Sexualbegleitung/Sexualassistenz und Prostitution

Wissenswertes über Sexualassistenz bzw. Sexualbegleitung. Informationen, Diskussionen, Hilfestellung und weiterführende Links.
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Kasharius
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Sexualbegleitung/Sexualassistenz und Prostitution

Beitrag von Kasharius »

Wir haben diese Fragen in verschiedenen threads schon diskutiert aber hier vielleicht an gesonderter Stelle noch mal intensiver (?) eingeleitet durch die sehr aussagekräftigen Thesen des Trebler Instituts von Lothar Sandfort, das ja auch einige angehende Sexualbegleiterinnen und Sexualbegleiter durchlaufen haben...


Häufig gestellte Fragen


Was ist der Unterschied zwischen Sexualberatung und Sexualbegleitung im ISBB?

Beide wollen die ratsuchende Person unterstützen, eine erfülltere und selbstbestimmte Sexualität zu leben.

SexualberaterInnen setzen dazu nur ihr Wissen ein, SexualbegleiterInnen bieten auch körperliche Dienstleistungen.

Die ISBB-Ausbildung in Sexualberatung umfasst viel intensiver die Vermittlung von Beratungsmethoden.



Ist Sexualbegleitung das Gleiche wie Sexualassistenz?

Nein!

Das Wort Assistenz meint, jemandem nach dessen Anweisungen zur Hand gehen. Behinderte nennen Pflegekräfte zum Beispiel Assistentinnen oder Assistenten. Das Ideal dabei ist ein Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis, in dem der behinderte Mensch sagt, was er braucht, und die Assistenz ausführt, was er aufgrund der Behinderung nicht ausführen kann. Die Bewertung, die Gefühle, die Meinungen der Assistenz können dabei nur so weit eingebracht werden, wie die behinderte Person das will. So ist das auch bei der Sexualassistenz.

Sexualbegleitung im ISBB bietet eine Surrogatpartnerschaft. Das heißt: Für eine begrenzte Zeit gehen SexualbegleiterIn und Kunde bzw. Kundin eine emotionale Partnerschaft (Surrogat = Ersatz) ein. Dabei können Erfahrungen der unterschiedlichsten Art gemacht werden, auch körperlich-sexuelle. Diese Erfahrungen sollen zu einem positiveren Selbstbewusstsein verhelfen, zu einem besseren Gefühl zum eigenen Körper, zu mehr Kenntnissen, um sich eine erfülltere Sexualität und Partnerschaft im Lebensalltag schaffen zu können.

SexualbegleiterInnen können allerdings auch die Haltung einer Sexualassistenz einnehmen, wenn das gewünscht wird.



Bieten ISBB-SexualbegleiterInnen auch Geschlechtsverkehr an?

Im ISBB können Kundinnen und Kunden keine speziellen sexuellen Akte kaufen, die dann auch noch unterschiedliche Preise haben. Im ISBB können Zeiten der Begegnung gekauft werden, und die kosten immer 90 € die Stunde.

Was dann die SexualbegleiterIn und die Kundin oder der Kunde miteinander erleben, das kommt auf deren Beziehung und deren Kommunikation an. SexualbegleiterIn, Kunde und Kundin müssen - wie in einer richtigen Partnerschaft - auch immer darauf achten, wie es dem jeweils anderen geht, was er oder sie braucht und wie. Dann ist letztlich jedes sexuelle Verhalten möglich, das beide wollen. Wie es im richtigen Leben kein Recht auf Sexualität gibt, so auch nicht in der Sexualbegleitung. Sie heißt Sexualbegleitung, weil es ein Recht gibt auf eine Begegnung, die sehr offen ist für sexuelle Wünsche aller Art.

Es geht letztlich in der Sexualbegleitung um Persönlichkeitsentwicklung.



Ist Sexualbegleitung nicht nur ein verharmlosendes Wort für Prostitution?

Sexualbegleitung im ISBB ist eine Dienstleistung, die offen ist für Sexualität. Bezahlt wird die zwischenmenschliche Begegnung, nicht der sexuelle Akt. Da die Abgrenzung allerdings unscharf ist, bleibt Sexualbegleitung für uns eine Form von Prostitution.

Prostitution ist in Deutschland legal und zu unterscheiden von sexueller Gewalt und sexueller Ausbeutung, die weiterhin kriminell bleiben.

