Sex am Badesee bringt Frau in den Knast
Am Pfuhler Badesee bediente eine Prostituierte Freier. Unter anderem, um eine gerichtliche Geldstrafe bezahlen zu können. Nun muss sie ins Gefängnis.
VON MICHAEL BÖHM
Sie nennen sich „Parkplatzladys“ und sind vor allem im Westen Deutschlands unterwegs. Im September des vergangenen Jahres machten vier von ihnen einen Ausflug in den Süden. Genauer gesagt, nach Neu-Ulm. Über ihre Internetseite boten sie für einen Mittwochnachmittag ihre Dienste an. In diesem Fall lautete das Angebot: „Sex am Pfuhler Badesee – 50 Euro“.
Als die Polizei davon Wind bekam, schickte sie gegen 15 Uhr eine Streife auf den Parkplatz des Sees und die Beamten wurden schnell fündig. Zwei der Frauen wurden auf frischer Tat beim Geschlechtsverkehr mit Kunden ertappt, eine wartete im Auto gerade auf den nächsten Freier, die vierte im Bunde war für die Organisation der pikanten Treffen zuständig. An diesem Tag hatte sie bei der Planung aber offenbar kein glückliches Händchen, denn die Polizei machte ihr einen kräftigen Strich durch die Rechnung. Und das gleich drei Mal.
Wegen dreifacher verbotener Prosititution angeklagt
In den meisten Städten ist Prostitution nur an speziellen Orten erlaubt. In Neu-Ulm zählt der Pfuhler Badesee beispielsweise nicht dazu. Die Polizei schritt also ein, beendete das verbotene Treiben und klärte die Frauen über die Sperrbezirkverordnung auf. Diese ließen sich davon aber nur kurzfristig beeindrucken, packten ihre Sachen, fuhren sogleich nach München weiter und versuchten dort ihr Glück. Erst an der Freisinger Landstraße, dann an der Ingolstädter Straße. Beide Male wurden sie von der Polizei erwischt. Gestern mussten sie sich nun vor dem Amtsgericht Neu-Ulm wegen der Ausübung verbotener Prostitution verantworten.
Drei der vier Damen aus Nordrhein-Westfalen erschienen erst gar nicht vor Richterin Antje Weingart. Die Staatsanwältin erließ daraufhin gegen die beiden Prostituierten Strafbefehle über Geldstrafen von 1125 und 2025 Euro. Die Organisatorin erhielt eine zweijährige Freiheitsstrafe auf Bewährung. Am härtesten traf es schließlich die 36-Jährige, die mit ihrem Anwalt nach Neu-Ulm gekommen war.
Richterin Antje Weingart verurteilte sie zu einer viermonatigen Haftstrafe. „Für eine Bewährung müsste ich heute sagen können, dass ich glaube, dass sie in Zukunft nicht mehr straffällig werden. Und ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich das begründen sollte“, erklärte Weingart.
Durch Drogen auf die schiefe Bahn geraten
Denn die verheiratete Mutter zweier Töchter (drei und fünf Jahre), die beide in Pflegefamilien leben, hat bereits eine lange kriminelle Geschichte hinter sich. Seit über 15 Jahren steht sie regelmäßig vor Gericht. Wegen Drogenmissbrauchs, Diebstahls oder verbotener Prostitution wurde sie bereits mehrere Male zu Haft- oder Geldstrafen verurteilt. Mit 13 begann sie, Heroin zu konsumieren, in der zwölften Klasse brach sie die Schule ab, zahlreiche Entgiftungen und Therapien führten nicht zum erhofften Erfolg. Zuletzt lebte sie gemeinsam mit ihrem Mann von Hartz IV.
Zwar behandelt sie ihre Heroinsucht seit einiger Zeit mit der medizinisch verschriebenen Ersatzdroge Methadon. Doch das verlorene Sorgerecht für ihre ältere Tochter, Panikattacken, die Einnahme von Psychopharmaka und eine immer noch ausstehende gerichtliche Geldstrafe von anfangs 12.000 Euro machten es der Frau nach eigenen Angaben unmöglich, ihr Leben wieder auf gerade Bahnen zu bringen. Eine geplante Entgiftung soll nun Abhilfe schaffen.
„Ich will endlich wieder ein normales Leben führen und vor allem meine Tochter zurückbekommen“, sagte die Angeklagte mit tränenerstickter Stimme, bevor die Richterin das Urteil verkündete.
