nichts mehr verbessern.
Wenn wir nichts mehr verbessern, dann wird es schlechter.
Die Spirale geht bergab in sie Unsichtbarkeit, Rechtlosigkeit, Schutzlosigkeit und Stimmlosigkeit.
Das kann nicht der Sinn eines Schutzmodells sein.
Ähnlich verhält es sich mit dem Staat, der zwanghaft versucht etwas zu kontrollieren, was diese Kontrolle weder erfordert noch förderlich macht.
Je mehr man kontollieren möchte, desto mehr werden sich versuchen dieser Kontrolle zu entziehen.
Es ist weder zeitgemäß noch notwendig.
Starke Rechte bringen starke Sexarbeiter hervor.
Sexarbeitende, die sich ihrer Rechte bewusst sind, können diese umsetzen.
Auch zu viel Kontrolle drängt in den Untergrund, wieder geht viel Sichtbarkeit verloren und was dies bedeutet hab ich oben bereits ausführlich erläutert.