Sexualbegleitung ISBB dient der freien Entfaltung der Persönlichkeit, die von unserer Verfassung geschützt wird. Sexualbegleitung ist ein Engagement, das sich aus der emanzipatorischen Behindertenbewegung in Deutschland und des internationalen Independent-Living-Movements heraus entwickelt hat..

Sexualbegleitung ISBB, Sexualbegleiter ISBB, Sexualbegleiterin ISBB sind geschützte Begriffe, die nach einer gründlichen Ausbildung in unserem Institut verliehen werden.

Sexualbegleitung unterscheidet sich von der klassischen Prostitution in folgenden Aspekten:

Sexualbegleitung ISBB wird im Kontext psychotherapeutischer Reflektion der MitarbeiterInnen geleistet. Ausbildung und Supervision stärken die Sexualbegleiterinnen und Sexualbegleiter im ISBB.

SexualbegleiterInnen ISBB nehmen Honorar für eine zwischenmenschliche Begegnung, die offen ist für sexuelle Kommunikation verschiedenster Art. Ziel bleibt die reflektierte Persönlichkeitsentwicklung des Kunden bzw. der Kundin.

SexualbegleiterInnen ISBB sind frei von kulturellen Hilfereflexen, die den behinderten Menschen per se als hilfsbedürftig ansehen und sich selbst als zur Hilfe verpflichtet. Ohne Auftrag des Kunden handeln SexualbegleiterInnen nicht für ihn und nehmen ihn daher ernst.

SexualbegleiterInnen ISBB würden niemals einen Kunden wegen irgendeiner körperlichen oder geistigen Einschränkung ablehnen.

SexualbegleiterInnen ISBB sind verpflichtet zur ehrlichen Kommunikation Ratsuchenden gegenüber. Das bedeutet auch manchmal, dem Kunden (in aller Wertschätzung) unangenehme Rückmeldungen zu geben, als Förderung seiner Chancen, sich außerhalb der Sexualbegleitung sexuelle und partnerschaftliche Beziehungen aufzubauen.



Ist Sexualbegleitung als Sonderweg nicht wieder eine Diskriminierung Behinderter?

Nein! Die Angebote des ISBB sind Angebote für Behinderte und Nichtbehinderte. SexualbegleiterInnen ISBB machen eine Behinderung nicht zur Voraussetzung für ihre Angebote.



Arbeiten SexualbegleiterInnen nur im Trebeler Institut?

Einige arbeiten nur während der Workshops in Trebel, andere arbeiten in eigenen Räumlichkeiten an ihrem Heimatort oder machen Hausbesuche.



Können Sie mir eine Sexualbegleiterin oder einen Sexualbegleiter in meiner Region telefonisch nennen?

Nein. Wir in Trebel vermitteln keine MitarbeiterInnen am Telefon. Wir laden recht herzlich zu unseren Workshops ein, bei denen wir die Ratsuchenden und die Kunden kennenlernen und die uns und unsere SexualbegleiterInnen. Wir verweisen aber auf den Internetauftritt www.sexualbegleitung.com



Gibt es im ISBB Sozialtarife, weil Behinderte in der Regel so wenig verdienen?

Auch wir beklagen die ungerechte Entlohnung für die Arbeit Behinderter. Wir fordern etwa die Einführung einer bedarfsdeckenden Grundabsicherung aller Menschen oder die Einbeziehung von WerkstattmitarbeiterInnen in die allgemeinen Mindestlohnregelungen. Einzelne Dienstleistungen im Sozialtarif sind allerdings kontraproduktiv, wenn es um die Attraktivierung behinderter Menschen geht. Auch Sex auf Krankenschein halten wir für eine ungeeignete Parole. Eine gute Entwicklung ist die Einbeziehung sexueller Dienstleistungen in das persönliche Budget.

http://isbbtrebel.de/isbb-sexualbegleit ... te-fragen/


Auf eine hoffentlich neue Disskussionsrunde freut sich Kasharius

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annainga
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RE: Sexualbegleitung/SExualassistenz und Prostitution

Beitrag von annainga »

"Ist Sexualbegleitung nicht nur ein verharmlosendes Wort für Prostitution?

Sexualbegleitung im ISBB ist eine Dienstleistung, die offen ist für Sexualität. Bezahlt wird die zwischenmenschliche Begegnung, nicht der sexuelle Akt. Da die Abgrenzung allerdings unscharf ist, bleibt Sexualbegleitung für uns eine Form von Prostitution."

am einfachsten wäre es, wenn prostitution nicht so abwertend gesehen würde, sondern als gleichberechtigte form.

wobei ich als "ganz normale prostituierte" es genauso sehe und formuliere, ich werde für gemeinsam verbrachte zeit und nicht für bestimmte sexhandlungen bezahlt.