K O M M E N T A R
Sarkasmus an
Zweifelsfrei gibt es ein riesiges Dunkelfeld an krimineller Prostitution in Deutschland. Trotzdem ist es der Polizei, die durch gesetzliche Beschränkung kaum ihren Aufgaben beim Kampf gegen den Menschehandel und ausufernde Rotlichkriminalität nachkommen kann, gelungen, vier Damen des Gewerbes, eine davon augenscheinlich als Organisatorin von besonderer krimineller Energie getrieben, in Neu Ulm auf frischer Tat und später noch in der Landeshauptsadt bei ihren kriminellen Machenschaften dingfest zu machen. Die ermittelnden Beamten erfuhren von der Konspiration, über das geheimnisumwobene www. Die Vertuschungsmanöver des Rotlichts werden, wie festgestellt werden muss, immer raffinierter. Jetzt wird sogar Werbung im (jugendgefärdenden?) Internet geschaltet. Der tiefste Punkt des unsichtbaren Eisberges krimineller Machensaften des Millieus, scheint erreicht. Die Damen wurden durch Strafbefehle und Haftstrafen, welch ein Unsinn eine davon zur Bewährung auszusetzen, vor ihrem eigenen Tun geschützt. Ein großer Tag für die Freiheit, für die Grund- und Menschenrechte in Deutschland. Ein Erfolg akribischer Polizeiarbeit, im Dschungel des Rotlichtmilleus: Vier Frauen gerettet vor patriarchal entwürdigender Gewalt, und der Brutalisierung des Begehrens. Eine vier Monate geschützt vor Frauenkauf und in sicherer staatlicher Obhut. Die Damen, so kann angenommen werden, sind unendlich dankbar. Endlich kann wieder ein mattes Lächeln über ihre geschundenen Gesichter huschen, da sie sich nicht mehr verramschen müssen (Jörg Nauke, Stutgarter Zeitung, siehe: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal ... cfecc.html und http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 247#142247 ) und jetzt nicht mehr der wiederwärtigen Gewalt ihrer Kunden ausgesetzt sind. Sarkasmus aus
Ich danke Steffen für den Hinweis auf diesen Artikel
Grüße Klaus
Donaufest soll Ulmer Bündnis als Plattform dienen
Bündnis gegen Zwangsprostitution will auf die Zustände am "Strich am Fluss" aufmerksam machen
Ulm/Neu-Ulm sz Hinter mit Neonherzen illuminierten Fenstern in der Blaubeurer Straße und Neu-Ulmer Industriegebieten spielt sich der intensivste Kontakt von Bürgern der Region mit Südosteuropa ab: Der Großteil der nach Schätzungen der Ulmer Polizei über 200 Prostituierten in 24 Ulmer und vier Neu-Ulmer Bordellen stammen aus Donau-Ländern wie Rumänien oder Bulgarien. Im Rahmen des kommenden Donaufestes möchte das Ulmer "Bündnis gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution" auf diese schmuddelige Art der Donaukontakte aufmerksam machen. "Das 'Material' kommt über die Donau hinauf, wird hier verbraucht und dann wieder in den Heimatländern entsorgt", so formuliert es Karin Graf drastisch. Die Fraktionsgeschäftsführerin der Ulmer CDU will als Aktivistin des Bündnisses wachrütteln, was das "schmutzige Geschäft" Prostitution angehe. Das Ausmaß an Gewalt sei unerträglich.
"Wir halten uns in Ulm letztlich 200 Sklavinnen", sagt Dagmar Engels, Volkshochschulleiterin und SPD-Stadträtin. Die Mitglieder des Bündnisses sind überzeugt: Ulm, eine Stadt, die sich gerne als Speerspitze der Donaubewegung verstehe, sei in der Pflicht, etwas dagegen zu tun. In Ulm und Neu-Ulm würde zu wenig wahrgenommen, was sich in der Blaubeurer Straße abspiele. Man sei es gewohnt, zwischen Ikea und Blautalcenter an Bordellen vorbei zufahren. Fremden hingegen würde auffallen, wie allgegenwärtig die Prostitution in der Stadt Ulm mit ihren 24 Rotlichtobjekten ist.
Zwei Aktionen bringen das Thema auf die Tagesordnung des Donaufests: "Ohne Glanz und Glamour" heißt eine Ausstellung über Prostitution und Frauenhandel, die vom 1. bis 10. Juli im Ulmer Stadthaus zu sehen ist. Und am Mittwoch, 6. Juli, findet – ebenso im Stadthaus – um 20 Uhr eine Podiumsdiskussion zum Thema statt: "Strich am Fluss – Menschenhandel und Zwangsprostitution entlang der Donau."
