
Fast jede/r kennt den Namen Im Winkel - das Bochumer Bordell. Zumal an den Wochenenden herrscht dort, abseits der Gußstahlstraße, reger Verkehr, wenn 200 Huren auf Freier warten. Weniger bekannt war bislang, wie die Geschichte der Prostitution hierzulande überhaupt angefangen hat. Und dass der "Winkel" gar nicht das erste Bochumer Rotlichtviertel war.
Die Forschungslücke zum Thema "Prostitution in Bochum" hat jetzt der Heimatforschers Hans Joachim Kreppke geschlossen. Der ehemalige Frisörmeister hatte sich Jahre lang im Stadtarchiv vergraben, eigentlich um der Historie der Bochumer Gaststätten auf die Spur zu kommen. "Aber man liest natürlich auch immer rechts und links mit", räumt Kreppke ein.
Beim Durchstöbern der alten Bände des "Märkischen Sprechers" stieß H.J. Kreppke auf die Nachricht, die Stadt plane, "einen geregelten Bordellbetrieb in unmittelbarer Nähe der Innenstadt zuzulassen". Das war 1912. Das Dirnen-Quartier sollte vom damaligen Stadtrand nahezu ins Zentrum verlegt werden - zur Maarbrücker Straße, die damals noch bis zur Christuskirche verlief und die heute Guß-stahlstraße heißt.
"Gewerbsunzucht" war, wie Kreppke ebenfalls herausfand, in Bochum seit je ein "auffallend florierender Erwerbszweig". Neben einer behördlich sanktionierten Prostitution in überschaubarer Größe gab es entschieden mehr frei arbeitende Frauen. Das Anwerben fand auf Straßen und Plätzen, in bestimmten Gaststätten und am alten Hauptbahnhof statt. Nach dem Anschluss der Eisenbahn anno 1860 hatte ein regelrechter Sextourismus eingesetzt: "Jeden Samstagabend und Sonntagnachmittag bringt die Eisenbahn eine ausreichende Zahl der ,Dämchen' auf den Bahnhof, woselbst hunderte (!) von Mannspersonen sie in Empfang nehmen", heißt es in einer zeitgenössischen Chronik. Als Kundschaft hatten die Frauen die stetig wachsende Industriearbeiterschaft erst im Blick und dann im Bett.
Um dem u.a. von einem "Verein zur Bekämpfung der öffentlichen Unsittlichkeit" als "liederlich" verschrieenem Treiben Einhalt zu gebieten, hatte die Stadt 1904 die Einrichtung eines geregelten Bordellbetriebes im eben eingemeindeten Hamme verordnet. Weitab von Zentrum, gab es dort mindestens acht Freudenhäuser entlang der Bahngleise an der Kurzen Straße (heute Sophienstraße).
Allerdings existierte dieser schlecht beleuchtete und schlecht zu kontrollierende erste Bochumer Sperrbezirk keine zehn Jahre. Gleich nach Anrollen des Betriebs war es im Viertel gegenüber der Zeche Präsident immer wieder "zu unschönen nächtlichen Szenen mit wüsten Schlägereien und Messerstechereien" gekommen. Solche, wie es hieß, "erheblichen Verwerfungen" ließen bis 1912 bei Stadt und Polizei die Überlegung reifen, das Bordell zu verlegen.
Diese lange geheim gehaltene Umsiedlung war, als sie ruchbar wurde, in der prüden Kaiserzeit ein Skandalthema. Gleichwohl wurde es breit diskutiert, wobei die Kurze Straße allerdings nur "K.-Straße" genannt werden durfte. Die Anlieger der Maarbrücker Straße gründeten sogar einen Verein, um das Bordell in ihrer Nachbarschaft zu verhindern. Vergeblich. Bis heute, 104 Jahre nach seinem Umzug, behauptet sich der Bochumer "Puff", nur einen Steinwurf von der Christuskirche entfernt. Dem ältesten Gewerbe der Welt geht halt nie die Kundschaft aus.
http://www.bochumer-szene.de/News/tabid ... zweig.aspx