"Auch Sex auf Krankenschein halten wir für eine ungeeignete Parole."

das habe ich bisher wenig bedacht, bisher hielt ich es für eine gute idee. aus welchen quellen könnte das geld kommen?

lieben gruß, annainga

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Marc of Frankfurt
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Vermutlich hängt auch hier wiedermal die Abgrenzung nur davon ab, wie jemand das Wort "Prostitution" verwendet bzw. zur Prostitution grundsätzlich steht, d.h. wo er seine Grenze zieht.


Eine Grenze zu ziehen ist ein unerläßliches Dilemma im Leben. Die Leute unterscheiden sich zweifelsohne darin, wo sie die Grenze zeihen. Allerdings unterscheiden sich gleiche Taten der Menschen und das was sie dabei fühlen schon allein dadurch, welche subjektiven Bedeutungen und Wertungen sie den Taten geben.

Wir Sexworker definieren oder vestehen Prostitution als sachliche Berufsbezeichnung (Fachbegriff Prostitution). Wir verstehen und konzeptionalisieren den Tausch Sex gegen Geld als natürlich, universell, ubiquitär, legal, legitim und sogar wertvoll. Wir ziehen die Grenze viel detailgenauer bei Unhöflichkeit, Unsauberkeit, Krankheitsgefährdung, Übervorteilung, Ausbeutung, Sucht, Gewalt, Menschenrechteverletzungen etc.

Viele Menschen hingegen definieren und nutzen das Wort "Prostitution" bereits als das was gar nicht mehr geht, da wo eine Grenze bereits eindeutig überschritten ist (Schimpfwortgebrauch Prostitution).

Wegen dieser Polarisierung bzw. Auseinanderfallen von Begrifflichkeit ist es für uns so wichtig um einen Dialog führen zu können, immer mehr als nur die abgegriffenen Schlagworte zu benutzen und uns jedesmal erneut die Mühe zu machen in die Details der menschlichen Begegnung, professionellen Arbeitserfahrungen und subjektiven Gefühlserlebnisse zu gehen, damit die (fachfremden) Menschen verstehen, wie zutiefst menschlich aufrichtig, emotional heilsam und sozial wertvoll unser Tun als Sexworker in der Prostitution ist.

Dann wird "Sex auf Krankenschein" das natürlichste der Welt.





.

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Tilopa
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RE: Sexualbegleitung/Sexualassistenz und Prostitution

Beitrag von Tilopa »

Bin gerade aus Langeweile auf dem unten verlinkten Artikel gelandet -- und über diesen Satz gestolpert:
"Während die Sexualbegleitung in den Niederlanden oder in Schweden in manchen Fällen von den Krankenkassen übernommen wird, müssen Klienten in Deutschland selbst bezahlen."

Schweden? Ich traue dem Journalismus bei Bento nicht sonderlich und halte es für wahrscheinlich, dass da jemand einfach schlecht recherchiert hat. Also:
Hat hier jemand weitere Erkenntnisse zur Sexualassistenz in Schweden? Ist das dort -- angesichts der berühmten Prostitutionsgesetzgebung -- tatsächlich legal? Die Sache ist ja noch verrückter, als ich dachte -- gibt das nicht riesige Grauzonen? Das "Schwedische Modell" entbehrt ja ohnehin schon jeder Logik. Aber die rechtsphilosophische Begründung dafür würde mich trotzdem interessieren... :003
Kann jemand weiterhelfen?

Diese Frau hilft behinderten Menschen, Sexualität auszuleben
Bento, 01.08.2016, 10:54 · Aktualisiert: 01.08.2016, 13:43

http://www.bento.de/gefuehle/sexualbegl ... ex-710781/

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Lady Tanja
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Beitrag von Lady Tanja »

Habe bereits mehrfach das Gerücht gehört, auch in der Schweiz würden die Kosten von den KK übernommen.

Vielleicht hat die Journalistin Schweiz und Schweden verwechselt?

Im Übrigen werden die Kosten in der Schweiz NICHT übernommen, wie mir eine Schweizer Sexualassistentin versicherte.

Bei Schweden kann ich es mir wirklich nicht vorstellen. Wie bigott wäre das denn!