Auf der politischen Tagesordnung liegt das Thema Prostitution ebenso: Unter der Federführung der Aids-Hilfe aus Ulm und Neu-Ulm erarbeitete das Bündnis ein zwölfseitiges Konzept, wie den Prostituierten der Region geholfen werden kann, das Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch sowie seinem Neu-Ulmer Kollegen Gerold Noerenberg vorliege. Wie Tanja Wöhrle, Diplom-Sozialpädagogin und Aids-Hilfe-Mitarbeiterin erläutert, sei Ulm eine der wenigen Städte dieser Größe, die keinerlei Unterstützungsangebot für Frauen in Prostitution anbieten würden. Doch das sei dringend geboten: Die Aids-Hilfe schätzt, dass 90 Prozent der Prostituierten aus Osteuropa nicht krankenversichert sind. Ohne Sprachkenntnisse und meist mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt ("gut bezahlte Arbeit in der Gastronomie") wären die Frauen hilflos und völlig auf sich allein gestellt. Die persönliche und gesundheitliche Lage der Prostituierten müsse genauso gestärkt werden, wie ihre rechtliche Situation.
Gerade Prostituierte aus Südosteuropa hätten in Ulm/Neu-Ulm keinerlei Möglichkeiten, soziale und medizinische Hilfen nachzufragen und in Anspruch zu nehmen. Eine Sozialarbeiterin – die freilich von Ulm und Neu-Ulm bezahlt werden müsste – könnte neben grundsätzlichen Hilfestellungen im Alltag auch Wege aus der Prostitution aufzeigen. Auch das Bundesfamilienministerium rät in einer Schrift aus dem Jahr 2015: "Städten mit Sexarbeiterszene, die noch nicht über eine Fachberatungsstelle verfügen, wird dringend angeraten, eine solche einzurichten."
Dass diesem Anliegen – oft gewaltbereite – Zuhälter im Wege stehen, ist dem Bündnis bewusst. Neben Drogen- und Waffen gilt im organisierten Verbrechen der Frauenhandel als lukrativstes Betätigungsfeld. Doch dies könne das Bündnis nicht davon abhalten, einen Lichtstrahl in Ulms dunkelste, grausamste Ecke zu werfen, so Graf. Wir haben ein konkretes Ziel, sagt Engels: Das Festschreiben eines Unterstützungsangebots in den Haushaltsberatungen der Stadt, die im September beginnen.
Die Ausstellung "Ohne Glanz und Glamour – Prostitution und Frauenhandel im Zeitalter der Globalisierung", eine Ausstellung der Organisation Terre des Femmes, ist ab Freitag, 1. Juli, im Ulmer Stadthaus zu sehen.(Hwrvorhebungen in Fettdruck K.F.)
Den Artikel habe ich über die zur Verfügung stehende Kommentarfunktion mit einer Anmerkung versehen. Ob diese freigeschaltet wird, werde ich sehen. Hier der
K O M M E N T A R
Sehr geehrte Redaktion
Sie geben dem Bündnis gegen Zwangsprostitution Raum Sexarbeitende aus BG/RO als „Material“/ "Sexsklavinnen" zu bezeichnen. Die Rede ist von 200 "Sexsklavinnen/Material" in der Region Ulm/Neu-Ulm. Diese Zahl dürfte nahezu alle migrierten Sexarbeitenden in der Region umfassen. Die Etikettierung "Material" nahezu aller Sexarbeitenden, insbesondere derer aus BG/RO reduziert diese - ohne Ansehen der jeweils mit diesem Zeichen deklassierten Person - zu einem Gegenstand. Die Kennzeichnung "Sexsklavin" setzt diese Entmenschlichung fort.
Liegen Ihnen stichhaltige Erkenntnisse vor, das 200 Personen vorrangig aus RO/BG in den Besitz von Sklavenhaltenden übergegangen sind und diese Sklavenhaltenden die anerkannte Verfügungsgewalt über dieses ihnen legitim zustehendes Material haben? Ist es insofern keine falsche Tatsachenbehauptung, wenn von "Material" und "Sexsklavinnen" die Rede ist? Ist der Begriff "Sexsklavinnen" zulässig oder ist er Propaganda?
Sofern es sich bei der Kennzeichnung der 200 im Raum Ulm/Neu-Ulm tätigen im wesentlichen aus BG/RO stammenden Sexarbeitenden als "Sexsklavinnen" / „Material" um eine nicht belegbare, also um eine unwahre, entwertende und vorverurteilende Tatsachenbehauptung handelt, dürfen Sie diese dann veröffentlichen?
Handelt es sich bei der „Material“/„Sexsklavinnen“ Aussage um die Stigmatisierung von Menschen aus RO/BG aufgrund von Nationalität und sexueller Handlung, um Rassismus, bei der Initiative insofern um Neofaschist_innen, die die altbekannten Formen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gegen „Zigeuner“, „Bimbos“ und „jüdische Parasiten“ durch die des „Materials“ aus RO/BG, ergänzen?
Was halten die 200 Betroffenen von der Klassifizierung „Material/Sexsklavinnen“? Wurden sie befragt? [/size]