Mir sind an dem Artikel ganz andere Sachen aufgestossen und darum hab ich mal nen Blogartikel dazu verfasst:

http://schloesschen-sexualbegleitung-ha ... s-hamburg/

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

@Lady Tanja

Schweden war auch in diesem Bereich früher mal fortschrittlicher - früher (!).

Was Dein Blogbeitrag betrifft:
:023

Was die Deutsche Bischhofskonferenz angeht zitiere ich Psalm 007: Herr wirf Hirn vom Himmel

Kasharius grüßt

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Tilopa
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Beitrag von Tilopa »

Kurze Durchsage von der Deutschen Bischofskonferenz: Sexualassistenz ist Prostitution und deshalb verwerflich, wird aber akzeptiert, wenn sie von Angehörigen organisiert wird, "so sie dies moralisch vertreten können". :002
(Hervorhebungen von mir)



Telepolis: Sexualbegleitung für Menschen mit Behinderung - ein Tabuthema

Alexander und Bettina Hammer, Telepolis, 29.08.2016

Beim Thema Prostitution wird die Sexualbegleitung für Menschen mit Behinderung ausgeklammert - Und die katholische Kirche hat ihre ganz eigene Meinung dazu.

[...]

Diese Angst und die allgemeine Ablehnung der Prostitution führen dazu, dass sich beispielsweise auch die Deutsche Bischofskonferenz gegen die Sexualbegleitung ausspricht, so sie in kirchlichen Einrichtungen durch Pfleger geschehen soll:

Grundsätzlich abzulehnen ist der Geschlechtsverkehr zwischen einer Sexualbegleiterin und einem Menschen mit Behinderung, weil das eine Form von Prostitution ist. (Andreas Lob-Hüdepohl)
Das meint der wissenschaftliche Berater Andreas Lob-Hüdepohl, der erklärt:
Aus der Perspektive der katholischen Sexualmoral ist es nicht legitim, dass ein Pfleger jemandem, der in einer katholischen Behinderteneinrichtung lebt, eine Sexualbegleiterin vermittelt. Sexualität ist in einem solchen Fall nicht Ausdruck von Partnerschaft, und Missbrauch ist möglich. Es gibt auch kein Menschenrecht auf jede Form von Sexualität für Menschen mit Behinderung. (Andreas Lob-Hüdepohl)

Allerdings akzeptiert er es, wenn Angehörige auf Wunsch des Behinderten die Vermittlung übernehmen, so sie dies moralisch vertreten können. Vielfach wird in kirchlichen Einrichtungen schlichtweg auch von Regelungen, die Sexualbegleitung innerhalb der Einrichtung verbieten, abgewichen. Doch die offizielle kirchliche Meinung ist eher negativ, da von Ausbeutung sowohl der Begleiter als auch der Kunden ausgegangen wird (bzw. die Missbrauchsmöglichkeiten als hoch eingeschätzt werden).

[...]

Ganzer Artikel: http://www.heise.de/tp/artikel/49/49231/1.html

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Lady Tanja
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Beitrag von Lady Tanja »

Meine ganz aktuelle "kirchliche" Erfahrung:
In der Einrichtung nicht geduldet.
Darum muß nun ein Hotel gebucht werden (am besten weit weg, damit niemand was mitbekommt).
Und dann darf ich mich ins Hotel schleichen, um dort ein Schäferstündchen mit einem spastischem Rollifahrer zu verbringen.

Wirklich traurig. :-(

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

@Lady Tanja

na AMEN...

Manchmal bin ich schon froh, Protestand zu sein, oder beschreibst Du hier die "Praxis" eines evangel. Trägers!?

Kasharius grüßt

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Lady Tanja
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Beitrag von Lady Tanja »

@Kasharius

Katholischer Träger...

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Lucille
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Beitrag von Lucille »

"Es gibt auch kein Menschenrecht auf jede Form von Sexualität für Menschen mit Behinderung. (Andreas Lob-Hüdepohl) "

Ich glaub mein Schwein pfeift :-((

( Zitat von oben, aus Tilopas Beitrag)

Klaus Fricke
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RE: Sexualbegleitung/Sexualassistenz und Prostitution

Beitrag von Klaus Fricke »

Leitfaden des Runden Tisches "Sexualität & Behinderung" Bremen
für Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen

http://www.soziales.bremen.de/detail.ph ... c.62929.de

veröffentlicht über die Senatspressestelle des Landes Bremen
http://senatspressestelle.bremen.de/det ... 2.c.732.de

»Menschen mit Behinderungen, besonders mit geistigen Behinderungen, brauchen oft Unterstützung zur Entwicklung einer selbstbestimmten Sexualität. Ambulante und stationäre Einrichtungen für Behinderte nehmen diese Herausforderung inzwischen zunehmend an. Dazu gehört auch, dass in Wohneinrichtungen Möglichkeiten zur sexuellen Selbstbestimmung gestaltet werden. Der Runde Tisch "Sexualität und Behinderung" will auf Initiative der pro familia im Land Bremen diesen Prozess weiter befördern. Der Landesbehindertenbeauftragte und die Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport unterstützen diese Arbeit. Ziel ist es, Menschen mit Behinderungen Zugänge zu einer selbstbestimmten Sexualität zu sichern und andererseits auch die Grenzen zu formulieren.« (Aus der oben verlinkten Pressemitteilung der Senatorin Stahmann und des Behindertenbeauftragten Steinbrück)

Der Leitfaden befasst sich mit sexueller Gewalt gegen Behinderte. Sexualbegleiter_innen gehören nicht zu den Teilnehmenden des Runden Tisches. Was von der postulierten Anerkennung und Förderung des Menschenrechts auf selbstbestimmte Gestaltung der Sexualität, zu halten ist, zu dem selbstverständlich das Freiheitsrecht gehört, sein Begehren auch im Kontakt mit SW zu realisieren, zu der ich Sexualbegleitung und Assistenz zähle, wenn Sexualassistenz/-begleitung/SW nicht zum Bremer Runden Tisch gehören und das erste Thema mit dem sich der Runde Tisch befasst, das der sexuellen Gewalt und der möglichen Abwehr dieser Gefahr ist, das möge, unter Berücksichtigung der Durchdringung des institutionellen Lebens in Bremen durch die protestantisch-lutherischen (Sexual-) Ethik

»"Hurenheuser", schrieb Luther, würden Ehebruch, Vergewaltigung und andere sexuelle Verbrechen nicht verhindern sondern fördern. Sie seien immer "nur ursach und reizung gewest zu allen Sünden und lastern und wüstem leben" und er wisse nicht, wie "der Mann seines Weibs und Kinder ere bewaret, so eine Hure im huse hielte"« Martin Luther
(Quelle: Romina Schmitter, Prostitution - das älteste Gewerbe der Welt, Oledenburg 2. Auflg. 2007, S. 52)

ein jeder sich selbst ausmalen, Ob Behinderte dabei tatsächlich als Personen mit einem Recht auf Sexualität wahrgenommen werden? Oder ob sich die am Runden Tisch versammelten nicht doch eher der Meinung von Andreas Lob-Hüdepohl anschließen und damit das Freiheitsrecht Behinderter, sich um die Erfüllung ihres Begehrens zu bemühen, negieren?

Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Vielleicht gibt es am Runden Tisch Menschen, die der Sexualbegleitung bzw. Assistenz und damit der SW wenigstens im Ansatz Gehör schenken mögen. Eine Gelegenheit vielleicht auch für die Mitlesenden der Sexualbegleitungs- und Sexualassistenz, den Runden Tisch anzusprechen?

p.s.
Folgende Mail habe ich dazu soeben versandt

Sehr geehrte Beratungsstelle pro famila (als Initiatorin des Runden Tisches "Sexualität & Behinderung")
Sehr geehrte Frau Senatorin Stahmann
Sehr geehrter Herr Behnindertenbeauftragter Steinbrück

mit Interesse habe ich die im Betreff genannte Broschüre zur Kenntniss genommen. Ich bin erfreut, dass sich unter der Schirmherrschaft des Senats und des Bremer Behindertenbeauftragen ein Runder Tisch mit dem Thema "Sexualität & Behinderung" befasst und an ihm eine nicht kleine Anzahl von wichtigen Organisationen beteilgt sind. Ich würde mir einen vergleichbaren Runden Tisch zum Thema Sexarbeit in Bremen wünschen. Leider findet diese Idee in Bremen bisher wenig Unterstützung. Ich bedauere allerdings, dass am Runden Tisches "Sexualität & Behinderung" Bremen keine Vertreter_innen der Sexualassistenz bzw. -begleitung als regelmässige Teilnehmende beteiligt sind.

Ich möchte sie in diesem Zusammenhang auf die Diskussion zu Sexualität und Behinderung im Forum www.sexworker.at hinweisen. Ich habe dort die Bremer Initiative, die augenscheinlich von pro familia ausging dokumentiert und kurz kommentiert.
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Beitrag von Lady Tanja »

@Klaus

Kannst Du mir die Mailadressen per PM schicken?
Da würde ich mich gerne einklinken.

lg
Tanja

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Beitrag von Lady Tanja »

So, nun habe ich bei den entsprechenden Stellen auch meinen Senf dazugegeben.

Am erschütterndsten in dieser Pressemitteilung ist für mich der Satz:
"Zu den empfohlenen Präventionsmaßnahme zählen unter anderem:... eine offensive Aufklärung der behinderten Menschen über ihr Recht der sexuellen Selbstbestimmung mit geeigneten Materialien"

Vibrator oder Plastikmuschi können doch kein Ersatz für menschliche Nähe und Berührung sein. *grusel*

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Beitrag von Kasharius »

@Lady Tanja

doch, nach der katholisch/evangelischen Sozialethik offenbar schon skandalös, aber wahr!

Und das schreibe ich als praktizierender protesthantischer Christ.

Danke für Deine Solidarität.

Kasharius grüßt

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Beitrag von Lady Tanja »

Ob die Vertreter der Kirchen und anderer prüder Organisationen anders denken würden, wenn sie heute in das strahlende Gesicht meines dementen Gastes geschaut hätten, als ich in sein Zimmer kam?
Zitat meines Gastes: "oh wie schön. Das braucht die Seele".

Bin im Übrigen gespannt, ob sich irgendeine der Bremer Organisationen äußern wird...

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Beitrag von Kasharius »

Willst Du ne ehrliche Antwort auf Deine Frage:.....Nö!

Kasharius grüßt

Klaus Fricke
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RE: Sexualbegleitung/Sexualassistenz und Prostitution

Beitrag von Klaus Fricke »

...
sofern die angeschriebenen HB Org./Inst. sich melden, wäre es schön, hier davon zu lesen. Ich habe bisher keine Antwort erhalten. Ich zitiere daher, auch wenn es sich wiederholt, was Dorothea Buck zur Gesprächsverweigerung sagt:

"Tiefer kann ein Mensch nicht entwertet werden, als ihn keines Gesprächs für wert oder fähig zu halten."
Dorothea Buck, Bildhauerin, Ehrenvorsitzende des Bundes der Psychiatrie-Erfahrenen *5.4.1917
http://www.deutschlandfunk.de/krank-ode ... _id=234192

Wer so mit Seelen umgeht, wie es, folgt man dem "nö..." @kasharius, die Verantwortlichen in katholischen und evangelischen Kirchen wohl mehrheitlich tun und wie es, so befürchte ich die Verantwortlichen der von Dir angeschrieben Bremer Org./Inst. tun werden, trägt, die darin sich ausdrückenede Entwertung, die D. Buck anspricht, vollziehend, dazu bei, dass Verachtung "Schwächerer" oder "Anderer" gesellschaftsfähig wird. Das neofaschistische Kräfte stärkere Repräsentanzen gewinnen als Konservative ist eine Folge dieser Haltungen, bringt diese Haltungen nur in einer Weise zum Ausdruck, die sie als »Kontinuum der Barbarei« (Volkmar Sigusch) nicht nur erkenn- und unübersehbar, sondern direkt wirkmächtig machen.

Aber lass uns hoffen. Vielleicht sind die Leitenden von ProFamilia oder der Behindertenbeauftragte HB zum Dialog bereit. So Du, Lady Tanja, Dich der Sache dann weiter annehmen würdest, wäre einiges gewonnen. Wir vom "Haus9" haben in diesem Sachzusammenhang wenig an Praxis beizutragen.
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Beitrag von Kasharius »

@Klaus

zur Ehrenrettung muss gesagt werden, daß wohl auch kirchliche Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe gibt, die Sexualbegleiterinnen und Sexualbegleiter den Zugang zu ihren Kunden (dieser Terminus ist besser als "Bewohner") gewährleisten. Man sollte hier auch mal die Beauftragte der Bundesregierung für Menschen mit Behinderungen Verena Benthele mit der Problematik und den möglichen Nachteilen durch das Prostituiertenschutzgesetz konfrontieren.

Kasharius grüßt

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Beitrag von Lady Tanja »

Bisher keine Reaktion (und ich glaube auch nicht, daß noch eine kommt).

@Klaus

Warum sollte ich mich der Sache weiter annehmen? Meine Ressourcen sind zu kostbar, als daß ich sie mit aussichtslosem Tun vergeuden möchte.